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Die Anfange der Regionalpolitik

Die Anfange einer organisierten Regionalpolitik sowie der Regionalplanung ais Werkzeug dieser Politik lassen sich auf die Folgen der Weltwirtschaftskrise (in den Jahren 1929-1933) und der Einfuhrung verschiedener Formen wirtschaftlichen Handelns durch die damaligen Regierungen der wichtigsten Staaten Europas und Amerikas zunickzufuhren.

Die Krise jener Jahre fuhrte die Unwirksamkeit der bis dahin dominierenden li- beralen ókonomischen Doktrinen bei der Lósung neuer, schwieriger wirtschaftlicher und sozialer Probleme vor Augen und gab so Impulse fur die Entwicklung neuer Ideen im Bereich der ókonomischen Theorie und Praxis, darunter auch die Gestal- tung einer neuen Richtung in der modemen Volkswirtschaftslehre - des Keynesia- nismus.

Vertreter der Finanz- und Industriewelt sind mit der Forderung aufgetreten, von der liberalen Lehre abzusehen, nach der der Staat nicht in den freien Wettbewerb der Marktwirtschaft eingreifen soli, und neue Wege im Sinne eines Sich-Einmi- schens in die Wirtschaftsprozesse zu beschreiten, um so der Depression vorzubeu- gen, die Wirtschaft zu beleben sowie ein Wachstum der Produktion sowie der Um- satze und Gewinne zu erreichen.

Die Auswirkungen der Krisenerscheinungen waren unterschiedlich je nach geo- graphischer Lage der betroffenen Gegend: Am starksten in Mitleidenschaft gezogen waren die Lander und innerhalb der Grenzen dieser Lander wiederum die Gebiete (Regionen), dereń Industrie am weitesten entwickelt und in denen folglich der Zu- sammenbruch von Produktion, Einkommen und Beschaftigung am folgenschwer- sten war.

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Die territorial unterschiedliche Auspragung der Krise hatte zur Folgę, dass auch die durch die Staaten gegen die Krise ergriffenen MaBnahmen regional sehr unter- schiedlich ausfielen: In einigen Gebieten wurden besonders intensive Interventions- maBnahmen eingeleitet, und entsprechend effiziente Methoden und Vorkehrungs- mittel mussten zur Implementierung dieser MaBnahmen gefunden werden. Diese Aktivitaten waren der Anfang der gegenwartigen Raumordnungspolitik, die sich weiter entwickelte und eine immer wichtigere Rolle im Rahmen der allgemeinen Wirtschaftspolitik spielte. Unter den Staaten, in denen eine schnelle Entwicklung verschiedener Formen von Regionalpolitik stattgefunden hat, war auch die Repu­

blik Polen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Planung und Regionalpolitik in Polen wahrend der Zwischenkriegszeit

Ais Folgę des Ersten Weltkrieges tauchte 1918 emeut der polnische Staat auf der europaischen Biihne auf, nachdem er infolge der im ausgehenden 18. Jahrhundert durch die drei damaligen GroBmachte Russland, Ósterreich und PreuBen durchge- flihrten Teilungen 123 Jahre lang von der europaischen Landkarte verschwunden gewesen war.

Die Gestalt des neuen „Wiederhergestellten Polens” pragten Gebiete, die jeweils am AuBenrand der Herrschaftsbereiche der verschiedenen Teilungsmachte gelegen hatten und deswegen marginalisiert und schlecht, wenn nicht sogar oft wie Feindes- land behandelt und wirtschaftlich vemachlassigt worden waren. In dieser Bezie- hung wiesen die ehemaligen Teilungsgebiete untereinander groBe Unterschiede auf und manifestierten

- verschiedene Stufen der wirtschaftlichen und zivilisatorischen Entwicklung, - verschiedene Stufen der Industrialisierung und Urbanisierung,

- unterschiedlichen Lebensstandard und unterschiedliche Lebensbedingungen der Bevólkerung,

- verschiedene Entwicklungsstufen der Infrastruktursysteme, insbesondere im Verkehrs- und Energiewesen.

