Archlef
Mekelweg 2,2628 CD Deflt
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Dr--Ing. W. Grollius
Versuchsanstalt für Binnenschiffbau, Duisburg
Das Prob1i der Trossenbeanspruchung durch passierende Schiffe au der Sicht der Nodellverguchatechnjk
Einleitung
In den letzten Jàhren werden die Häfen in zunehmendem Maße fur die Aufnahme großer Schiffe erweitert. Damit gewinnt auch das Problem der Passierfahrt für die Auslegung von Vertauungssystemen eine wachsende Bedeutung Selbst bei kleiner Fahrt können derartige Schiffe aufgrund ihrer
Verdrängungswir-kung unter den herrschenden extremen Fahrwasserbegrenzungen große
Strö-mungskräfte und starke Wasserspiegelabsenkimgen erzeugen und stellen damit eine Gefahr für vertäut liegende Schiffe dar.
In der letzten Zeit häufen sich Nachrichten über Schäden, die durch das
Vertreiben von Groi3schiffen entstanden sind, und in den zuständigen
Fach-kreisen des hafentecimischen Bereichs wird die Entwicklung spezifischer Vertäuungsplane als dringend notwendig angesehen (9).
Modellversuche nach dem Prinzip der unvollständigen Ähnlichkeit
pie Untersuchung von Vertäuungssystemen in Modellversuchen ist.
problema-tisch, denn bei einem dynamischen Vorgang, der gleichzeitig
schwerebeding-ten, elastischen und zähigkeitsbedingten Kräften unterliegt,, läßt sich
vollständige Ähnlichkeit nicht erzielen. Dies gilt selbst dann,, wenn man die Zähigkeitswirkung des Wassers vernachlässigt, was in den nachfolgenden Ausführungen vorausgesetzt wird.
Zur Verdeutlichung soll das Problem in Verbindung mit den Prinzipien der
klassischen Ahnlichkeitsmechanjk eingehender dargestellt werden.
Für die Entwicklung des Modellgesetzes sind sie derart festzulegen, daß bei freier Wàhl des geometrischen Maßstabs
= (2.4)
die beteiligten Ähnhichkeitsgesetze erfüllt werden.
Grundsätzlich tritt bei jedem dynamischen Vorgang das Newtonsche
Ähnlich-keitsgesetz in Kraft, das in der Form der Bertrandschen Gleichung das
Ver-hältnis der Nassenkräfte ausdrückt:
182
Danach charakterisiert ein Ähnlichkeitsgesetz die Wirkung einer
physikali-schen Einflußgröße. Es wird durch die zugehörige Kennzahl beschrieben, die
u.a. die Stoffkonstante des ursächliôhen physikalischen Effektes beinhal-tet Die Kennzahl verandert sich bei Modellaimlichkeit nicht Die
Kombina-tion von khnlichkeitsgese.tzen führt unter gewissen Bedingungen zum
Modell-gesetz. Charakteristikum eines Nodellgesetzes ist, daß die
Differential-gleichungen von Modell und Großausführung voneinander linear abhängig sind. Insbesondere die letzte Aussage ist in Verbindung mit dem Prinzip der
un-vollständigen Ähnlichkeit von besonderer Bedeutung.
In der konservativen (Newtonschen) Mechanik existieren drei unàbhängige.
Maßgrößen: die geometrische Länge, die Kraft und dïe Zeit, dementsprechend
die Maßstabszahlen
=
A.
(2.5)Die Schwerkraftwirkung fordert die Erfüllung des Froudeschen Ähnlichkits-gesetzes
V.
_(2.6)
A
Schließlich ist die elastische Ähnlichkeit einzuhalten, die in dem entspre-chenden Gesetz von Cauchy zum Ausdruck kommt
V
________
= 1 (2.7)YE /Aç
Es besagt, daß die Verformungsgeschwindigkeit des elastischen Körpers
in-folge äußerer Kräfte mit der Ausbreitungsgeschwindjgkeit der inneren
Span-nungen, die der Schallgeschwindigkeit in dem betrachteten Material ent-spricht, in einem festen Verhältnis stehen muße
Insgesamt sind damit vier Gleichungen (ci. (2.4) bis Cl. (2.7)) zu
erfül-len, denen aber nur drei Bestirnznungsgrößen, nämlich A, und 'r
gegenüber-stehen. Demzufolge ist das Gleichungssystem überbestimmt, d.h., bei glei-chen Materialien läßt sich für den betrachteten Vorgang kein exakt gültiges
Nodellgesetz àbleiten.
