A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S
F O L IA G E R M A N IC A 1, 1997
Joseph P. Strelka
DO STO JEW SK I U N D KAFKA
D er E influß, den D ostojew skis W erk, au to b io g ra p h isc h e Schriften und Briefe a u f K afk a ausgeübt haben, ist oftm als u n tersu c h t w orden. Etliche Einflüsse sind m it Sicherheit belegt, so m anche erfundene E inflüße, w urden m itu n te r in K a fk as W erk hineinprojiziert, m anche w urden auch übersehen. Alles, was im folgenden geboten w erden kann, ist m it dem B ew ußtsein der gegebenen Schw ierigkeiten und F ehlergrenzen und m it dem W unsch nach größtm öglicher Sachlichkeit einen kurzen Ü berblick ü b er diese Einflüsse zu geben.
E ine neuere K a fk aB ib lio g rap h ie1 verzeichnet u n ter dem S tichw ort D o -stojewski nicht w eniger als achtundzw anzig Titel und die Stelle aus K a fk as B rief an Felice, in dem er D ostojew ski als einen d e r vier S chriftsteller a n fü rt, die er geradezu „B lutsverw andte“ n ennt, ist in D u tze n d en von A ufsätzen und B üchern zitiert w orden.
D aß jed er der beiden A u to re n für sich, D ostojew ski sow ohl wie K a fk a m it zahllosen anderen A uto ren verglichen w urden, versteht sich von selbst. Ü berraschend ist jed o ch die W eite des S pektrum s d er Vergleiche, d u rc h die beide gem einsam , gleichsam als ein zusam m engehöriges P a a r m it an deren A u to re n zusam m engestellt w urden. M aurice F ried m an h a t sie als m o d ern e H iobsgcstalten m it M elville verglichen, F ra n z Mellens im H inblick a u f gem einsam e geistige In stab ilitä t m it N erval. Spyros P laskavites h a t sie
was naheliegend ist - m it C am us zusam m engestellt, K lau s K ö h n k e , was schon sehr viel ü b e rra sc h e n d e r ist, m it H a rtm a n n von A ue. H e in ric h Siefken verglich sie m it T ołstoj uns Solschenitsyn, M a rk Spilka m it D ickens,
' M . L. C a p u to -M a y r, J. M . H erz: Franz K afka. E ine kom m en tierte Bibliographie der
Sekundärliteratur. B e rn -S tu ttg a rt 1987, S. 684. F . K a fk a: B riefe an Felice. F ra n k fu rt/M . 1967,
R o m an , S trúc m it E. T . A. H o ffm an n und B üchner, E rw in W äsche m it Lessing2 und die Liste ließe sich w eiter fortsetzen. F a s t scheint cs, als werde in einer geradezu K a fk aesk p aradoxen Weise auch dem G ebiet d er E in -fluss-Studien die E rgebnissicherung und K larh eit um so kleiner, je w eiter die K a fk a -F o rsc h u n g ausufert.
A us g uten G rü n d e n w u rd e hier jed en falls K a fk a s b e k a n n te s W o rt über D ostojew ski als „B lutsverw andten“ noch einm al in E rin n eru n g gerufen. D enn „E inflüsse“ o der was m an so nen n t, sind in der Regel keine m e-chanischen Im itationen o der A ngelegenheiten des Z ufalls, so n d ern setzen verschiedene A ffinitäten des Beeinflussten voraus, die zusam m en kom m en m üssen, w ährend andererseits räum liche und zeitliche U nterschiede von B einflusser und Beeinflusstem Ä nderungen und A d ap tieru n g en bedingen. Im F alle K afkas ist gezeigt w orden, d aß besonders das „m it dem D u rchbruch einsetzende Inspirationsschreiben [...] a u f L eseerfahrungen und L ite ra tu -rerlebnisse“ zurückgreift, das zu einer „Einschm elzung heterogener E lem ente“ füh rt. „D ab ei können ganz verschiedene F o rm en d er W iederverw endung au ftre te n “ , so d aß m an von „anverw andclndcr A useinandersetzung“ sprechen k a n n 3.
D ies bedeutet u n ter anderem , d aß einzelne Züge ganz, and ere g a r nicht, w iederum and ere ab er vor allem völlig „an v erw a n d elt“ und das heißt entsprechen d er G eistigkeit des aufnehm enden A u to rs entsprechend ü b er-no m m en w erden. W as K a lk a an D ostojew ski am tiefsten fasziniert hat - um dies hier gleich vorwegzunehm en - w ar seine unerhörte Leidensfähigkeit, seine W ah rh eitsu n erb ittlich k eit, seine g ro ßartige P sychologisierungskunst, welche in schier unerforschliche Tiefen d er m enschlichen Seele vorstieß. Einer der wenigen, wenn nicht der einzige Zug, den K a fk a nicht übernom m en h a t und für den er keinen Sinn zu entw ickeln verm ochte, w ar die russozen- trische H a ltu n g D ostojew skis und w enn m an will, sein G lau b e n an die M ission Russlands. A us diesem G ru n d konnte die französische K afka-E xpertin M a rth e R o b ert erklären:
Im G eg en satz zu G o e th e und D ostojew ski zum Beispiel, d eren U n iv e rsalität n iem als vergessen läß t, d a ß G o e th e D eu tsch er, D ostojew ski R usse ist, redete K a fk a gleich zur W elt, u n d d a s in einer S prache, die entw eder d e r S p rach v erw irru n g v o ran g in g o d e r ih r ein E n d e setzen m u ß te. D a er keine S p u r seiner H erk u n ft, n ich ts von irg en d ein er Z u g eh ö rig k eit aufw ies, k a m m an wie selbstverständlich d a zu , ihm eine A rt R ech t d er E x tra te rrito ria litä t zu zu erk en n en , w obei seine P erso n u n d sein W erk, freilich u n ter E inbusse ih rer w irk ü ch en E xistenz, die V o llk o m m en h eit und R ein h eit des A b s tra k te n erlangten*.
2 E b d ., S. 186, 227f., 365, 275, 424, 436, 449 u n d 621.
3 H . B inder (H g.): K a fka Handbuch. S tu ttg a rt 1979, Bd. 2, S. 276 und 307. 4 M . R o b e rt in eb d ., S. 680.
Dies geht so weit, d aß ein englischer D ostojew ski-B iograph o ftm als und fast ausschließlich von kafkaesken Z ügen und E lem enten in D ostojew skis W erk spricht, als w äre die E influßlage nicht gerade um g ek eh rt gelagert5.
A us diesem G ru n d e h at auch der scharfsichtige P rag er G e rm an ist P aul E isner schon frühzeitig d a s „einm alige W u n d e r“ K a fk a nicht n u r als den „letzten ganz großen E rfüllcr der aus dem Individuellsten kom m en d en , in d as A llgem einste zielenden Ic h -K u n st“ bezeichnet, so n d ern au sdrücklich auch als den „Dostojewski des W estens“ 6. U nd zw ar h a t er dies gerade im H inblick a u f die so oft ausgcklam m crte, von M a rth e R o b e rt beschw orenen „w irklichen E xistenz“ getan. E r fand cs für K a fk as E ig en art w ichtig, d a r a u f hinzuweisen, d aß sich sein W erk „aus der K onflu en z“ von drei verschiedenen „In n en w elten “ ergeben habe, „d er jüdischen, d er germ anischen und d er slaw ischen“ . D as w ar für seine P rager Leser im J a h r 1931 k lar und genau genug, m u ß a b e r heute, im R ah m en ein er w eltw eiten K a fk a -L ite ra tu r insofern präzisiert w erden, d aß m an die dam aligen P rag er S elb stv erstän d -lichkeiten detailliert bestirnt. D a n n ab er m u ß m an sagen, es h an d le sich um eine „K o n flu en z“ o der Interferenz der westjüdischen Innenw elt P rager S ta d tk u ltu r, d er deutsch-österreichischen und d er westslaw isch tschechischen Innenw elt.
