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Seit einigen Jahren wird in der Regionalpolitik sowie der Raumordnungspolitik in Deutschland verstarkt dariiber diskutiert, ob der Staat zukunftig in den ókono- misch schwach entwickelten Regionen verstarkt ausgewahlte Wachstumszentren unterstutzen muss und nicht mehr, wie bisher, vor allem die strukturschwachen Re­

gionen ais Ganzes fordem sollte1.

Diese Diskussion ist nicht neu. Bereits im Jahr 1997 hat sich der Verfasser dieses Beitrages anlasslich eines Seminars der Gesellschaft fur Regionalforschung in Ósterreich daftir ausgesprochen, dass unter den spezifischen Bedingungen des transformationsbedingten Strukturwandels in Ostdeutschland im Spannungsfeld der Ziele der Regionalpolitik - insbesondere dem Wachstum und dem Ausgleichsziel- aus ókonomischer Sicht dem Wachstumsziel eine ubergreifende Bedeutung zukom- men sollte. Die begriindete Auffassung des Verfassers war es, dass nur durch die gezielte vorrangige Fórderung von entwicklungsfahigen Wachstumspolen die Wett­

bewerbsfahigkeit der ostdeutschen Regionen insgesamt im internationalen Standort­

wettbewerb zielstrebig verbessert werden kann2. Diese Position wurde seinerzeit durch die Seminarteilnehmer sehr kontrovers diskutiert. Mehrheitlich wurde die Meinung vertreten, dass in der Regionalpolitik im Spannungsfeld von Wachstums- und Ausgleichsziel der raumlichen Ausgleichspolitik (im Sinne von Solidaritat und Schaffung gleichwertiger Lebensbedingen) Prioritat zukommt.

1 Vgl. G. H eim pold, N eue O rientierungen f u r die deutsche Raum entw icklungspolitik? — B ericht iiber einen W orkshop im IW H im Ju n i 20 0 5 , „W irtschaft im W andel” 2006, N r. 2, S. 60 ff.

2 K.. G loede, T ransform ationsbedingte A nforderungen an die regionale W irtschaftspolitik in O stdeutsch­

land', „G esellschaft fur R egionalforschung, Sem inarbcrichte” 1997, Nr. 39, S. 41 ff.

44 Klaus G loede

Zur Notwendigkeit einer Neuorientierung der Regionalpolitik fur die strukturschwachen ostdeutschen Regionen

Wie sich in der Gegenwart zeigt, sind die ostdeutschen Regionen hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung auch heute noch mehrheitlich bei weitem nicht an das Niveau der westdeutschen Regionen herangertickt und haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Nur durch betrachtliche Transferzahlun- gen aus den westdeutschen Bundeslandern sowie eine inzwischen beachtliche Verschuldung der Kommunen kann in der Mehrheit der ostdeutschen Regionen das inzwischen erreichte Lebensniveau erhalten und die hohe Arbeitslosigkeit finanziert werden.

Vor der Politik steht daher heute die Herausforderung, rasch dariiber zu entschei- den, ob eine Neuorientierung der Schwerpunktsetzung in der Raumentwicklungs- bzw. Regionalpolitik notwendig und zu verantworten ist. Folgende Griinde werden dafiir genannt3:

1. Knappe óffentliche Haushaltsmittel.

2. Intensivierung und Verscharfung des Wettbewerbs der Regionen und der Standorte im Zuge der Globalisierung und der Europaischen Integration.

3. Die ungiinstige demographische Entwicklung (Uberalterung).

4. Der Zwang, mit den knappen Energie-, Rohstoff- und Umweltressourcen spar- samer umzugehen.

Dem hinzuftigen muss man m.E. unbedingt die Feststellung, dass die Erfolge der bisherigen regionalen Forderpolitik in Ostdeutschland weit hinter den Erwartungen zuruckgeblieben sind. Darauf wurde durch den Verfasser bereits am konkreten Bei- spiel des Landes Brandenburg in mehreren Konferenzen der Universitat Opole ein- gegangen4.

Die Schwerpunktsetzung fur die Regionalpolitik im Land Brandenburg

In der Realitat der regionalen Entwicklung des Landes Brandenburg zeigen sich eindeutig folgende Tendenzen:

Die brandenburgische Landesregierung hatte am Beginn des Transformations- prozesses eine falsche Entwicklungsstrategie fur Regionen, die Wirtschaft und die zentralen Orte des Landes beschlossen. Es war davon ausgegangen worden, dass

3 G. H eim pold, N e u e O rientierungen..., op. cit., S. 61.

R egionalpolitik im Spannungsfeld von W achstum und A usgleich 45

sich die Wirtschaft und die Orte im Raum um die Metropole Berlin ohne besondere staatliche Fórderung gut entwickeln werden. Die staatliche Fórderung fur die priva- te Wirtschaft und die Kommunen sollte insbesondere auf die von Berlin weiter ent- femten Raume und Orte konzentriert werden, um damit die Wirtschaftsentwicklung in diesem auBeren Raum des Landes zu unterstutzen. Bereits nach 10 Jahren Lan- desentwicklung zeigten sich in der Realitat ganz andere Entwicklungstendenzen.