Zudem hatten dort lange Zeit verschiedene Rechtsvorschriften, Wahrungs-, Kre- dit- und Zollsysteme sowie Wirtschaftsstrukturen u.a.m. geherrscht.

Die Notwendigkeit der Vereinheitlichung und Verschmelzung der Gebietskór- perschaften des wiederhergestellten Staates, des Wiederaufbaus der durch den Krieg zerstorten Stadte und Siedlungen, der Inbetriebnahme der stillgelegten bzw.

durch die Teilungsmachte evakuierten Produktionsstatten - um nur die wichtigsten Punkte zu nennen - fuhrte dazu, dass sich der jungę Staat groBen Herausforderun- gen in Bezug auf die Raumordnung zu stellen hatte, um die staatliche Einheit wie- derherzustellen und den Entwicklungsprozessen innerhalb des neu entstandenen Staatssystems eine Richtung zu geben. Um diese Aufgaben zu meistem, wurden MaBnahmen ergriffen, wie zum Beispiel:

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- Wiederaufbau und Bewirtschaftung zerstórter Wohnungsbestande, Industrie und Verkehrssysteme,

- Bau eines modemen Seehafens und der modemen Stadt Gdynia, was ange- sichts der Tatsache, dass neu entstandene Freistaat Gdańsk nicht in den Grenzen des polnischen Staates lag, notwendig war,

- Bau der groBen Eisenbahnlinie Schlesien-Gdynia,

- Bau der Eisenbahnlinie Warszawa-Poznań und andere Investitionen.

Um diese Vorhaben in die Tat umsetzen zu kónnen, war es unbedingt notwendig, verschiedene Instrumente zur Umsetzung dieser MaBnahmen zu fmden - Raumord- nungsplane fur die Stadte und Gemeinden, ihr naheres und weiteres Umfeld, und schlieBlich Leitvorstellungen fur die groBeren Raumeinheiten - Regionen und Land.

Ein Verstandnis fur diese Bediirfnisse war am friihesten bei den Vertretem der Wissenschaft vorzufinden. Schon 1923 wurde auf Veranlassung Professor Oskar Sosnowskis, Ordinarius fur polnische Architektur an der Fakultat fur Architektur der Technischen Universitat in Warszawa, der Verein Polnischer Stadtplaner ge- griindet, einer der weltweit ersten fachspezifischen Vereine im Bereich der Urbani- stik, in dem sich anfanglich Architekten - Stadtplaner, die ihre Ausbildung bei Pro­

fessor Tadeusz Tołwiński (Lehrstuhl fur Urbanistik der Technischen Universitat in Warszawa) bzw. Professor Ignacy Dreksler (Technische Universitat Lwów) absol- viert hatten, zusammenschlossen. Der Verein Polnischer Urbanisten wurde bald zu einer fachiibergreifend tatigen Organisation, in der sich Spezialisten verschiedener Richtungen trafen, die an der Stadteplanung und der Durchfuhrung der Raumord- nungsplanung fur Stadte, Regionen (Woiwodschaften) und andere Raumeinheiten interessiert waren1.

Ihnen ist zu verdanken, dass schon 1928 eine Verordnung des Staatsprasidenten der Republik Polen zu „Baurecht und Siedlungsbebauung” erlassen wurde. Es war dies einer der ersten Gesetzgebungsakte in der Welt, die sich mit dem Thema der Raumplanung befassten und Grundsatze der Bebauung und Raumgestaltung von Stadten, Siedlungen, und anderer Flachen regelten.

Diese Verordnung fiihrte einheitliche Vorschriften und Grundsatze fur Investitio- nen und Raumordnung ein (bis dahin galten ganz unterschiedliche Regelungen in jedem der ehemals besetzten Teile Polens), zudem ein entsprechendes ókonomi- sches Instrumentarium sowie Ansatze einer aktiven Raumordnungspolitik, indem eine ganze Reihe von Steuerbegiinstigungen fur private Investoren beschlossen wurden, die bereit waren, Investitionen in den wirtschaftlich unterentwickelten und wenig industrialisierten Gebieten zu tatigen.

