Agnieszka
Stawikowska-Marcinkowska
Lässt sich Urteilssprache als ein
Teilgebiet der Rechtssprache
eindeutig definieren?
Acta Universitatis Lodziensis. Folia Germanica 4, 63-88
2004
A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S
FOLIA G ERM ANICA 4, 2004
A g n ie s z k a S ta w ik o w s k a -M a r c in k o w s k a
L A SS T S IC H U R T E IL S S P R A C H E ALS E IN T E IL G E B IE T D E R R E C H T S S P R A C H E E IN D E U T IG D E FIN IE R E N ?
„Die Sprache...
ist nicht etwa bloß das Kleid, sie ist das wahre Leib des Rechts.“
O. Gierke D er M ensch wird heutzutage viel häufiger als noch vor einigen Ja h ren mit dem Rechtsw esen ko n fro n tiert. D as R echt gestaltet unser Leben in der Gesellschaft, vo r allem aber im Staat. D er M ensch strebt d an ach , das R echt zu begreifen, um Problem e zu vermeiden. U nd in diesem Fall m uss m an von schwerw iegenden P roblem en sprechen, denn V erstoß gegen rechtliche O rdnung h a t die V erantw ortung m eist vor einem G ericht zur Folge. D as Wesen des R echts zu begreifen ist aber für einen ganz einfachen Bürger aus m ehrfachen G rü n d en schwierig. V or allem aber die Sprache der d as Recht bestimmenden Juristen bereitet dem Laien Schwierigkeiten. D eshalb will man die R echtssprache m öglichst einfach und verständlich m achen. Leider hat bis jetzt dieses Bestreben keinen Erfolg.
D er vorliegende T ext soll ein Versuch sein, diese Fachsprache aufgrund der Sprache u n d des A ufbaus d er U rteile zu analysieren. Es w erden vor allem die w ichtigsten M erkm ale dieser T ex tart als eines Rechtstextes bes prochen. U m dies zu erm öglichen m uss m an zuerst ganz allgemein sagen, was ein U rteil aus der Sicht des R echts ist.
D as U rteil ist n ach D U D E N 1993 (mhd. urieil, ahd. Urteilt) eigentlich ein W ahrspruch, den der R ichter erteilt. In der R echtssprache, im Zivil prozess wird es als richterliche E ntscheidung, die einen R echtsstreit in einer Instanz ganz o der teilweise abschließt, verstanden.
N ach einem anderen Lexikon wird das U rteil als eine E ntscheidung des Gerichtes ü ber die K lage im Sinne ihrer G utheißung oder Abw eisung, oder falls sich die K lage als unzulässig oder fehlerhaft erweist, im Sinne ihrer Zurückweisung, bezeichnet (L exiko n A - Z 1990, S. 665).
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N ach der polnischen Zivilprozessordnung (ZPO) ist ein Urteil Ergebnis d er gesam ten gedanklichen A rb eit eines G erichts, die a u f Feststellung des faktiven S achverhalts gem äß d er objektiven W irklichkeit und au f A nw endung geltenden Rechts beruht (B LA D O W SK I 1993, S. 156). Die U rteilsv erk ü n d u n g gleicht im Z ivilrecht seinem W esen nach d er E n t scheidung.
Alle diese D efinitionen scheinen divers zu sein. Sie haben aber etwas G em einsam es an sich und zwar: ein U rteil ist Entscheidung eines Gerichts, die einen R echtsstreit gem äß dem geltenden R echt abschließt und diese G em einsam keit bildet den K ern der Bedeutung dieses Rechtsbegriffs. So wird das U rteil aus der Sicht der Juristen gesehen. U nd sprachlich? D urch welche Eigenschaften wird die Sprache d er gerichtlichen Urteile gekenn zeichnet?
M it der E ntscheidung darü b er, ob dem K lagebegehren stattgeben wird oder nicht, m ü n d et das richterliche U rteil in eine konkrete Sollensanweisung positiver oder negativer A rt. D am it stellt sich die F rage nach Sinn und A usw irkung vorschreibender (präskriptiver) Sätze gegenüber beschreibenden (deskriptiven) Sätzen im richterlichen Urteil.
Die Sätze des richterlichen Urteils sind insoweit identisch, als sie gegen über dem A ngesprochenen bestim m te Inform ationen enthalten. D as haben sie m it allen sprachlichen Sätzen gemein. Id en titä t besteht auch insoweit, als die U rteilssätze den Sinn haben, den R ichterspruch, a u f den sie hinauslaufen und dessen Stützung sie dienen, zu begründen. M it anderen W orten: In fo r m ationssätze, die im U rteil stehen, haben ihren besonderen Inform ationssinn darin, dass sie allesamt Urteilsbegründungssätze sind (B A A D E R 1989, S. 9f.).
Jeder Satz, auch der U rteilsbegründungssatz, kann danach befragt werden, ob es sich p rim ä r um einen deskriptiven (konstativen) Satz zur Beschreibung d er T atsach en oder um einen präskriptiven Satz zur Beschreibung des Seinsollenden handelt. So en th ält die D arstellung des Sachverhalts aus schließlich deskriptive Sätze, ebenso aber auch die D arlegung der aufgrund d er B ew eisaufnahm e und der Beweiswürdigung feststehenden T atsachen.
D a es sich bei d er D arstellung des Sach- und Streitstandes sowie der Beweisergebnisse um nicht anderes als um die D arstellung des jeweils m aßgeblichen Sozialkonflikts handelt, k an n m a n auch von K o nfliktdarstel lungssätzen red en und ihnen - von den noch d arzustellenden Beweis- findungssätzen einmal abgesehen - die Rechtsdarlegungssätze gegenübersteilen (B A A D E R 1989, S. 47f.).
Alle K onfliktdarstellungssätze sind, wie schon angedeutet, kontrastiver A rt. P räsk rip tiv ist jedenfalls die im U rteilsspruch zum A usdruck kom m ende konkrete V erhaltensanweisung, in der doch gerade die eigentliche Präskription des U rteils, also d er unm ittelbar tragende R echtssatz liegt, aber auch alle anderen Rechtssätze, a u f denen er beruht.
Lässt sich U rlcilssprache... 65
Die den präskriptiven R cchtssätzen vorgeordneten R echtsdarstellungssätze kann m an R echtsfindungssätze nennen (B A A D E R 1989, S. 48). A uch alle knehr oder weniger direkt a u f die Rechtssätze zulaufenden Rechtsfind ungs- fcätze sind konstative, also etw as feststellende Sätze. So wenn m an den pesetzesw ortlaut darlegt, die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, die M otive des G esetzgebers, den Stand d er R echtsprechung und der Lehre, aber auch Lenn m an eine zweifelsfreie Z u o rd n u n g /N ich tzu o rd n u n g vornim m t, wenn tnan den Sinn d er N o n n e n interpretiert, bildet m an d an n konstative Sätze. Erst wenn d er R ichter seine V orzugsentscheidung, also die eigentliche W er tung trifft, erfolgt eine entsprechende D arlegung durch präskriptive Sätze. Diejenigen U rteilsbegründungssätze, die a u f dem Wege d er Beweiswürdigung ^ur Feststellung einer K onflikttatsache führen, lassen sich als Beweisfmdungs- sätze bezeichnen (B A A D E R 1989, S. 48). A uch bei denjenigen Sätzen, die über die Schilderung einzelner Indizien hinausgehen und die Ü berzeugung des Richters zum A usdruck bringen - sei es d urch B ehauptung einer Beweisverstärkung durch m ehrere Indizien, sei es durch den schlichten Hinweis a u f sein Ü berzeugsein - handelt es sich um konstative Sätze.
R echtsnorm en sind regelhaft allgemeine Sollensanweisungen zur institutio neil gesicherten D urchsetzung bestim m ter individueller L ebensgüter. A uch Prozessvorschriften dienen letztlich diesen Zwecken. A u f der anderen Seite der abstrakten V erhaltensanw eisung d er R echtsnorm steht die ko n k rete Verhal- tensanweisung des Richterspruchs. Richterspruch und R echtsnorm unterschei den sich d em nach durch die Seinsweisen als k o n k ret oder ab strak t. D arü b er hinaus lässt sich aber die F rage stellen, inwieweit d er einzelne R ichterspruch lediglich das K o n k rete einer bestim m ten R echtsnorm darstellt, also eine inhaltliche Id e n titä t d er G esam tpräskription vorliegt bzw. inwieweit sie sich hier unterscheiden (B A A D E R 1989, S. 12f.). Eine volle Id en titä t in diesem Sinne ist d a n n gegeben, wenn dem in der R echtsnorm gesetzten Begriff der konkrete Lebenssachverhalt ganz eindeutig und jeden Zweifel zuzuordnen ist.