W enn K a lk a d aru m einm al in seinen T ag eb ü ch ern von d e r „unend lich en A nziehungskraft R u ssla n d s“ spricht, d an n ist es ein G egenbild zur P rag er S ta d tk u ltu r, ist es die unerm eßliche W eite, die ihn fasziniert. E s heiß t da:
D ie unendliche A n zieh u n g sk raft R usslands. Besser als die T ro ik a D o s t, erfasst es d a s Bild eines g ro ß en u n ü b erseh b aren S tro m es m it gelblichem W asser, d as ü b erall W ellen, ab er n ich t allzu h o h e W ellen wirft. W üste zerzauste H eide an d en U fern, geknickte G rä se r. N ic h ts erfasst d a s, v erlöscht vielm ehr alles7.
D e r A u to r der bisher ausführlichsten A rbeit über unser T h e m a K a fk a und D ostojew ski stellt ziemlich an den Beginn seines K a p itels K afkas
Russland dieses Z itat, bringt es aber nach einigen dialektischen B ocksprüngen
fertig, das K apitel m it der B ehauptung von K afk as B ew underung fü r die bolschew istische R evolution und ihre geradezu gegenteiligen E igenschaften zu schließen. E r beruft sich dabei a u f zwei alles and ere als eindeutige Stellen in K a fk as Briefen an M ilena, deren zweite einem B rief e n tstam m t, in welchem K a fk a russisch-jüdische A usw anderer aus eben jenem Sow jetrussland schildert, die in P rag a u f ih r am erikanisches Visum w arten und erk lärt: „...w enn m an m ir freigestellt h ätte, ich k ö n n te sein, w as ich will, d a n n h ä tte
5 J. Jones: D oesloevsky. O x fo rd 1983.
6 P. Eiser: N o tiz über F ranz K afka, „ P ra g er Presse“ 1931, Jg. 11, N r. 190, S. 8.
7 F . K a fk a: Tagebücher. Hg. v. H .-G . K o c h , M . M ü ller, M . Pasley. F ra n k fu rt/M . 1990, S. 727.
ich ein kleiner ostjüdischer Ju n g e sein wollen, im W inkel des Saales [...] und in ein p aa r W ochen wird m an in A m erika sein“ *.
T atsächlich ist cs abgesehen vom Interesse an den eigenen religiösen W urzeln dieselbe unentw ickelte, dem Irratio n alen offene, brach liegende Seite des w estlichen Pragers K afk a, die auch sein Interesse für d as jüdische T h e a te r frei setzte. Im übrigen ist die Vision K afk as von R ussland dem E indruck des w irklichen R ussland a u f einen anderen P rager, a u f Rilke, überraschend nahe. D ieser nahm die W olga zum A u sg an g sp u n k t seiner R ussland C harak teristik :
A u f der W olga zu sein, diesem ru h ig rollen d en M eer, T age zu sein und N ä ch te [...]. Ein b reit-b reiter S trom , h o h er, h o h er W ald an dem einen U fer, an dem an d eren tiefes H eideland [...]. M an lern t alle D im en sio n en um [...]. M ir ist, als h ä tte ich d er S ch ö p fu n g zugesehen; w enige W o rte für alles Sein, die D inge in d en M assen G o tte s ...’
ln d er ersten E rzählung K afk as, in der D ostojew skis E influß verm utet w urde, im Urteil, spielt R ussland kaum eine bestim m tere R olle als jen e des obigen Zitats: unbestim m te ferne und W eite, in der alles hiesig R a tio -nal-B ew ußte verw ischt und ausgelöscht wird. A us dieser ungeheuren W eite ragen klein und blaß die K o n tu re n des F reundes in P etersb u rg und eines P riesters in K iew heraus.
In dem bereits zitierten ausführlichen Buch über D ostojew skis E influß a u f K a fk a gibt es ein eigenes, siebzehnseitiges K apitel ü ber den E influß a u f d as Urteil. D e r G ro ß teil d er siebzehn Seiten ab er besteht aus w illkürlichen H ypothesen und risk an ten T heorien. Zweifellos richtig und überzeugend ist lediglich der Satz, m an k ö n n e argum entieren, d aß St. P etersburg in K a fk as
U rteil einer literarischen T ra d itio n über das geteilte Ich v erbunden ist,
welcher K afk a als Erbe angehört. Als zweites gültig ist fraglos das beigebrachte Z ita t von K a fk a selbst, w onach die F igur des F reundes in P etersburg „...k au m eine w irkliche P erso n “ d a rste llt10. Es gibt keinen Beleg, w onach K a fk a die in jenem K apitel zitierten R om ane D ostojew skis vor 1913 und die B iographie D ostojew skis von N ina H offm ann vor 1914 gelesen h ätte. D er a u to r des K apitels selbst zitiert in seiner E inleitung den russischen K ritik er G. M . F ried lan d er, w onach die P arallelen zw ischen K a fk a und
* W. J. D o d d : K a jka and D o stoyevsky. N ew Y o rk 1992, S. 2 9 -3 1 . N ach d em D o d d einleitend sein K ap itel über K a fk as R u sslan d b ild m it dem H inw eis a u f einen A u fsatz von B ertran d Russell ü b e r d en B olschew ism us im „ P ra g er T a g b la tt“ von 1920 gleichsam als E nd- u n d H ö h e p u n k t abgeschlossen h at, b e h an d e lt er in seinem ganzen B uch n u r B eispielsfälle aus d en J a h re n 1912-1916, als es diesen B olschew ism us n o ch g a r nich t g ab . A bgesehen d a v o n gib t es viele G rü n d e , welche gegen die reine S p ek u latio n D o d d s sprechen, es h a n d le sich um R ussells A u fsatz. So viel ü b er d en W ert des Jiu£s/am /-K apitels.
9 Z ita t aus zw eiter H a n d n a ch H an s E gon H o lth u sen : R ilke. H a m b u rg 1958, S. 42. 10 W. J. D o d d : K ajka..., S. 38 und 49.
D ostojew ski zu den Lieblings-G em einplätzen des idealistischen D enkens und der L itcra tu rk ritik des W estens g eh ö ren ".
Zweifellos w ar K a fk a 1912, als er das Urteil schrieb D ostojew ski bereits d u rc h den A u fsa tz v ertrau t, den M ax Brod ü ber ihn 1911 geschrieben h a tte 12. Zweifellos h a tte K a fk a auch den R o m an Der Jüngling gelesen. U nd zweifellos h a t Ila r tm u t B inder rccht, wenn er an n im m t, d a ß K a fk a s D o - stojew ski-R ezeption nicht zuletzt von d er „V ergleichbarkeit d e r lcbensges- chichtlichcn P ro b lem stellu n g bestim m t w a r“ . K a fk a h a t w ohl bei d er A bfassung des Urteils bereits gew ußt, d aß er in D ostojew skis Leiden und Sensibilität als D e n k er und K ü n stler einen G eistverw andten besaß und nachdcm dieser m it P etersburg u n tren n b a r verbunden ist, m ag so b etra ch tet ein entsprechender U n terto n als A nspielung im F reu n d aus P etersburg nebenbei m itschw ingcn ebenso, wie unterschw ellig neben d er w irklichen und H a u p tb e d e u tu n g des F reundes d er G e d an k e an seinen F reu n d S teuer und die A nspielung a u f R ussland als d as einzige Land m itschw ingcn m ochte, das K a fk as O nkel A lfred Löwy nicht k a n n te 13. D ie wesentliche und H a u p -tb ed eu tu n g d er F ig u r des F rau n d e s aus P etersburg w ar seine E xistenz als eine Pcrsönlichkcits- oder Ich -K o m p o n en tc, die sich von G eo rg B endcm ann abgcspalten h a tte 14.