4
ìt= L/L' (2.1)
I= F/F' (2.2)
Dies zeigt, daß sich vollkommene Ähnlichkeit nur dann erzielen läßt, wenn
neben dem Masseneffekt höchstens ein physikalischer Einfluß wirksam wird. Damit folgt aus den Gleichungen (2.4), (2.5) und (2.6) das Froudesche
Mo-dellgesetz, das das dynamisch ahnliche Verhalten eines starren Korpers
un-ter Einfluß der Erdschwere beschreibt. Aus den Gleichungen (2.4), (2.5) und (2.7) erhält man das Nodellgesetz von Cauchy, das beispielsweise auf eine
massebehaftete Feder anzuwenden ist.
In der nachfolgenden Tabelle sind die Umrechnungsmaßstäbe, die sich aus
diesen Modellgesetzen ableiten lassen, einander gegenUbergestelit.
Tabelle i : Nodellgesetze von Froude und Cauchy
Identische Stoffkonstanten (ÀE i )
Nan erkennt, daß das Modellgesetz von Caudhy schwierig zu handhaben Ist,
dean der geometrische Maßstab beeinflußt den Geschwindigkeitsmaßstab nicht. Eine wünschenswerte Reduzierung der Modellgeschwindigkeit ist nur über die Wahl eines anderen Materials mt beispielsweise geringerem
Elastizitätsmo-dul zu erreichen. Wegen der begrenzten Auswahl der natürlichen elastischen Materialien ist dies jedoch praktisch nicht zu realisieren. Damit entfällt auch eine prinzipiell auf diesem Wege mögliche Angleichung der beiden
Mo-dellgesetze von Froude und Cauchy.
Es zeigt sich ferner, daß die hier besonders interessierenden Kräfte nach
Froude mit der dritten Potenz, nach Cauchy aber nur mit der zweiten Potenz
des geometrischen Maßstabs wachsen - eine Diskrepanz, die eine Realisierung des betrachteten Vorgangs im Modellversuch selbst unter Vernachlässigung des Zähigkeitseffektes zunächst aussichtslos erscheinen läßt.
Bei den meisten technischen Vorgängen, die modellziäßig untersucht werden,
läßt sich das klassische Ähnlichkeitsprinzip nicht verwirklichen. In diesen Fällen ist man gezwungen, das Prinzip der unvollständigen Ähnlichkeit
anzu-wenden, indem man physikalisch unbedeutende Einflüsse vernachlässigt. Im
vorliegenden Fall bietet sich das Prinzip der "geometrisch-elastischen" Ahnlichkeit an, das unter Vernachlässigung des Gesetzes von Cauchy die
Abri-lichkeit der elastischen Verformung vorschreibt.
Der bekannte 2thnlichkeitsmechaniker Weber (6) empfiehlt u. a. die Anwendung
dieser Methode auf. die modelimäßige Untersuchung von Förderseilen, deren
dynamisches Verhalten ebenfalls den Gesetzen von Freude. und Cauchy unter-liegt. Der Grundgedanke des Verfahrens laßt sich am Beispiel des Einmassen-schwingers als einfacher Ersatz für das System Schiff-Trosse zeigen. Wie in Abb. i angedeutet, wird das Feder-Masse-System durch hydrodynamische
Erre-ger- und Rückstellkrâfte beaufschlagt. Die Differentialgleichung der Bewe-gung lautet dann für die originalausführung
-Bezeichnung Maßstabs-zah' Umrechnungsmaßstab fUr Modeflgesetz Froude von Cauchy Kraft F Zelt t
r
X3 Y5 A Geschwindigkeit y BescMeunigung a Steifigkeit C Spannung A i X' A i 1/A A i Cauchy-Kennzah Ca Froude-Kennzah F 7 i i/Yr18)4
/m
(t)n.R
X1 C FederstelflgkeltFE(t) = hydrodynamische Erregerkraft FR(t) = hydrodynamische RUckstellkraft
in Schiffsmasse
t = Zeit
x,x, = Weg und zeitflche Ableitungen
Abb. 1: Ersatzsystem "Schiff-Trosse"
in . + C
x + F(t) = FE(t)
(2.8)
und fUr die Modellausführung
+ C'
x' + F(t') =
(2.9)
Offensichtlich
Ist
das
Modell
in seinem Bewegungsverhalten dem Original
"geometrisch" ähnlich,
wenn beide Gleichungen voneinander
linear
abhängig
sind, d.h., wenn gilt
in x C
. x
FR(t)
FE(t)
-
-
-
(2.10)
in' X' C'
x'
p(t')
F(t')
worin OC einen zunächst beliebigen
Verhältniswert darstellt.
