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Bezeichnend für viele Lyrik- und Prosatexte der österreichischen Dichterin ist eine plastische, manchmal übertrieben pathetische und archaisierende Sprache. Der Roman Pave und Pero unterscheidet sich von diesen Texten durch eine modernere Ausdrucksweise bzw. eine gemäßigtere Form der Archaisierung. Hier seien einige charakteristische Elemente dieser Sprache genannt.

243 Vgl. Zorka ORLANDIĆ, a.a.O., S. 51.

244 Vgl. Johann ARMBRUSTER (Wilhelm HAUSENSTEIN): Paula von Preradović, in: »Frankfurter Zeitung und Handelsblatt«, 8. September 1940, S. 4.

245 Ernst MOLDEN, Skizzen a.a.O., S. 50f.

An machen Stellen fi ndet man im Roman die Erklärung und Steigerung von Zuständen, Merkmalen und Fähigkeiten durch zwei, drei oder vier aufeinanderfolgende Ausdrücke, die eine ähnliche Bedeutung besitzen. Es folgen einige Beispiele hierfür: Pero behauptet, dass die Aufgabe des Dichters darin besteht, auszusagen, „was die anderen Herzen fühlen, wünschen und ahnen“.246 Josipa Vancaš, die mit den illyrischen Autoren eine enge Freundschaft pfl egt, wird als „schön, klug und gütig“247 bezeichnet. Man will durch Poesie die dalmatinische Jugend „ergreifen, aufrütteln und entzünden“248, um sie für den Illyrismus zu begeistern. Mit „Hangen und Bangen“249 wartet Pave auf Nachrichten vom Kriegsschauplatz, doch sie ahnt nichts von der Schreckensbotschaft von Peros vermeintlichem Tod, die ihr August Kaznačić zu überbringen gedenkt.

Sie fühlt sich und ihren Verlobten „sicher und geborgen“.250 Eine „lang vergessene Rührung, Wärme und Helligkeit“251 überkommt Vuk Karadžić, als er die Liebesblicke des jungen Ehepaares bemerkt. Mit „stiller und leiser“ Stimme wendet sich Pave an den Tenor Lorenzoni und behauptet „untüchtig […], furchtsam, kleinmütig und kraftlos“252 zu sein, obwohl sie „fl ink und niedlich“253 aussehe. Als sie nach Motta di Livenza zurückgehen, erhebt sich vor ihnen „schlank und schön“254 ein Turm aus dem Gewirr der Dächer. Die Wolken hängen aber „bleiern und drohend“255 am Himmel.

Seltener, als z.B. in der Königslegende, kommt im Roman die Alliteration zur An-wendung. Auch diese Stilfi gur wirkt archaisierend. Es seien einige Beispiele genannt:

Auf der Fahrt nach Zara hört Pero das leise „Rollen und Rauschen der Wellen an der Schiffswand“.256 Durch „Nacht und Nebel“257 irrt klagend der Wanderer in Peros berühmtem Gedicht Putnik, um schließlich bei einer fremden Frau um Obdach zu bitten. „Trauer und Tränen“258 bleiben Pave ersparrt, als sie einen Brief von ihrem Verlobten erhält, bevor August Kaznačić ihr die Nachricht von dem vermeintlichen Tod des jungen Offi ziers mitteilen kann.

Man erkennt einige Parallelen zwischen dem Lyrik- und dem Prosastil der österrei-chischen Autorin. Dieser strebt nämlich eine Harmonie in Wortwahl, Rhythmus und Formgebung an.259 Der Publizist Wilhelm Hausenstein schrieb in der »Frankfurter Zeitung« über die Sprache des Romans: „Man irrt wohl kaum, wenn man zu spüren glaubt, das Buch sei in originalem Deutsch geschrieben: so ganz und gar lebendig, spontan, erfi ndungsreich liest sich seine Sprache, eine Sprache von wahrhaft

wohl-246 Paula von PRERADOVIĆ: Pave und Pero, in: Gesammelte Werke, Wien 1967, S. 387.