Bei d er V erw andlung liegt d er F all bereits anders, denn obw ohl ihre erste F a ssu n g bereits zw ischen 17. N ov em b er und 7. D ezem b er 1912 en tstan d , w urde sie w ahrscheinlich am 23. Ja n u a r 1914 ü b erarb e itet und erschien ü b erh au p t erst 1915. Z u diesem Z eitp u n k t w ar nicht n u r die W endung von D ostojew ski als B lutsverw andten vom 2. N ovem ber 1913 bereits gefallen, sondern M o n ate davor findet sich bereits die erste E intragung über D ostojew ski in den T agebüchern und zw ar am 21. Juli 1913. Es heißt da: „B esondere M eth o d e des D enkens. G efühlsm äßig d u rch d ru n g en . Alles fühlt sich als G ed an k e selbst im U nbestim m testen. (D ostojew ski)“ 15.
Z udem hat bereits M ark Spilka eine so große A nzahl von Ü bereinstim -m un g en zwischen G reg o r Sa-m sa in d er Verwandlung und de-m P ro tag o n isten Ja k o v P etro witsch G oljad k in von D ostojew skis R o m an D er Doppelgänger aufgezeigt, d a ß ein Zufall fü r so viele Parallelen ausgeschossen e rsch ein t16. H a rtm u t Binder aber h at diese P arallelen zum Teil du rch H e ran zieh u n g
" Z ita t aus zw eiter H a n d n a ch W. J. D o d d : K a jka ..., S. 10.
12 Vgl. H . Binder: Kajka-K om m eniar zu sämtlichen Erzählungen. M ünchen 1975, Bd. 1, S. 128. 13 Vgl. d a zu eb d ., S. 146.
14 Vgl. J. D em m er in ebd., S. 147 und K . Flores: The Judgm ent. In : A. F lo res, H . S w ander (eds): F ranz K a jka Today. M ad iso n , W isconsin 1958, S. 5-28.
15 F . K afk a: Tagebücher. S. 568. Vgl. vor allem au ch H . B inder: K a jka und die Neue
Rundschau. „ J a h rb u c h d e r S chillergesellschaft“ 1968, Jg. 12, S. 941Г.
von Stellen im M a n u sk rip t, die von K a fk a fü r d en D ru c k gestrichen w urden, noch erw eitert und h at Spilkas D arlegungen w esentlich verm ehrt und u n te rm a u e rt17.
Ein neuerer K ritik er glaubte annchm cn zu kön n en , d a ß die D arstellu n g d er Schw ierigkeiten G eorg B endem anns zu seiner w irklichen Id e n titä t zu gelangen eine A rt von C h ara k te rd arste llu n g b ild et,18 wie sic K a fk a ebenfalls von D ostojew ski übernom m en hat. T atsächlich geht es hier jed o ch um etw as ganz anderes, näm lich um einen Id en titätsv erlu st d u rc h A u fsp a ltu n g in verschiedene P crsönlichkeitskom poncntcn. Bei G eorg B cndcm ann im
U rteil ist diese A ufsp altu n g in zwei K o m p o n en ten deutlicher sichtbar, d a
d e r E reund in P etersburg die abgcspaltene K o m p o n en te versinnbildlicht. Im F all von G re g o r Sam sa ist es schwieriger zu sehen, denn die eine, einseitig entw ickelte K o m p o n en te des B erufslebens und des Sich-O pferns fü r die F am ilie steht allein sichtbar im V ordergrund, w ährend jene an d e re d er B erufung zum Schriftsteller so verküm m ert ist, d aß sic kaum m ehr erschlossen w erden k an n . Es ist die einseitige E ntw icklung gerade jen er K o m p o n en te, die dem tieferen Selbst frem d ist, bei völliger U n terd rü ck u n g d er anderen, zutiefst eigenen K o m p o n en te, die zw angsläufig zur R egression zum Insekt und zum T o d führt. D ie Idee jener Ich-A ufspaltung fand K a fk a aber, wenn sie nicht völlig seine eigene S chöpfung ist, zu allererst bei F reu d und nicht bei D ostojew ski. In dem der Verwandlung vorausgehenden Urteil zeigt sich dies viel k larer und eindeutiger.
Bei G eorg B endem ann beginnt näm lich die A u fsp altu n g in einer stets E ntw icklungslinie, die vom scheinbar realistischen A u sg an g sp u n k t des festen G lau b e n s an den F reu n d in P etersburg über zunehm ende Zweifel bis zur feststehenden N icht-E xistenz füh rt. Im G ru n d e geht d am it die A u fsp a ltu n g G e o rg B endem anns in zwei K o m p o n en ten , näm lich in ihn selbst einerseits u nd in den F reu n d in P etersburg andererseits so vor sich, d aß sie im L a u f d er E ntw icklung rational nachvollziehbar ist in jenem Sinn, wie F re u d dies bereits 1908 beschrieben hat: „D e r psychologische R o m a n “ , erk lä rte er, „ v e rd a n k t im ganzen wohl seine B esonderheit d er N eigung des m o d ern en D ichters, sein Ich du rch S elbstbeobachtung in P artial-Ichs zu zerspalten und dem zufolge die K o n flik tströ m u n g en seines Sellenlebens in m eh reren H elden zu personifizieren“ 19. N icht zufällig h a t K a fk a selbst, als er die Einflüsse a u f das U rteil aufzählte, zu allererst a u f F reu d verw iesen und D ostojew ski ü b e rh a u p t nicht g en a n n t20. In einem späten B rief an M ax B rod h a t K a fk a
17 H . B inder: K aflca-K om m enlar..., Bd. 1, S. 161, 162, 164, 168, 169, 171. 18 R . R o b e rtso n : K afka. S tu ttg a rt 1988, S. 111.
19 S. F re u d : D er D ichter und das Phantasieren, zu erst erschienen im 1. J a h rh g a n g d e r „ N eu e n R ev u e“ von 1908, w ieder ab g ed ru c k t in: S. F re u d : P sychoanalytische Studien zu
W erken der D ic h tu n f und K unst. W ien -L eip zig —Z ü ric h 1924, S. 11.
gen au diese S p altu n g , wie sie sich in ihm selbst vollzogen h a tte , so ausgedriiekt, d a ß er schricb: „denn die Seele h a t do ch offen k u n d ig das w irkliche Ich verlassen, ist ab er n u r ein Schriftsteller g ew orden...“ 21.
Bei der Verwandlung ist G reg o r Sam sa genau das geschehen. D ie A u fsp al-tung setzt schlagartig m it dem fortgeschrittenen G rad beim E rw achen G re g o r S am sas ein. Dies ist n u r durch die P arabelform m öglich, denn natürlich kan n G regor nicht wörtlich in ein Insekt verwandelt sein. Diese abrupte Plötzlichkeit fehlt bei Dostojewskis D oppelgänger. Die aufgezeigten und tatsächlich v o rh an -denen Parallelen zwischen den beiden E rzählungen beziehen sich lediglich a u f eine lange R eihe von kleinen D etails und Einzelm otiven.