Um
das
Froudesche
Modellgesetz zu erfüllen, wird
man, dem entsprechenden
Kraftmal3stab folgend, dieses Verhältnis
mit
cx=À3
(2.11)
festlegen. Damit folgt aus Ql. (2.10) über
die Bedingung
C. X
_3
C x
daß die Pedersteifigkeit des MOdells in der
Form)L
_C .2
f i-. - -_..
- A
(2.12)
(2.13)
fordert das Modellgesetz von Cauchy eine lineare Red
uzie-rung (siehe auch Tabelle i).
Insofern wird die geometri-sche Ahnlichkeit der
Modell-trosse aufgegeben, was für
das untersuchte
Strömungsîno-deli allerdings keinen Nach-teil darstellta
Das entscheidende Ergebnis
dieser Betrachtung ist die
Aussage, daß die
Modellä}m-lichkeit über eine Anpassung der Federsteifigkeit erreicht werden kann.
In dem Ersatzsystem erscheint
dás Federelement ohne Mas-senbelégung, woduròh das
film-Patyc V
10,43
? L5La
IIuI1RIç
III1!!îiI
ilIIItII!R
,76.1O (h21o7 N/cm2)5O31O
(3,4710 N/cm2)4.75O
(3,2810 N/cm2) 5.61 (3,871O N/cm2)entsteht, mit den nicht maßstählichen Massenkräften der Modelitrossé in Zu-sammenhang steht. Er dürfte bei schwach beschleunigten Bewegungen nur eine geringe Größenordnung besitzen. Dagegen ist es offensichtlich, daß
stoí3ar-tige Belastungen, wie sie bei nicht vorgespannten Trossen, den sogenannten "slack lines", auftreten, mit dieser Méthode nicht simuliert werden können.
Für einen realistischen Modellversuch ist es auch notwendig, die speziellen Festigkeitseigenschaften von Schiffstrossen zu berücks±chtigen. Abb. 2 zeigt den E-Modul handelsüblicher Trossen verschiedener Materialien in
Ab-hängigkeit von der Belastung. Die Funktion der Federsteifigkeit läßt sich aus dem Hookeschen Gesetz ableiten. Man erhält aus
C=z;
0
EE
über die Definition der Zugspannung und der relativen Dehnung
und
-AJ0
(2.14)
(2.15)
Darin ist A die TrossenquerschnittsfläChe, L0 die ursprüngliche Länge, L
die Dehnung und F die wirksame Trossenkraft.
Aus Ql. (2.15) ist zu ersehen, daß die Charakteristik der Steifigkeit den in Abb. 2 dargestellten Funktionen entspricht. Die allen Materialien
eige-nen progressiven Federeigenschaften sind besonders bei Nylontrossen sehr
ausgeprägt.
iichkeitsgesetz von
aus der Betrachtung
Cauchy
heraus- lO
fällt. Dies deutet darauf O 40 60
LD.'.D IHZCFBS
hin, daß der Fehler der bei
Abbi 3: Vorrichtung zur Nachbildung einer Schiffstrosse mit variabler Steifigkeit
(nach (8))
Für den Aufbau eines
Veran-kerungssystems mUssen
derar-tige Vorrichtungen in
größe-rer Zahl bereitgetellt
wer-den. Insofern ist der
Modell-versuch insbesondere in
Hin-blick auf die komplizierte
Ialibrierung der
Féderelemen-te mit großem Aufwand
verbun-den. Eine gewisse
Unsicher-heit besteht auch
hinsicht-lich des erwähnten
Maßstabs-effekts. Untersuchungen zu
diesem Punkt sind nach
Kennt-nis des Verfassers bisher in
der Literatur nicht bekannt-geworden und dürften im
Rah-men des zeitabhängigen Pro-blems auch mit g±oßen
Schwie-rigkeiten verbunden sein.
Wie sich die
belastungsab-hängige Trossensteifjgkeit im.
Modell nachbilden läßt, geht
aus Abb. 3 hervor. In dieser
originellen Lösung ±st das Prinzip der geometr-isch_ea_
stischen Ähnlichkeit
konse-quent verwirklicht worden.