Insbesondere sind das die Folgenden:

- Die positive Wirtschaftsentwicklung findet vorwiegend im Metropolenraum um Berlin und in einigen Wachstumskemen in der Flachę des Landes statt.

- Die geplanten zentralen Orte nahmen eine sehr unterschiedliche Entwicklung und konnten die ihnen zugedachte Funktion nur zum Teil erftillen.

- Die demographische Entwicklung ist in der Mehrzahl der Orte, insbesondere in der Peripherie, durch Alterung, Rtickgang und Abwanderung der Bevólkerung gekennzeichnet.

Die brandenburgische Landesregierung hat daher im letzten Jahr ein neues Konzept fur die Raumentwicklung im Land entwickelt, diskutiert und beschlossen.

Grundsatze dieses neuen Konzeptes sind:

- Die Konzentration der Fórderung der Wirtschaft und der Kommunen auf neu identifizierte und ausgewahlte Wachstumskeme (vgl. Abb. 1).

- Die Konzentration der Wirtschaftsforderung auf ausgewahlte zukunftsorien- tierte Wachstumsbranchen (vgl. Abb. 2).

S c h w « d t/O d « r

46 K laus G loede

• Biotechnologie* • Logistik*

• Luftfahrttechnik* • Metallherstellung/Metallbeund - veearbeitung*

• Medien/IKT* • Mineralól/Bioenergie

• Automotive* • Optik*

• Energiewirtschaft/technologie • Papier

• Geoinformationswirtschaft* • Schienenverkehrstechnik*

• Holzverarbeitende Wirtschaft • Ernahrungswirtschaft*

• Kunststoffe* • Tourismus*

A bb . 2. B ranchen-K om petenzfelder fur das L and B randenburg

Kurorte Templin Bad Wilsnack Bad Freienwalde Bucków Bad Saarów Belzig

Bad Liebenwerda

Erholungsorte

Rheinsberg, Klein Zerlang Neuglobsow, Himmelpfort Lychen, Lindow/Mark W aldsieversdorf Werder/Havel Wendisch Rietz Miillrose, Neuzelle Goyatz, Liibben/Spreewald Liibbenau/Spreewald Burg/Spreewald

A bb . 3. Kur- und E rholungsorte

R egionalpolitik im Spannungsfeld von W achstum und A usgleich 47

Kriterien fur die Auswahl der neuen leistungsfahigen Wachstumskeme und Wachstumsbranchen waren vor allem:

- Die Wirtschafts- und Arbeitmarktentwicklung, insbesondere die vorhandenen zukunftsorientierten Branchen der Wirtschaft;

- Die giinstigste Lage im Raum und die Einbettung in die grofiraumige Infra­

struktur;

- Die Ausstattung mit harten und weichen Standortfaktoren;

- Die vorhandenen Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung;

- Die zu erwartende Bevólkerungsentwicklung.

Touristische Spreewald Biosphare Potsdam Filmpark Babelsberg Flaming-Skate-Region Tropical Islands Resort Eurospeedway Lausitz

„Snowtropolis" Senftenberg IBA-Furst-Piickler-Land

Kur-und Freize itb ad e r Templin, Schwedt/Oder Bad Wilsnack, Oranienburg Fiirstenwalde, Brandenburg/H Potsdam, Ludwigsfelde Luckenwalde, Belzig Bad Saarów, Lubbenau Burg/Spreewald Bad Liebenwerda

A bb. 4. T ouristische H ighlights und Bader

48 K laus Gloede

Da das Land Brandenburg auch gute Entwicklungschancen im Tourismus hat, wurde in diesem Zusammenhang auch gleichzeitig ein Konzept fiir den weiteren Aus- bau des Tourismus und der touristischen Infrastruktur entwickelt (vgl. Abb. 3, 4).

Kommen wir nun auf die grundsatzliche Fragestellung zuriick:

In welchem Verhaltnis sollten Wachstums- und Ausgleichziel in der Regionalpo­

litik stehen5.