W enn beispielsweise Sam sa ebenso wie G o ljad k in sich b etastet, um k lar zu stellen, ob er trä u m t o d er w acht, so h at das wenig m it d e r E ntw icklung eines C h a ra k te rs zu tu n , so wenig, wie wenn Sam sa sich in ein Insekt verw andelt fü h lt, nachdem G o lja d k in , neben einem ju n g e n , sch lan k en O ffizier stehend, sich für einen A ugenblick wie ein K ä fer v o rk o m m t. D as ist zw ar eine echte, aber überaus oberflächliche und a u f ein M otiv beschränkte G leichheit, die bei K a fk a allerdings zum zentralen, die ganze E rzäh lu n g beherrschenden Bild w urde. E benso wenig h at es m it d er D a rstellu n g und E ntw icklung eines C h a ra k te rs zu tun, w enn tro tz versuchten V orspringens zur offenen T ür, diese sowohl Sam sa wie G oljadkin vor der N ase zugeschlagen w ird. D asselbe gilt fü r die ähnlichen S ym ptom e bei einer V e rkühlung d er beiden P ro tag o n isten o d er wenn Sam sa wie G oljad k in schließlich in seinem Zim m er zwischen verschiedenem G erüm pel, H ausrat und anderem K ram steht.
D ie E ntw icklung des C h a ra k te rs von G o ljad k in findet so sta tt, d aß er zuerst d u rc h D em ütigungen verw irrt w ird, so d an n als P ro jek tio n seiner B ew ußtseinsspaltung seinen D o p p elgänger selbst entw ickelt und nach außen projiziert, und ihn erst am nächsten T ag als statu ierte „W irk lic h k eit“ erlebt. Bei K a fk a gibt es keine solche C harakter-E ntw icklung, sondern die W andlung setzt schlagartig m it dem E rw achen ein. D as w esentlichste gem einsam e M o tiv w ahrscheinlich ab er auch die ist ein einzelnes D etailm otiv - besteht in dem U m stand, d a ß beide in einer Regression enden, die allerdings bei G o ljad k in ins Irren h au s, bei Sam sa in den T o d führt.
Bei D ostojew ski nim m t m it dem Doppelgänger das R ingen um die innere Identität seiner R om anhelden seinen A nfang bei K afk a ist das D arstellungpro-blem des Identitätsverlusts durch die A ufspaltung in T eilkom ponenten bereits im Urteil und sogar vor diesem noch in den „Hochzeitsvorbereitungen a u f dem
Lande“ vorgegeben. Zum indest bis zur Verwandlung ist es nicht die D arstellung
der inneren E ntw icklung ih rer H a u p tc h a ra k te re , die sie gem einsam haben, sondern abgesehen von verhätnism äßig kleinen Einzcmotiven die Leidensgrund-lage, d as S chuldproblcm , die unerbittliche W ahrheitssuche, ln dem späteren,
nich t zufällig sehr viel längeren P rozeß ro m an ist K a fk a a u f seine Weise einer ganz bestim m ten A rt d er C haraktercn tw ick lu n g D ostojew skis gefolgt.
Stellt m an Doppelgänger und Vorwandlung n ebeneinander, d a n n zeigt sich bei genauerer B etrachtung, d aß der C h a ra k te r des P ro tag o n isten bei D ostojew ski dem unerklärlich Irratio n alen gegenüber w eitaus offener und ausgesetzter ist, als es im ersten A ugenblick erscheint, w ährend cs bei K a fk a p arad o x er Weise um gekehrt ist, und d er P rotag o n ist viel ra tio n a le r gestaltet ist, als es zunächst den A nschein hat. E r ist eben do ch ein „D ostojew ski des W estens“ , dessen C harak terisieru n g sk u n st jen er D ostojew skis in der
Verwandlung eher entgegensetzt ist.
W. J. D o d d h a t auch in d er E rzählung Erinnerungen an die Kaldabahn und im F ra g m e n t des Unterstaatsanwalts Einflüsse D ostojew skis gesehen. A bgesehen von den ersten beiden Seiten seines K apitels d a rü b e r finden sich hier im U nterschied zum K apitel über das U rteil etlichc Stellen, die seine A n n a h m e wohl begründet erscheinen lassen22. D em nach ist beispielsweise d er U nterstaatsanwalt d u rc h die G erichtsszene in den Brüdern Karam asow beeinflußt., liie r sind D odds H ypothesen um so überzeugender, als beide Stücke zum U m kreis von K afk as bekanntesten R om an, den Prozeß, gehören, von dem H a rtm u t Binder geurteilt hat, d aß die M otivbeziehungen zw ischen D ostojew ski und K a fk a hier so auffällig sind, „auch gerade hinsichtlich von Z entralvorsteilungen in K a fk as R om an, d aß m an sagen m uß, K a fk a h abe wesentliche Elem ente seiner K onzeption seinem russischen V orbild zu v erd an k en “ 23. B inder zählt auch die D ostojew ski-Q uellen K a fk as fü r den
P rozeß auf: die beiden R om ane Der Doppelgänger und Schuld und Sühne,
die Briefe in d er A usgabe von Eliasberg, ein B and, in dem auch ein B ericht ü ber D ostojew skis Z u chthauszeit in O m sk enth alten w ar und schließlich N ina H offm an n s D ostojew ski-B iographie2'.
H a rtm u t Binder ist es auch, der m it großer Akribie und Ü berzeugungskraft den einzelnen M otivverbindungen nachgegangen ist, nachdem er im H inblick a u f die S tru k tu r des R om ans die großangelegte G erich tsm e tap h o rik als erzählerisches G leichnis von K afk as K a m p f um Felice aufgezcigt h a tte 25.
22 W. J. D o d d : K a fka ..., s. 175-188.
23 H . B inder: K a fka-K om m entar zu den Rom anen, R ezensionen, A phorism en und zu m B r ie f
an den Vater. M ü n ch en 1976, Bd. 2, S. 189.
24 N . H o ffm an n : F. M . D ostojew sky. Eine biographische Studie. B erlin 1899.
25 H a rtm u t B inder gibt im K ap itel ü b er den P rozeß in seinem K a fka -K o m m en ta r zu n äch st eine au sfü h rlich e K lä ru n g d e r K a p itel-E in teilu n g . D em folgen B em erkungen zu d e r V ielfalt d e r D eu tu n g sv ersu ch e, ein b io g rap h isch er Hinw eis zu K a fk as B eziehungen zur G e rich tsb a rk eit un d zu einigen w ichtigen Prozessen seiner Z eit, eine D arleg u n g d e r W ichtigkeit von D ostojew skis E in flu ß im allgem einen und d a r a u f erst die K lä ru n g d er G ru n d s tru k tu r des R o m an s . Im A n sch lu ß d a ra n gibt B inder einen k o n d en sierten Ü berblick ü b er die E n tw ick lu n g von K a fk a s b io g rap h isch en B eziehungen zu Felice, die in der m e ta p h o risch -p a rab o lisch e n P ro z e ß -F o rm ih ren N iederschlag g efunden haben.
