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Academic year: 2021

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„Ich bin nicht von hier und doch kein Fremder – autobiographi-sches Schreiben über die Herkunft aus einem fremden Land“. 6. Polnisch-deutsch-nordisches Symposium, Szczecin und Po-bierowo 25.-28.4.2013

Schon zum 6. Mal seit dem Jahr 2000 fand Ende April 2013 das vom Institut für Germanistik der Universität Szczecin, der Academica Baltica Lübeck und dem Germanistischen Institut der Technisch-Naturwissenschaftlichen Universität Trond-heim, Norwegen, organisierte polnisch-deutsch-nordische Symposium statt, das neben Teilnehmern aus Polen, Deutsch-land und Norwegen auch solche aus Tschechien und Österreich versammelte. Nach einer feierlichen Eröffnung im Se-natssaal der Universität Szczecin fuhren die Teilnehmer per Bus nach Pobierowo, wo das Ferienhaus der Universität Szcze-cin einmal mehr den idealen Tagungsort bot.

BERND NEUMANN (Trondheim), Mitver-anstalter des Symposiums seit dessen Anfängen, eröffnete die Reihe der Vor-träge mit einem Referat zu Robert Schin-dels Roman Gebürtig, dem Schicksal eines Holocaust-Überlebenden gewid-met, in dem er die provokante Schreib-weise des österreichischen Autors als Gegenstrategie zu einer Betroffenheit bzw. ‚political correctness‘ im Umgang mit diesen Erfahrungen herausstellte. HANNELORE SCHOLZ-LÜBBERING (Ber-lin), die persönlich nicht teilnehmen

konnte (ihr Referat wurde verlesen) ver-glich in ihrem Beitrag zu „Identitätskon-strukten in der doppelten Fremde“ litera-risch festgehaltene Erfahrungen deutsch-sprachiger Autoren türkisch-kurdischer mit solchen russischer Herkunft, um die-ses Phänomen zwischen den Polen von Inter- und Transkulturalität festzuma-chen. GESA SINGER (Göttingen) ging auf „Griechisches in der zeitgenössischen interkulturellen Literatur“ ein, um vom Standpunkt einer interkulturellen Ger-manistik vor allem Probleme des Codes mit einer Bandbreite vom sprachlichen Mischmasch bis zur vollständigen Assi-milation an eine neue deutsche „Mutter-sprache“ zu untersuchen. ALEKSANDRA BURDZIEJ (Toruń) untersuchte „Autobio-graphisches Schreiben als Weg zur Selbstfindung“ anhand von Petra Reskis Roman Ein Land so weit; dabei kamen Ansätze der Gedächtnistheorie sowie der Vorstelllung von Arkadien zur Modellie-rung der wiedergefundenen Welt der Großeltern zum Einsatz.

Einen besonderen Platz nahm der Vor-trag von KLAUS HAMMER (Berlin) ein, der dem Werk des pommerschen Malers Otto Niemeyer-Holstein gewidmet war. Dieses Mal standen nicht literarische

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Texte, sondern Bilder, die mit viel Ein-fühlungsvermögen interpretiert wurden, im Zentrum der wissenschaftlichen Ana-lyse. ALENA MRÁZKOVA (Prag) versuchte anhand von Ilma Rakusas Text Mehr Meer Ansätze einer „transarealen Litera-turwissenschaft“ aufzuzeigen, die, von einer ständigen Bewegung der Ich-Erzählerin ausgehend, Migrationsliteratur als konsequente Enträumlichung ver-steht. ELIZA SZYMAŃSKA (Gdańsk) unter-suchte die Autobiographie des emigrier-ten polnischen Theatermachers Henryk Baranowski, um sowohl anhand dieses Buches wie auch des vom Autor prakti-zierten „Transformtheaters“ den Begriff der ‚Transkulturalität‘ plausibel zu ma-chen. CHRISTIAN TREPTE (Leipzig), einer der wenigen Nicht-Germanisten auf die-ser Tagung, ging dem Zusammenhang von Autobiographie und Europakonzep-ten in TexEuropakonzep-ten von Autorinnen polnisch-jüdischer Abstammung, die Englisch schreiben (Eva Hoffman, Anne Apple-baum), sowie der schweizerisch-slowa-kischen Autorin Irena Brežna, nach. Neue Akzente setzte auch JOSEF A US-SERMAIR (Salzburg), in dem er die religi-öse Thematik des deutsch-estnischen Au-tors Edzard Schaper als eine Art Heimat für jemanden aufzeigt, der seine territori-ale Heimat verloren hat. Dabei kamen auch theologische Interpretationsansätze ins Spiel, die die Diskussion bereicher-ten. DOMINIKA GORTYCH (Poznań) rückte mit ihren Ausführungen das tragische Schicksal der Roma-Autorin Aglaja Ve-terany ins Blickfeld, die erst in der Schweiz zu einer Sprache kam, in der sie auch ihre Bücher schrieb. Im Deutschen fand die Autorin jenes Mittel, das ihr erst den distanzierten Umgang mit traumati-schen Erfahrungen ermöglichte. KRZYSZ -TOF OKOŃSKI (Bydgoszcz) widmete sein Referat dem Liedermacher Stephan

