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Widok Zu den Substantivkomposita des Polnischen aus kontrastiver Perspektive

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Academic year: 2021

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Wydziaá Neofilologii, UAM PoznaĔ, 2006

ZU DEN SUBSTANTIVKOMPOSITA DES POLNISCHEN AUS KONTRASTIVER PERSPEKTIVE

JOANNAKUBASZCZYK

1. Einführung

Den unmittelbaren Anlass für diesen Aufsatz bildet der der Substantivkomposition gewidmete Beitrag zur Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich von Elke Donalies (2004). Dieses äußerst interessante Vorhaben des Instituts für Deutsche Sprache stellt sich ehrgeizige Ziele und bietet die Möglichkeit, sich einen Überblick über typologische Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den verglichenen Sprachen zu verschaffen. Eine der gewählten Vergleichssprachen ist das Polnische als Repräsentant der slawischen Sprachfamilie.

Nach der Lektüre der oben genannten Publikation ergeben sich einige Fragen zum Polnischen. Sie betreffen solche Gesichtspunkte wie die theoretische Möglichkeit bestimmter Wortbildungen aufgrund der einer Sprache eigenen Wortbildungsmuster gegenüber deren praktischer Nutzung bzw. Produktivität.

Um die Sprachen vergleichen zu können, muss als Erstes eine gemeinsame termino-logische Basis erarbeitet werden, damit die gebrauchten Termini dieselbe Extension haben. Bereits BzdĊga (1999) hat für das Sprachenpaar Deutsch-Polnisch festgestellt, dass der Terminus Kompositum in den sprachwissenschaftlichen Traditionen der Germanistik und der Polonistik durchaus nicht dasselbe bedeutet. Daher beginne ich mit der Frage, was eigentlich unter Kompositum zu verstehen ist und was am Bezug dieses Terminus problematisch ist.

Im strengen Sinne sind Komposita Bildungen, die aus mindestens zwei unmittelbaren Konstituenten bestehen, die nach ihrer Dekomposition und der Zurück-führung der unmittelbaren Konstituenten auf ihre Grundwortformen als selbständige Wörter fungieren können1. Diese Definition erfüllen zunächst Substantivkomposita wie 1 Bei Fleischer/ Barz „freies Morphem“. Vgl. dazu die kritische Diskussion bei Altmann/Kemmerling, S. 19.

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1) Baumleiche im Deutschen oder majster-klepka, herod-baba, duszpasterz, okamgnienie2 im Polnischen, sowie 2) Hochzeitsfeier im Deutschen und póákotapczan (Schrankbett) oder Wielkanoc (Ostern) im Polnischen, wobei die unter 2) zusammengefassten Bildungen bereits problematisch sein können, denn Vieles hängt davon ab, als was Elemente wie das deutsche Fugen–s oder das polnische Interfix –o– angesehen werden.

Je nachdem, ob die Fugenelemente dem Flexionsparadigma des Erstglieds entsprechen oder nicht, werden paradigmatische (im Deutschen: Geistesblitz) von unparadigmatischen (im Deutschen: Liebesbrief, im Polnischen deskorolka) Fugenelementen unterschieden (vgl. Altmann/Kemmerling 2000:27). Das theoretische Problem besteht hier hauptsächlich darin, dass aus der deutschen Forschungsperspektive „Komposita im Gegensatz zu expliziten Derivaten unmittelbar ohne Wortbildungsaffixe gebildet“ werden (Donalies 2004:8), wohingegen das regelmäßig in den slawischen Sprachen (neben dem Polnischen z.B. auch im Russischen und Kroatischen) als Fugenelement auftretende –o– in der slawistischen Wortbildungsforschung als ein Interfix (vgl. Grzegorczykowa et al. 1999, Jelitte 2000:341), also ein affigales Element, aufgefasst wird. Donalies versucht die Schwierigkeit zu umgehen, indem sie in Anlehnung an Fuhrhop (1998) annimmt, Formen wie póák- seien Grundstämme und

Formen wie póáko- ihre erweiterten Stammvarianten, vgl. Donalies (2004:35). Damit

lässt Donalies freilich erkennen, dass ihr das (zumindest) in allen indoeuropäischen Sprachen des heutigen Europa funktionierende Neutralisierungsmorphem -o- nicht bekannt ist, das Adposition zu einem Element und so derartige Komposita ermöglicht. „Erweiterte Stammvariation“ ist es also nicht, falls damit „Stammerweiterung“ bzw. „Stammvariation“ gemeint sein sollte.