Die Verordnung des Prasidenten der Republik Polen war Grundlage fur die we­

nig spater (s.u.) erfolgte Grundung der ersten Institutionen in Polen, die sich mit Regionalplanung befassten:

1 B. M alisz, P rzyszły kształt Polski, W arszaw a 1976, S. 64.

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Bis zum Jahr 1939 wurden landesweit 13 Biiros (Arbeitsstellen) fur Regionalpla- nung eingerichtet2.

Im Juli 1936 verabschiedete der Sejm das Gesetz zur Novellierung der Verord- nung des Staatsprasidenten der Republik Polen von 1928, in dem der Geltungsbe- reich der Raumordnungsplanung erheblich erweitert wurde. Mit dieser Novellierung wurde ein neuer Begriff und eine neue Planungkategorie in Form der so genannten

„regionalen Bauleitplanung” sowie der Grundsatz der dreistufigen Raumplanung eingefuhrt.

Im selben Jahr wurde unter der Agide des damaligen stellvertretenden Premier- ministers Eugeniusz Kwiatkowski wahrscheinlich die weltweit erste Arbeitsstelle fur Raumplanung und Landesplanung eingerichtet, dereń Leitung Stanisław Males- sa ubemahm.

Durch die aufgenommene Raumforschung und die soziookonomische Analyse wurde in dieser Arbeitsstelle das erste Leitkonzept fur Raumwirtschaft in Polen er- arbeitet3.

Neue Einrichtungen und Rechtsgrundlagen schafften die Móglichkeit, weit ange- legte Analyse- und Planungsarbeiten vorzunehmen, in denen die dreistufige Raum­

planung praktisch angewendet wurde, die auf lokaler (órtlicher bzw. urbanisti- scher), regionaler und Landesebene durchgefuhrt wurde.

Indem man das System der Raumordnungsplanung auf eine neue Grundlage stellte, erweiterte man den Kompetenzrahmen der Piane, die nun neben den raum- lich-technischen auch irnmer mehr soziookonomische Fragestellungen miteinbezo- gen. Die Kenntnisse und das Wissen im Bereich der Raumplanung wurden irnmer fundierter; die Raumplanung gewann immer mehr an Bedeutung bei der Lenkung der Entwicklungsprozesse des Landes, der Regionen und der Stadte.

Unter den interessantesten Bearbeitungen zum Thema Regionalplanung ist der Raumordnungsplan fur Skalne Podhale (Verfasser: Jan Chmielewski) zu nennen, der sich mit der am FuBe der Tatra liegenden Gebirgskette Witów—Bukowina auf einer Gesamtstrecke von ca. 40 km befasste. Die durch den Plan zum Ausdruck ge- brachte Absicht war die Schaffung von Leitvorstellungen fur eine rationale raumli- che Planung der bis dahin unkoordiniert ablaufenden Errichtung von Siedlungen und touristischen Objekten sowie Sanatorien entlang einer neu zu errichtenden Strasse und elektrischen Eisenbahnlinie. Mit dieser Planung hatte man auch vor, das auf polnischer Seite liegende Gebiet der Hohen Tatra zu schutzen und der

uberma-J. L eśniak, P lanow anie przestrzenne, W arszaw a 1985, S. 25 ff.

3 B. M alisz, Przyszłym ..., op. cit., S. 68.

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Bigen Zentralisierung auf den Ort Zakopane entgegenzuwirken. Das Plankonzept wurde jedoch nicht verwirklicht, und die zugrunde liegende Problematik, die sich in der Zwischenzeit noch um einiges verscharft hat, harrt bis heute einer Lósung.

Eine andere hervorragende Leistung der Zwischenkriegszeit ist der in den Jahren 1933-1936 entstandene Bericht iiber die raumliche Entwicklung der GroBstadt mit dem Titel „Funktionelles Warszawa” (Abb. 1).