Das gerichtliche U rteil w urde aus der Sicht der R echtsw issenschaft bis letzt seltener als aus der Sicht der Sprachw issenschaft beschrieben, obwohl 5s den K ern d er G erechtigkeit in einem Staat bildet. Die A usfertigung eines Urteils geschieht n ach strengen Regeln, die in Z PO bestim m t w erden. Seine Fassung k a n n n u r u n ter U m ständen verändert, oft einfach verkürzt, werden. Der U rteilsinhalt variiert von R echtsstreit zu R echtsstreit, sein Bau bleibt aber kon stan t. Es schien also sinnvoll ein U rteil als eine T ex tart zu b etrach ten und sie zuerst darzustellen, so wie sie auch ist. D as U rteil, gem äß § 313 1er deutschen Z PO und dem A rt. 325 ff.1 der polnischen Z P O 2, sow eit es nicht abgekürzt w ird, besteht aus:
1 In deutscher ZPO gibt es Paragraphen und Absätze für die Bezeichnung ihrer bestimmten Teile. Polnische ZPO bietet an dieser Stelle Artikel und Paragraphen.
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1) U rteilseingang (R ubrum ), 2) U rteilsform el (Tenor), 3) T a tb estan d ,
4) E ntscheidungsgründen.
D er U rteilseingang wird m eist R u b ru m oder U rteilskopf genannt und en th ält die zur Identifizierung des R echtsstreits erforderlichen A ngaben.
D as U rteil beginnt m it dem gerichtlichen A ktenzeichen, das nach gelten dem R echt anzugeben ist. Es wird üblicherweise zusam m en m it d er Bezeich nu n g des entscheidenden G erichts a u f die erste Seite des U rteils oben links o der in die M itte gesetzt, z.B.:
Finanzgericht K öln oder S ą d Administracyjny
- 112 FG 135/81 - S A /S z 1583/98
D ie deutschen U rteile ergehen „im N am en des V olkes“ u n d demzufolge lautet die Ü berschrift im N am en des Volkes, die polnischen dagegen bezeich nen zusätzlich das L and, wo das U rteil gefällt w ird u n d dem zufolge lautet die Ü berschrift W yrok - W imieniu R zecz(y)pospolitej Polskiej ( Urteil - Im
Nam en der Republik Polen). D an ac h steht d a n n das D atum und der Ort,
wo das U rteil gefällt wurde.
In Polen w ird an dieser Stelle der vollständige N am e des Gerichts (z.B.: S ą d O kręgowy w Łodzi, S ą d Rejonowy dla m. st. W arszawy) und seine A bteilung (z.B.: W ydział I Cywilny) genannt. D an n wird auch der N am e des R ichters, bzw. d er R ichter, ihre A m tsbezeichnung, häufig in F o rm einer A bkürzung, (z.B.: S S N , S S R ) und d er N am e des Protokoll führers angegeben. In D eutschland stehen diese In fo rm atio n en im m er erst n ach d er Parteibezeichnung.
U rteile in D eutschland w erden im allgemeinen nicht m it der Überschrift „ U rte il“ versehen. Lediglich besondere U rteilsarten, wie z.B. Teilurteile, Z w ischenurteile w erden entsprechend gekennzeichnet, und zw ar u n ter der obengenannten Ü berschrift.
N ach der Ü berschrift wird das R u b ru m m it der in ZPO vorgeschriebenen „B ezeichnung der Parteien, ihrer gesetzlichen V ertreter und der Prozessbevoll m äch tig ten “ (k.p.c.) fortgesetzt.
Z u r V erm eidung von Schwierigkeiten bei der Zw angsvollstreckung des U rteils sollen die P arteien genau und unm issverständlich bezeichnet werden. Bei natürlichen Personen (also M enschen) sind V or- und Z unam e, evtl. ; auch der G eburtsnam e, sowie die vollständige A nschrift anzugeben. Die ! B erufsbezeichnung einer P artei ist ebenfalls m itzuteilen. Bis 1977 w ar in' D eutschland obligatorisch die Parteistellung anzugeben. D a ru n te r versteht m an die F achbezeichnung d er P arteien als K läger, W iderkläger, W iderbe
L ässt sich U rteilssprache... 67
klagter, Streithelfer usw. In der Praxis ist es auch nach wie vor üblich, auch in polnischer Justiz, die Parteistellung im R u b ru m anzugeben. W enn die Parteien m ehrere Parteistellungen haben, w erden sie alle im R ubrum m it geteilt. In der Urteilsform el, im T atbestand und in den Entscheidungsgründen wird die P artei dagegen n u r m it ihrer ursprünglichen Parteistellung als ,K läger4 oder ,B eklagter4 bezeichnet. Im R u b ru m heißt es also z.B.:
Im Namen des Volkes In dem Rechtsstreit
des... Klägers und Widerbeklagten gegen
den... Beklagten und Widerkläger.
In den übrigen A bschnitten des U rteils ist dagegen stets vom ,K läg er4 und ,Beklagten4 u n d nicht vom ,W iderkläger4 und ,W iderbeklagten4 die Rede.
In Polen bezeichnet m an die P arteien d urch A ngabe der Vor- und Nachnamen nach den W orten: z powództwa (als K lage auftretend) und
urzeciwko (gegen). D ie P arteien w erden weiter als pow ód und pozwany
Dder oskarżony bezeichnet, also so wie in D eutschland als K läg er und Beklagter, z.B.:
Wyrok - W imieniu Rzeczypospolitej Polskiej Wyrok Sądu Najwyższego - Izba Cywilna i Administracyjna
z dn...
Z powództwa
przeciwko
Üblich ist in D eutschland die K ennzeichnung d er Parteistellung der klagen- len P artei im G enitiv, die d er beklagten Partei im A kkusativ, z.B.:
Im Namen des Volkes In dem Rechtsstreit
des Herrn Peter Schmitz, Schreinermeister, Eberplatz 5, 5000 Köln 1, Klägers gegen
Frau Erna Müller, Hausfrau, Eigebtein 17, 5000 Köln 1,
68 A gnieszka S taw ikow ska-M arcinkow ska
O ft wird dic A nredeform ,H err‘ bzw. ,F ra u ‘ weggelassen. D ie Parteibezeich nu n g lau tet dann:
Im Namen des Volkes In dem Rechtsstreit
des Schreinermeisters Peter Schmitz, Eberplatz 5, 5000 Köln I,
Klägers gegen
die Hausfrau Erna Müller, Eigelstein 17, 5000 Köln 1,
Beklagte.
N ach d er Bezeichnung d er Parteien folgt in deutschen seltener als in polnis chen U rteilen (nur im Strafprozess) die Bezeichnung d er Prozessbevollmächtig- ten. In d er Regel h an d elt es sich beim Prozessbevollm ächtigten um einen zugelassenen R echtsanw alt. Sie w erden im U rteilsrubrum lediglich m it N a chnam en und K anzleiort (in deutschen Urteilen) bezeichnet. In Polen gibt m an selten seine dienstliche Stelle und die von ihm repräsentierte A nw altschaft an.
D er Prozessbevollm ächtigte wird im U rteilsrubrum hinter (unter) der A ngabe d er Parteistellung d er von ihm vertretenen P artei aufgeführt, und zw ar zweckmäßigerweise als unvollständiger Schaltsatz in Parenthese, z.B.:
Im Namen des Volkes In dem Rechtsstreit
des... Klägers, Prozeßbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. X in München
-gegen
Frau... Beklagte, Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. Y und X Y, Karlstraße 7,5040 Brühl
-Wyrok - W imieniu Rzeczypospolitej
Dnia ... Sąd Rejonowy w ... Przewodniczący... Protokolant... W obecności Prokuratora ... Po rozpoznaniu sprawy Z powództwa przeciwko
L ässt sich U rteilsspracbe... 69
U nm ittelbar n ach d er Bezeichnung der Prozessbeteiligten und ihrer Prozess bevollm ächtigten findet m an häufig den ,B e tre ff (wegen in deutscher Justiz und о also über in polnischer Justiz), der den G rund des A nspruches angibt. A ußerdem sollte der G egenstand der K lage auch seiner besonderen A rt genau bezeichnet werden, z.B. wegen Mietzinsenforderung, wegen Wider
spruchs gegen die Zwangsvollstreckung, o eksmisję (Räumungsurteil).