M arg aret C h ru ch h a tte beteits d a ra u f aufm erksam gem acht, d a ß im R as- k o ln ik o ff-R o m an zunächst ein Z im m erm aler v erdächtigt w ird, den M o rd begangen zu haben. Dies k o rresp o n d iert m it dem a u f and ere W eise nicht zu erk lärenden U m stand, d a ß d er U ntersuchungsrichter Jo se f K . beim ersten V e rh ö r u n v erm ittelt die F ra g e stellt: „S in d Sie Z im m e rm aler?“ B inder fügt zahlreiche, kleine Einzelm otivc hinzu, wie etw a jenes, d aß Jo se f K . sich bei seiner V erhaftung überlegt, e r h ä tte zehnfache Z eit, sich u m zubringen, d as er zu d er Stelle in Schuld und Sühne in B eziehung setzt, wo d er U n tersuchungsrichter R ask o ln ik o ff nahe legt, d aß er, für d en F all er lege H and an sich eine kurze und genaue M itteilung h in te r-lassen m öge.
Um n u r no ch einige w enige Einzelm otive m eh r an zu fü h ren , sei a u f das M o tiv verwiesen, wo Jo sef K . am S on n tag zu seiner ersten U n tersu ch u n g geht, dabei ü b erraschender Weise a u f drei A ngestellte seiner B ank stö ß t, und sich denkt: „A lle sahen ihm wohl nach und w underten sich, wie d er Vorgesetzte lief“ . Binder vergleicht diese Stelle m it dem Vorfall in Dostojewskis
Doppelgänger, wo G oljad k in überraschend zwei in seinem A m t beschäftigte
u n terg eo rd n ete B eam te trifft, die ihn in höchster V erw underung a n starren wegen seines Aufzuges. A uch vergleicht er das bucklige ju n g e M äd c h en , d as Jo se f K . vor d er W o h n u n g T otorellis entgegentritt m it dem M äd ch cn , d as S sw idrigailoff in Schuld und Sühne, d a er innerhalb eines T ra u m e s sein Z im m er verlässt, in sein B ett bringt.
Im letzten K apitel vergleicht B inder die Stelle, wo die beiden H en k er Jo se f K. zum R ichtplatz begleiten, und wo er an einem G e lä n d er stehen bleibt, hinter dem das im M ondlicht glänzende und zittern d e W asser sich um eine kleine Insel teilt m it D ostojew skis Schilderung, wo d er S elbstm örder S sw idrigailoff sich a u f dem W eg zu seinem letzten D om izil ü b er d a s schw arze W asser d er kleinen N ew a beugt. A uch die A rt, wie Jo se f K ’s. T o d dargestellt w ird, besonders „die w iderlichen H ö flich k eiten “ d er beiden H e n k er, findet er bei D ostojew ski vorgeform t.
D as letzte hier angeführte Einzelm otiv betrifft die Lage und B eschreibung des Polizei-B üros, das R ask o ln ik o ff aufsucht, wo d er E indruck en tsteh t, es m üsse in einem W o h n h au s, „also in einer gew isserm asen priv aten S p h äre“ liegen26. R ask o ln ik o ff m u ß in den d ritten S tock hinaufsteigen, ü b er den S chm utz sich w indender T rep p en , an offenen W o h n u n g stü ren vorbei durch D u n st und G e sta n k von K üchen. Binder vergleicht diese B eschreibung m it jen er Stelle im Prozeß, wo Jo sef K . in d er K u liu sstraß e einer V o rsta d t den R aum d er ersten U n tersuchung zu finden trac h tet, wo er ebenfalls in einem M ietsh au s an offen stehenden T ü re n , an K in d e rn , F ra u e n , M ä d c h e n , K ra n k e n vorbei, endlich ans Ziel gelangt.
W ie viele derartige E inzelm otive aber auch von K a fk a übern o m m en w orden sein m ögen, sic alle zusam m en genom m en ergeben noch kein Bild des geistigen und künstlerischen Einflusses von D ostojew ski a u f den
Pro-zeß -R o m a n . U n ter den von B inder angeführten P arallelstellen scheinen m ir
zwei ü ber solch enge Einzclm otivik hinauszuführen.
D ie erste dieser Stellen bezieht sich a u f die E rk lä ru n g des U n te rsu c h u n -gsrichters in Schuld und Sühne, in welcher er R ask o ln ik o íľ zu überzeugen sucht, d a ß cs vorteilh after ist, die strenge, äusserliche, gesetzliche F o rm der B efrag u n g zu d u rc h b ro ch e n , ja , im a lte r F re u n d sc h a ft m ite in a n d e r zu sprechen. B inder zieht d a ra u s den Schluß, d a ß eine „solche A uffassung [...] K a fk a in seinem V orhaben b estärk t h a b e n “ m u ß „den inneren P rozeß so darzustellcn, d aß er sich in seiner V erkörperung in äu ßeren Instanzen von den G epflogenheiten des herköm m lichen S trafp ro zeß o rd n u n g unterscheidet, oh n e jed o ch davon völlig verschieden zu sein“ 27.
D em k an n m an bcipflichten, w enn m an die B etonung a u f das W ort „ v e rstä rk e n “ legt. D enn die F o rm der m etap h o risch p arab o lisch en G ru n d -s tru k tu r de-s Prozeß in von vornherein und -so rad ik al ver-schieden von dem im w eitesten S inn des W o rtes realistisch psychologischen R o m a n s des 19. J a h rh u n d e rts, d aß sich hier von selbst die innere N otw endigkeit ergibt, gewisse V erschiedenheiten von einem äu ßeren S trafprozeß w irklicher A rt h erau szu arb eiten , schon um die P a ra b e lstru k tu r nicht übersehen zu lassen28.
D ie zweite Stelle, die über enggefaßte E inzelm otivik hinausrcicht, ist jene, wo Binder a u f den Einfluß von N ina H offm anns Dostojew ski Biographie hinw eist29. Diese B iographie en th ält näm lich den W o rtla u t von D ostojew skis eigener Verteidigungsschrift, über deren L ektüre K a fk a in seinen T agebüchern besonders berichtet30 und die ihn außerordentlich bewegt hat. Wie B inder d u rc h sein u n erh ö rtes biographisches W issen erklären k a n n , h ä n g t dies nicht zuletzt m it dem U m stand zusam m en, d a ß K a fk a selbst zu dieser Zeit gerade an einem „vergleichbaren S chriftstück“ arb eitete31, noch d azu an einem , d as m it dem realen, biographischen Bezug des P rozeß-R o m an s a u f d a s engste zusam m enhing. Es h an d elt sich um einer au ß e rh alb des Brief-w echsels m it F elice v erfaßte, sechs D ru ck seiten lange S elb sterk läru n g . B inder weist au ch sehr rich tig d a r a u f hin, d a ß D o sto jew sk i in seiner V erteidigungsschrift, „selbstquälerisch, wie er w a r“ 32, einen grösseren eigenen A nteil an den V orgängen sehen wollte, als ihm zukam . D em steht andererseits
27 E b d ., S. 202.
2* Vgl. N . S arrau te: D e D osto i'evski á K a fka . P aris 1956, w o die b eiden T y p en u n te r den N a m en „ ro m a n d e s itu a tio n “ und „ ro m a n p sy ch o lo g iąue“ e in an d er gegenüber g estellt w erden.
29 II. B inder: K a fka -K o m m en ta r..., Bd. 2, S. 223. 50 F . K afk a: Tagebücher, S. 682.
51 H . Binder: K a fka -K o m m en ta r..., Bd. 2, S. 223. 32 E bd.
allerdings entgegen, d aß er die Existenz d er noch nicht entdecken Palm - D u ro w -G ru p p e verschw ieg” . Jedenfalls w ar H o ffm an n im U nterschied zur älteren D ostojew ski-K ritik überzeugt, d aß die Schrift nicht ein advokatorisches M eisterstück darstellt, sondern auch viel w irkliche W a h rh eit enthielt.