Krawczyk, der 1988 aus der DDR ausge-bürgert wurde. Er ging vor allem auf die Rezeption von dessen Liedern in der BRD ein und zeigte Mechanismen einer westlichen Kulturvermarktung auf. B RI-GITTA HELBIG-MISCHEWSKI, Polonistin und Autorin aus Szczecin, zeigte am Bei-spiel des Romans In Zeiten des abneh-menden Lichts von Eugen Ruge, wie sehr sich unbewältigte DDR-Geschichte in die Zeit nach der Vereinigung hineinzieht und wie wichtig auch Literatur sein kann, um eine „Trauerarbeit“ nach dem Verlust des Alten zu bewältigen. NATALIA SHCHYLEVSKA (Mainz/Greifswald) kon-zentrierte sich auf biographisches Schreiben von Autoren, die aus Russland stammen (Vladimir Vertlib, Julia Rabi-nowitsch, Natascha Vodin, Marjana Ga-ponenko u. a.) und einen Sprachwechsel vollzogen haben, bevor sie zu deutsch-sprachigen Autoren wurden. Anhand ausgewählter Texte entwarf sie ein Mo-dell einer interkulturellen Literatur. ELŻBIETA NOWIKIEWICZ (Bydgoszcz) bemühte soziologische Konzepte, um die preußische Provinz Posen als einen transnationalen Raum darzustellen. Sie stellte eine große Zahl von heute zumeist vergessenen Autoren vor, von denen je-der für sich mit seinen biographischen Wanderungen diese Raumtheorie veran-schaulichte. ANDRZEJ TALARCZYK (Szcze-cin), der ‚Spiritus Movens‘ der ganzen Tagung, umriss in seinem Referat die Neumark als ein großes, bislang noch nicht erschlossenes Gebiet germanisti-scher Forschung. Die Erschließung des Werks von Otto Franz Gensichen stellt einen ersten Anfang dazu dar.

Der Verfasser dieser Zeilen durfte mit seinen Ausführungen zum Zusammen-hang von Reise und Autobiographie zur Lesung von Roswitha Schieb einführen, die einen beeindruckenden Abschluss der

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Tagung darstellte. Frau Schieb las aus einem ihrer ersten Bücher, der Reise nach Schlesien und Galizien. Eine Ar-chäologie des Gefühls, das eindrucksvol-le Bilder von einer Entdeckungsreise in das Land der Eltern mit solchen aus dem heute ukrainischen Lemberg verbindet. Die Tagung wurde von allen Teilneh-mern als sehr interessant und anregend empfunden, wofür auch die lebhaften Diskussionen nach allen Referaten spra-chen. Sie hatte sowohl einen deutlichen

theoretisch-methodologischen Schwer-punkt, der vor allem in den immer wieder angesprochenen Raumtheorien zum Aus-druck kam, sie brachte daneben aber auch eine Fülle bekannten und weniger bekannten Materials in die Diskussion ein, was zweifellos zu einer Bereiche-rung der je eigenen Position der Referen-ten führte. Den Organisatoren sei für alle ihre Bemühungen um dieses so gelunge-ne Symposium gedankt!

Alois Woldan, Wien

„Die andere Seite mit ihren eigenen Augen sehen? Deutschland- und Polenbilder in der deutschen und polnischen Literatur nach 1989“. Wrocław, 3.-5.10.2013

Im Rahmen der von Monika Wolting (Wroclaw) und Carsten Gansel (Gießen) verantworteten wissenschaftlichen Tagung am Institut für Germanische Philologie der Universität Wrocław kamen Akade-miker zusammen, um sich im Herzen der Stadt im festlichen Edith-Stein-Haus mit den Bildern des jeweils anderen in deut-scher und polnideut-scher Literatur und den damit einhergehenden Grenzerfahrungen zwischen Ost und West auseinanderzu-setzen. Als Denkanstoß stand die Tagung unter dem Motto „Die andere Seite mit ihren eigenen Augen sehen“?, einer Aus-sage von Uwe Johnson, mit der er ur-sprünglich auf das Verhältnis der beiden deutschen Staaten angespielt hatte. Aber durchaus vergleichbar mit dieser Überle-gung ging es auf der TaÜberle-gung darum, über die Grenzen hinweg einen Perspektiven-wechsel zu erproben. Die Tagung folgte einem modernisierungstheoretischen An-satz, wonach in einer globalisierten Welt zunehmend Prozesse der Hybridisierung stattfinden und Vermischungen von loka-len und globaloka-len Räumen und Identitäten entstehen, die stets ein gewisses Maß an Empathie fordern, um verstanden und reflektiert zu werden.

Gerade die deutsch-polnischen Bezie-hungen waren über Jahrhunderte hinweg geprägt von beiderseitigen Klischees, Stereotypen und Vorurteilen, die ein Ver-stehen des Gegenübers erschwerten und nur schwer durchbrochen werden konn-ten. Dennoch oder gerade deshalb gab es über die Jahre hinweg literarische Stim-men, die sich um einen offenen Dialog zwischen Polen und Deutschland bemüh-ten. Ein nachhaltiger Wandel trat aber in Form politischer Entwicklungen erst in den 80er Jahren und vor allem nach 1989 ein. Seitdem sind beide Länder Zeugen beiderseitigen Bemühens einer Annähe-rung geworden. In Verbindung damit steht die Forderung nach Offenheit ge-genüber dem Anderen und seiner Werte und Kultur ebenso wie auch die Einsicht, dass es um Respekt vor dem kulturellen und historischen Erbe geht. Nur so kann ein interkultureller Dialog zustande kom-men, der unterschiedliche Auffassungen toleriert.