247 Ebd., S. 390.

248 Ebd., S. 394.

249 Ebd., S. 403.

250 Ebd.

251 Ebd., S. 455.

252 Ebd., S. 561.

253 Ebd.

254 Ebd., S. 562.

255 Ebd.

256 Ebd., S. 721.

257 Ebd., S. 396.

258 Ebd., S. 411.

259 Vgl. Zorka ORLANDIĆ, a.a.O., S. 212.

tuendem literarischem Anstand, von ebenso großer Natürlichkeit, wie Sicherheit und Genauigkeit der Formulierungen“.260

Im Roman ist auch eines der wichtigsten Merkmale von Preradović’ Prosa zu erken-nen – die Dynamik der Handlung und ihre Vorrangigkeit vor dem Malerischen und Beschreibenden.261 Das Geschehen ist nach dramatischen Gesichtspunkten aufgebaut – ein Merkmal, das noch besser in den Novellen Königslegende und Die Versuchung des Columba zu erkennen ist.262 Manchen Ereignissen räumt die Erzählinstanz deutlich mehr Raum als anderen ein. Längere, breiter behandelte Szenen sind Stationen und Wendepunkte zugleich. Sie strukturieren die Handlung des Romans. Der Text beginnt und endet mit Kapiteln, die den Titel Ewig rauschen die Wasser um Lukoran tragen – ein unverkennbarer Hinweis, dass der Roman eine Rahmenkonstruktion besitzt.

Das Ende des Textes ist jedoch offen, da der Leser nichts über Peros Zukunft erfährt.

Es wird nur angedeutet, dass er weiterhin seiner dichterischen Berufung nachgehen und der illyrischen Idee treu bleiben wird. Der Verlauf der Handlung ist nicht kon-tinuierlich und linear, da einige Zeitsprünge zu erkennen sind. Nach jedem setzt die Handlung sofort ein, so dass die Erzählinstanz erst nach und nach die Vorgeschichte einführen kann. Das Zeitgeschehen ist im Roman immer nur dann von Bedeutung, wenn es die persönlichen Schicksale der Protagonisten beeinfl usst. Es bleibt jedoch stets im Hintergrund.

Ernst Molden schrieb in seinen Skizzen zu einem Porträt, es sei das Vorrecht des Künstlers die Größe auch im Kleinen und im Täglichen zu sehen.263 Dabei verwies er u.a. auf die Episoden aus dem Leben der kleinen Töchter Paves. Tatsächlich vermochte die Dichterin auch diese Dinge geschickt einzufangen. Mit Liebe zum Detail beschrieb sie scheinbar unbedeutende Aspekte des familiären Lebens. Es handelt sich um Episo-den, die auf die Handlung des Romans einen geringen Einfl uss haben, trotzdem aber sorgfältig ausgearbeitet wurden. Als Beispiel sei hier die Szene genannt, in der Cotia zusammen mit Pave an einem Märznachmittag ein Bild für ihren Vater malt.264 Der bereits zitierte Literaturkritiker Wilhelm Hausenstein schrieb hierzu in seiner Rezension:

„Völlig hinnehmend, ja bezaubernd die Schilderungen der Kinder: man fühlt, daß eine Frau die Feder führt“.265 Die Detailliebe der Autorin, die jedoch dem relativ schnellen Fortschreiten der Handlung nicht im Wege steht und die Struktur des Romans nicht störend beeinfl usst, äußert sich auch in diversen anderen Beschreibungen. Beispielhaft stehen hierfür die Landschaftsbilder der Alpen, Dalmatiens und Venetiens, aber auch die Darstellungen der Wohnung in der Wiener Florianigasse, des Hauses der Familie Zannoner oder des Landhauses in Lukoran.