In Polen, wie erw ähnt, steht die Bezeichnung des G erichts und des Richters un m ittelb ar nach der Ü berschrift Urteil - im Nam en der Republik
Polen. Es gibt auch A bw eichungen von dieser Regel und d an n , so wie in
D eutschland, steht diese Bezeichnung erst nach d er Parteibezeichnung. D as polnische U rteil gibt die N am en der R ichter in folgender F o rm an: der A ngabe des zuständigen G erichtes und seiner A bteilung folgt w składzie
następującym (in folgender Besetzung). D a n n w erden die N am en des V orsit
zenden des erkennenden G erichts, der Schöffen und eines Protokollführers b ek an n t gegeben, z.B.:
Sąd Rejonowy w Łodzi II Wydział Cywilny W składzie następującym:
Przewodniczący... Ławnicy... Protokolant...
po rozpoznaniu w dniu 30 czerwca 1995 roku w Łodzi
D ie B ezeichnung des R ichters, wie gesagt, erfolgt u n ter d er A ngabe des Beklagten, bzw. seines Prozessbevollm ächtigten, z.B.:
... Beklagten, - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. X in München —
hat die 3. Zivilkammer des Landesgerichts Bayern... durch den Richter am Amtsgericht Dr. Y...
Es ist üblich, den T ag der letzten m ündlichen V erhandlung im R ubrum hinter die Bezeichnung des G erichtes, aber vor die N am en der m itw irkenden R ichter zu setzen z.B.
hat die Zivilkammer des Landesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 28. Januar 1981 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. X
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C h arakteristisch ist die R eihenfolge hal ... a u f ... durch .... M itu n ter wird d er T a g d er letzten m ü ndlichen V erh an d lu n g erst nach d er Bezei chnung des G erichts u n d d er N am en der m itw irkenden R ichter erw ähnt
{hat ... durch ... a u f ...).
D as R u b ru m endet m it den W o rten ... fü r R echt erkannt: ... (als d er für R echt E rkennende wird hier das entsprechende G ericht gemeint),
orzeka ... {erkennt), zasądza {erkennt zu) oder ustala {setzt fe st), denen
die U rteilsform el folgt.
D em R u b ru m , das m it den W orten „für R echt e rk an n t“ endet, folgt die U rteilsform el, die auch U rteilstenor oder U rteilsatz genannt wird. Sie ist das K ern stü ck des U rteils, zugleich dessen wichtigster Teil. Sie wird unm it telbar an den U rteilseingang m itgeteilt, jedoch äußerlich sichtbar abgesetzt von den anderen Bestandteilen des U rteils, u n d zw ar in d er Regel durch E inrücken. Im Allgem einen besteht die U rteilsform el aus drei Teilen:
- dem A usspruch zu r H auptsache - einschließlich Z insen und sonstiger N ebenforderungen,
- dem A usspruch ü ber die K o ste n des R echtsstreits,
- dem A usspruch ü ber die vorläufige V ollstreckbarkeit d e r Entscheidung. D ie F o rm ulierung des A usspruchs zur H auptsache h at sich grundsätzlich am K lageantrag zu orientieren, wobei die direkte Rede als sprachlich einfach ste F o rm zu w ählen ist. E rklärende Zusätze, die die L eistung kennzeichnen sollen, w erden verm ieden. Sie gehören in die Entscheidungsgründe.
Bei klageabw eisenden U rteilen ist die einfachste F assu n g des A usspruchs zu r H auptsache: Die Klage wird abgewiesen. Ob die K lage als unzulässig oder als unbegründet abgewiesen wird, bed arf in der U rteilsform el keiner K ennzeichnung. W ird d er K lage stattgegeben, richtet sich die U rteilsform el zu r H au p tsach e n ach der A rt der K lage (Leistungs-, Feststellungs-, G eltung sklage). Bei d er in d er Praxis am m eisten vorkom m enden Leistungsklage beginnt die U rteilsform el m it d er Form ulierung:
Der B eklagte wird verurteilt, ...
H a n d elt es sich um eine Z ahlungsklage, so lautet die U rteilsform el z.B. so:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10 000 D M nebst 5% Zinsen seit dem 1.4.1981 zu zahlen
oder
D ie Beklagten werden als Gesamtschuldner Bezeichnet, an die Kläger als Gesamtgläubiger 20 000 D M nebst 8,5% Zinsen seit dem 12.3.1980 sowie 3 D M zu zahlen.
L ässl sich U rleiissprache.. 71
Bei F eststellungsurteüen ist weitgehend die Form ulierung üblich: E s wird
festgestellt, dass ... E infacher und sprachlich klarer ist - im H inblick au f
das E n d e des O bersatzes „fü r R echt e rk a n n t“ - jedoch die Fassung, die au f den vorbezeichneten, vorangestellten H au p tsatz verzichtet, z.B.:
D ie Kläger sind Erben nach dem Erblasser ... zu je 1 f - D er Kläger ist das eheliche K ind des Beklagten.
D er einfachste Fall ist der, dass der K läg er dem G ru n d nach voll siegreich wird. D er A usspruch lau tet dann:
D ie Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.
Bei einem V orbehaltsurteil, sow ohl in deutschen als auch in polnischen G erichten, sind solche V arianten möglich:
Der B eklagte wird verurteilt, an den Kläger ... zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
D as Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der B eklagte d a r f die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung ... abwenden, wenn nicht der Kläger ... Sicherheit leistet (B A L Z E R , F O R S E N 1986, S. 72).
Bei Berufungsurteilen gibt es auch bestim m te T enorfassungen. W ird die Berufung als unb eg rü n d et zurückgewiesen, ist zu form ulieren:
Die Berufung des ... gegen das am ... verkündete Urteil der 20. Zivilkam m er des Landgerichts Köln wird zurückgewiesen.
S ą d W ojew ódzki iv Skierniewicach, W ydział Cywilny po rozpoznaniu spra w y z powództw a X przeciwko Y o odwołanie darowizny postanawia odrzucić apelację pozwanej.
H a t die Berufung Erfolg - zum indest teilweise - so richtet sich die F o r m ulierung dan ach , wie die erstinstanzliche Entscheidung ausgefallen war. N ach zusprechendem Urteil:
A u f die Berufung des Beklagten wird das am ... verkündete Urteil der ... abgeändert: die Klage wird abgewiesen.
A u f die B erufung des Beklagten ... teilweise abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt, ... zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
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N ach klageabw eisendem U rteil:
A u f die Berufung des Klägers ... teilweise abgeändert: Der Beklagte wird verurteilt, ... zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. D ie weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
D em oben genannten Teil folgt der T atbestand. H ier sollen „die erhobenen A nsprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsm ittel un ter H ervorhebung d er gestellten A nträge nu r ihrem wesentlichen In h alt nach k n ap p dargestellt w erden“ (ZPO, k.p.c., § 13 Abs. 2). W as das W esentliche des Sach- und Streitstands ist, k an n n u r an h an d des Einzelfalls beurteilt w erden. Allgem ein lässt sich sagen: wegzulassen sind solche T a t sachen und B ehauptungen, a u f die es für die Entscheidung unm öglich ankom m t. Im übrigen sollte d er T atb estan d dem Leser a u f folgende F ragen eine A n tw o rt geben:
- W as verlangt d er K läger vom Beklagten?
- A us welchem tatsächlichen G rund wird die jeweilige F o rd e ru n g gestellt? - In w elcher zeitlichen A bfolge haben sich die Ereignisse zugetragen? - Ü b er welche wesentlichen T atsachen streiten die Parteien? A lso was ist streitig und was ist unstreitig?
W enn auch der T atb estan d im A ufbau durch B esonderheiten des Einzel falles beeinflusst w ird, lässt sich gleichwohl ein G rundschem a aufstellen. Dieses G ru n d sch em a lautet in K urzform wie folgt (B A L ZE R , F O R S T E N 1986, S. 76):
- U nstreitiger S achvortrag, - B ehauptungen des K lägers, - A n tra g des K lägers, - A n tra g des Beklagten, - B ehauptungen des Beklagten, - E inreden des Beklagten.
D er T atb estan d beginnt m it d er Schilderung des unstreitigen T atsachen vortrags, m it d er sog. G eschichtserzählung. D er Begriff „G eschichtserzäh lung“ weist bereits d a ra u f hin, dass die unstreitigen T atsachen grundsätzlich in historischer Folge dargestellt werden. D ie G eschichtserzähiung ist für die im Strafprozess gefällten U rteile charakteristisch.
D er für die deutschen U rteile charakteristische M odus ist d er Indikativ, Z eitform in d er Regel das Im perfekt, bei weiter zurückliegenden T atsachen auch d as Plusquam perfekt. Soweit m an einen gegenwärtigen Z u stan d schil dert, ist die Zeitform natürlich das Präsens. Ausnahm sweise wird das Perfekt verwendet: w enn die T atsache aus der V ergangenheit noch in die G egenw art hineinw irkt, z.B.:
L ässt sich U rteilssprache... 73
Der Beklagte hat m it - vorprozessualem - Schreiben vom ... die Aufrech nung erklärt.