Nach der offiziellen Eröffnung der Ta-gung und der Begrüßung aller internatio-nalen Teilnehmer durch Monika Wolting (Wrocław) und Carsten Gansel (Gießen) übernahm Florentine Strzelczyk

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(Calga-ry) die Moderation für die erste Sektion mit drei Vorträgen. WERNER NELL (Hal-le) nahm in seinem Vortrag „Der Schnei-der Strapinski und Schnei-der Stürmer Lewan-dowski. Über Selfmade-Konzeptionen in Deutschland und Polen und die Diagno-sekraft einer kleinen Novelle aus dem 19. Jahrhundert“ nationale Hetero- und Au-to-Stereotype in beiden Literaturen in den Blick und zeigte auf, wie in öffentli-chen Diskursen kollektive Selbst- und Fremdbilder mithilfe langlebiger Traditi-onen erhalten bleiben, als kulturspezifi-sche Schemata und kollektive Codes, die neben Vorstellungen, Ideen und Denk-mustern stark von Literatur und Medien beeinflusst werden. Im Anschluss daran präsentierte LOTHAR BLUM (Koblenz/ Landau) in seinem Vortrag mit dem Titel „Der Polnische Großvater. Zur Ästhetik des Vorbehalts in Monika Marons Pa-wels Briefe“ narrativ konstruierte Bilder und Mechanismen des Erinnerns und Vergessens, indem er der Frage nach-ging, was ‚Kritisches Erinnern‘ impli-ziert und welche sinnstiftende Rolle die Figur des Großvaters in einer Familien-geschichte bei Monika Maron einnimmt. Fortgesetzt wurde der erste Konferenztag mit der Sektion unter der Leitung von Carsten Gansel mit Vortragenden aus Kanada und Deutschland. CHERYL D U-ECK (Calgary) präsentierte ihren Beitrag „Der Schnee von gestern: Interkulturelles Gedächtnis in der deutsch-polnischen Koproduktion Wintertochter“ den Kino-film Wintertochter, der sich mit einer deutschen Protagonistin auseinander-setzt, die über Grenzen hinwegschreitet und eine Reise von Deutschland nach Polen unternimmt. Mit Sich-Bewegen-den-Akteuren befasste sich auch A NDRE-AS ENGLHART (München), wohlgemerkt nicht innerhalb des cineastischen Raums, sondern im Hinblick auf René Polleschs

Theater und die Inszenierung Jackson Pollesch am TR Warschau, dem viel dis-kutierten Text und seiner Rezeption in Polen, die anders als in Deutschland auf gemischte Kritiken stieß. Der abschlie-ßende Beitrag von PETER BRAUN (Jena) „Die Welt hinter Breslau“. Über Wolf-gang Büschers Reisereportagen zu Fuß“ führte die Hörer auf eine Reise mit dem renommierten Reporter, der im Vorfeld der Fußball-Europameisterschaft von Wrocław nach Lemberg nicht nur als Beobachter wanderte, sondern durch sei-ne polnischen Wurzeln eisei-nen speziellen Blick auf Polen vermittelte, respektive eines ‚Insiders‘, dies zumindest bewusst instrumentalisiert, im Sinne eines Mar-kenzeichens des wissenden Fußgängers im Osten, der durch seine hybride Identi-tät Wahrnehmungen subjektiv gelten lässt und sie aus dem Augenblick heraus wagt. Am 4. Oktober markierte CARSTEN G AN-SEL (Gießen) zur Eröffnung in seinem Beitrag eine im weiteren Verlauf mehr-fach diskutierte These, die bisherigen Lesarten des Fremdverstehens wieder-sprach. „Die andere Seite mit den eige-nen Augen sehen“? oder Warum Versu-che der Einfühlung misslingen (müssen)“ hatte Gansel seinen Vortrag überschrie-ben. Ausgehend von aktuellen Texten von Christa Wolf, Tanja Dückers, Hans-Ulrich Treichel, Olaf Müller oder Jenny Erpenbeck machte Gansel auf die Bedeu-tung von Erfahrungen für die Konfigura-tion von literarischen Texten aufmerk-sam. Er zeigte, in welcher Weise die je-weiligen Primär- und Sekundärerfahrun-gen das Bild des Anderen – in diesem Fall von Polen – bestimmen können. In bewusster Absetzung von etablierten Auf-fassungen begründete er, dass es ausge-sprochen schwierig ist, sich in Andere in dem Fall einzufühlen, wenn man nicht über die gleichen Primärerfahrungen

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ver-fügt. Diese bedenkenswerten Positionen wurden weitergeführt durch einen Bei-trag von FLORENTINE STRZELCZYK (Cal-gary), die zeigte, inwiefern das Über-schreiten von Grenzen immer auch von Limits geprägt ist. Inhaltlich orientierte sich der Vortrag mit dem Titel „Einrich-tungen des Erinnerns: Deutsch-Polnische Begegnungsräume und Robert Thalheims Filmdebüt Am Ende kommen Touristen (2007)“ an Prozessen des Erinnerns in-nerhalb der filmischen und narrativen Konstruktionsmöglichkeiten im Filmde-büt von Robert Thalheim und deutsch-polnischen Begegnungsräumen der Ge-genwart, die generationsübergreifend historische Traumata verarbeiten müssen und an Orten der Erinnerung ihre eigene Identität neu formulieren. MICHAEL HAASE (Budapest) machte den Versuch in „Kan nit verstan“ – Zum Polen-Bild in Uwe Timms Eine Wendegeschichte, die Aussagen der Kalendergeschichte von Hebel an dem Verlauf der Verständi-gungsprozesse zwischen den polnischen und deutschen Protagonisten in Timms Text zu überprüfen. Unter der Moderati-on vModerati-on Andreas Engelhart (München) präsentierte KATARZYNA ŚLIWIŃSKA (Poznań) ihren Vortrag mit dem Titel „(Nationale) Identität als performativer Akt. Szczepan Twardochs Roman Morfi-na“, bei dem sie den Antihelden Kon-stanty Willemann als bewusst zwischen verschiedenen nationalen Identitäten, Narrativen und vor allem Autonarrativen selbstkonstruierte Persönlichkeit analy-sierte, die sich in einer Geschichte über zwei Länder – Deutschland und Polen – eine fließende Identität insofern er-schafft, als diese zwischen der deutschen und polnischen Abstammung hin- und hergerissen wird. RICHARD SLIPP (Calga-ry) hat in seinem Vortrag zu Christoph Hein „Asien. Alles wird Asien. Zur