B inder b rin g t diese V erteidigungsschrift D ostojew skis z u n ä c h st m it d er von Jo se f K . selbst am Beginn des K apitels A dvokat-F abrikant-M aler von ihm geplanten „V erteidigungsschrift“ in Z usam m en h an g , so d an n ab er m it dem ganzen K apitel. Es fragt sich, o b nicht m anches von d er K asu istik D ostojew skis in verschiedene Stellen des ganzen R o m an s E ingang gefunden hat.
D as Einfluß-Problem ist m anchm al schwierig zu klären und ganz bestim m t gibt es gerade im F all von D ostojew skis E influß a u f K a fk a Stellen, wo sich nicht m it Sicherheit verifizieren läßt, ob ein E influß vorliegt o d e r nicht. W ozu no ch die S chw ierigkeit verschiedener k ritisch er M ein u n g en zum E influß-P roblem ü b e rh a u p t kom m en. Jean S tarobinski h a t etw a erk lä rt, d aß es im H inblick a u f den E influß von Schuld und Sühne a u f K a fk a keine N a ch ah m u n g gibt, sondern d aß lediglich gleiche A rchetypen d er E in b ild u n -g skraft vorlie-gen34. G ew iß -gibt es keine m echanische äuß ere N a ch ah m u n -g . A ber wo ist die G renze zu ziehen zw ischen Spilkas „schöpferischer N a -c h a h m u n g “ und glei-chen A r-chetypen der E inbild u n g sk raft?35
G ew iß sind m anche P arallelen so allgem einer A rt, d a ß bei F eh len von b iographischen Belegen in T ageb ü ch ern , Briefen und G e sp räch en , vom dichterischen W erk allein h er gesehen, eine wirkliche E ntscheidung unm öglich ist. D er H inw eis a u f die D arstellu n g des Ö dipuskonflikts allein, sow ohl in
Schuld und Sühne wie im Prozeß, w o ra u f u n ter anderem besonders M a rg a re t
C h u rch aufm erksam gem acht h at, w ürde g ar nichts besagen, h ä tte sie nicht ihre B eobachtungen und eindeutige A nalysen von P arallelen in d e r F a -b el-S tru k tu r e rh ärten k ö n n e n 36.
E in n euerer K ritik er h a t m it R echt erk lärt, d a ß es sich bei K a fk as Ü b ern ah m e „in S tru k tu r, T h em atik und M otivik aus S chuld und Sühne nicht um isolierte E ntlehnungen handelt, die ebensogut aus zw anzig vers-chiedenen Q uellen h ä tte n genom m en w erden k ö n n e n “ 37. F rag w ü rd ig ist jed o ch seine folgende E rk läru n g , w onach der übergreifende S tru k tu rz u sa m -m en h an g hier in d er G a ttu n g zu finden sei. D iese g laubt e r i-m sog en an n ten „m etaphysischen (oder religiösen) K rim in a lro m a n “ zu erblicken, wessen w esentliche K ennzeichen - er n en n t alles in allem sieben - lassen sich in
53 Vgl. J. F ra n k : D ostoevsky. The Years o f O rdeal 1850-1859. P rin c eto n 1983, S. 34. 34 J. S taro b in sk i: K a jka e t D o s to i’evski, „L es C ah iers d u S u d “ 1950, N r. 304, S. 466. 33 M . Spilka: K a fka s Sources...
36 M . C h u rch : D o s to e ffk y 's ,.C rim e and P u n ish m en t" a n d K a fk a 's „The T ria l", ,,L itera tu re
a n d P sych o lo g y", 1969, Vol. 19, N o . 314, S. 47-55.
drei H auptken n zeich en zusam m enfassen, die er an an d e rer Stelle n en n t, näm lich „die dram atische S truktur, die m etaphysische T hem atik, der städtische H in te rg ru n d “ 311. N un läßt sich eine m etaphysische T h em atik in K a fk as
Prozeß im U nterschied zu späteren W erken von ihm einfach nicht beweisen,
und d a ß eine solche m etaphysische T hem atik w iederholt hineinprojiziert w orden ist und a u f G ru n d der parabolischen S tru k tu r leicht p rojizierbar ist, än d e rn nichts d aran . Die parabolischen Bilder von K a fk as trau m h a ften inneren Leben im P rozeß sind nachw eisbar von d er F elice-P roblem atik her g ep räg t39.
W as die dram atisch e S p an n u n g berifft, so findet sich im U nterschied zum psychologisch spannenden K rim in alro m an Schuld und Sühne im Prozeß als glcichnishaften äußeren A u sdruck increr V orgänge fast gar nichts davon und K afka w ar infolge seines Strukturm odclls auch gar nicht d aran interessiert. W as unser K ritik er auch richtig beobachtet hat, denn er klagt: „ K a fk a neigt [...] leider dazu, die dram atisch e S p annung einer Szene au fzu lö sen ...“ 40 Es bleibt also im G ru n d e n u r d er „städ tisch e H in te rg ru n d “ . W as aber dieses K riterium für sich allein betrifft, so ist cs völlig bedeutungslos für die K onstituierung eines m etaphysischen oder überhaupt irgendeines K rim inal-rom ans, denn es gibt die verschiedensten A rten von R om anen m it städtischem H in terg ru n d .
W as die richtig gesehenen und geforderten, S tru k tu r, T h em a tik und M o tiv ik ü bergreif enden Züge betrifft, so stellen im U nterschied zum m e ta physischen K rim in alro m an S tarobinkis gleiche „A rchetypen d er E in b ild u n -g sk ra ft“ einen w esentlich überzeu-genderen -gem einsam en N enner d ar.
W ie es eigentlich keine realistische F abel im P rozeß-R om an gibt, so gibt cs im G ru n d e auch m it A u sn ah m e von Jo sef K. keine realistischen C h a ra k -tere, d a sie in gewissem Sinn alle P rojektionen des P ro tag o n isten sind. D a K a fk a ein viel zu großer K ü n stler w ar, als d aß er sich d er G e fah r völlig blutleerer, a b stra k te r A llegorien ausgesetzt hätte, gab er zum indest einer R eihe von hinen, w enn nicht den m eisten Z üge von Fleisch und Blut lebender, w irklicher Personen. Zweifellos trä g t F räu lein B ürstner Z üge von Felice.
M an m uß sich aber der grundsätzlich verschiedenen A nlage der C h araktere bei D ostojew ski und K a fk a bew ußt bleiben, was d irekte V ergleichsm öglich-keiten bei d er D arstellung d er C h a ra k te re b eschränkt, und es scheint m ir ebenso fragwürdig, unter Einbeziehung dieser Verschiedenheit zu schlußfolgern,
311 E b d ., S. 128.
39 D ie D e u tu n g d e r G e rich tsrä u m e im P rozeß ais V ersam m lu n g sräu m e d u rc h G iu lia n o B aioni (K afka: rom anzo e parabola, M ailan d 1964, S. 164) ist w illkürlich, gew altsam und un rich tig , wie auch die allerdings sehr viel vorsichtiger geäusserte M öglichkeit von R o b e rts o n , d a ß sie T alm u d -S ch u len glichen. (R o b ertso n : K a fka , S. 170).
d a ß K a fk a hier ü ber D ostojew ski hinausgegangen sei41, wie um g ek eh rt, d a ß er ihn nicht erreicht h ä tte 42.