Die polnischen U rteile w erden m eist im Präsens und in der V ergangenheit (k.p.c.) entw orfen. D er M odus ist d er Indikativ. H äufig w erden auch A ktiv partizipien in adverbialer F o rm (imiesłów współczesny) verw endet, z.B.:
O skarżeni X i Y w dniu S marca 1990 roku w Skierniewicach działając wspólnie i w porozumieniu pobili Z uderzając go pięściami, powodując u niego obrażenia ciała.
Einer E inleitung, die m it einem Satz den Streit der Parteien kennzeichnet
- Z.B.:
Der Kläger verlangt von dem Beklagten Schadenersatz aus einem Ver kehrsunfall
bedarf es regelm äßig nicht, d a sich der T atb estan d an die P arteien wendet, denen der Streit bek an n t ist.
U n m ittelb ar im A nschluss a n die G eschichtserzählung folgt ohne beson dere Ü berleitung, nu r d urch einen A b satz getrennt, die D arstellung der Behauptungen des K lägers. D iese T rennung m ach t deutlich, inwieweit die Parteien in dem zu r E ntscheidung stehenden S achverhalt übereinstim m en und ü ber welche T atsachen sie streiten.
Es soll deutlich gem acht w erden, dass es sich um B ehauptungen des Klägers handelt. Um diese K ennzeichnung nicht bei jed er einzelnen B ehaup tung w iederholen zu m üssen, beginnt m an m it der vorangestellten Einleitun- gsformel: D er Kläger behauptet ... o der D er Kläger beantragt .... D ie B ehauptungen w erden in deutschen U rteilen in indirekter R ede geschildert. Der M odus ist d er K onjunktiv I, Zeitform regelm äßig das Präsens oder Perfekt. Im perfekt oder Plusquam perfekt wird n u r d a n n angew endet, wenn K onjunktiv I und Indikativ des betreffenden Verbs im P räsens bzw. Perfekt nicht zu unterscheiden sind, z.B:
[...] Der Kläger behauptet
E r sei nach F rankfurt gefahren und habe angehalten. [...]
In polnischen U rteilen w erden die B ehauptungen des K lägers, ähnlich wie die G eschichtserzählung, in indirekter R ede geschildert. D er M o d u s ist aber nur d er In d ik a tiv 3 u n d die Zeitform - Präsens oder V ergangenheit, z.B.:
3 In polnischen Urteilen verwendet man keinen Konjunktiv, denn er hat im Polnischen eine andere Funktion wie im Deutschen. Um die Indireklheit der Aussage zu gewinnen,
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[...] O skarżony stwierdził, iż zam iar ten powstał iv chwili, gdy weszli do
sklepu p rzy ul. X , po to, aby się czegoś napić. [...]
F ü r die K ennzeichnung des streitigen T atsachenvortrags einer Partei ver w endet m an den A usdruck behaupten, denn andere Begriffe, die allerdings in der Praxis verwendet w erden, wie z.B.: vortragen, gellend machen, darlegen,
ausführen und Vorbringen m achen nicht hinreichend deutlich, dass d er Sach
verhalt bestritten ist. A llerdings gibt es Fälle, die eine sinnvolle Schilderung streitiger T atsachen n u r in V erbindung m it einer Vielzahl unstreitiger T a t sachen und m it Rechtansichten zulassen, so dass die V erw endung eines neutralen Begriffs d er oben genannten A rt empfehlenswert sein kann.
Im A nschluss an die B ehauptungen des K lägers bringt m a n zunächst seinen K lag ean trag u n d unm ittelbar folgend den A n trag des Beklagten. Die A n träg e gibt m a n regelm äßig w örtlich wieder, z.B.:
D er Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 3000 D M zu zahlen. D er B eklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
U n m ittelb ar an den A n trag des Beklagten schließt sich, vor allem im Strafprozess, sein V erteidigungsvorbringen an.
Bei d e r B ehandlung d er G rundschem as k üm m ert m an sich oft nicht daru m , ob d u rch die starre T rennung von unstreitigem und streitigem S achvortrag d er Sachverhalt noch verständlich u n d übersichtlich bleibt. Es liegt a u f d er H a n d , dass die F o rd e ru n g nach V erständlichkeit und Ü bersich tlichkeit oberstes G eb o t des T a tb estan d s sein soll. Leider ist es nicht im m er d er F all. D eshalb verzichtet m an oft a u f die A ufbauregeln, also a u f das G rundschem a, d am it d er T atb estan d verständlicher u n d übersichtlicher wird.
N eben dem R u b ru m u n d dem T en o r bilden die E ntscheidungsgründe, w enn sie laut d er Prozessordnung entw orfen w erden, den zweiten Teil eines U rteils. Zw ischen dem T enor u n d den Entscheidungsgründen besteht eine enge V erbindung - die Entscheidungsgründe enthalten die U rsachen (Motive) d e r im T en o r vorhandenen E ntscheidung, also d e r In h a lt d er Urteilsform el bestim m t den U m fan g der Entscheidungsgründe.
D ie E ntscheidungsgründe dienen d er E rk läru n g des Standpunktes des G erichts in einem Prozess. Sie beschreiben genauer die G rundm otive einer E ntscheidung. Sie treten sow ohl in m ündlicher als auch schriftlicher Form auf. In m ündlicher F o rm kom m en sie gleich nach d er U rteilsverkündung vor. Sie dienen d a n n d er B egründung des gerade vorgelesenen Urteils und sind nicht so genau wie die schriftlich dargestellten E ntscheidungsgründe.
verwendet man im Polnischen solche Verben wie: behaupten, meinen, sagen u.a. in 3. Person Sing. oder Pl., denen die Äußerung der Partei in 3. Person Sin./Pl. folgt.
L ässl sich U rleiissprache... 75
D ie schriftlichen Entscheidungsgründe w erden innerhalb einer W oche nach d e r letzten m ündlichen V erhandlung niedergeschrieben und beinhalten genaue B eschreibung d er Sache und die genaue B egründung d er M otive des Richters. D ie Entscheidungsgründe bilden deshalb den längsten Teil eines Urteils, obw ohl sie gem äß d er P rozessordnung eine „kurze Zusam m enfassung der E rw ägungen in tatsächlicher und rechtlicher Beziehungen“ (ZPO , k.p.c. § 313 III) sein sollten. D ie Z usam m enfassung1 stellt bereits die K onzentration auf das gedanklich N otw endigste dar.
Es gibt, wie erw ähnt, gesetzliche R egelung des Inhalts d er E ntscheidung sgründe. Sie w erden in der P rozessordnung geregelt. D er A u fb au der deuts chen und polnischen Entscheidungsgründe ist aber divers. A us der Regelung der beiden S taaten ergeben sich fü r In h a lt und G estaltung der E ntscheid ungsgründe die folgenden G rundregeln:
- Z u e rst die Ü b ersch rift sow ohl in deutschen als auch polnischen Urteilen:
Entscheidungsgründe Uzasadnienie
- Einleitende, kurze F eststellung der Ergebnisse der E ntscheidung in deutschen U rteilen:
D ie zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie fü h rt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zu Zurückweisung gem . § 565 Abs. 1 S a tz 1 Z P O .
- A n dieser Stelle tritt in polnischen U rteilen eine kurze Beschreibung
der G rü n d e d er E inreichung d er K lageschrift:
Jan K ow alski w pozw ie z dnia 1 czerwca 2001r. wniósł o zasądzenie od Stefana W alczaka kw oty 15 000 złotych z ustaw owym i odsetkam i tytułem odszkodowania za szkodę wyrządzoną na sk u te k przelania się wody z m ieszkania pozwanego do mieszkania powoda, ja k również za sądzenia kosztów procesu.
- in deutschen U rteilen folgt den Ergebnissen d er Entscheidung die
K larstellung des A ntrags:
D as Landesarbeitsgericht hat angenommen, wegen des rechtzeitigen und ordnungsgemäßen W iderspruchs des Klägers sei sein Arbeitsverhältnis nicht auf. ... übergegangen, jedoch sei es durch die streitige Kündigung aufgelöst worden.
76 Agnieszka S taw ik ow ska-M arcinkow ska
- in polnischen U rteilen findet m an an dieser Stelle eine kurze Be schreibung des Prozessveriaufs:
N a rozprawie w dniu ... pow ód cofnął powództwo ze zrzeczeniem się roszczenia co do kw oty 3000 złotych [...].
W dniu ... tutejszy S ą d wydal wyrok, mocą którego zasądził od pozwanego na rzecz powoda ... i oddalił powództwo, co do pozostałej części [...].
- Zusam m enfassender Satz am E nde d er Entscheidungsgründe in deutschen und polnischen Urteilen:
Das F A beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Biorąc p o d uwagę pow yższe okoliczności należało orzec ja k na wstępie.