er-zählerischen Subversion deutscher Po-lenbilder in zwei Romanen Christoph Heins“ die Erzählstrategien aufgezeigt, mit welchen der Autor deutsche Polen-bilder dekonstruiert und Stereotype hin-terfragt. Hein untergräbt durch narrative Unzuverlässigkeit die xenophobe Hal-tung seiner Figuren und suggeriert, dass nicht etwa ethnische oder kulturelle Dif-ferenzen, sondern wirtschaftliche und soziale Faktoren bei der Eigen- und Fremdwahrnehmung eine wichtige Rolle spielen. In ihrem Vortrag „Zum Begriff des guten und „besseren“ Deutschen bei Andrzej Ziemilski und Andrzej Stasiuk“ befasste sich HALINA LUDOROWSKA (Lublin) mit den autobiografischen Skiz-zen und Reiseberichten beider Autoren und ihren Bildern „des Deutschen“. Die Referentin legte den Schwerpunkt auf die in den Texten enthaltenen identitätsstif-tenden Faktoren für Deutsche und Polen und die bewusste Konstruktion der Figur des Anderen zur Festigung des Eigenen sowie des Faktors Zeit unter Zuhilfe-nahme historisch bedingter Topoi zu ei-ner Abgrenzung zwischen dem Fremden und dem Selbst. Abgeschlossen wurde die Sektion mit einem Beitrag MATTHIAS BRAUNs (Berlin) zum Thema „Der Polni-sche Papst im Spiegel der geheimen Be-richte der Stasi an die SED-Parteifüh-rung“. Diese sachlich abgefassten Infor-mationen und Analysen zum polnischen Papst gaben einen tiefen Einblick in die sich unter Johannes Paul II. abzeichnen-de Realpolitik abzeichnen-des Vatikans gegenüber den Entwicklungen in Polen und der da-mit verbundenen Stellung der katholi-schen Kirche in der polnikatholi-schen Gesell-schaft der 1980er Jahre und der vatikani-schen Ostpolitik insgesamt.

Unter der Leitung von Ewa Pytel Bartnik (Poznań) trugen SABINE EGGER (Lime-rick) mit „Bilder des „europäischen

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Os-tens“ in der neueren deutschen Ly-rik“ und ALEKSANDRA BURDZIEJ (Toruń) mit „Die „ferne Stadt am Meer“: zwi-schen polnischer und deutscher Perspek-tive. Zum Roman von Sabrina Janesch Ambra (2012)“ vor. Egger zeigte anhand zahlreicher Beispiele, wie in zeitgenössi-schen Werken der Osten als Ort der Ima-gination entworfen wird und welche As-soziationen damit verbunden sind. Bei Burdziejs Diskurs wurde die These auf-gestellt, dass die „Enkelliteratur“, der Janesch zugeordnet wird, keine Gewis-sensfragen mehr stellen müsste, sondern Gedächtnisfragen nachgehe, wie die Vergangenheit aufzuarbeiten sei. MACIEJ WALKOWIAK (Poznań) fragte in seinem Beitrag „Zu ausgewählten Bildern der deutschen und polnischen Kultur in Ste-fan Chwins Roman Hanemann“, ob und inwiefern Gdańsk in der Darstellung von Chwin als historisch-kultureller Palimp-sest zu untersuchen ist. ANDRZEJ K OPA-CKI (Warszawa) analysierte in seinem Vortrag „Das Oderbruch, als Topos. Zu metaphorischen Konstruktionen in Judith Hermanns Erzählung Diesseits der Oder“, wie die Autorin das Zeitliche räumlich darstellt, dabei narrativ den zentralen Topos „Oderbruch“ verwendet und ein „Diesseits“ zeichnet, das sich jenseits der deutsch-polnischen geografischen Grenz-ziehung befindet. Bevor Olga Tokarczuk im Rahmen ihrer Lesung das Publikum beeindruckte, zeichnete MONIKA W OL-TING (Wrocław) in ihrem Beitrag „eine Erzählung über einen Ort“. Zum Raum-paradigma in Taghaus, Nachthaus“ die narrative Arbeit von Tokarczuk nach. Wolting sagt, wenn sich die These von der „ewigen Wiederkehr des Glei-chen“ für den Roman Taghaus, Nacht-haus halten ließe, dann entwerfe To-karczuk ein lebensbejahendes Bild der Region um Nowa Ruda. Das