Noch komplizierter sind Bildungen vom Typ Wielkanoc (Ostern, wörtlich: „Großenacht“) oder Langeweile, die in ihrem Deklinationsparadigma teilweise Formen mit innerer Flexion aufweisen, die (phonologisch-)akzentorische Kontraktionen, aber keine Komposita sind: Wielkanoc (Nom.), Wielkanocy/Wielkiejnocy (Gen.), aber der Akkusativ bleibt bereits nur unflektiert: Wielkanoc (*Wielkąnoc), Langeweile, aber: aus Langerweile/Langeweile3 (vgl. Fleischer/Barz 1995:88).

Nach den von Donalies zur Aussonderung von Komposita aufgestellten Kriterien dürften solche Bildungen nicht als Komposita aufgefasst werden, denn dass Komposita „keine nach Regeln der Syntax gebildeten Phrasen sind, ist u.a. daran zu erkennen, dass sie nur am Kopf flektiert werden“ (2004:8). Dieses Kriterium erfüllt das Kompositum

Wielkanoc nicht, es wird jedoch trotzdem auf der Seite 38 der Ausarbeitung als ein

Beispiel für Komposita angeführt.

Die Polonistische Wortbildungsforschung geht davon aus, dass die Bildungen vom Typ Wielkanoc als “Zrosty” (Zusammenrückungen4) zu den Komposita im weiteren

2 Tausendkünstler, Mannweib, Seelsorger, Augenblick (wörtlich: Meister-Parkettstab, Herodes-Weib, Seelenhirt, Augen-Blink).

3 Daneben auch das Übliche: die Langweile.

4 Es ist darauf hinzuweisen, dass der deutsche Terminus Zusammenrückung dem polnischen nur annähernd entspricht, was bei dem Sprachvergleich zur Verwirrung führen kann.

Sinne gerechnet werden sollten. Nach Grzegorczykowa et al. (1999) handle es sich im Falle von Wielkanoc und weiteren zu diesem Typ gehörenden Nomina, die in der Regel Eigennamen sind, teilweise um „zrosty“ (Zusammenrückungen), teilweise um „zestawienia“ (Mehrworttermini), was allerdings angesichts ihrer Zusammenschreibung wiederum anzufechten ist, da Mehrworttermini Syntagmen, also nicht Einzellexeme sind.

Auch die deutsche Wortbildungsforschung betrachtet die Nomen vom Typ

Langeweile, Hoheslied als Komposita, „die interne Flexion relikthaft bewahrt“ haben

(Fleischer/Barz 1995:88).

Um das Donalissche Kriterium auf solche Bildungen ausweiten und trotzdem noch nach Regeln der Syntax gebildeten Phrasen wie bon mot oder orli nos ausgrenzen zu können, müsste das entsprechende Kriterium lauten, dass zu den Komposita Bildungen gerechnet werden, die mindestens teilweise die Flexion ihrer Nichtkopfglieder aufgegeben haben. Eine andere Möglichkeit wäre – angesichts der absoluten Marginalität von aus Langerweile – bei der Definition von Donalies zu bleiben und die Formen vom Typ aus Langerweile als Pendants zu Komposita zu betrachten, denen lexikalisierte Syntagmata zugrunde liegen, die jedoch bereits wie Komposita geschrieben werden.