D as P roblem d er C h ara k te r-Z e ich n u n g m u ß ab er hier erw äh n t w erden, weil K a fk a einen bestim m ten, einzelnen Z ug d av o n bei D ostojew ski e rk a n n t und übern o m m en hat. K a fk a selbst h a t aus guten G rü n d e n d a rü b e r in sein T ag eb u ch notiert: „M axens E inw and gegen D ostojew ski, d a ß er zuviel geistig K ra n k e auftreten läßt. V ollständig unrichtig. Es sind nicht geistig K ranke. D ie K rankheitsbezeichnung ist nichts als ein C harakterisierungsm ittel und zw ar ein sehr zartes und sehr ergiebiges“ 43. W o ra u f er ein Beispiel aus den Brüdern Karam asow an fü h rt.
R itchie R o b ertso n w ar einer d er letzten, welche das W esen d e r idée m aitre des ganzen P rozeß-R om ans in d er F orm el e n th ü llt hab en , w onach es um nichts anderes geht, als d a ß die U nkenntnis des inneren m oralischen Gesetzes Schuld die Schuld des Jo sef K . k o n stitu ie rt44. N u n ist gerade d er aus d er Perspektive von Jo sef K. geistig zurückgebliebene, wo nicht du m m e O nkel A lb e rt, d e r in d e r B an k keinerlei ta k tv o lle R ü c k sic h t a u f die vornehm e U m gebung nim m t und dem Jo sef K . den verächtlichen N am en „ d a s G espents vom L an d e“ gegeben h at, der so fo rt d as W esen dieses G erichtsverfahrens d u rc h sch au t, indem er erklärt: „E inen solchen P rozeß haben, heißt ihn schon w erloren h a b e n “ und d er tro tzd em tatk rä ftig e H ilfe leistet, indem er Jo se f K. zum A dv o k aten bringt. Es ist genau die M eth o d e, die er an D ostojew skis Z eichnung des C h ara k te rs des V aters K a ra m a so w b eo b a ch tet hatte.
In diesem Sinn weitet sich wohl die F elice-P roblem atik v o r allem d u rc h die P arabelform zu allgem einer m enschlicher L ebensproblem atik aus, weshalb d er M aler T itorelli erk lären kann: „A lles gehört zum G e ric h t“ , das m it der m a c h t des G ew issens verbunden ist. In diesem Z usam m en h an g h a t ebenfalls R o b ertso n als einer der letzten, wenngleich keineswegs allein, a u f den w esentlichen U m stand verwiesen, d aß ein, w enn nicht d e r H a u p tfeh ler Jo sef K ’s d arin besteht, d a ß er sich zu sehr, ja einzig a u f seinen V erstand v erläßt45.
H ier ab er k om m t einer d er w ichtigsten und tiefstgreifenden Einflüsse D ostojew skis zum T ragen, näm lich der E influß des F ü n fte n K ap itels des
41 D ies tu t zum in d est am Beispiel des U rteil D o d d in seinem B uch K a fka ..., S. 49. 42 D ies tu t L o u is B reger in seinem B uch D o sto evsky (N ew Y o rk 1989) w o er a u f S. 8, schreibt: „B u t D o s to e v sk y ’s w o rk is p sy ch o an aly tic in w ays th a t g o beyond K a fk a ...“
45 F. K afk a: Tagebücher, S. 711.
44 R . R o b e rtso n : K a fk a , S. 140. D e r G eg en satz d er Idee d e r G e rech tig k eit u n d d e r p ra k tis c h e n G esetzg eb u n g , G e ric h tsb a rk e it u n d V e rw a ltu n g so rd n u n g , d e r G e g e n s a tz von N a tu rre c h t u n d p o sitiven R ech t w ar dem Ju risten K a fk a seit seinem S tu d iu m k la r, eb en so wie d as p rak tisch e P ro b lem d e r Schw ierigkeit d e r E n th ü llu n g und des E rk en n en s solch eines allgem einen G erech tig k eitsp rin zip s im verw ickelten u n d k o m p lizierten L eben m it ein a n d er so vielfältig ü b ersch n eid en d en Interessen und A ufgaben.
ersten Teils seines R o m an Der Jüngling™. M ax Brod h a t aus d e r E rin n eru n g berichtet, dass K a fk a „besonders en tzü c k t“ über dieses K apitel w ar und ihm m it lau ter Stim m e, „a u ß er sich vor B egeisterung“ den A n fan g d av o n vorlas, „den p h an tastisch p arad o x en P lan des H elden, u nbedingt reich zu w erden...“ 47. N un en th ält dieser A nfang lediglich den A u fta k t, den - ganz im Sinne Jo se f K ’s rein a u f den V erstand bauenden L cbensplan des jungen D ostojew sk i-P ro tag o n isten , an dem er bald genug scheitert, so d a ß sich seine gesam te L ebenshaltung gleichsam um stülpt, und sich dem M ysterium des Leidens, des M itlcidens, des Jenseits des V erstandesm äßigen öffnet. D ies geschieht, als er u nter dem E ind ru ck eines ausgesetzten B abys, bew egt von dessen G eschickt und A usdruck, einen Teil seiner geringen A nfangsersparnissc für dessen E rh a ltu n g und n u r allzu rasch für den A rzt und d as B egräbnis des winzigen M ädchcns aufw endet. Die a u f ihn gerichteten A ugen des sterbenden K indes bew irken seine endgültige U m kehr.
D er Jüngling lernt aus seinen E rfahrungen einerseits, d aß die Sinne die B otschaft des V erstandes trü b en k o n n ten , wie auch um gekehrt - du rch die G eschichte des sterbenden K indes - d aß keinerlei a b stra k te Idee und kein verstandesm äßiger Plan einen M enschen so völlig beherrschen k ö n n en , um verhindern zu kön n en , d a ß er von etw as ganz anderem so überw ältigt w ird, d a ß er bedenkenlos das E rgebnis m ehrjähriger A n strengungen opfert. Beide, gegensätzliche L ehren, die von d er M ac h t der Sinne wie jene des G ew issens b etra ch tet der Jüngling tro tz ihrer W idersprüchlichkeit als richtig.
E inerseits geht es also ü ber die Einflüsse aller begrenzten und engen E inzelm otive hinaus um ein m oralisches S chuldeingeständnis, m it dem sich R askolnikoff von den Q ualen d er A ngst befreit und dessen V erw eigerung zu J o s e f K ’s I od fü h rt, und geht cs um die B edeutung p ersö n lich e r Schuld beurteil ung einer tieferen W ah rh eit als d er juristisch m essb aren 4*,
46 H a rtm u n t B inder n im m t als term inus a quo fü r diesen E in flu ß d a s J a h r 1915 a n , weil d ie d e u ts c h e Ü b e rse tz u n g u n te r d iesem T itel 1915 ersch ien en w ar (In : K afka -H a n d b u ch . S tu ttg a rt 1979, Bd. 1, S. 464). N u n ist dieser R o m a n a b er schon d rei M a l v o rh e r in deu tsch en Ü b ersetzu n g en erschienen: 1886 u n ter dem titel Junger N achw uchs, 1905 u n ter d em T itel Ein
W erdender und 1909 u n ter dem titel Ein HalhwüchsUng. M a x B rod h a t in seinem B uch Über F ranz K ajka, F ra n k fu rt/M . H a m b u rg 1966, S. 343-344) z u n äch st eine N o tiz vom J a n u a r 1911
v erö ffen tlich t und ih r so fo rt eine a n d ere N o tiz ü b er K a fk a s F a sz in atio n m it jenem fünften K ap itel des ersten T eils des D o sto jew sk i-R o m an s o h n e D a tu m folgen lassen. D a B rod a u f d e n T itel Ein H albw üchsling verw eist, k a n n K a fk a d a s B uch ab 1909 g e k a n n t h a b en . W. J. D o d d , d e r einen E influss dieses fü n ften K a p ite ls a u f Beschreibung eines K am pfes a n n im m t (W. J. D o d d : K afka, S. 198) verw eist a u f einen A u fsatz von M a x B rod K om m entar zu R obert
W alser in „ P a n “ 1911, N o. 2, S. 54, d e r m ir n ich t zugänglich w ar und in dem B rod sich
o ffen k u n d ig im Z u sa m m e n h an g m it K a fk a a u f den titel Ein W erdender bezieht w o ra u s d o d d m it R ech t schließt, K a fk a k ö n n te d en R o m an bereits seit 1905 g e k an n t haben.