facettenrei-che kulturelle Gedächtnis, das Tokarczuk aus der Polyfonie individueller Gedächt-nisse zusammensetzt, basiert auf dem Bedürfnis, einen Raum zu bestimmen, der den Figuren eine Unsterblichkeit si-chert, einen Raum, in dem das Vergan-gene, das Gegenwärtige und das Zukünf-tige gleichzeitig vorhanden sind, wirken und agieren. Das Programm an diesem Tag wurde von einer Literatur-Lesung abgerundet. Olga Tokarczuk las aus ihren zwei Romanen Taghaus, Nachthaus (1998) und Unrast (2008). Das anschlie-ßende Gespräch wurde von Stephan Wolting (Poznań) moderiert, das einmal mehr die Spezifik der literarischen Arbeit von Tokarczuk zur Diskussion stellte. Am Samstag widmeten sich beide Sekti-onen vor allem den konstruierten Bildern der Deutschen und der Polen in literari-schen Texten. Den Ausgangspunkt liefer-te der Beitrag „Polen für Deutsche Popu-läre Landeskunde bei Steffen Möller, Brittige Jäger-Dabek und Thomas Ur-ban“ von PETER KIMCZAK (Cottbus), in dem textstrukturell und mathematisch belegt gezeigt wurde, wie bei Möller Ste-reotype über „die Polen“ konstruiert, scheinbar negiert und dann wieder rekon-struiert werden. Obwohl die Mehrheit der Vortragenden deutsche Polenbilder in Texten untersuchten, versuchte HANS -CHRISTIAN TREPTE (Leipzig) die Umkehr mit seinem Vortrag „DDR und „Ossis“ aus polnischer Sicht. Brygida Helbig Mischewski Enerdowcy i inne ludzie und Henryk Sekulski Przebitka“, in dem die humoristischen Beschreibungen der ehemaligen DDR-Bürger in den Be-schreibungen der erwähnten Titel nicht zu kurz kamen und wie Grenzen nicht nur zwischen Deutschland und Polen ge-zogen wurden, sondern auch genaue Dif-ferenzen und Wahrnehmungsunterschie-de als narrative Konstruktionen im Werk

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von Helbig Mischewski und Sekulski zwischen BRD- und DDR-Identitäten. Der Beitrag von MIROSŁAWA ZIELIŃSKA (Wrocław), „Zwischen Identitätskon-strukt und Kulturen: Deutschland- und Polenbilder in den individuellen und kol-lektiven Selbsterzählungen der Polen. Fallbeispiele: Andrzej Szczypiorski (1986), Piotr Kruszczyński (2008) und Wojciech Smarzowski (2011)“ behandel-te den Umgang mit besbehandel-tehenden Deutsch-land- und Polenbildern in den letzten zwei Jahrzehnten anhand der drei im Ti-tel benannten Fallbeispiele aus den Jah-ren 1986, 2008 und 2011 in Literatur, Theater und Film. Im Anschluss daran präsentierte KAROLINA PRYKOWSKA-MI -CHALAK (Lódź) „Deutschlandbilder in der neuesten polnischen Dramaturgie (Małgorzata Sikorska-Miszczuk)“ unter Beachtung der wichtigen Zäsur 1989 für den polnischen Theaterkontext und des Dramatikerbooms 2003, mit dem eine neue Generation polnischer Dramatiker die Theaterlandschaft formte, die Prob-leme politischen Umbruchs im Hinblick auf die Aufnahme deutsch-polnischer Themen in die Dramenwerke. Jenseits der Grenzen bewegen sich auch die Figu-ren in dem von AGATA JOANNA LA -GIEWKA (Barcelona) präsentierten Vor-trag „Artur Becker – polnischer Autor deutscher Sprache – literarische Grenzer-fahrung zwischen Ost und West“, bei dem die inneren wie auch räumlichen Reisen der Protagonisten aus Artur Be-ckers Romanen Die Zeit der Stinte und Wodka und Messer. Lied vom Ertrinken als Überquerungen analysiert und die damit zusammenhängenden Aspekte des Erinnerns und dessen Auslösefaktoren als narrative Strukturen untersucht wur-den. ARTUR PEŁKA (Łódź) stellte „nach Warschau besser nicht“ – polnische Mo-tive in jungen deutschen Theatertexten“

vor, um aufzuzeigen, wie sich Polenbil-der veränPolenbil-dert haben, weg von einer Schwarz-Weiß-Malerei, hin zu einer pro-duktiven Objektivität im Sinne universel-ler Spiegel, in denen sich sowohl die Be-obachter als auch die Beobachteten bese-hen können. PAULA WOJCIK (Jena) beendete mit ihrem abschließenden Vor-trag „Freund, Feind, Fremder? Deutsche, Juden und Polen in der deutschsprachi-gen Gedeutschsprachi-genwartsliteratur aus Polen“ die Beiträge der Konferenzteilnehmer und konzentrierte sich auf die Frage, wie Identitätsbildung und Identitätsdiskurse über die Grenze bloßer Abbildungen der Anderen hinausgewachsen sind und als Metadiskurse zu verstehen seien. In ausführlichen Diskussionen wurden die aufgeworfenen Fragen im Hinblick auf einen nachhaltigen Wandel in den deutsch-polnischen Beziehungen zurück-geführt. Ein spannendes Ergebnis der Tagung liegt in dem Ansatz, dass in den letzten 20 Jahren die Bereitschaft zuge-nommen hat, einen Perspektivenwechsel zu realisieren und „die andere Seite mit ihren eigenen Augen“ zu betrachten. Beim Blick auf aktuelle Entwicklungen zeigte sich bei der Tagung einmal mehr, was Carsten Gansel bei der Abschluss-diskussion betonte, dass literarische Tex-te eben nicht nur tradierTex-te Bilder des Ei-genen wie Fremden archivieren, mithin Ausdruck der jeweiligen Erinnerungs-gemeinschaften und Erinnerungskulturen sind, sondern auch ein spezifisches Pro-vokations- bzw. Störungspotenzial ent-falten, indem sie Bilder des Anderen lie-fern, die jenseits der Political Correctness stehen können. Die Beiträge der Tagung werden bei Vandenhoeck & Ruprecht in der Reihe Deutschsprachige Gegen-wartsliteratur und Medien erscheinen.