Die elastische Trosse wird
durch eine einseitig
einge-spannte Biegefeder ersetzt.
Die vorgegebene Steifigkeits-Charakteristik entsteht durch eine Anpassung der Federwege
liber eine mechanische
ttber-setzung. Das Herzstück der
Mechanik ist eine individuell
geformte Ñockenschejbe. Das
Eigengewicht der Trosse wird
durch eine Vorspannung
simu-liert. Wie Abb. 4 zeigt, kön-nen selbst komplizierte Fe-derkennlinien mit dieser
Me-thode gut nachgebildet
wer-den. DO SO 'J 70 6O 50 0 30 20 b
SINGLE ROPE -LOA O I XTENS0N CAZJORAflON
Prolo cur,, Prto cur,, of broke,,
-ENflci,
toil. 301o'.p attache a' tosteel ,iire
JM,,i ''is j
Abb. 4: Federkennlinje einer Trosse mit
modellinäßiger Nachbildung (nach (a))
3. Modellversuche als Ergänzung zu theoretischen
3.1. Das dynamische Bewegungsmodell
Besonders fir die Optimierung von Vertäuungssystemen
erscheint es
zweck-mäßig, den Passiervorgang in einem mathematischen Modell
nachzubilden und
auf einem Reòhner zu simulieren, Auch in diesem Fall
kann die
Nodeflver-suchstechnik dabei helfen, wichtige Detailproblerne
zu lösen, die sich auf
theoretischem Wege nur schwierig behandeln lassen. Das
dynamische
Bewe-o
o ¡ 2 3 ¿ 5 6 7 8 9 EXTEÑSJON-pftoTo FEET
gungsmodell, das zur Zeit allgethein für die
Behandlung von
Verankerungs-problemen eingesetzt wird (5), stellt sich wie folgt dar:
+mk).
f.(t -)
k3x.()
d+ C
x. }
= 3 k3 3nl
= Xk(t)
+L(t)
+N.k(t)
;k =
(3.1.1)
1=1 i=1Darin ist
Xk(t)
= Funktion der Erregerkräfte
Lik(t) = Funktion der Trossenkräfte
Nk(t) = Funktion der Fenderkräfte
M
= Matrix der Massen
mk
= Matrix dr hydrodynamischen Nassen
Ck.
= Koeffizienterimatrix der hydrostatischen
Rückstellkräfte
KK
= Verzögerungsfunktion
n1
= Zahl der Trossen
flf
Zahl der Fendér
k,j
= Freiheitsgrad
t
=Zeit
= Zeit als Variable der Vorgeschichte
= Weg des Masseninitteipunktes und sème
zeitlichen Ableitungen
In dem DifferentialgleichungssySteln erscheinen Massen- und
hydrodynamische
Rückstellkräfte auf der linken, die hydrodynamischen Erregerkräfte und
die
gesuchten Schaittkräfte in den Verankerungselementen auf der
rechten Seite.
Der
wesentliche
Termdes Ansatzes ist ein Faltungsintegral, das zusammen
mit der hydrodynamischen Masse
mkj
die
hydrodynamischen
Reaktionskrfte
symbolisiert. Das Integral basiert auf der Theorie der
Impuls-Antwort-Funk-tion
und beschreibt den Einfluß der hydrodynamischen Vorgeschichte auf den
momentanen Bewegungszustand. Den. Kern des Integrals bildet
die
sogenannte
Verzögerungsfunktion
Kkj. Unter der Voraussetzung, daß sich das
Antwortsy-stem linear verhält, d.h., daß die hydrodynamischen
Aktions- und
Reaktions-kräfte in einém eindeutigen Zusanmenhang stehen,
läßt sich
diese
Funktion
aus
einem
Bewegungsmodell
ableiten, in dem der Schiffskörper harmonische
Reaktions-188
kräfte als frequenzabhangige Massen- und Dämpfungskoeffjzjente in Form der bekannten
Daraus gewinnt man die Verzögerungsfunk-tion Kk' über eine TransformaVerzögerungsfunk-tion aus dem Frequenzbereich in den Zeitbe-reich. Die Ubertragungsfuntjonen lassen sich mit potentialtheoretjschen
Methoden berechnen, sie können aber auch experimentell in einem
Oszilla-tionsversuch bestimmt werden, wobei das Modell zwangserregte harmonische
Bewegungen ausführt. Die
hydrodynamischen Erregerkräfte, dargestellt durch den Term Xk(t), ent-stehen im Fall des Passiervorgangs aus einer
komplizierten instationären
Strömungswirkung. Ihre Berechnung nach
potentialtheoretjschen Methoden ist selbst unter starken Vereinfachungen schwierig. Dies zeigt u.a. eine Studie von Collatz (i), worin der Vorgang unter Zugrundelegung
zweidimensionaler Verhältnisse am Beispiel einfacher Zylinderformen
untersucht wird.