O G A R W O L IN

A b b . 1. S chem a vom „Funktionalen W arszaw a” (nach J. C hm ielew ski und S. Syrkus, 1936)

Diese Bearbeitung gilt ais Vorbild fur spatere Modelle einer urbanisierten Regi­

on. Das Konzept der Verfasser (Jan Chmielewski und Szymon Syrkus) basiert auf dem Vorschlag einer Dezentralisierung der Funktion Warszawa, einer Stadt, die da- mals ca. 1,3 Mio. Einwohner zahlte, die wegen der zu groBen Konzentration der Be- bauung und der Vielfalt an Funktionen nicht imstande war, sich rational zu entwik- keln. Die Prozesse der Dezentralisierung sollten durch Lokalisierung der Wohnfunktion, der Industriestandorte und der wichtigsten Dienstleistungen in zwei Hauptrichtungen der Stadtentwicklung durchgefuhrt werden:

a) die Richtung Nord-Siid, von Modlin bis Czersk (ca. 105 km) b) die Richtung Ost-W est, von Tłuszcz bis Żyrardów (ca. 130 km).

Im Bereich der damaligen Stadtmitte, an der Kreuzung der vorstehend genannten Entwicklungslinien, sollte ein urbanes hauptstadtisches Dienstleistungszentrum ent- stehen.

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An der Kreuzung der Hauptverkehrswege wurden Flachen ausgewahlt, auf denen sekundare Dienstleistungszentren (gedacht fur Stadtteile und Siedlungen) entstehen sollten, die die Stadtmitte entlasten sollten.

Die auBerhalb der Entwicklungsrichtungen liegenden Gebiete sollten ais „urbani- stisch passiv” in Gestalt vier offener Keile eine Erholungs- und Freizeitfunktion er- ftillen und der Entwicklung der Landwirtschaft und des Gartenbaus dienen.

Das Vorkonzept „Funktionelles Warszawa”, das 1933 auf dem Intemationalen Kongress fur neues Bauen prasentiert wurde, war eine der wichtigsten Anregungen fur die Verabschiedung der „Charta von Athen”, in der die Grundsatze stadtebauli- cher Raumgestaltung festgelegt wurden und die ąuasi zu einem Manifest der mo­

demen Urbanistik und Raumordnung wurde.

In den eingerichteten Buros fur Regionalplanung wurden analytische und Pla- nungsstudien groBer Raume des Landes erarbeitet, die ais so genannte „regionale Bauleitplane” bekannt sind. Bis zum Jahr 1938 wurden in den Bearbeitungen iiber 50% des damaligen Staatsgebietes erfasst (Abb. 2).

Abb. 2. G ebiete „regionaler B auleitplane” in Polen im Jahr 1938

A - B ezirke d er regionalen B ebauungsplane; 1 - Bezirk W arszaw a, 2 - Ł ódź, 3 - P oznań, G ebirgsgebiete der W oiw odschaft S tanisław ów , 5 - N ordteil der W oiw odschaft Pom orze, 6 - K raków , 7 - K ohle- und Stahlre- viere, 8 - Białystok, 9 - W ołyń, 10 - Lw ów , 11 - Kielce-Radom ; B - A nnahernde G renze der Detailstudien (C und B enthalten im Plan d er G ebirgslander); D - A nnahernde G renze d er Studien des Z entralen Industrie- reviers (CO P)

Quelle: J. L eśniak, P lanow anie p rzestrzenne, W arszaw a 1985, S. 26.

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Man erstellte auch das Entstehungskonzept des Zentralen Industriereviers (Cen­

tralny Okręg Przemysłowy - COP). Hierbei handelte es sich um das groBte wirt- schaftliche Vorhaben der Zwischenkriegszeit, das in den Jahren 1937-1939 umge- setzt wurde und folgende Ziele verfolgte:

- Beitrag zur nationalen Verteidigung, was angesichts der in Nazideutschland offen getroffenen Kriegsvorbereitungen zur Notwendigkeit wurde;

- detaillierte Planung fur eine systematische landesweite Industrialisierung;

- Abbau bestehender ókonomischer Ungleichgewichte zwischen den Regionen.