D ie Sprache d er Entscheidungsgründe ist nüchtern, k lar, k n a p p u n d all gem einverständlich. Sie verm eidet alles Ü berflüssige, insbesondere W ieder holungen. D er Stil ist kategorisch. D as G ericht verlangt doch ein bestimmtes, seiner E ntscheidung entsprechendes V erhalten. Es duldet keinen W iderspruch. V on d ah er bezieht d er Stil einen Teil seiner Ü berzeugungskraft. M a n ver m eidet F rem dw örter, weil der U rteil auch für die P arteien bestim m t ist, die in d er Regel juristische Laien sind. A uch die Fachausdrücke in lateinischer Sprache sollen entfallen. D ie Sprache soll also den allgem einen Regeln der deutschen o der d er polnischen Sprache entsprechen.
Jeder R ichter h a t seinen eigenen Stil, wichtig ist aber, dass er die T atsach en nicht zu dram atisch o der hum oristisch darstellt. E r soll D ialek t oder D o k trin au sd rü ck e, rhetorische u n d oratorische V erzierungen vermeiden. E r soll auch n ich t zu viele A djektive in F o rm von A ttrib u te n verwenden, obw ohl es in der Praxis ein sehr häufiger F all ist. Es em pfiehlt sich, dass d er R ichter die Entscheidungsgründe in d er V ergangenheit form uliert. In deutschen U rteilen ist das m eist, anders als im gerade beschriebenen T a tb e stand, das Perfekt. K on ju n k tiv e u n d O ptative (möchte, dürfte, sollte) gehören nicht in die Entscheidungsgründe, ebenso wenig die Füllw örter u.a. wie
offenbar, selbstverstädlich, zweifelsfrei. In polnischen U rteüen beobachtet m an
zusätzlich die Beliebtheit für die unpersönlichen Sätze.
Z u r F o rm u lieru n g d er Entscheidungsgründe d a rf a u f die F austregel von Schelham m er verwiesen w erden (S IE G B U R G 1985, S. 88):
- schlichte, klare S achprosa, - k u rze H auptsätze,
- N ebensätze nu r für N ebengedanken,
- einen G edanken n ach d o n anderen entwickeln, sta tt m ehrere G edanken ineinander zu verschachteln,
L ässt sich U rleilssprache... 77
- V erben sta tt Substantive, - A ktiv- sta tt Passivform ,
- spezielle, anschauliche Begriffe anstelle verw aschener, allgem einer Begriffe,
- Z u rü ck h altu n g im G ebrauch juristischer Fachausdrücke.
N ich t jed er P u n k t dieser Regeln entspricht ab er d er Praxis, was die Beispiele im folgendem T ext sehr g u t beweisen, denn sehr oft tritt in E ntscheidungsgründen z.B. die Passivform auf. A uch die N orm alisierung der S prache ist sow ohl fü r diesen als auch für früher besprochene U rteil steile charakteristisch. W ie gesagt jed er R ichter h a t seinen eigenen Stil und er entscheidet darü b er, wie er die Entscheidungsgründe schreibt. G e rade diese Spracherscheinungen scheinen aus sprachökonom ischen G rü n den sehr prak tisch zu sein und w erden wider der F austregel sehr häufig verwendet.
A u fb au und G edankenführung w erden in allen Teilen d er E ntscheidungs gründe wesentlich von dem sog. Urteilsstil bestim m t. Seine E igenarten lassen sich am besten durch einen Vergleich m it dem G utachtenstil darstellen. G enauer ausgedrückt ist der U rteilsstil das Gegenteil des G utachtenstils. Im G utachten spielt m a n die R olle des Suchenden, des Fragenden. M a n stellt eine A nspruchsgrundlage zur D iskussion u n d prüft, ob sie den K lageantrag rechtfertigt. D ie A bfolge lautet: fragen - subsum ieren - antw orten. Die V erbindung zwischen F ra g e und A n tw o rt stellen Sätze d a r, die m an - bei übertriebener A nw endung des G utachtenstils - alle m it W ö rtern wie daher,
deshalb, folglich usw. einleiten könnte.
W enn m a n n u n das U rteil schreibt, vertauscht m an die Rolle des F ra g en den m it d er des A ntw ortenden. D er U rteilsstil ist d er A ntw ortstil (Schnei der).4 M a n p rü ft nicht m ehr, sondern teilt das Ergebnis seiner P rü fu n g - die E ntscheidung - m it. Diese D arstellungsweise gilt für die Entscheidungs gründe insgesam t, ab er auch fü r jeden einzelnen ihrer A bschnitte, E r beginnt m it dem Teilergebnis (O bersatz), und ihm folgt seine unm ittelbare Begrün dung, z.B.:
Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch aus der angeblichen Verletzung des M aklervertrages vom 14.5.1981. D er Beklagte ist durch den Vertrag nickt verpflichtet worden. Er hat die Vertragsurkunde nicht unterschrieben. [...]
W świetle zgrom adzonych dowodów i przedstawionych dowodów sąd uznał X w innym popełnionych czynów. N ie budzi wątpliwości, iż X przyjął na siebie dobrowolnie obowiązki jednego ze skarbników w miejscowości Y. [...]
78 A gnieszka S taw ikow ska-M arcinkow ska
So en tsteh t eine Begründungsreihe oder Begründungskette, bei der ein Glied au s dem anderen folgt, solange bis es kein warum? und nichts m ehr zu begründen gibt. Zw ischen einem U m stand und dem nächsten besteht jeweils eine kausale Beziehung. Jeden Satz einer solchen Begründungskette könnte m an m it denn o der nämlich versehen.
M a n geht in den Entscheidungsgründen aJso vom E rgebnis aus und gibt zu diesem E rgebnis die Begründung, w oraus sich auch die grundsätzliche V erw endung des U rteilsstils (,D enn- Stil1, Begründungsstil) - im U nterschied zum G utachtenstil - ergibt. A m E nde d er Entscheidungsgründe gibt es eine kurze Z usam m enfassung, die m öglichst kom prim iert dargestellt wird, wobei aber die V ollständigkeit, V erständlichkeit und Ü berzeugungskraft gew ahrt bleiben m üssen.
A u fg ru n d d e r ob en geschilderten In fo rm atio n en , die vor allem ein U rteil als eine rechtliche T extart bespricht, lässt sich nicht feststellen, ob m a n die U rteilssp rach e eindeutig definieren kann. In diesem Teil des Textes w erden also Ergebnisse d e r praktischen U ntersuchungen n u r au f dem G ebiet d er Sprache dargestellt. D en U ntersuchungen zugrunde liegen authentische deutsche und polnische G erichtsurteile. D en A usgangspunkt bilden aber die deutschen U rteile, m it denen die polnischen nu r unilateral verglichen w erden. Es w erden nicht alle A spekte d er Sprache untersucht. D ie, die hier Vorkommen w erden, treten aber am häufigsten a u f und sind für die U rteilssprache, genauer gesagt, fü r die G erichtssprache cha rakteristisch.
U nd gerade das V organgspassiv bildet gram m atische F o rm , die in deuts chen U rteilen sehr häufig verw endet wird. In polnischen U rteilen ist das ein seltener Fall. D as ergibt sich d araus, dass im Polnischen das Passiv im allgem einen viel seltener gebraucht wird als im D eutschen.
D ie deutsche D U D E N -G ram m atik (1998, S. I72f) gibt zw ar an, dass „ a u f das A ktiv (in T exten der deutschen G egenw artssprache) entfallen im D u rch sch n itt etw a 93% , a u f das Passiv etw a 7% (V organgspassiv ca. 5% , Z ustandspassiv ca. 2 % ) der finiten V erbform en“ aber in dem untersuchten M aterial findet m a n keine Begründung für diese Feststellung. In den deuts chen U rteilen wird das Passiv viel häufiger verwendet als das A ktiv, weil d a n k „dem V organgspassiv verliert die H a n d lu n g als solche ihren C h a rak ter u n d erscheint als ein - vom H andelnden losgelöster - V organg“ (D U D E N 1998, S. 176). D ie ein U rteil fällenden R ichter wollen dad u rch eine M it teilungsperspektive entw ickeln, u n d zw ar d u rc h T h em atisieru n g 5 des
5 Ats Thema bezeichnet man den Ausgangspunkt einer Mitteilung, das Bekannte, Gegebene, das als solches für den Hörer/ Leser nur geringen oder gar keinen Mitteilungswert hat. Syntaktisch gesehen besetzt es meistens die Subjektstelle - vgl. D UDEN (1998), S. 176.
L ässl sich U rteüssprache.. 7 9
A kkusativsobjekts in einem U rteil und R hem atisierung" von P rä d ik a t und A gensgröße (H andlungsträger).
In einem untersuchten U rteil w erden m eh r als 20% , in einem anderen ca. 50% aller Sätze als Passivsätze erm ittelt. D as zeigt, dass sich das Passiv, vielleicht auch als eine sprachökonom ische A usdrucksw eise gem eint, in den U rteilen großer P o p u la ritä t erfreut.
