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In dem Kapitel Paves Herz wird beschirmt besucht Pave mit dem Freund ihres Mannes, dem Schriftsteller und Arzt August Kaznačić und dessen Frau Carolina im Hochsommer 1848 einen Ölgarten auf der Halbinsel Lapad. Kaznačić soll Pave die Nachricht vom vermeintlichen Tod ihres Verlobten während der Kampfhandlungen in Italien überbringen. Dazu kommt es aber nicht und schließlich erweist sich auch das Gerücht über Peros Verscheiden als unwahr. Im Ölgarten bemerken die Spazier-gänger eine Äskulapnatter. Pave ist darüber erfreut, denn sie hat noch nie eine solche Schlange gesehen. Sie ist überzeugt, dass Äskulapnattern Sandvipern, die sie als böse bezeichnet, verschlingen. Außerdem hält sie diese Schlangen für die Schutzgeister der Gegend, da sie von Pero erfuhr, dass in Ragusa Vecchia (kroat. Cavtat), einer Ortschaft südlich von Dubrovnik, sich ein Heiligtum von Äskulap (Asklepios), dem Gott der Heilkunde befi ndet.

Die Äskulapnatter hat eine wichtige sinnbildliche Bedeutung. Sie steht für Hoffnung, Schutz und Heilung. Außerdem symbolisiert sie die ärztlichen Tugenden. In der griechischen Mythologie heißt es, dass Äskulap, Sohn von Apollon, einen Toten wieder zum Leben erweckte. Daraufhin bat der erzürnte Hades Zeus den aufsässigen Arzt mit einem Blitz zu erschlagen. Äskulap wurde meistens als ein bärtiger Mann

340 Ebd., S. 617.

341 Vgl. ebd., S. 652f.

342 Ebd., S. 663.

dargestellt. Sein Attribut ist ein Stab, der von einer Natter umwunden wird. Die Schlange galt schon vor der Entstehung der griechischen Mythen als ein mystisches Wesen, das mit Wunderheilungen in Verbindung gebracht wurde. Davon zeugt das Alte Testament. Im 4. Buch Mose ist z.B. von einer ehernen Schlange die Rede, dem Abbild einer Schlange, das aus Bronze oder Kupfer gefertigt wurde. Als Strafe für Undankbarkeit und Unglauben beschloss Gott die Israeliten während ihrer Wanderung ins Gelobte Land zu bestrafen, indem er giftige Schlangen unter sie schickte. Jeder, der von einer dieser Schlangen gebissen wurde, konnte jedoch zu der von Moses auf einem Stab aufgerichteten Metallschlange aufsehen, wodurch er geheilt wurde.343 Das Buch der Weisheit spricht davon, dass Gott die Israeliten in Schrecken versetzte und ihnen anschließend ein rettendes Zeichen gab. Sie sollten ermahnt und wieder dem Gesetz treu werden. Gleichzeitig demonstriert Gott seine Macht und zeigt sich als Beschützer Israels vor dessen Feinden. In folgender Passage ist davon die Rede:

Auch damals, als die schreckliche Wut wilder Tiere über sie hereinbrach und sie durch die Bisse tückischer Schlangen umkamen, dauerte dein Zorn nicht bis ans Ende. Zur Warnung wurden sie nur kurz in Schrecken versetzt und bekamen ein Rettungszeichen, damit sie sich an die Vorschrift deines Gesetzes erinnerten. Wer sich dorthin wandte, wurde nicht durch das gerettet, was er anschaute, sondern durch dich, den Retter aller. Dadurch hast du unsere Feinde überzeugt, dass du es bist, der aus allem Übel erlöst. Denn sie wurden durch die Bisse der Heuschrecken und der Stechfl iegen getötet, ohne dass es ein Heilmittel für sie gab; sie verdienten es ja, durch solches Ungeziefer gezüchtigt zu werden. Deine Söhne aber wurden nicht einmal durch die Zähne Gift spritzender Schlangen überwältigt;

denn dein Erbarmen kam ihnen zu Hilfe und heilte sie. Sie wurden gebissen, aber schnell wieder gerettet, damit sie sich an deine Worte erinnerten; denn sie sollten nicht in tiefes Vergessen versinken, sondern sich ungehindert deiner Wohltaten erfreuen.344

Im Neuen Testament fi ndet man eine Stelle, die an die Rettung der Israeliten vor den todbringenden Bissen der giftigen Schlangen erinnert. Der Menschensohn soll, wie zuvor die eherne Schlange, erhöht werden, damit jeder, der an ihn glaubt, vor der ewigen Verdammung bewahrt wird. Die nachstehende Passage aus dem Johannes-evangelium spricht davon:

Und wie Mose die Schlange in der Wüste erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, damit jeder, der (an ihn) glaubt, in ihm das ewige Leben hat. Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab, damit jeder, der an ihn glaubt, nicht zugrunde geht, sondern das ewige Leben hat. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird.

Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet; wer nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des einzigen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.345

343 Vgl. Num 21,4–9.

344 Weish 16,5–11.

345 Joh 3,14–18.

Als Christus ans Kreuz geschlagen wurde, kam es zu seiner »Erhöhung«. Auf diese Weise erwirkte er das Heil für alle Menschen, die an ihn glauben. Wenn der Christ mit Hoffnung und Vertrauen auf den Gekreuzigten blickt, erfährt er Heilung. Das erklärt auch die Tatsache, wieso die Schlange ein Sinnbild für Schutz, Heilung und Hoffnung ist und weshalb man in der Kunst manchmal Darstellungen des Kreuzes mit einer Schlange fi ndet. Die eherne Schlange ist ein Symbol, hinter dem sich Gott, der Retter verbirgt.346

Die Äskulapnatter ist das zentrale Symbol des Kapitels Paves Herz wird beschirmt.

August Kaznačić schafft es nicht, ihr die Nachricht von Peros vermeintlichem Tod mitzuteilen. Ob Zufall, Fügung des Schicksals oder Eingriff Gottes, Pave bleibt von einem schweren Leid verschont. Dafür steht auch sinnbildlich die Äskulapnatter.

Gleichzeitig verweist die Schlange auf zukünftige Ereignisse. Mehrere Jahre später soll die junge Frau auf eine Probe gestellt werden, die sie nicht besteht. Ihr Glaube ist dazu zu schwach. Nach dem Tod ihres Kindes schafft sie es nicht, sich vor Gott zu öffnen, ihm zu vertrauen und in ihrem Glauben Trost und Heilung zu fi nden.

Im Weltbild der Dichterin wird der Mensch immer wieder mit Schicksalsschlägen konfrontiert, doch Gott streckt ihm jedes Mal die helfende Hand entgegen. Das Leid soll den Menschen nicht vernichten, sondern seine Aufmerksamkeit auf den Erlöser richten. Deshalb bietet Gott immer einen Ausweg an, unabhängig davon, wie schwer und aussichtslos die Situation auch sein mag. Nun liegt es aber am Menschen, ob er diese Hilfe annimmt. Die Äskulapnatter soll auch daran erinnern.

Eines der Probleme, die in dieser Arbeit ansatzweise besprochen werden sollen, ist die Symbolik der Farben in den Werken der österreichischen Schriftstellerin. Manche wiederholen sich immer wieder, in denselben oder in verschiedenen Kontexten. Sowohl im Roman als auch in der später erschienenen Königslegende spielt die Farbe Blau eine besondere Rolle. Blau sind vor allem das Meer und der Himmel, die wichtigsten Bestandteile der mediterranen Landschaft in Preradović’ Texten. Während der Reise nach Zara sieht Pero die Adria „bis an die Unendlichkeit des Horizontes von Sonne beglänzt hinblauen“.347 Der Maestral ist ein „[…] Sommerwind, Mittagswind, blau blasend aus Nordwest […]“.348

Blau besitzt eine reiche Symbolik, die größtenteils aus der Bibel und der christlichen Ikonographie hervorgeht. Zunächst sollen jedoch einige Zeilen der nichtreligiösen Bedeutung dieser Farbe gewidmet werden. In der Malerei steht Blau häufi g für Ferne, Treue, Beständigkeit, Hoffnung und Freiheit. Die Farbe soll eine beruhigende, harmonisierende und emotional ausgleichende Wirkung besitzen. Andererseits steht sie für Sehnsucht und Melancholie. Blau wird auch mit Jugend, Tatkraft und Vitalität assoziiert. In der Epoche der Romantik erlangte das literarische Motiv der blauen Blume eine besondere Bedeutung. Es wurde zu einem Symbol der Sehnsucht und dem Sinnbild der Romantik schlechthin.

346 Vgl. Ursula DIEHL / Ruth MATTHAES: »Eherne Schlange«, in: Otto SCHMITT (Hrsg.): Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. 4, Stuttgart 1956, Sp. 817.

347 Paula von PRERADOVIĆ: Pave und Pero, a.a.O., S. 721.

348 Ebd., S. 379.

In der mosaischen Religion symbolisiert die Farbe Gott, Glauben und Offenbarung.