Lebensnah und plastisch wurden die menschlichen Schicksale sowie die Gefühlswelt der Protagonisten, vor allem aber auch die Tragödie der jungen, doch von schweren

260 Johann ARMBRUSTER, a.a. O., S. 4.

261 Vgl. Zorka ORLANDIĆ, a.a.O., S. 212.

262 Vgl. ebd.

263 Vgl. Ernst MOLDEN, a.a.O., S. 41.

264 Vgl. Paula von PRERADOVIĆ: Pave und Pero, a.a.O., S. 594ff.

265 Johann ARMBRUSTER, a.a.O., S. 4.

Schicksalsschlägen heimgesuchten Familie gezeichnet. Molden äußerte sich dazu folgendermaßen:

Nicht oft ist aus so sehr jeden Absatz durchzitterndem dichterischem Empfi nden, in so leuchtenden und lastenden Farben der Sprache das kleine Glück geliebter und behüteter Kinder, das Unheil einer plötzlichen Krankheit und eines jungen Sterbens, ausweglose Verzweifl ung und die seelische Ohnmacht einer auch im Glauben keinen Halt fi ndenden Mutter und Gattin gezeichnet worden“.266

Die meisten Schilderungen der Mittelmeerlandschaft enthalten die Worte »Hitze«,

»Sonne«, »Licht« und »Helligkeit«, die als unterschwellige Reizworte eingesetzt werden und eine Stimmung des südlichen Sommers schaffen.267 Besonders deutlich ist das in folgender Passage zu erkennen, in der beschrieben wird, wie die achtzehnjährige Pave ihrem Verlobten entgegenkommt:

[…] als sie durch das Gartenpförtchen getreten war, wurde sie sogleich von Hitze und blendender Helligkeit überfallen, das Meer […] glitzerte tausendfach im hellen Licht des Sommertages […], die graugrüne Macchia auf den Hügeln, die weißen Häuser und die dunklen Zypressen standen eigentümlich still, wie gebannt unter der Wucht der gewaltigen Sonne, und die erhitzte Luft fl immerte blau.268

Die mediterrane Natur hat in dem Roman mehrere Funktionen. Die erzählende Instanz zieht sie u. a. für Vergleiche heran – das Beschriebene wird mit der Natur oder mit anderen landschaftlichen Elementen verglichen. Ein Beispiel dafür ist die Schilderung des Stradon (Stradun), der Hauptstraße von Ragusa (Dubrovnik).269 Die Handelsarterie des alten Stadtkerns wurde nach dem großen Erdbeben 1667 planmäßig wiederauf-gebaut, wobei die ehemaligen Paläste durch zwei Reihen gleich hoher Häuser ersetzt wurden.270 Viele steinerne Hausfronten wirken auf den ersten Blick sehr einheitlich.

Bei näherem Hinsehen sind jedoch die Unterschiede zwischen den Gebäuden deutlich zu erkennen. In der nachstehenden Passage ist davon die Rede:

Nein, sieh ihn dir an, diesen Stradon! Ist es nicht herrlich, wie er gerade und gelassen von einem der großen wichtigen Tore zum anderen führt […]? Sieh es dir an, wie die edlen, alten, weißen Häuser, die ihn umsäumen, einander ähnlich sind, nicht anders als die wilden Gladiolen auf einer Wiese von Lapad, und wie doch jedes vom anderen verschieden ist, so wie du ja auch keine Gladiole fi nden wirst, die völlig ihrer Schwester gleicht […]271

266 Ernst MOLDEN, a. a. O., S. 49.

267 Vgl. Zorka ORLANDIĆ, a.a.O., S. 148.

268 Paula von PRERADOVIĆ: Pave und Pero, a.a.O., S. 380.

269 Vgl. »Dubrovnik«, in: Slaven RAVLIĆ: Hrvatska Enciklopedija, Band 3, Zagreb 2001, S. 283.

270 Vgl. Ilanga von METTENHEIM: Die Republik Ragusa. Zur Geschichte des heutigen Dubrovnik, Frankfurt am Main 1989, S. 165.

271 Paula von PRERADOVIĆ: Pave und Pero, a.a.O., S. 398.

Die Natur dient hier als Bezugspunkt. Indem die Erzählerin dem Leser vertraute bzw.

weit verbreitete Naturbilder vor Augen führt und sein Vorstellungsvermögen auf diese Weise anregt, schildert sie das Neue und Unbekannte.