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„Vom kritischen Intellektuellen zum Medienpromi? Zur Rolle der Intellektuellen in Literatur und Gesellschaft vor und nach 1989“. 6. Hans Werner Richter-Literaturtage. Bansin, 14.-16.11.2013

Bereits in den 1930er Jahren proklamier-te Julien Benda in seiner kultursoziologi-schen Diagnose Der Verrat der Intellek-tuellen den gesellschaftlichen Sondersta-tus des kritischen Intellektuellen in der bürgerlichen Kultur und sein zwiespälti-ges Verhältnis zu einem Humanismus, der zwischen einer „Sensibilität für die abs-trakte Qualität des Menschlichen“ und einer „patriotischen Leier“ bürgerlicher Ideologien changiert (BENDA 1988:136). Unter ihnen zählen die Schriftsteller zu denjenigen Akteuren, von denen immer am meisten erhofft, jedoch am wenigsten eingefordert werden konnte. Die literari-sche Umgestaltung der gesellschaftlichen Um- und Mitwelt im Hinblick auf die Möglichkeit eines Zusammenlebens in prekären politischen Situationen wurde zwar nicht immer konsequent, aber auf vielfältige Art und Weise reflektiert und durch utopische oder autobiographische Selbst- und Gegenentwürfe wechselseitig auf ihre Alternativen hin überprüft. Das literarische Feld der DDR bot hierfür das historische Experimentierfeld einer deut-schen Intellektuellengeschichte, die bei den diesjährigen 6. Hans Werner Richter-Literaturtagen eröffnet wurde. Das Insti-tut für Germanistik der Justus-Liebig-Universität Gießen/Arbeitsbereich Neue-re deutsche Literatur unter der Leitung von Prof. Dr. Carsten Gansel, der Eigen-betrieb Kaiserbäder Insel Usedom unter der Leitung und Mitgestaltung von Dr. Karin Lehmann sowie die Mecklenburgi-sche Literaturgesellschaft und das Inter-nationale Christa-Wolf-Zentrum für Deut-sche und PolniDeut-sche Gegenwartsliteratur und -kultur haben die Rahmenbedingun-gen für den wechselseitiRahmenbedingun-gen Austausch

zum o. g. Themenschwerpunkt realisiert, der zugleich die historische Zäsur 1989 als Kulminations- und Wendepunkt des Selbstverständnisses des kritischen Intel-lektuellen anvisierte. Denn schon längst bestehe die Tendenz, in den Medienintel-lektuellen nichts anderes als „getarnte Anti-Camus“ (Stefan Möbius) zu sehen. So verwies JOANNA JABŁKOWSKA (Łódź) mit ihrem einführenden Vortrag „Flucht vor dem Engagement oder Widerstands-arbeit? Das Konzept der Tragödie in Heiner Müllers Schaffen“ auf die kom-plexe Literarisierung gesellschaftlich-politischen Materials, die Heiner Müller vor allem mit seinen Dramen sowohl kri-tisch als auch zurückhaltend-engagiert immer wieder in die Evidenzerfahrungen alltäglichen Lebens zurückprojiziert hat. Das Abarbeiten am literarischen Material selbst erschien dabei stets als eine Form der Widerstandsarbeit am gesellschaft-lich Gegebenen. CARSTEN GANSEL (Gie-ßen) erschloss hingegen mit seinem Bei-trag „Ihr seid zurückgeblieben, weit zu-rückgeblieben – Intellektuelle und die DDR in den 1950er Jahren“ unter der Berücksichtigung noch nicht bekannten Archivmaterials jenen historischen Raum, der die Rolle des Intellektuellen und Schriftstellers vor der Gründung der DDR präformiert hat. Der Verlust der Autonomie des literarischen Feldes trug bereits hier jene ersten Züge einer rest-riktiven Kulturpolitik, die die literarische Intelligenzija bis 1989 prägen sollte. WERNER NELL (Halle) wagte den Sprung in die Geschichte der verdrängten Intel-lektuellen der Soziologie und porträtierte Albert Salomons autobiographischen und wissenschaftlichen Lebensweg in seinem