Deinge-genüber ist eine Ermittlung dieser Kräfte im Modellversuch vergleichsweise
einfach.
3.2 Ergebnisse von Kraft- und Bewegungsmessungen
In der V B D sind in einer experimentellen Studie (3) Vorbeifahrten am
teilweise starr verankerten Schiff durchgeführt worden. Dabei wurden die wichtigsten, in der Horizontalebene wirkenden Erregerkräfte
und
verschie-dene Bewegungsgröj3en
gemessen. Obwohl die Kraftmessungen im Sinne des
theo-retischen Bewegungsmodells nicht vollständig sind, liefern die Ergebnisse
interessante Aussagen über die Gesetzmäl3igkeiten des mit geringer
Geschwin-digkeit ablaufenden Passiervorgangs. Insbesondere zeigen die normierten
Darstellungen, daß es möglich ist, die von den Randbedingungen her sehr va-riablen Vorgänge weitgehend zu typisieren. Dies erleichtert die Verwendung der empirisch gewonnenen Kraftveriäufe in dem vorgestellten Rechenmodell.
Die Versuche waren maßstäblich auf die Verhältnisse des
Hafens Hamburg-Köhibrand abgestimmt. Es wurden insgesamt 5 Modelle untersucht, nämlich
zwei Buikcarrier von ca. 50 000 und lOO 000 tdw,
zwei Containerschiffe von ca. 20 000 und 40 000 tdw und ein Binnenschjff mit ca. 3 000 t
Tragfàhig-keit. Sowohl die beiden Bulkcarrier ais auch die beiden
Containerschiffe waren formgleich. In Abb. 5 (siehe Anhang) sind die sehr unterschiedlichen Schiffsformen dargestellt, die einen gewissen Querschnitt des im Hamburger Hafen herrschenden Schiffsverkehrs repräsentieren.
Die Modelle wurden in wechselseitiger Kombination als Passierer und als Festlieger eingesetzt. Allein dem Binnenschiff wurde nur die Rolle des Festliegers zugewiesen, um zu prüfen, wie sich das Passieren von Groi3schif-fen auf kleine Fahrzeuge auswirkt. Die Passierversuche wurden vereinfacht durchgeführt, indem die Schiffe ohne Eigenantrieb an dem Festlieger
vorbei-geschleppt wurden. Variiert wurden dabei der Schiffstiefgang, der
Passier-abstand und die Passiergeschwindigkeit in den Grenzen von 3 bis 9 kn.
Abb. 6 zeigt die für die Darstellung der Ergebnisse verwendeten
rechtsdre-henden Koordinatensysteme, die im Hauptspant der Schiffe in Höhe der
Ruhe-wasserlinie angeoidnet sind. Ebenfalls eingetragen sind der Passierabstand und als wesentliche Größe die Bezugslänge für die Wegkoordjnate L'. Sie
entspricht im Zeitmaßstab der halben Passierperiode, die
definitionsgemäß durch die Phasen Heck(1)/Bug(2) und Bug(1)/Heck(2) begrenzt wird (l=Fest-lieger, 2Passierer).
Den in Tabelle 2 wiedergegebenen Beiwertdefinitionen liegen die
Gesetzmäßigkeiten der
Verdrän-gungsströmung zugrunde.
Längs-kraft, Querkraft und Giermoment
sind auf den Lateralpian des
Festliegers bezogen und besitzen eine quadratische Abhängigkeit von der Geschwindigkeit des Pas-sierêrs. Die Beiwerte für Tri
und Absenkung sowie für die
zwi-schen den Schiffen gemessene
Oberflächenverformung und
Strö-mungsgesòhwindigkeit basiten auf
der statiónärez
Bernoul'li-Glei-chung (siehe auch Ç2)).
Die erweiterten Beiwerte be
schreibefl die Proportionalität sämtlicher Neßgrdßen zu
Passie-rertiefgang. Außerdem
kennzeich-nen die Normierimgen für
Quer-kraft und Giermoment ein überpro- Tabelle 2.: Beiwertdefinitionen
portionales Anwachsen dieser Grö- (i = Festlieger, 2 = Passierer)
Ben mit dem Pestliegertiefgang.