Der COP umschloss 46 Landkreise der damaligen Woiwodschaften: Kielce, Lu­

blin, Kraków und Lwów, die insgesamt ca. 15% der Landesflache ausmachten und auf der ca. 18% der Bevolkerung Polens wohnten. Die Flachę des Zentralen Indu- striereviers erstreckte sich iiber 3 groBraumige Regionen, in denen der GroBteil der Investitionen durchgefuhrt wurde:

• Region Radom-Kielce:

- Bau industrieller Standorte fur das Metallgewerbe, den Maschinenbau und die Rustungsindustrie in Radom, Starachowice, Skarżysko-Kamienna, Ostrowiec Świętokrzyski

• Region Lublin:

- Bau industrieller Standorte fur das Metallgewerbe, den Maschinenbau, den Fahrzeugbau und die Munitionsindustrie in Świdnik, Kraśnik und Lublin

• Region Sandomierz-Rzeszów:

- Bau der Stahlwerke und der Stadt Stalowa Wola, der Reifenwerke und der Fabrik fur synthetischen Kautschuk in Dębica, der Automobilwerke in Mielec, der Motoren- und Werkzeugmaschinenwerke in Rzeszów, der Waf- fenfabrik in Sanok, des Wasserkraftwerkes in Rożnów und andere.

In den fast drei Jahren sind in den Grenzen des Zentralen Industriereviers (COP) fast 10 Tsd. neue Arbeitsplatze entstanden. Die weiteren Investitionen wurden durch den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und den Einmarsch der Wehrmacht bzw. der Roten Armee unterbrochen.

Das System der Raumordnungsplanung und Regionalpolitik in der VoIksrepublik Polen

Die Kriegshandlungen und die fast 6 Jahre andauemde deutsche Besatzung pol- nischer Gebiete richteten betrachtliche demographische und Sachschaden an. Die Bevólkerungszahl Polens war 1945 um fast 11 Mio. geringer ais bei Ausbruch des II. Weltkrieges4. Das Territorium des Landes verringerte sich im Vergleich zur Vor- kriegszeit um fast 20% von 390 Tsd. km2 auf 312 Tsd. km2 Lwów und Wilno, wich- tige Zentren der nationalen Kultur, und mit ihnen fast 75% der Erdól- und Erdgasla- gerstatten sowie reiche Kalisalz-, Steinsalz-, Kaolin-, Quarz-, Baustein- und

4 N ach A ngaben der Y olkszahlung von 1946.

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Braunkohlestatten befanden sich nicht mehr auf polnischem Staatsgebiet. Gleichzei­

tig gewann man aber durch die Grenzverschiebung groBe, in den so genannten

„Wiedergewonnenen Gebieten” liegende Bestande an Steinkohle und Braunkohle, Zink-Blei-Erz, Kupfererz, Nickelerz sowie Lagerstatten mineralischer Rohstoffe hinzu, zusammen mit stark industrialisierten und urbanisierten Gebieten einschlieB- lich bedeutender GroBstadte wie Olsztyn, Gdańsk, Koszalin, Szczecin, Wrocław, Wałbrzych, Opole und Gliwice, die jedoch zum gróBten Teil entvólkert, zerstórt und ruiniert waren.

Die Sachverluste in der Wirtschaft, bezogen auf das Gebiet innerhalb der gegen- wartigen Staatsgrenzen, wurden auf 39% des Nationalvermógens von 1939 ge- schatzt, darunter ca. 33% industrielle Werte, 35% landwirtschaftliche Werte, 56%

im Bereich der Verkehrswege und 30% im Handel. Den Gesamtumfang an Schaden an Wohn- und Verwaltungsgebauden schatzte man auf ca. 30%5.

Angesichts landesweit herrschender Not, der Notwendigkeit der Triimmerbeseiti- gung und des Wiederaufbaus der in Schutt und Asche gelegten Stadte und Siedlun- gen, des Wiederaufbaus und der Wiederinbetriebnahme industrieller Einrichtungen, der Wiederherstellung von Verkehrsverbindungen und der Verlagerung groBer Menschenmassen in die neuen Staatsgrenzen wurden die fortschrittlichen Traditio- nen der Raumplanung im Vorkriegspolen schnell wiederbelebt und noch ausgebaut.