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Vortrag „Sozialplanung und Moralistik. Albert Salomons Studien zur alteuropäi-schen Literatur als Standortbestimmung für die Beobachtung der Gegenwart nach 1945“. Im Anschluss zog MONIKA W OL-TING (Wrocław) in ihrem Vortrag „Der arge Weg der Erkenntnis – Ostdeutsche Intellektuelle und der Verlust der Utopie“ ein erstes Resümee. Wolting zeichnete jene Deklaration der Wissenschaftler der HU Berlin nach, die als ‚Dritter Weg‘ bezeichnet wurde und in Form einer friedlichen Revolution die Überleitung zu einer demokratischen Erneuerung der DDR führen sollte. Ihre Bestandsauf-nahme zeigte jedoch, dass der historische Wendepunkt 1989 weit weniger Bezüge zum Dritten Weg herstellte als ange-nommen wurde und daher im kulturellen Gedächtnis der Deutschen auch keinerlei Verankerung fand. PETER BRAUN (Jena) stellte „Christa Wolf als Intellektuelle im Spiegel ihres essayistischen Werks“ vor. Dabei setzte er wesentliche Akzente, die ihr essayistisches Werk in den Kontext wissenspoetologischer Konzepte wie der Atom- und Elementarteilchenphysik stel-len, um den „blinden Fleck“ der eigenen Selbstreflexion im Wandel historischer Prozesse literarisch einzuholen oder zu-mindest die Leerstellen dieses Erkennt-nisprozesses zu markieren. JOSÉ FERNÁN -DEZ-PERÉZ (Gießen) sprach zu „Die Wahrheit über diese Zeit und unser Le-ben müsse wohl doch die Literatur brin-gen. Christa Wolfs Intellektuellenver-ständnis in Ein Tag im Jahr“ (1960-2011). Ihren poetologischen Ansatz aus „Lesen und Schreiben“ übertrug er auf ihre Autobiographie Ein Tag im Jahr und stellte daraufhin einen Zusammenhang zwischen ihrem Weg als Intellektuelle und als Schriftstellerin im Hinblick auf die Bitterfelder Beschlüsse und die Bier-mann-Ausbürgerung her. Obwohl Christa

Wolf in den 80er Jahren zunehmend eine resignierende Haltung an den Tag legte, übernahm sie nach wie vor Verantwor-tung für andere DDR-Bürger und politi-sche Entwicklungen. Der DDR-Intellek-tuelle Stephan Hermlin wurde von MATTHIAS BRAUN (BStU Berlin) als „spätbürgerlicher Schriftsteller“ im Span-nungsfeld der kommunistischen Ideolo-gie behandelt. Braun gab einmalige Ein-blicke in authentisches Archiv-Material, das die damaligen Interviews zwischen Honecker und Hermlin dokumentiert und damit die Sonderrolle Hermlins innerhalb des literarischen Feldes der DDR und seiner persönlichen Beziehung zu den politischen Machthabern und dem Staats-apparat exemplarisch vor Augen führt. Gleich zwei Vorträge widmeten sich an-schließend dem intellektuellen Selbstver-ständnis Volker Brauns. MANUEL M AL-DONADO ALEMÁN (Sevilla) bot Einblicke in Volker Brauns Inspirationsquellen des eigenen literarischen Schaffens. In sei-nem Vortrag „Volker Braun: Die Para-doxie des kritischen Intellektuellen in der DDR“ untersuchte er nicht nur den sozi-alen Ort des kritischen Schriftsteller-Intellektuellen in der DDR sowie die Ambivalenz seines Engagements, son-dern verwies zugleich auf den wichtigen Umstand, dass Volker Braun sich seine unabhängige und freie Subjektivität aus seinen Lektüren Arthur Rimbauds kon-struierte und in seine Texte wie in seine Selbstkonstitution als Schriftsteller und Intellektueller einfließen ließ. Auch HAN -NAH SCHEPERS (Bonn) versuchte neue Zugänge zu dem Phänomen Volker Braun zu gewinnen. In ihrem Vortrag „Kontinuität im Denken trotz Wandel in der Politik – Gesellschaftlicher Mitspra-cheanspruch über alle Systemgrenzen hinweg am Beispiel Volker Brauns“ zeigte sie, wie sich die Beharrlichkeit

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Volker Brauns dem Entweder-Oder des politischen Monopolys entzieht und dem eigenen thematischen Grundakkord stets die Treue hält. Die Entgegensetzung von universell-menschlichen Grundkategorien sollte der politischen Evaluierung neuer gesellschaftlicher Verhältnisse und ihrer ideologischen Neuordnung Einhalt ge-bieten, so die Referentin in ihrem ab-schließenden Kommentar. Der Umstand, dass Volker Brauns Werk stets im Kon-text der DDR wirkungs- und rezeptions-ästhetischen Nachhall gefunden hat, ver-drängt trotz der Bezugnahme auf aktuelle gesellschaftliche Themen nach 1989 neuere literaturkritische Ansätze und Zu-gänge auf das Werk nach der Wende. Am letzten Konferenztag wurden schließ-lich weiterführende Ausblicke auf unter-schiedliche Transformationen des kriti-schen Intellektuellen hin zum Medien-promi unternommen und konstruktiv in neuere Debatten um die Rolle des Intel-lektuellen als Vermittler zwischen ver-schiedenen Öffentlichkeiten eingebettet. JÖRG SCHUSTER (Marburg) stellte in sei-nem Vortrag „Der Intellektuelle als Ver-weigerungskünstler?“ Günter Eich, Ingo Schulze und Christian Kracht ins Ver-hältnis zueinander. Dabei widmete er sich insbesondere dem Wechselverhält-nis Handlungs- und Symbolsystem der Literatur, um die Strategien medialer Au-torinszenierung zu konkretisieren und sie ins Verhältnis zu ihren Werken zu setzen. Im Anschluss wagte sich NADJA GEER (FU Berlin) in ihrem Vortrag „If you ha-ve to ask – you can’t afford it: popkultu-relles Wissen als distinktiver intellektuel-ler Selbstentwurf der 1980er Jahre“ den Sprung in den historischen Kontext der 1980er Jahre, um der Distinktionslogik der westdeutschen Jugendkultur und des Pop-Intellektuellen auf den Grund zu gehen. Im Übergang von der Post- zur