Griinde fiir eine vorrangige Orientierung auf das W achstumsziel in der Regionalpolitik

Eine starkere Orientierung der regionalen Fórderpolitik auf das Wachstumsziel in den strukturschwachen Regionen wird insbesondere durch die Betonung von Agglo- merationsvorteilen in modemen regionalókonomischen Theorieansatzen begriindet6.

Nach wie vor kontrovers diskutierte Fragen sind, wie der Staat solche Wachs- tumszentren identifizieren kann und wie eine erfolgversprechende Unterstutzung von Wachstumszentren aussehen kónnte. Die eindeutige Beantwortung dieser Fra­

gen wird noch durch groBe Forschungsdefizite im Hinblick auf die empirischen Entwicklungen in strukturschwachen Regionen aber auch durch zahlreiche theoreti- sche Vorbehalte erschwert. Das offenbarte auch ein Workshop des Instituts fur Wirtschaftsforschung Halle im Jahr 20057.

Trotz dieser theoretischen Defizite ist die Politik, wie das Land Brandenburg zeigt, inzwischen dazu iłbergegangen, Wachstumszentren zu identifizieren und fiir eine Neuorientierung der Regionalpolitik heranzuziehen.

So wurden zum Beispiel auch fiir Deutschland von den zustandigen Bundesbe- hórden insgesamt elf sogenannte europaische Metropolenregionen benannt, die oberhalb der bisher bekannten Oberzentren einzuordnen sind8. Hier handelt es sich um Raumeinheiten, die auch ais „Wachstumsmotoren” wirken sollen, um Regionen, in denen der Strukturwandel voranschreitet und daher auch staatlich gefórdert wer­

den soli (vgl. Abb. 5, 6).

Wie das Beispiel des Landes Brandenburg zeigt, werden zugleich auch auf der Ebene der deutschen Bundeslander, insbesondere in Ostdeutschland, neue Konzepte fur die regionale Fórderstrategie unter besonderer Beriicksichtigung von Wachs­

tumszentren erarbeitet. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Freistaat Sachsen in der Wirtschaftsforderung bereits seit Beginn der Transforma- tionsphase eine sogenannte Cluster-Politik betreibt. Die Wirtschaftsforderung

kon-5 A u f das in d er T heorie gleieherm aBen form ulierte Stabilitatszicl d er R egionalokonom ie soli an dieser Stelle nicht naher eingegangen w erden.

6 G. H eim pold, N eue O rientierungen..., op.cit., S. 62.

7 Ibidem , S. 60 ff.

8 M. Sinz, W eiterentw icklung d e r Leitbilder der Raum entw icklung im Spa n n u n g sfeld von W achstums- und A usgleichszielen [http:w w w .bbr.bund.de/ressortforsehung].

R egionalpolitik im Spannungsfeld von W achstum und A usglcich 49

O o

Metropolregionen

Metropolitane Erganzungsnetze

(Beispiehafte Darstellung)

Ubergangszonen zwischen metropolitanen GrofJregionen

(Beispielhafte Darstellung)

Gesamtwirtschaftliche Wachtumsmotoren

(Oberdurchschnittlicher Wachstumsbeitrag zur Steigerung der Bruttowerte zwischen 1 9 9 6 und 2001 in Deutschland insgesamt)

Strukturwandel fódern

(Beispiehafte Darstellung)

Wissensclister fordem

(Entwurf R O B 2 0 0 5 . lnnovations- und W ettbewerbsfunktionen)

O Oberzentren

Mittelzentren mit Teilfunktionen eines Oberzentrums

Peripherraum Zwischenraum t H Zentralraum

A bb. 5. Beitrag zum W achstum

4 - Polityka regionalna...

50 K laus G loede

Kerne von M etropolregionen

oberzentrale Standortraum e (100) m ittelzentrale Standortraum e (250)

Raum e mit grundsatzlich gefahrdeter D aseinsvorsorge und sehr hohem A npassungsbedarf

Raum e mit teilweise gefahrderter D aseinsvorsorge und m ittlerem A npassungsbedarf Ballungsraum e m it besonderem Anpassungsbedarf

(E n tw u rf E O B 2 0 0 5 : T re n d s d e r R au m en tw ickiu n g reg io n ales B evd lker)

O berzentren

M ittelzentrum

Peripherraum Zwischenraum Zentralraum

Abb. 6. Sicherung der Daseinsvorsorge

R egionalpolitik im Spannungsfeld von W achstum und A usgleich 51

zentriert sich gezielt auf bestimmte herausragende Branchen mit hohem Zukunfts- potential. Diese Branchen sind in sechs regionalen industriellen Schwerpunkten konzentriert und entwickeln sich sehr erfolgreich9 (vgl. Abb. 7).

L i i W | 55

'#sLeipzig

Dresdei

zwickau/ ^ 0 # F re ib e rg