Begunstigt wurde dies durch Planungsarbeiten, die wahrend des Krieges auf Anord- nung der Londoner Exilregierung angefertigt worden waren, sowie durch die schnelle Riickkehr der an diesen Planungen beteiligten Urbanisten sowie der in der Raumplanung tatigen Spezialisten nach Polen, die hofften, sich dadurch aktiv an den Aufbau- und Neuordnungsprozessen im Lande beteiligen zu kónnen. Dank des Engagements des Leitungsstabs wurde schon am 2. April 1946 das Dekret „Uber die Raumordnungsplanung des Landes” erlassen. Es war dies ein grundlegender und wegbereitender Rechtsakt, ein Beweis fiir die Lebendigkeit und den Eifer der Raumplaner und Fachkrafte nach den langen, schweren Kriegsjahren, und ein Aus- druck ihrer Hoffnung, dass unter den neuen Bedingungen der schwer erkampften Souveranitat die Grundlagen fur die Verwirklichung der hohen gesellschaftlichen Ziele der Raumplanung geschaffen wurden. Es ist hervorzuheben, dass das Dekret anderthalb Jahre vor dem Dekret uber die Nationale Planwirtschaft (Oktober 1947) erlassen wurde, durch welches in Polen das System der zentral gesteuerten Plan­

wirtschaft nach dem Muster des sowjetischen Systems eingefuhrt wurde.

Das Dekret uber die Raumordnungsplanung des Landes legte unter anderem fest, dass alle Aktivitaten im Bereich der Flachennutzung und der raumlichen Verteilung der Bevólkerung an die Bestimmungen der Raumordnungsplane anzupassen sind, wodurch die hohe Rangstellung und die Nutzlichkeit dieser Piane hervorgehoben wurde.

5 J. K aliński, G ospodarka P o lski w latach 1944-1989, W arszaw a 1995, S. 9 ff; J. K aliński, Z. Landau, G ospodarka P o lski w X X wieku, W arszaw a 1999, S. 182 ff.

E ntstehung und E ntw icklung der Raum planung und der R egionalpolitik in Polen 81

Das Dekret ging emeut aus vom Grundsatz der Raumplanung auf drei Ebenen und machte ihn zum tragenden Konzept der Nachkriegsraumplanung. Es wurden In- stitutionen eingerichtet, die fur diesen Tatigkeitsbereich zustandig waren:

- auf Landesebene: das Hauptamt fur Raumplanung;

- auf der Ebene der damaligen Woiwodschaften: regionale Leitstellen fur Raumplanung.

Die Arbeiten an den órtlichen Planen (Stadtebau) wurden mit Hilfe von Projekt- btiros und hauptsachlich durch die einberufenen „Stadtprojekte” umgesetzt. Ais groBer Erfolg dieser Einrichtungen gilt unter anderem die Aufstellung der so ge- nannten „Ordnungsplane” oder „vereinfachten allgemeinen Piane” fur alle Stadte der „Wiedergewonnen Gebiete” in den Jahren 1946-1949. A uf der regionalen Stufe wurden unter anderem aufgestellt:

- Plan fur den Hafenkomplex Gdańsk-Gdynia;

- Plan fur das Niederschlesische Kohlenrevier;

- Plan fur den Stadtkomplex Warszawa.

Gleichzeitig begann das Hauptamt fur Raumplanung (GUPP) ein Landespla- nungskonzept zu erarbeiten. Man entwickelte umfangreiche Umweltkonzepte (raumliche Verteilung der Rohstoffe, Bodenarten, touristische und der Erholung dienende Beschaffenheiten der Flachen und andere), Konzepte fur Industriestandor- te, Ansiedlungen sowie demographische Untersuchungen, welche notwendig waren fur die Flachen, die sich jetzt in den neuen Staatsgrenzen befanden.

Das Landesplanungskonzept kniipft an die Grundsatze des „Funktionellen War­

szawa” an, das von einem Fachplanungssystem der zu ergreifenden raumwirksa- men, infrastrukturellen, fachiibergreifenden und raumliche Fachplanungen betref- fenden MaBnahmen ausgeht (Planungen fur Verkehrslosungen, Auf- und Ausbau des Stromversorgungsnetzes usw.), die zentrale Aspekte der Wirtschaftstatigkeit und Verdichtungsraume miteinander verknupfen (Abb. 3).