Popmoderne zeigte sie an ausgewählten Beispielen wie Diedrich Diederichsen und Rainald Götz journalistische Kultur-kritik als Konzeptkunst emporstilisieren und feiern. Dabei liegt die Betonung stets auf dem „Glamour“ des theoretischen Diskurses, die von den Theorien des Pop zu einer Poptheorie überleiten und im Spiel distinktiver und distinguierter Wirk-lichkeiten stets einen Zwischenraum von Politik und Phantasma erschaffen, der ihnen eine diesseitige Lustbefriedigung verschafft, ohne sich einen nachrollenden Mehrwert für nachkommende Zeiten aufzubewahren. INGA KETELS (Bonn) schloss sich ihrer Vorrednerin an, indem sie sich dem FAZ-Kulturjournalisten, Science-Fiction-Autor und marxistisch-leninistischen Intellektuellen Dietmar Dath widmete. In ihrem Vortrag „Der kritische Intellektuelle als Figur der Vermittlung zwischen verschiedenen Öf-fentlichkeiten. Eine Betrachtung deut-scher Öffentlichkeiten am Beispiel Diet-mar Daths“ stellte sie ihn als Vermittler zwischen unterschiedlichen Öffentlich-keiten dar, der durch seine Rolle als FAZ-Journalist die „subaltern counter-publics“ (Nancy Fraser), das heißt die vom herrschenden Diskurs bisher ver-nachlässigten Themen und Thesen, zur breiteren Diskussion zur Verfügung stel-len konnte. Als vielseitig agierender Links-Intellektueller sei es ihm gelungen, von den zunächst wenig rezipierten Gen-re-Romanen und seiner journalistischen Tätigkeit bei diversen popkulturellen Musik-Magazinen zu einem Vermittler radikal marxistisch-leninistischer An-sichten, die die Theorien jenseits totalitä-rer Machtansprüche ansiedeln und kapi-talismuskritisches Denken schärfen, auf-zusteigen. Schließlich spannte PATRICIA A.GWOZDZ (Potsdam) den Bogen zu ei-nem neuen Typus des

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Medienintellektu-ellen, der im literaturwissenschaftlichen und soziologischen Kontext erst wenig erforscht wurde. In ihrem Vortrag „The Rise of the Third Culture: Zur öffentli-chen Erschaffung eines intellektuellen Mythos“ skizzierte sie die nationalge-schichtlichen und literatursoziologischen Bedingungen, die den strukturellen Zu-sammenschluss des amerikanischen „businessman“ und der „expertise“ der soziologisch diagnostizierten Wissensge-sellschaft zu einem neuen Typus des na-turwissenschaftlichen Intellektuellen er-möglichten. Dabei fokussierte sie auf das journalistische und künstlerische Feld New Yorks, um den Aufstieg des Litera-turagenten John Brockman und seiner „Science Master Book Series“, die von Autoren wie Richard Dawkins und Ste-ven Pinker angeführt wird, vor dem Hin-tergrund einer sich abzeichnenden De-mokratisierung des Wissens zu konturieren. Das Rahmenprogramm wurde am ersten Tag von Christoph Hein eingeläutet, der aus seinen beiden Romanen Weiskerns Nachlass (2011) und Vor der Zeit (2013) las. Im Anschluss eröffneten Carsten Gansel und Christoph Hein im Gespräch um die „verschiedenen Temperaturen“ der Erzählungen, die offene Diskussion zwischen Publikum und Schriftsteller. Im Gespräch mit dem Biographen Werner Liersch schloss Carsten Gansel am zwei-ten Tag nicht nur an die vorgetragenen Intellektuellen-Darstellungen an, sondern ermöglichte in der Diskussion mit dem Publikum einen produktiven Austausch von Lierschs Lebenserfahrung als

unmit-telbar an der Auflösung des Schriftstel-lerkongresses beteiligtem Akteur und seiner jetzigen Rolle als Rückblickender auf einen historischen Wendepunkt in der deutschen Intellektuellengeschichte der DDR und Westdeutschlands. In der Abschlussbesprechung kam sowohl zum Ausdruck, dass ein Generationswechsel der Intellektuellen zu verzeichnen sei, als auch eine Erinnerungsarbeit am kulturel-len Gedächtnis weiterhin geleistet wer-den müsse, um gerade die von Christa Wolf vor 1989 eingenommene Haltung des „ich fühle mich verantwortlich“ als ererbte Verantwortlichkeit eines Appells an das kollektive Gedächtnis einer nach-folgenden Generation von Autoren und Lesern, Schriftstellern und ihrem Publi-kum, sowie Naturwissenschaftlern und ihrem interessierten Laienpublikum zu hinterlassen. Nicht nur die Form der Kri-tik befindet sich dabei in einem stetigen Wandel literarischer Evolution, sondern auch ihre geistigen Träger, die Kraft der historischen Rückbesinnung Geschichte auch immer wieder neu überwinden und dadurch erst literarische Formen zu For-men der Kritik am Bestehenden und Ge-gebenen umfunktionieren, denn die Wende im Denken ist bereits die vor-weggenommene Handlung zur Wende.

Literatur

BENDA, JULIEN (1988): Der Verrat der Intellektuellen. Mit einem Vorwort von Jean Améry. Aus dem Französischen von Arthur Merin. Frankfurt (M.).

Cytaty

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