Die unter 1) aufgeführten polnischen Bildungen erfüllen zwar die Definition, sind jedoch nach der Meinung Grzegorczykowa et al. (1999:456) keine Komposita i.e.S., sondern „Zusammenrückungen im eigentlichen Sinne“ und sind daher den Komposita i.w.S. zuzuordnen. Solche Zusammenrückungen (majster-klepka, herod-baba,

duszpasterz, okamgnienie) sind im Polnischen nicht sehr zahlreich und auch nicht

produktiv, vgl. Grzegorczykowa et al. (1999:456).

In der deutschen Wortbildungsforschung wurde früher für die sog. Zusammen-rückungen (Den-Teufel-an-die-Wand-malen, Gottseibeiuns, Vergissmeinnicht,

Gerne-groß, Nimmersatt, Taugenichts) ein separater Wortbildungstyp postuliert, vgl. Erben

(1983:31f.), Engel (1988:442), Bußmann (1990:870) etc. Neuere Arbeiten zur deutschen Wortbildung verzichten meist darauf, einen besonderen Wortbildungstyp für derartige Bildungen anzunehmen und betrachten sie als Produkte der Konversion mit einer Wortgruppe oder einem Satz als Wortbildungsbasis. Vgl. Fleischer/Barz (1995:49), Eichinger (2000:30), Donalies (2005:93).

Zugleich gelten jedoch solche Bildungen wie Gottessohn, wo zwei Substantive zusammengerückt sind, nicht als Zusammenrückungen, sondern als Determinativ-komposita5

.

Wie problematisch hier die Zuordnung ist und wie uneinheitlich deren Kriterien, zeigen die sog. exozentrischen Verb-Substantiv-Komposita im Polnischen, von denen sich manche auch als Zusammenrückungen einordnen ließen:

5 Obwohl ihre Genese als Zusammenrückung nicht verleugnet wird, schreiben etwa Altmann/Kemmerling (2000:27): „Determinativkomposita entwickelten sich z.T. als Zusammenrückungen von NP mit pränominalem Genitivattribut“.

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Hulaj dusza, piekáa nie ma! vs. hulajdusza (= der Zecher)

Wörtlich: Zech Seele, die Hölle gibt es nicht! vs. der Zech-Seele Hulaj ist der Imperativ Sg. zu hulaü (zechen, schwelgen, sich ausleben). Dusigrosz to ktoĞ, kto dusi (kaĪdy) grosz. (= der Groschenfuchs)

Groschendrücker bzw. -würger (wörtlich: der Drücktgroschen) ist jemand, der (jeden) Groschen drückt /würgt.

Wáóczykij to ktoĞ, kto wáóczy (ze sobą) kij. (= der Tippelbruder)

Stockschlepper (wörtlich: Schlepptstock) ist jemand, der einen Stock (mit sich) schleppt.

Dusi und wáóczy sind 3. Person Sg. Indikativ von dusiü bzw. wáóczyü.

Das Problem wird bei Grzegorczykowa et al. (1999:458) gelöst, indem –i– (/–y–) als Interfixe interpretiert werden, was aber nicht restlos überzeugt.

Im Sinne von Zentrum und Peripherie stellen die besprochenen Bildungen eine periphere Erscheinung dar, sind nicht prototypisch. Hier stoßen wir folglich auf nächste Schwierigkeit. Es bieten sich grundsätzlich zwei Lösungen an: Entweder werden Zusammenrückungen als Komposita klassifiziert, womit der Begriff nur das Was, aber nicht das Wie der Bildung beinhaltet oder sie gelten im Sprachvergleich konsequent nicht als Komposita, so dass auch die ursprünglichen Zusammenrückungen mit paradigma-tischen Fugenelementen kritisch hinterfragt werden können.

Für die erste Lösung spricht, dass diese Bildungen erstens die oben aufgestellte sehr enge Kompositumdefinition erfüllen und zweitens komplexe kombinierte Begriffe darstellen. Man kann sie also kaum als „nichtkombinatorisch“ oder „nicht zusammen-gesetzt“ bezeichnen. Eine solche Entscheidung würde auch eine konsequentere Behandlung von zusammengerückten Bildungen ermöglichen, unabhängig davon, ob das Zweitglied ein Substantiv bzw. eine andere Wortart ist.