Drei Stellen der Tora sind für die Erörterung ihrer Bedeutung besonders relevant. Im 2. Buch Mose fi ndet man Beschreibungen des Stiftszeltes (hebr. Mischkan), eines transportierbaren zeltförmigen Tempels, der während der Wüstenwanderung der Israeliten das Zentrum des jüdischen Gottesdienstes bildete.349 Das Heiligtum wurde häufi g symbolisch gedeutet. Man sah in ihm ein Analogon zum »Himmelszelt« und ein Sinnbild des Kosmos.350 Unter den vier dominanten Farben des »Mischkan«, die den vier Elementen gleichgesetzt wurden, symbolisierte das Blau die Luft.351 Das 2. Buch Mose enthält auch eine detaillierte Charakteristik des Priestergewandes.352 Man kann annehmen, dass Blau – die Farbe des Mantels – bestimmend war. Durch eine solche Koloristik sollten die Priester und Laien ermahnt werden, an das Göttliche zu denken und in Weisheit zu handeln.353 In der frühen Theologie wurde Christus als

»Hohepriester« bezeichnet und deshalb manchmal in einem blauen Ephodmantel dargestellt.354

Schließlich sei noch an die »Zizijot«, also die Bündel von Fäden erinnert, die an den Ecken des jüdischen rituellen Gebetsmantels angebracht werden. Im 4. Buch Mose verlangt JHWH von den Israeliten, dass sie sich Quasten an die Kleiderzipfel nähen.

In deren weißen Baumwollstoff sollen techeleth-blaue Fäden verwebt werden.355 Ihren Sinn erklärt Gott folgendermaßen:

[…] Wenn ihr sie seht, werdet ihr euch an alle Gebote des Herrn erinnern, ihr werdet sie halten und eurem Herzen und euren Augen nicht nachgeben, wenn sie euch zur Untreue verleiten wollen. Ihr sollt so an alle meine Gebote denken und sie halten; dann werdet ihr eurem Gott heilig sein. Ich bin der Herr, euer Gott, der euch aus Ägypten herausgeführt hat, um für euch Gott zu sein, ich, der Herr, euer Gott.356

Der Kunsthistoriker Dietmar Schuth weist darauf hin, dass in der Passage ein durch seine Farbe charakterisiertes Objekt in eine Symbol- und Statthalterfunktion gerückt wird.357 Diese Textstelle begründet den symbolischen Gebrauch von Techeleth-Blau in der Bibel, wobei die Farbe Blau die moralische Konnotation der Gottestreue erhält.358 In der mittelalterlichen Malerei gab es immer wieder Darstellungen von Christus und Maria in blauen Mänteln. Dieser ikonographische Topos hat aller

Wahrschein-349 Vgl. Ex 25,8–40.

350 Vgl. Dietmar SCHUTH: Die Farbe Blau. Versuch einer Charakteristik, Münster 1995, S. 68.

351 Vgl. ebd.

352 Vgl. Ex 28,31–43.

353 Vgl. Dietmar SCHUTH, a.a.O., S. 69.

354 Vgl. ebd.

355 Derartige Schaufäden erwiesen sich jedoch als zu teuer. Da man aber Fälschungen nicht akzeptierte, wurden schließlich in der rabbinischen Kleiderordnung auch »Zizijot« in einer weißen Version legitimiert (vgl. ebd., S. 70).

356 Num 15,39–41.

357 Vgl. Dietmar Schuth, a. a. O., S. 70.

358 Vgl. ebd.

lichkeit nach nichts mit der hier erläuterten alttestamentlichen Bedeutung zu tun. Er leitet sich eher aus einer allgemeinen mittelalterlichen Symbolik der Farbe Blau als Himmelsfarbe ab.359

Welche dieser Lesarten ist für die Interpretation des Textes von Bedeutung? Man kann annehmen, dass Blau vor allem an die Präsenz Gottes in der Welt und an die göttlichen Verheißungen erinnern soll. Unabhängig davon, welches Schicksal den Protagonisten widerfährt, die Liebe und Fürsorge Gottes hört nie auf. Der Leser wird, ohne sich in die symbolischen Bedeutungsnuancen vertiefen zu müssen, immer wieder unmissverständlich auf die Gegenwart und den Beistand Gottes aufmerksam gemacht.

Mag der Mensch auch abtrünnig werden, Gott bleibt seinem Geschöpf immer treu.

Insofern besteht für den Menschen stets Hoffnung, unabhängig davon, wie aussichtslos ihm seine Lage erscheint. Die Farbe Blau ruft eine Stimmung der Ruhe hervor. Selbst die Tatsache, dass mancherorts von der »blauen Bora«, also einem stürmischen Wind die Rede ist, ändert nichts daran. Die Ruhe der Elemente liegt viel tiefer als in ihrem äußeren Erscheinungsbild. Auf der Grundlage der Beobachtung der Natur ist der Mensch in der Lage, den Schöpfer kennenzulernen.