Die wesentlichen Merkmale des Passiervorgangs lassen sich aus den
Abbil-dungen 7 und 8 entnehmen, worin die Ergebnisse einer Geschwindigkeitsvaria-tion wiedergegeben sind In Abb 7 sind die Beiwerte für Langskraft, Quer-kraft und Giermoment über dem dimensionslosen Passierweg aufgetragen. Die
dargestellte Formation der Shiffe ist maßstäblich und zeigt den Passierer
in den Grenzphasen des Vorgangs.
Die Charakteristik der Kurven läßt sich aus der Druckverteilung im
Strö-mungsfeld des Passierers erklären, wobei -insbesondere die Sogwirkung des
Unterdruckfeldes bestimmend ist. Der Festlieger wird davon zunächst nach
hinten, dann nach vorne gezogen Dabei ist die Drehwirkung 'des Momentes
stets auf den Passierer gerichtet Auch in der Querkraft kommt im
wesent-lichen eine Sogwirkung zum Ausdruck.
Abb. 6: Koordinatensysteme
Gr5e kz. Beiwert eIterter Bei wert LIiflpSkrûft F1 C5 -C, 'z -I2L.Tç 22 -Querkraft F3 C7 C; /2L1Tv22 Meetissdie N 2.L1.V22 Tri1iikiI
&
: C0 N,senkunB C1 -y C1 . C5 42 Oberflachen- Ab C4J±!!- Strru9s-gmdwindigkeit V1 4V1 4V 4v5 T 2 5 Ortskcordinete (Bngs) y -.hi2
Passierabstend y L 21125R ¡21
v11
- ..0- .,. .. NIL' ¡ YERPNKERTES ccNÏF icRRTCRoEsrN IGflUERTE) I,, sca-iT ..,nJ a Iflan
a-i.e.I
DISC lud kIitS,arjiLlon
...
19 D. Cr;. 190 VERRNICERTES SI4V l8IUERTE) (Il 12fl11040l5T ft.lflt a U LW,5aa.i?,
cu Ut; V13fl2' 19S5 Ds. Cri.Abb. 8 zeigt in entsprechender Auftragung die Beiwerte für Trixmn,
Absen-kung, 0berflächenverforung und Strömungsgeschwjndjgkejt. Die Trimmbewegung
verläuft synchron mit der Längskraft und ist zunächst hecklastig, später
kopflast-ig. Entsprechend Ist die Absenkung mit dein Querkraftverlauf
vér-gleichbar und nimmt die größten Werte an, wenn beide Schiffe in gleicher
Höhe nebeneinanderliegen. Dabei zeigt sich auch die größte Einsenkung der Wasseroberfläche zwischen den Schiffen verbunden mit einer maximalen
rUck-wärtsgerichteten Strömungsgeschwindigkeit.
Eine wesentliche Aussagefl beider Diagramme ist die Tätsache,
daß sich
sämt-liche Variatjonsfälle nahezu
deckungsgleich darstellen. Damit bestätigt sich einerseits die zugrunde gelegte Gesohwindigkeitsabhangig anderer-seits deutet sich darin ein gewisser quasistationrer Charakter der
unter-suchten Vorgänge an: Der zeitliche Ablauf hat praktisch keinen Einfluß
auf
den Verlauf der dargestellten Funktionen.
Der Einfluß einer Tiefgangsveränderung wird durch die erweiterten
Beiwert-definitionen allgemein, gut erfaßt. Die in Abb. 9 dargestellten Varianten mit unterschiedlichem Passierertiefang sind nahezu
deckungsgleich. Auch
bei einer Variation des Festliegertiefgangs (Abb. io) treten in den Beiwer-ten nur geringe Unterschiede auf.
VETES lIFF
TDESSEN
StIHFF
IURI III Ill - III PL ID
VIT WI 17.5.5 11112 - 1111 51.5.1 1l TAS rvr iv Cv4.1 11111 LIT Lili 5141 fIll 742
11.17 1.715 LIlJ S. '.5.1l lIJ 3. LITI I.Il.l I sji I. I.lI 5.157 ISiS III'. l. Sill .Il
11.17 1.715 LIli L .7I 13.11. 1.158 1.111
l.i
¡JIS 1.11.3 1.15? ISiS 121. S. Sill 5.1.cx.
4Ì1_1.
