von
D r. L u d w i g K a e m m e r e r in Berlin.
„S is kum ilis“ . rofessor
August Schmarsow
glaubtedie W ü rd e de r K u n stg e sch ich ts
forschu ng v o r de r K ö n ig lic h Sächsischen G esellschaft de r W is senschaften zu L e ip z ig w a hren zu s o lle n , in d e m er es u n terna hm , die d u rc h
Lionel Custs
P u b lik a tio n 1 w ie d e r m e h r in den V o rd e rg ru n d g e rü c k te F rage n a c h d e r E rfin d u n g d e r D a rs te llu n g e n aus d e r ars m o rie n d i in den B e ric h te n d e r ge nannten ge le hrten G e s e lls c h a ft2 v o n einem S ta n d p u n k t zu b e a n tw o rte n , zu w e lche m d e r beschrä nkte „ Ik o n o g ra p h e n “ - ve rsta n d sich niem als zu erheben verm o chte. N a c h dem so v o n o b e n h e r ein S trah l in den tiefe n S chacht d e r angeregten F rage g e w o rfe n , in dem bishe r n u r geschulte B erg le ute zu schürfen wagten, w ir d m an v ie lle ic h t auch einer S tim m e v o n un ten G e h ö r gönnen. — Z u v ö rd e rs t bekenne ic h , dass das so h o c h aufgesteckte L ic h t den an die trü b e G ru b e n la m p e de r K u p fe rs tic h k u n d e G ew ö hn te n m eh r b le n d e t als erleuchtet. Es zün ge ln a lle rle i ästhe
tische u n d geschichtsphilosophische N e b e n lic h te r daraus h e rv o r, u n d ein D u n s tk re is v o n v ie ld e u tig e n , h o c h tö n e n d e n , hie u n d d a überflüssigen W o rte n v e rs c h le ie rt die S tichfla m m e m e h r als gut.
D o c h ic h w ill den le tztg erüg te n Ü b erflu ss — o d e r M a n g e l? — h ie r n ic h t w e ite r pa ro d ie re n , v ie lm e h r im tro c k e n e n T o n des Ik o n o g ra p h e n d e r S treitfrag e u n d d e n S tre ite rn g e re ch t zu w e rd e n versuchen.
D ie K u n s t zu sterben w a r im späten M itte la lte r, d e r Z e it d e r „g ro sse n S terben“ , d e r M en schh eit zw ar geläufig, aber die G e is tlic h k e it h a tte gu ten G ru n d , d e n W e g zum T o d e m it m ahnenden S ta tio n e n zu fla n k ie re n , die a u f die G efahren u n k irc h lic h e r G esinnung in den le tzte n Lebensstunden hinw iesen. M atthä us v o n K r o k o w , 1 4 0 5 — 1410 B is c h o f v o n W o rm s, w ir d als V erfasser eines
S peculum artis bene m o rie n d i g e n a n n t3, u n d etwa u m die Z e it 1 4 1 2 — 20 h a t m an die m ittle rw e ile auch v o n Joh an n G erson in seinem O pus trip a rtitu m aufgegriifene M a te rie zum V o lk s e rz ie h u n g s m itte l u m g e b ild e t.4 A ls solches k o n n te der e rb au lich e T e x t dem L a ie n d e rz e it n u r n u tz b a rlic h werden, w e n n er m it B ild e rn ausgestattet w u rde . H ie r s o llte V ergangenes u n d Z ukün ftiges als G egen
w ärtiges v o r A u g e n stehen. „ U t óm nibus ista m a te ria sit fructuo sa et nu llu s ab ipsius speculatione secludatur, sed in d e m o ri s a lu b rite r discat,
tarn litteris tantum litterato deservientibus, quam yma- ginibus laico et litterato deservientibus cunctoruni oculis obicitur.