In polnischen U rteilen dagegen bilden die Passivsätze eine überwiegende M inderheit. N u r 1% d er Sätze sind Passivsätze.
Beispiel:
Wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen wurde dem Kläger eine entsprechende Sitzgelegenheit zur Verfügung gestellt.
A u f die Berufung der Antragsgegnerinnen wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkam m er 15, vom 26. A pril 1995 abgeändert. Die einstweilige Verfügung vom 10. A pril 1995 wird aufgehoben und der ihr zugrunde liegende A ntrag zurückgewiesen.
Der Streitw ert wird auch fü r die R echtsm ittelinstanz a u f 500 000 D M festg e setzt.
A n diesen Beispielen sieht m an, dass in den in allen deutschen U rteilen vorhandenen Passivsätzen selten ein T äter, U rheber d er H andlung, genannt wird. Es ist aber klar, dass das beschriebene G eschehen einer H andlung m eist d u rch den Beklagten zustande kam und dass die Entscheidung selbst, vom G ericht getroffen wurde. Es w äre unangebracht, sie in jedem Satz als T räger des G eschehens zu bezeichnen. D as ergibt sich aus dem K o n tex t dieser A ussage (zuerst wird die H an d lu n g des Beklagten beschrieben, dann lässt d as G ericht, das alle Entscheidungen trifft, die beschrieben w erden müssen, ein U rteil ergehen) und ist für jedes deutsche U rteü charakteristisch.
In den polnischen U rteilen w äre vielleicht n ich t richtig von einer Regel zu sprechen, weil die Passivsätze sehr selten verwendet w erden. M eist sind das kurze Feststellungen, die aber n u r den H intergrund d er beschriebenen H andlung und späteren Entscheidung bilden. A n den wenigen Beispielen (meist treten 2 bis 3 Passivsätze z.B. in einem 4-seitigen U rteil auf) kan n m an schlecht zu w eitgehenden Schlussfolgerungen kom m en. Eins steht aber bestim m t fest: im Vergleich zu den deutschen U rteilen sind die polnischen deutlich ärm er an P assivkonstruktionen, w as im allgem einen für das Polnis che charakteristisch ist. D ie wenigen Beispiele aus den polnischen U rteilen:7
6 Als Rhem a bezeichnet man das neue Mitzuteilende, das den größten Mitteilungswert
trägt - vgl. D U D EN (1998).
80 A gnieszka S taw ik ow ska-M arcinkow ska
Prowizja została uiszczona w dniu transakcji.
Pozostałe przesłanki zastosowania tego przepisu zostały w pełni spełnione.
Die U npersönlichkeit des Urteilsstils, was die Voraussetzung der Urteilssprache ist, w ird in d en polnischen U rteilen durch die Reflexivformen: m ów i się (man
sagt), zasądza się (m an erkennt zu) erreicht, für die die V erw endung des
R eflexivpronom ens się (sich) charakteristisch ist. D ie zweite M öglichkeit, die häufiger vorkom m t, besteht in dem unpersönlichen G ebrauch des Verbs, meist in bezug a u f die Vergangenheit: zasądzono, mówiono, die im D eutschen durch dieselben F o rm e n wie bei Reflexivform en ersetzt w erden könnten. Beispiel:
Z asądza się więc od pozwanego Skarbu Państwa - Zespołu O pieki Z d ro wotnej w X na rzecz powoda tytułem zadośćuczynienia kwotę 20 000 złotych z ustawowym i odsetkam i od dnia 13 stycznia 1994 r.
W sum ie u powoda wykonano trzy operacje.
E in zentraler F a k to r für die V erständlichkeit der R echtssprache ist die sprachliche Explizitheit der D irektive, d.h. der jeweiligen im Satz oder T eilsatz enthaltenen H andlungsanw eisung, die im D eutschen m it können,
sollen, dürfen, müssen, wollen, brauchen realisiert wird. In den U ntersuchungen
h a t es sich erwiesen, dass die M odalverben nach Passiv die beliebteste gram m atische Erscheinung der die U rteile schreibenden Juristen sind.
Ingesam t w urden etw a 40 M odalverben in einem durchschnittlichen Urteil erm ittelt. U n te r ihnen steht können m it ca. 16 Belegen (40% ) m it A bstand an d er Spitze. Ihm folgen sollen m it 8 (20% ), müssen m it 7 (17,5% ) und
wollen m it ca. 5 (12,5% ) Belegen. D as M odalverb dürfen w urde n u r in
4 Sätzen (ca. 10% ) gefunden.
Am häufigsten wird die M o d a lität d er M öglichkeit und N otw endigkeit realisiert. D as M odalverb können bildet 2 V arianten der M öglichkeit zum A usdruck: reine M öglichkeit und M öglichkeit aufgrund d er E rlaubnis (G LI- W IŃ S K I 2000, S. 290). F ü r die erste w äre dieses Beispiel repräsentativ:
Wenn er dann aber an diesem Tage plötzlich eine andere Begründung fa n d , die ihm übertragene Arbeit wiederum abzulehnen, so stellt dies ein derartig hartnäckiges und un einsichtiges Verhalten dar, dass der Kläger nicht ernsthaft damit rechnen konnte, der B eklagte ...
Viel häufiger wird aber können zum A usdruck d er a u f E rlaubnis beruhenden M öglichkeit gebraucht, was dem C h a rak ter des Textes entspricht, der bes tim m te N orm en setzt, die die menschlichen H andlungen erlauben oder verbieten (G L IW IŃ S K I 2000, S. 290):
L ässt sich U rteilssprache... 81
B ei der a u f diese E inkünfte entfallenden Einkom m ensteuer handelt es sich um eine Eigenschuld des Erben, fü r die die Beschränkung der Erbenhaftung nicht geltend gemacht werden kann.
D ie Einwendungen können folglich im Abrechnungsverfahren nicht erhoben werden.
Das M odalverb sollen ist wegen seiner G ru n d bedeutung kontrovers in einem G erichtstext, in dem es daru m geht, dass bestimmten O bligationen unbedingt Folge geleistet w ird, w ährend sollen die Entscheidung des A dressaten als letzter In stan z zulässt (G L IW IŃ S K I 2000, S. 295). In den U rteilen h at ,sollen’ vo r allem die B edeutung einer A ufforderung, also eines A uftrags, eines Befehls o der einer V orschrift. M anchm al d rü ck t sollen aus, dass der Sprecher/Schreiber die Ä ußerung eines anderen w iedergibt, ohne fü r ihre W ahrheit zu bürgen (oft im K o n ju n k tiv II).
Sehr oft tritt d as Verb sollen im K o n ju n k tiv II zusam m en m it wenn,
falls, vorausgesetzt, dass (oft wird die bedingende K o n ju n k tio n getilgt) auf.
Diese V ariante d rü ck t eine Bedingung aus. D ie folgenden Beispiele sind ein Beweis dafür:
N ach Zeugenaussagen soll die B eklagte dieses gestohlen haben.
A uch wenn der K läger am 24. August 1987, wie er geltend m acht, innerlich aufgewühlt und erregt gewesen sein sollte, so entschuldigt dies nicht ...
Das V erb m üssen d rü ck t die N otw endigkeit aus. Es bringt eindeutig die A bsicht des G erichtes zum A usdruck, ein T u n als absolut obligatorisch zu betrachten, z.B.:
Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung zu diesen Fragen im Rahmen der Interessenabwägung den Sachverhalt weiter aufklären müssen.
Das M odalverb wollen tritt in den U rteilen vor allem in seiner H a u p t bedeutung a u f u n d d rü ck t W ille oder A bsicht aus. Seltener d ien t dieses Verb d er W iedergabe der B ehauptung einer Person, die n ich t ohne weiteres für w ah r zu halten ist. Beispiel:
Ob der Arbeitnehm er sich einem gesetzlichen Schuldnerwechsel unterwerfen will, liegt allein in seiner Beurteilung.
Die Antragsteller wollen das - eidesstattliche Versicherung des A ntra gstellers zu l) vom 12.09.2000, B latt 67 der A k te - erst am 04.07.2000 bem erkt haben.
82 Agnieszka S law ik ow ska-M arcinkow ska
O bw ohl d as V erb dürfen sehr häufig in anderen Rechtstexten zu sehen ist, kom m t es in U rteilen sehr selten vor. Es wird in zwei V arianten realisiert und zwar: als M öglichkeit, die sich aus der E rlaubnis ergibt aber auch in vereinzelten F ällen als reine M öglichkeit:
Das beklagte Land hat dem Personalrat insoweit keine Entlastungsmomente zugunsten des Klägers verschwiegen, sondern stellt zutreffend a u f das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts W uppertal ab, nach dessen Erlass sich jedenfalls der Kläger ohne Verschulden a u f diese Grunde fü r seine W eigerung nicht mehr berufen durfte.