In den so festgelegten „Entwicklungsstreifen” sollten Prozesse intensiver Bewirt- schaftung durch die Ansiedlung neuer Industriestandorte und Dienstleistungsberei- che sowie Urbanisierung stattfinden. In den Vorschlagen zur raumlichen Verteilung der Industrie wurden Leitvorstellungen hinsichtlich der Deglomeration des Ober- schlesischen Industriereviers (GOP) durch Starkung der benachbarten Zentren Opo­

le, Częstochowa, Kraków und Bielsko-Biała beriicksichtigt. Man beschloss auch die Bildung neuer „Wachstumskeme”, die die nórdlichen und óstlichen Teile des Lan- des beleben sollten, die damals schwach industrialisiert waren: Am Zusammenfluss der Flusse Wisła und San (Ankniipfung an das Konzept „COP” der Vorkriegszeit), bei Piła und in der Region Białystok-Lomża. Das Konzept sah eine Umsetzung in drei Etappen vor:

Etappe I - Aufbau und Abschluss der Migrationsbewegungen - bis 1950, Etappe II - Periode der Industrialisierung des Landes - bis 1965,

Etappe III - volle Urbanisierung, Entwicklung von Ansiedlungen und Dienstlei- stungen - bis 1985.

6 - Polityka regionalna..

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Abb. 3. L andesplanungskonzept. R ichtungstendenzen

Quelle: G łów ny U rząd P lanow ania Przestrzennego, W arszaw a 1946.

In vielen rtickblickend vorgenommenen Bewertungen hebt man die weitgehende Ubereinstimmung zwischen den in dem Konzept vorgelegten Leitvorstellungen mit dem darauf folgenden, tatsachlichen Verlauf der Wirtschaftsprozesse hervor. Die Verfasser des Konzeptes werden auch ais Vater der Folgekonzepte fur die Raumordnung des Landes angesehen, insbesondere der in den 70er Jahren und Ende der 90er Jahre entstandenen Konzepte.

Eine gravierende Schwachstelle dieses Konzeptes und anderer Raumplanungs- konzepte dieser Zeit bestand jedoch darin, dass es keine Koordination mit den da- maligen Anfangen der Wirtschaftsplanung gab.

Dieser Schwachpunkt und auch die institutionelle Trennung beider Planungssy- steme sowie die unterschiedliche Rangstellung der Planungsbehórden (GUPP und CUP) im Staatsaufbau, ihre unterschiedlichen Zielsetzungen und Herangehenswei- sen (rationale Verteilung und langfristige harmonisierte Entwicklung der Raumpla­

nung gegeniiber laufenden Schwierigkeiten bei der Aufnahme der industriellen Pro- duktion und Verkehrsleistungen, Emaherung der Bevólkerung, Aufbau des Landes und dergleichen, Probleme der Wirtschaftsplanung) wurden zum Anlass heftiger Kritik an der Raumplanung seitens politischer und regierungsnaher Kreise.

Das System der Raumplanung in Polen wurde angesichts dessen zusehends abge- baut (1949): liąuidiert wurde das Hauptamt fur Raumplanung, aufgelost wurden die regionalen Leitstellen fiir Raumplanung, die órtliche Planung wurde in den Kompe- tenzbereich des Bau- und Baustoffindustrieministers verschoben.

E ntstehung und Entw icklung der Raum planung und der R egionalpolitik in Polen 83

Folgerichtig wurden die Regional- und Landesplanung aufgegeben und durch die so genannten órtlichen Querschnitte der Wirtschaftsplane ersetzt, die órtliche Pla­

nung geriet dagegen infolge ihrer Abtrennung von der Landes- und Regionalpla- nung in eine Krise.

Auf diese Weise wurde eine der wichtigsten Perioden in der polnischen Nach- kriegsgeschichte - der Sechsjahresplan (1950-1955), im Rahmen dessen ein sehr umfangreiches Investitionsprogramm umgesetzt wurde, das fur mehrere Jahrzehnte

Auf diese Weise wurde eine der wichtigsten Perioden in der polnischen Nach- kriegsgeschichte - der Sechsjahresplan (1950-1955), im Rahmen dessen ein sehr umfangreiches Investitionsprogramm umgesetzt wurde, das fur mehrere Jahrzehnte