Q ue dúo se m u tu o c o rre s p o n dentes h a b e n t se ta m q u a m speculum , in quo p re té rita et fu tu ra ta m q u a m praesentia speculantur.Q u i ergo bene m o r i v e lit, ista cum sequentibus d ilig e n te r co n sid e re t“ . So schliesst die V o rre d e des B lo c k b u c h s , die sich üb erdies a u f d e n „c a n - c e lla riu m parisiensem “ als G ew ährsm ann b e ru ft (was Jean G erson n u r w ä h re n d d e r Jahre 1 4 1 2 — 1419 w a r) u n d beweist, dass H a n d s c h rifte n m it M a le re ie n aus dem A n fa n g des fü n fze h n te n Jahrhunderts e xistie rt haben müssen. Bis in das siebzehnte J a h r
h u n d e rt h in a b b e w ä h rte de r S to ff seine K r a ft.
Z a h lre ic h e A usgaben u n d Ü b erse tzu nge n in fast a lle n K u ltu rs p ra c h e n legen Zeugnis d a fü r ab, m it w e lch e m H e isshu ng er m an die asketische N a h ru n g aufnahm .
Dass die v e rv ie lfä ltig e n d e K u n s t eines so be
lie b te n G egenstands sich frü h b e m äch tigte, d a r f fü g lic h n ic h t W u n d e r nehm en.
U n te r den zah lre iche n H o lz ta fe ld ru c k e n de r K u n s t des Sterbens g a lt d e r n u r in einem E x e m p la r b e kan nte, den W e ig e l in K ö ln erw arb, u n d de r je tz t im B ritis h M useum a u fb e w a h rt w ird , als der, dessen D a rs te llu n g e n alle ü b rig e n k o p ie rt haben, als E d itio p rin c e p s .3 Schm arsow n u n sucht diese A n s ic h t W eigels m it vie len , zum T e il neuen A rg u m e n te n zu v e rte id ig e n gegen die A n fe c h tu n g e n 1 The master E . S. and the „ Ars m o r ie n d iOxford. Clarendon Press. 1898 fol.
2 A . Schmarsow: D er Meister E . S. und das Blockhuch „A rs moriendi.“ Ber. der philologisch-historischen Klasse der Königl. Sachs. Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig. Sitzung vom 4. Februar 1899.
3 Allerdings nur in einer Ausgabe von 1470, während eine Handschrift aus dem Jahre 1437 keinen Verfasser nennt.
4 Nach Weigel wäre das Speculum nur eine Erweiterung der sicherlich schon vor dem Constanzer Concil (1414) entstandenen Ars moriendi. Jedenfalls sind beide Schriften aus dem Gedankenkreis des deutschen und niederlän
dischen Mystizismus zu Beginn des XV. Jahrhunderts hervorgegangen. Zu ihrer Verbreitung mögen die Brüder vom gemeinsamen Leben, die sich m it dem Vertrieb religiöser Volkslitteratur besonders befassten, beigetragen haben.
3 Nach D u tu it: M anuel de Hamateur d’estampes Ia. p. 51 sollen die Holzstöcke der Figurentafeln in einer, eben
falls nur in einem Exemplar erhaltenen, späteren typographischen Ausgabe L ’art au morier (vielleicht in K öln ge
druckt) ein zweites Mal benutzt worden sein.
Z. f. B. 1899/1900. 29
2 2 6 K a e m m e re r, A rs m o rie n d i re d iv iv a etc. viele Einzelheiten der komplizierten Materie bringen.
3 a. a. O. Planches Nr. I —IV. Vgl. auch Sotheby, Monumenta typographica II. S. 26 und Heinecken, Idée générale S. 399. Diese Ausgabe steht zu der Weigeliana etwa in demselben Verhältnis, wie die erste xylochiro- graphische Ausgabe des Paternoster zu der ganz xylographischen, die künstlerisch umgezeichnet ist. Vgl. Schreiber a. a. O. p. 235.
K a e m m e re r, A rs m o rie n d i re d iv iv a etc. 227
X Dass Meinung in seinem Ursulaschrein gelegentlich eine ähnliche Haartracht anwendet, weist gerade auf seine mittelrheinische Abstammung hin.
2 B. 37. B. 5.
2 2 8 K a e m m e re r, A rs m o rie n d i re d iv iv a etc.