Komm anditbeteiligung etwa nur in geringerer H öhe hätten zugerechnet werden dürfen.
D a d erartige Texte wie die Urteile vorwiegend N orm en und A uforderungen enthalten, die die Verhaltensw eise des Beklagten regeln sollten, dürfen sie nicht A ussagen enthalten, die a u f subjektiver Einstellung des Sprechers (hier: des R ichters) beruhen.
L au t d er durchgeführten U ntersuchungen treten auch die In finitivkonst ruk tio n en sehr häufig in den deutschen U rteilen auf. In einem U rteil gibt es etw a 40% Sätze, in denen die Infinitivkonstruktionen verwendet w urden. Es soll aber d a ra u f hingewiesen w erden, dass es sich hier nicht n u r um reine Infin itiv k o n stru k tio n en handelt, die valenzbedingt sind, sondern m eist um Infin itiv k o n stru k tio n en m it sein und haben, die m it M odalverben k o n k u r rieren (etw a 90% aller verw endeten Infinitivkonstruktionen - haben + zu + Infinitiv - 41% Belege, sein + zu + Infinitiv - 49% Belege) u n d oft M o d a lk o n stru k tio n e n g e n an n t w erden. Sie liegen bedeutungsm äßig den M o dalverben sehr nahe. Sie drücken vorwiegend die N otw endigkeit aus und stellen eine Ä quivalenz zu den M odalverben sollen und müssen. D ie häufige V erw endung d e r M o d a lk o n stru k tio n en sein)haben + zu + Infinitiv im V er gleich zu sollen u n d müssen ergibt sich oft aus dem für die R echtssprache charakteristischen Stil. Es gibt auch viele Beispiele, in denen die N otw endig keit d u rch ist verpflichtet ausgedrückt wird, das m it den M odalverben und M odalkonstruktionen konkurriert. Es gibt noch eine Besonderheit der M o d al k o n stru k tio n en und zwar: es gibt V erben, die besonders häufig Vorkommen:
leisten, beabsichtigen, bereit erklären, annehmen, weigern, zum uten u.a., so
dass der E in d ru ck entsteht, dass es sich hier um Phraseologism en handelt (R A M G E 1986, S. 123-148; G L IW IŃ S K I 2000, S. 297ff.). Beispiel:
Denn durch den Intem etvertrieb erreicht die Beklagte bundesweit Kunden und ist in der Lage, diese a u f diesem bundesweiten M a rk t fü r sich zu gewinnen.
L ässt sich U rteilssprache... 83
Dies ist besonders dann anzunehmen, wenn erkennbar ist, dass der A rbeit nehmer gar nicht gewilligt ist, sich vertragsrecht zu verhalten.
Im Polnischen treten die M odalverben und M o d a lk o n stru k tio n en selten (in etwa 2% aller untersuchten Sätze) auf. D abei m uss m an unterstreichen, dass es sich bei M o d alk o n stru k tio n en um W ortgruppen handelt, die die Bedeutung d er M odalverben w iedergeben z. B. X m a wypłacić Y... (X hat
Y ... zu zahlen) in der Bedeutung powinien (er soll), was die N otw endigkeit
zum A u sd ru ck bringt. Viel häufiger treten solche W örter auf, die zwar dieselbe B edeutung haben - sie bringen die N otw endigkeit einer H andlung zum A u sd ru ck - , die aber keine M odalverben sind: nakazyw ać (mahnen),
zasądzać na rzecz (jdm. zuerkennen), orzeka na rzecz (in der Sache erkennen), mieć obowiązek (verpflichtet sein).
Beispiele:
Koszty obciążające winny wynosić 1042,10 zl, pozwana zatem ma obowiązek zw rotu powodom kosztów procesu w wysokości 2281,70 zl.
W pozw ie z dnia 10.07.1998 r. pełnom ocnik powoda nakazał pozwanemu wraz ze w szystkim i osobami praw a jego reprezentującymi, aby ... oraz zasądził od pozwanego na rzecz powoda kw oty 2163,08 z l z ustawowymi odsetkami.
Es m uss u nterstrichen w erden, dass die oben genannten Beispiele m eist aus dem letzten Teil des U rteils stam m en, und zw ar aus den E ntscheidungsgrün den. G erad e dieser Teil weist a u f die reichsten sprachlichen F o rm en auf. Die früheren Teile, wie R u b ru m u n d T en o r, unterliegen m eist strengen F orm - und Sprachregeln, die im vorigen A b satz beschrieben w urden.
D ie P ro d u k tiv itä t in d er W ortbildung ist für jede F achsprache u nerläs slich. Eine notw endige F olge d arau s ist der T rend zum ,N om inalstil‘, der eines d er klassischen Stilmerkm ale fachsprachlicher Texte darstellt. D ie tiefere Ursache dieses N om inalstils ist die durch die R ezeption des röm ischen Rechts ererbte Begriffsjurisprudenz, die in D eutschland zu einer generalisierenden, an ab strak ten Begriffen ausgerichteten R echtssprache führte. D as m ach t den Stil d er R echtssprache unanschaulich u n d ab strak t, bereitet große Schwierig keiten m it d er V erständlichkeit und v erstärkt gleichzeitig Sprachbarrieren. Das H au p tp ro b lem liegt aber auch nicht a u f quantitativer Ebene. K om posita, auch M e h rfach k o m p o sita sind im D eutschen relativ häufig und m a n ist d a ra u f vorbereitet, sie aufzulösen. D as Problem scheint hier in d er T rad itio n der juristischen F ach sp rach e begründet zu sein, und zw ar, die juristische F achsprache neigt - verglichen m it d er S tandardsprache - zur N om inalisie- rung und zu extrem langen Substantivphrasen. So ist es auch in den Urteilen.
84 A gn ieszka S law ikow ska-M arcinkow ska
Zu den Substantivierungen gehören:
- einfache Substantive: Körperschaft, Fähigkeit, Konvention, - einfache K om posita: Steuergesetz, Ordnungswidrigkeit.
- M ehrfachkom posita: Steuerordnungswidrigkeil, Steuerstrafrecht Ein kommensteuervergünstigung,
- substantivierte Verben: Instandsetzung, Durchführungsverordnung.
T ypisch für die U rteilssprache ist das häufige V orkom m en von N om ina, die von V erben abgeleitet u n d m it Hilfe vom Suffix -ung gebildet werden, z.B. Steuerhinterziehung, Stadtverwaltung, Zustellung, Begünstigung, Steuer-
gefahrdung, Außerachtlassung, Vollziehung, Inbetriebsetzung usw. (K Ü H N
1992, S. 28-29). Beispiel:
Die zu r Begründung des Pfandrechtes erforderliche Einräumung und Er greifung der Innehabung wird dadurch nicht ausgeschlossen, dass [...]
(§ 1147 BG B ).8
G em eint ist dabei ein Sprachstil, bei dem V erben substantiviert w erden, z.B.
Die Zustellung dieser Verfügung
Substantivierung + G enitivattribut
eines V erbs durch -ung
N om inalisierungen dieser A rt sind in diesen T exten sehr ökonom isch; m an sp a rt bestim m te E rgänzungen, die bei der V erw endung des V erbs notw endig w ären (K Ü H N 1992, S. 44).
F ü r die U rteilssprache sind auch K o m p o sita typisch u n d oft verwendet. A nalytisch k an n ein K om positum als eine W ortneubildung aus m indestens zwei schon v o rhandenen W ö rtern beschrieben w erden. A n erster Stelle steht d as Bestim m ungsw ort, an der zweiten oder letzten Stelle steht das G ru n d w o rt:
Bestim m ungswort + (Fugenelem ent) + Grundwort
In solchen K o m p o sita, den sog. D eterm inativkom posita wird die Bedeutung des G rundw ortes d u rch die Bedeutung des B estim m ungsw ortes m odifiziert. D as Bestim m ungsw ort determ iniert und spezifiziert das G rundw ort.
D ie Bedeutung d er K o m p o sita h än g t sehr sta rk von d er Beziehung ab, die zwischen G ru n d - und Bestim m ungswort bestehen kann, z.B.: Steuergesetz,
Lässt sich U rteilssprache... 85
Bußgeld, Unfallversicherung, Strafrecht, Gesetzesentwurf, Gesetzgeber, R e chtsgrundlage usw.
Es gibt Satzglieder, die sow ohl als G ru n d w o rt als auch als Bestim m ung sw ort auftauchen, z.B. Verfahren:
als G ru n d w o rt — Strafverfahren als Bestim m ungsw ort - Verfahrensabschnitt
Es m uss noch hinzugefügt w erden, dass U rteilssprache Synonym e vermeidet. D as fü h rt zu W iederholungen, w as im G egensatz zu dem heutigen Stilideal der P rim ärsprache steht, die eine V ariation verlangt. D asselbe Zeichen soll in der R echtssprache im m er dieselbe F u n k tio n haben, im m er den gleichen Sachverhalt kennzeichnen.