47 M . B ro d : Über Franz K a fka , S. 364.
4* Vgl. H . Siefken: K afka. Ungeduld und Lässigkeit. Z u den R om anen ,,D er P rozeß“ und
andererseits ist d am it ab er auch ein E rk e n n tn isa k t verbunden, den die „ G e ric h te a u f den D a c h b ö d e n “ im U nterschied zu d en G e ric h te n im Ju stiz p alast zu verm itteln trac h ten , und d as ist die E insicht in die eng gesteckten G renzen, denen die W elt des reinen V erstandes und d er ab stra k te n Ideen unterw orfen sind.
M it dem Prozeß scheint zunächst d er E influß D ostojew skis a u f K a fk a fast völlig zu erlöschen. Es ist aber bem erkensw ert, d a ß m an annehm en h a t kön n en , d aß dieser E influß nach vielen Jah ren , am E n d e von K a fk as Leben und E ntw icklung noch einm al aufgeflackert ist.
Dies m ag d u rc h den äu ßeren U m stand m it ausgelöst w orden sein, d aß er im W inter 1920 die 1919 erschienene Ü bersetzung von D ostojew skis
Autobiographischen Schriften gelesen hat. D ie sp ät E rzäh lu n g , fü r welche
ein E influß D ostojew skis angenom m en w urde49, Der Bau, w urde nicht zufällig als „ g ro ß e au to b io g ra p h isc h e E rz ä h lu n g “ geseh en 50. E s ist die G eschichtc eines T ieres, d as sich u n ter d er E rde einen B au angelegt h at und das gleichnishaft in seiner radikalen R ückverw eisung a u f die E insam keit des Einzelnen w ohl in erster Linie für K afk as V erhältnis zu seinem W erk steht, in seiner p arabolischen A llgem einheit ab er jegliche K ü n stler- wo nicht M enschen-E xistenz m itm einen k önnte.
W ie im au to b io g rap h isch en Prozeß Jo se f K . schcitert, so scheitert auch d as Tier und m an h at m ehr Parallelen zum Prozeß-R o m an gezogen, etw a den V ersuch des Tieres die seltsam en Z ischlaute eines o ffenkundig in den Bau eingedrungenen Feindes m it den V ersuchen Jo se f K ’s, die plötzlich au fta u ch en d c n G erichtspersonen zu deuten. A uch ch a rak terisie rt sich Jo se f K . selbst ganz ähnlich, wie das T ier im B au sich ch a ra k te risie rt51.
A uch die äussere biographische S ituation K a fk as w ar zum indest ähnlich jen er d e r Zeit, als er am P rozeß arbeitete, n u r d a ß er m it D o ra D ia m a n t, die er auch h eiraten w ollte, im U nterschied zu Felice, glücklich w ar und die Schw ierigkeiten seinen eigenen Bau, sein eigenes H a u s zu errichten, nicht im V erhältnis selbst begründet w aren, sondern in d e r U nm öglichkeit einer H o ffn u n g infolge seiner weit fortgeschrittenen K ra n k h eit. Es w ar eine neue V ariationsform d e r unbedingten V erurteilung zum Scheitern. A uch m ag er sein Z usam m ensein m it D o ra D ia m a n t von seiner F am ilie her
J. S taro b in sk i: K a fka ..., S. 4 7 3 -4 7 5 und M . Pasley: The Burrow. In: A . F lo re s (ed): The
K a jka Debate. N ew Y o rk 1977, S. 424.
50 H . B inder: K afka-K om m entar, Bd. 1, S. 302.
51 Vgl. W. Sokel: Franz K a fk a -T r a g ik und Ironie. M ü n c h e n -W ie n 1964, S. 382: H ie r ist die Stelle au s dem P rozeß über Jo s ef K. zitiert, die lautet: „ E r neigte stets d a z u , alles m öglichst leicht zu n ehm en, d as Schlim m e erst beim E in tritt des S chlim m sten zu g lau b en , k ein e V orsorge fü r die Z u k u n ft zu treffen, selbst w enn alles d ro h te “ . A ber, fä h rt Sokel fo rt, m it dem P rozeß h a t sein L eichtsinn n ich t a u fg eh ö rt: „ D en n die P arallele zw ischen P rozeß und B au b esteht eben d a rin , d a ß tro tz der B em ü h u n g um alle m öglichen V erteidigungs m assn a h m e n keine ersn tlich e und w irkliche V erteidigung ergriffen w ird “ .
b e d ro h t gefühlt haben. Sie jedenfalls verstand d as L ab y rin th des B aues so, d a ß K a fk a selbst d as Leben als L abyrinth erfahren h ä tte , aus dem er keinen A usw eg erblicken k o n n te, so dass er im m er n u r zur V erzw eiflung gelangte.
Es ist vor allem die Leidensfähigkeit und die W a h rh citsu n crb ittlich k eit, die K a fk a m it D ostojew ski gem einsam hat, wozu noch in d er Verwandlung, im P rozeß und gerade auch im Bau der an Besessenheit grenzende T rieb zur Selbstanalysc kom m t.
In d en llochzeitsvorbereitungen a u f dem Lande stehen in diesem Z u sa m -m en h an g die Sätze:
E rk en n e dich selbst bed eu tet n icht: B eobachte dich. B eobachte d ich ist d a s W o rt der S chlange. Es bedeutet: M ache dich zum H errn deiner H an d lu n g en . N u n bist d u es ab er schon, b ist H e rr deiner H an d lu n g en . D as W o rt b ed eu tet also: V erkenne dich! Z erstö re dich! also etw as Böses - und n u r w enn m an sich sehr tief h in ab b e u g t, h ö rt m an a u ch sein G u te s, w elches lau te t: „ U m dich zu dem m achen, d e r du b ist“ 52.
Joseph P. Strelka
D O S T O JE W S K I I K A F K A
O rzeczyw istym wpływ ie D o stojew skiego n a K afk ę m o żn a m ów ić jed y n ie w p rz y p a d k u pow ieści: D ie Verwandlung, D er P rozeß i D er Bau.
S tu d ia p o ró w n aw cze sp ro w ad zają się je d n a k że najczęściej d o b a d a n ia poszczególnych m otyw ów . N iniejszy szkic podejm uje p ró b ę bardziej w nikliw ego o m ó w ien ia ow ych w pływ ów , a przed staw io n e fak ty z d ają się p o tw ierd zać jed n o zn aczn ie d u ch o w e p o w in o w actw o K afki i D osto jew sk ieg o .