Sie ist aber in mancherlei anderer Hinsicht nicht unproblematisch. Dass die Bildungen vom Typ Dreikäsehoch in der deutschen Tradition im Gegensatz zur polnischen als Nichtkomposita eingeordnet werden, hat in erster Linie nicht mit der linearen syntaktischen Nachbarschaft der Glieder zu tun, die Wortbildungsbasis der Bildung sind, sondern mit der Kopfregel, nach der der Kopf die Wortartzugehörigkeit bestimmt. Sie als Komposita zu interpretieren, würde bedeuten, einen Zweistufenprozess anzunehmen: (1) Konversion des letzten Gliedes, (2) Kombination zu einem Kompositum. Das Problem wird üblicherweise anders gelöst: man geht davon aus, dass Kombination und Konversion gleichzeitig geschehen oder die Kombination der Konversion vorausgeht. Es gibt noch eine dritte Lösung: Man nimmt an, dass es unwesentlich ist, ob der Bildung eine Zusammenrückung zugrunde liegt oder nicht, und man definiert, dass substantivische Komposita nur Bildungen sind, in denen das Kopfglied bereits vor dem Kompo-sitionsvorgang ein selbständiges Substantiv ist. Aber auch hier kommen Fragen auf: Was geschieht mit Konvertaten, in denen das letzte Glied ein substantivierter Infinitiv ist, der auch selbständig vorkommt? Wie sind nominale

Bildungen zu behandeln, deren letztes Glied („Kopf“) kein Nomen ist? Formationen wie

das Gegen-mich-Entscheiden und die Gegen-mich-Entscheidung müssen nicht anders

klassifiziert werden. Vielleicht sollte man im beiden Fällen von Phrasenkomposita oder von Konversionen von Phrasen sprechen? Das wäre sicher einleuchtender.

Weitere Probleme wirft die „Stamm-Definition“ auf. Eine etwas weitere Definition des Kompositums besagt, dass bei der Komposition mindestens zwei unmittelbare Konstituenten miteinander verbunden werden, die Einzelwörter, Wort-gruppen (Baumleiche), ein Lexem und ein Konfix (Biogas) oder eine Zusammensetzung von zwei Konfixen (Diskothek) sind6 (vgl. Fleischer/Barz 1992:45). Unter der Voraus-setzung, dass nach Fleischer/Barz (1992:43) der Analyse unmittelbarer Konstituenten „stets die morphologische Normalform“ zugrunde gelegt werden soll und nicht eine flektierte Form, kann in den ersten beiden Fällen auch von einer Verbindung zweier Stämme oder eines Stamms mit einem Konfix gesprochen werden.

Es müsste hier zur vollen Klarheit präzisiert werden, dass das als unmittelbare Konstituente in das Kompositum eingehende Wort in Form eines Stammes oder einer flektierten Form in die Zusammensetzung eingehen kann. Diese Definition würde dann eine einheitliche Behandlung von Fällen ermöglichen wie duszpasterz (dusz – Genitiv Plural zu dusza; dt. der Seelenhirte), Manneskraft (Mannes – Genetiv zu Mann),

hulajdusza (hulaj – Imperativform zu hulaü), dusigrosz (dusi – flektierte Verbform, 3.

Pers. Sing.), wirolot (wir – Stamm zu wirowaü)7

.