-... 7.. ... IlLS CILS 1. .1.12 ..0 1.87 5.15 CId. Cid..1.58 .1.15 4.15 IN ;.n Y'lI
1.15 ilia III
CILS
581 PIS5lTIt1lf58Il5S VuInti..dr. Fut1i.t4d5i.
: : :
1985
Dr. Cr.. F.stilrger : : : Dr. DrIl.
Abb. 9 Abb. 10
Erwartungsgemäß werden die Meßgrößen auch durch die Schiffsform beeinflußt.
In diesem Zusamineniang ist Abb 11 besonders interessant Hier nehmen
Fest-lieger und Passierer bei sonst gleichen Randbedingungen vertauschte Rollen
ein Die unterschiedliche Formschwerpunktlage beider Schiffe beim
Bulk-carrier vor, beim Containerschiff weit hinter dem Hauptapant - kommt
deut-lich in einer Phasenverschiebung der dargestellten Funktionen zum Ausdruck. Auffällig ist, daß gerade in der Kombination, in der das ausgesprochen
schlanke Containerschiff die Rolle des Passièrers einnimmt, die Beiwerte
besonders höch ausfallen. Dies läßt darauf schließen, daß der Effekt ur-sächlich mit der Form des Festliegers in Zusammenhang steht, der in diesem Fall vergleichsweise breit und völlig war.
Das Längenverhältnis der Schiffe stellt ebenfalls eine zusätzliche Einfluß-größe dar. In Abb. 12 differiert dieser Verhältniswert um 25 %. Dàbei
zei-gen sich in den Kurven nur verhaltnisinaßig geringe Unterschiede Erst wenn
die Läñgendiffêrenz wie in Abb. 13 in der Größenordnung von 50 % liegt,
wedén die
Untèrschiede markanter. Sie kommen allerdings weniger in denSpitzen der Beiwerte, sondern mehr in der Charakteristik der Kurven selbst zum Ausdruck.
Beide Gegenüberstellungen deuten an, daß die größten spezïfischen
Erreger-kräfte dann auftreten, wenn beide Schiffe gleiche Länge besitzen. Diese
Folgerung ïrd gestützt durch die Uberlegung, daß in den nicht
untersuchtenFällen,
in
denen
die Festliegerlänge die Länge des Passierers wesentlich
ubersteigt, die Belastungen ebenfalls eine abklingende Tendenz aufweisen
müssen, weil dann der Festlieger nur teilweise von der Druckwirkung des
192
VER2I6CER7tS FCSftl III xRRFTDESSDd SCHIFF 121 L/T Lia 1W 1F1 :: 742 : VEROCTES III SCHIFFPJ
(il LiT L 274.3 0W 742 1L 1k : : -e.0.
S a a.a lIT HIT l.s 1162 .j3lili
L/T il/I -12.2.3 1142 U cx. cx. I - \.. i. / S r ta -C -,.a la.a r .. .
L:
I.M .t5 ea a ¡ja .I.uI !/
¡ i. e.0EI.n der VerdrB.ei,i..rtaI1w WId d12 F7it115gerfa
D FeitlI.er (1): CoultIIu1ìr$thIffPaeiIr,r L 185.2 L/B 7.55
(2): Buulkcarrler; L 185.7 115 583
FeHllI.ger (1): BulkCerrier; L 185.7 a LID 5.83
C Psïzlirer (2); Caitather-SchIff
L 185,2 1./B 756
1985
Dr. Sra.
'JJ7? VIr1ato. dei Stlfs1Hueiveith
(GleIche Schif(3(onWá)
-PUsIerer (2:Bulkcorriir; L 232.1 a 1.18 5,85
a ConContuner.SusL/q;-schirt; L 231.5. L/D 7.85
L 385.7. L/D 7.56
19
Br. Sra.
Abb. 11 Abb. 12
Aus einem Vergleich der beiden Abbildungen untereinander wird der Wasser-tiefeneinfluj3 erkennbar, der durch das L/h-Verhältnis des Passierers cha-rakterisiert wird. Die relative Wassertiefenverringemung, die in der
umge-kehrten Folge der Bilder zum Ausdruck kommt, bewirkt eine deutliche Zunahme der dargestellten Beiwerte.
Nach Abb. 13 scheint sich das kleine Binnenschjff gegenüber den Großschif-feu im wesentlichen ähnlich zu verhalten. Daß dennoch Unterschiede
beste-hen, geht aus eIner veränderten Darstellung der Ergebnisse hervor.