O ft kom m en in den deutschen U rteilen auch die F o rm en des F u n k tio n s verbgefüges vor, die an die Stelle der einfachen V erben treten. D as F u n k tionsverbgefüge reduziert den sem atischen G eh alt d er V erben, wobei das Substantiv d en wesentlichen Teil der begrifflichen Bedeutung träg t. D as F unktionsverb h a t durchw eg n ur gram m atische F u n k tio n : Es T rä g t zw ar alle M erkm ale des V erbum finitum s (Tem pus, M odus, G enus, Person, N um erus), h a t aber seine W ortbedeutung verloren. Als H a u p tsin n träg er des P rädikats dient das A kkusativobjekt z.B.: eine Entscheidung treffen, sta tt
entscheiden, ein Geständnis ablegen sta tt gestehen usw. oder die P räpositional-
gruppe, z.B.: einen A ntrag stellen a u f etw. sta tt etw. beantragen, Bezug nehmen
a u f etw. sta tt sich beziehen a u f etw. usw. In vielen Fällen k an n d as F u n k
tionsverb gegen ein einfaches, dem A kkusativ bzw. dem S ubstantiv der P räpositionalgruppe etym ologisch verw andtes V ollverb ausgetauscht w erden
{D U D E N 1998). Beispiel:
Vorliegend geht es um einen Internetauftritt der Beklagten. M angels weiterer näherer Kenntnisse von der Bedeutung des wettbewerbswidrigen Verhaltens der Beklagten fü r den Vertrieb der Produkte der Klägerin war d a ra u f abzustellen, dass die B eklagte bundesweit m it der Klägerin in K onkurrenz getreten ist, so dass nach der ständigen Rechtsprechung des S en a ts ein Streitw ert auch im Verfügungsverfahren von jedenfalls 100 000 D M angemessen ist.
Ein anderes M erkm al d er U rteilssprache ist d er attributive G ebrauch der A djektive und Partizipien. D u rch den attributiven G ebrauch eines A djektivs oder P artizips k an n d er Sprecher/Schreiber die m it Substantiven genannten W esen, D inge oder Begriffe charakterisieren, und zw ar im H inblick au f M erkm ale u n d Eigenschaften, A rt u n d Beschaffenheit, V erfassung oder Z u stan d (D U D E N 1998, S. 258). In den U rteilen ist es besonders wichtig, dass d er Sachverhalt genau beschrieben wird. Um die G enauigkeit zu
86 A gnieszka S taw ikow ska-M arcinkow ska
erreichen m uss m a n jeden Begriff, jedes W ort wie m öglich präzise darstellen. D ies ist n u r durch A ttrib u te erreichbar. D eshalb greifen die U rteile schreiben de R ichter n ach diesem M ittel, sow ohl in D eutschland als auch in Polen. D ie A djektive und Partizipien w erden in den U rteilen a ttrib u tiv bei einem Substantiv gebraucht. In den untersuchten M aterialien gab es kaum Beispiele für ihren prädikativen G ebrauch beim Substantiv.
D as attrib u tiv gebrauchte Adjektiv oder P artizip wird flektiert und ersetzt aus sprachökonom ischen G ründen durch einen A ttrib u tsatz.
In einem durchschnittlichen deutschen U rteil findet m an etw a 130 Belege für attributiven G ebrauch eines A djektivs oder Partizips, seltener eines A dverbs (n u r als adverbiale Bestim m ung der Zeit - 3 Belege des W ortes
bisher). E tw a 60 (40% ) d avon sind a ttrib u tiv gebrauchte A djektive, die oft
d u rc h bestim m te H albsuffixe charakteristisch sind (wie erw ähnt: pflichtig,
-gemäß, -bar und -widrig). D ie M eh rh eit bilden die Partizipien, etw a 70
(60% ) Belege. D ie deutsche G ram m atik unterscheidet 2 Partiziparten: Partizip I anders P räsenspartizip und das P artizip II anders P erfektpartizip. In den deutschen U rteilen findet m an kaum Belege für attributiven G ebrauch des Präsenspartizips. E tw a 90% aller Beispiele w aren a ttrib u tiv gebrauchte Perfektpartizipien. D ie Partizipien w erden auch flektiert. Sowohl die attributiv gebrauchte A djektive als auch Partizipien stehen vor dem Bezugswort, sie werden also vorangestellt. Beispiel:
A u f die vorgenannten Gesellschaften wurde fa s t die H älfte aller A rbeits plätze der B eklagten verlagert, wobei die Tarifvertragsparteien und die Betriebspartner umfangreiche Absicherungen fü r die betroffenen Arbeitneh m er vereinbarten.
Der Kläger kann fü r jede von ihm m it 15 D M bezahlte Selbstauskunft 12 D M von der Beklagten zurückverlangen.
In den deutschen U rteilen w erden in m anchen Fällen das attributive Adjektiv und das attributive P artizip durch zusätzliche Glieder erweitert. Diese Glieder übernehm en d as A djektiv u n d das P artizip aus d er prädikativen F o rm , von d er sie abgeleitet sind, u n d verkürzen dad u rch die ganze Aussage. Beispiel:
Der „unkündbare" Arbeitnehmer, der einen angebotenen zumutbaren A r beitsplatz ablehnt, hätte lediglich keine Ansprüche aus dem Schutzabkom men, das die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer zusätzlich begünstigen soll.
In den polnischen U rteilen, wie gesagt, wird dieses sprachliche M ittel genau so oft verw endet wie in den deutschen U rteilen. Ä hnlich wie in deutschen U rteilen treten die A djektive in der A ttrib u tfo rm viel seltener (35% ) als die
L ässt sich U rteilssprache.. 87
Partizipien (etw a 65% ) auf. Es sind aber so genannte Passivpartizipien
(imiesłowy bierne), die auch flektiert w erden. Im U nterschied von den
deutschen U rteilen sind die attrib u tiv gebrauchte A djektive und Partizipien in den polnischen U rteilen m eist nachgestellt - sie stehen hinter dem Bezugswort. D iese Regel ist im allgemeinen für die polnische R echtssprache aber nicht fü r die G em einsprache charakteristisch. Beispiel:
Po konsultacjach u chirurga i neurologa oraz nieskuteczności leczenia zachowawczego o charakterze farm akologicznym i rehabilitacyjnym a także po dodatkowych badaniach rozpoznano u powoda wypadnięcie krążka m iędzykręgowego na poziom ie L 5-S1 i ....
Jeden ze wskazanych wyżej lokali, oznaczony numerem 2, przydzielony został w trybie obowiązujących przepisów.
W ta k i właśnie sposób zasiedlone lokale znajdowały się w budynku p rzy ul. X . Zbigniew W. zam ieszkał w przydzielonym lokalu z najbliższą rodziną (bezsporne).
Die ganze U rteilssprache in so einer kurzen A rbeit zusam m enzufassen ist unmöglich. D ie gerade geschilderten Spracherscheinungen schienen am in teressantesten zu sein. Wie schon in früheren Teilen des T extes erw ähnt, ist die U rteilssprache m eist von den die U rteile schreibenden R ichter ab hängig. Je d er R ichter h a t seinen eigenen Stil, h a t bestim m te Sprachkonst- ruktionen o der W endungen gern. E r schafft die Sprache selbst und von ihm h ä n g t es ab, welche sprachliche E rscheinungen im U rteil Vorkommen werden. D ie beschriebenen tra te n in allen untersuchten U rteilen auf. Diese sprachliche E rscheinungen w urden auch, wie es schon gesagt w urde, in Prozessordnungen beider S taaten (D eutschland, Polen) bestim m t und jed er Richter soll n ach diesen Regelungen die U rteile schreiben. D ies erm öglicht aber eine m eh r o der weniger k o n k rete D efinition d er U rteilssprache zu bilden. Sie scheint vielleicht k o n k reter u n d ordentlicher zu sein als z.B. die G esetzessprache. Sie ist n ich t einfach aber m an k an n sie erlernen. Die Studenten des G erichtsreferendarrats m üssen erst diese Regelungen der Prozessordnungen kennen lernen und m ehrm als verschiedene M usterurteile schreiben u m a u f die A rt und W eise das Feingefühl fü r diese besondere Sprache zu gewinnen.
Es w urde also hier ein V ersuch gem acht, die U rteile aus der Sicht eines Philologen und N icht-Juristen zu betrachten. D ie U rteilssprache ist eine F achsprache, die charakteristische - hier zum Teil beschriebene - E igens chaften aufweist. D ieser T ext sollte diese Eigenschaften einem juristischen Laien an n äh ern . H offentlich h a t sie ihre Rolle erfüllt.