In Abb. 14 sind die Kraftgrößen nicht auf den Lateraiplan, sondern auf das
Gewicht des Festliegers bezogen und liefern damit einen ersten groben
An-halt für die zu erwartenden Translations- und
Rotationsbeschieunigungen. Quer- und Längskraft sind außerdem in polarer Darstellung als Resultierende
zusammengefaßt.
Aus der stetigen Zunahme des Richtungswinkels r ist zu ersehen, daß die Ge-samtkraft nahezu gleichförmig und dabei gleichsinnig mit der Bewegung des
Passierers rotiert. Charakteristisch sind zwei Kraftspitzen, die
dann
auf-treten, wenn der Passierer mittschiffs auf das Heck und den Bug des
Fest-liegers trifft. Die deutlich höchsten Belastungen treten,
auch in
Verb±n-dung mit der Nornentenwirkung, in der ersten der beiden Phasen auf.
Interes-santerweise wirken die Spitzenkrafte nahezu in Schiffslangsrichtung Bei Passiervorgängen werden demnach die Ldngsverspaiinungen, d.h. Vor-,
VERRP«ERTLS sDii;; JRFTOESSN ii WRA1RTES SCHIFF _B_
'.
3AIiI
.-iL-
(i
.io' J 5..Y.L ,g1L/1_i
287k...;iv
1T1
4,\
h . 7L5 .. Y,, . 35 ; V, - S k T, - 17.88 V, 59755---T, -
9.85 V, - 43947 3899 T,3.
V, J13 Viridi,. hiff1i85g....,rh37t.i..,. .md dv Fc5t11..rf,. P8.iter,rW11IZ' 5r.ft,4ß,. in 6nlatiø. z,,r Schiffg,ue
19E5
(2): 86kc.rri..r; L 185.7 m LID 5.80
FItìi,g.r (3): 5:. Cr.. Pasi.r,r (2): B.i8urr:r; L 185.7. k/B 9.80
Fe0t1ignr 1): . sx..
D C9nt.t.,r-Schiff; L i852 LID 7.56
Otnne.sditff. k 95,08 L/D 8.39 5 - - - Cnfl8Iiner-Schifr; L 185.2 LIB 7.55
05.08 L/B 6.39
DumenjcS,ff; I.
Abb. 13 Abb. 14
Aus dem Vergleich der nominellen Beschleunigungswerte kommt man zu der
Feststellung, daß das Binnensähiff - relativ gesehen - wesentlich größeren
Nasseneffekten ausgesetzt ist als das doppelt so lange Containerschiff
Dies erklärt sich daraus, daß sich die Erregerkräfte tendenzmäí3ig an den
Projektionsflächen der Schiffe orientieren, so daß das Kraft-Nassén-Ver-hältnis mit abnehmender Körpergröße wächst..
Zusammenfassend Ist festzustellen, daß die. größten spezifischen Erreger-kräfte dann auftreten, wenn beide Schiffe längengleich und tief abgeladen
sind. Die Effekte verstärken sich, wenn SchiffsIäge und -tiefgang im
Ver-gleich zur Wassertiefe groß sind. Die Belastungen nehmen ebenfalls mit der
Breite und. der Völligkeit des Festliegers zu. Dagegen scheint die Form des
Passierers von untergeordneter Bedeutung zu sein. Tendenzmäßig verhalten sich die Belastungen umgekehrt proportional zum Passierabstand.
Der Verlauf der Funktionen über der Passierperiode wird maßgebliôh von der Verdrängungsverteilung und dem Schiffslängenverhältnis bestimmt, womit
ei-ner weitergehenden Vereinheitlichung der normierten Darstellungen vermut-lich Grenzen gesetzt sind.
Schiffe, die in Relation zum Passierer klein sind, führen größere
Bewegun-gen aus und unterliegen höheren Beschleunigungen., so daß bei derartigen
r
19 4
4, Symbolverzfichnis
BSchiffsbreite
= V/L3Volunienkoeffizient
VFroudesche Tiefenzahl
Vg. h gGravitationskonstante
h
Wassertiefe
L
Schiffslänge zwischen den Loten
T
Schiffstiefgang
y
Geschwindigkeit
Verdrängung
A
geometrische Mal3stabszahl; indiziert = Mal3stabszahl
abgeleiteter physikalischer
Größen
T
Dichte
Kennzeichnung für Modeliwerte
5. Literatur
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Jahresbericht S'rG-Pachausachuß 'Eafen uñd Schiff
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