Eine der weitesten Definitionen der Komposita stellt die polonistische Wort-bildungsforschung in Grzegorczykowa (1999:455) auf, indem Komposita als „motivierte Lexeme mit zwei (oder mehr) Wortbildungsbasen“ bestimmt werden. Diese Definition lässt als Komposita auch Bildungen klassifizieren, in denen Komposition mit Ableitung einhergeht. Es geht um Bildungen, die von einer Wortgruppe durch explizite Derivation oder Konversion abgeleitet werden wie samouk: ktoĞ, kto sam siĊ uczy (Autodidakt) oder bawidamek – ktoĞ, kto lubi zabawiaü damy (jemand, der Damen gern Unterhaltung bietet). Auch im Deutschen lassen sich solche Bildungen finden, wie

Bedenkenträger, der kein ‘Träger von etwas’ ist, sondern jemand, der ‘Bedenken trägt’,

vgl. Eichinger (2000:32). Für die Annahme einer speziellen Wortbildungsart, der "Zusammenbildung", plädieren u.a. BzdĊga (1999), Altmann/Kemmerling (2000). Hingegen sind andere Forscher der Meinung, dass der Terminus hinfällig ist, denn Bildungen wie Appetithemmer, viertürig lassen sich als explizite Derivate mit einer Wortgruppe als Basis (Fleischer/Barz 1995) deuten. In dem Sinne auch Donalies (2004:8), abweichend aber (2004:24f.) und (2005:93), wo sie solche Bildungen als Determinativkomposita mit deverbalen Zweiteinheiten und determinierenden Ersteinheiten (Appetithemmer) oder als explizite Derivate aus denominalen bzw.

6 Grzegorczykowa et al. (1999:455f.) bezeichnen die Zusammensetzungen mit einem Grundmorphem und einem Konfix als „einseitig motiviertes Kompositum“ und für die Zusammensetzung von zwei Konfixen benutzen sie den Terminus „Quasi-Kompositum“.

7 Grzegorczykowa et al. interpretieren das –i-(-y-) in den exozentrischen Verb-Nomen-Komposita (moczygĊba, chwalipiĊta) als Interfixe, was allerdings angesichts der Herkunft dieser Bildungen nicht plausibel scheint.

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deverbalen Zweiteinheiten (Häuter, Seher) und adjektivischen Ersteinheiten, die die Basis der Zweiteinheit attribuieren (Dickhäuter, Schwarzseher, viertürig) betrachtet.

Anders Eichinger (2000), der diese Bildungen in die umfassendere Kategorie der Inkorporation einordnet. Der Begriff der Inkorporation umfasst seiner Auffassung nach „als ein leitendes Prinzip eine Reihe von Wortbildungsarten, die sich vom zentralen Bereich der Komposition und Derivation in Richtung auf das syntaktische Ende der Wortbildung hin erstrecken“ (Eichinger 2000:31), was die widerspruchsfreieste Lösung zu sein scheint.

2. Definitorische Grundlagen des Vergleichs

Je nachdem nun, welche der drei Definitionen des Kompositums als Grundlage des Vergleichs angenommen wird, ergeben sich verschiedene Vergleichsresultate. Die definitorische Grundlage für den folgenden Vergleich muss dementsprechend an dieser Stelle formuliert werden. Im Weiteren sollen unter den Terminus Kompositum Bildungen verstanden werden, die

(a) aus mindestens zwei unmittelbaren Konstituenten bestehen, die außerhalb des Kompositums als Einzelwörter oder Wortgruppen fungieren können, wobei die unmittelbare Konstituente sowohl ein Stamm als auch eine unflektierte oder flektierte Wortform sein kann, wobei allerdings die kopfbildende Konstituente bereits vor der Zusammensetzung ein Substantiv sein muss,

(b) die mindestens teilweise die Flexion ihrer Nichtkopfglieder8 aufgegeben haben, (c) die entweder fugenlos oder mit Hilfe eines nichtflexematischen Fugenelements

(Interfixes) verbunden werden9,

(d) die ohne Zugriff auf Derivationssuffixe und –präfixe gebildet werden.

Die Bedingungen entsprechen in etwa der Bestimmung der Komposita bei Donalies (2004:8f.) mit folgenden Einschränkungen:

Die Bedingung a) schließt Bildungen vom Typ Īyworodek, bawidamek, samouk

(*damek, *rodek, *uk) aus, b) präzisiert die Annahme von Donalies, c) verzichtet auf die Annahme von Stammvarianten zugunsten eines Interfixes, was u.E. den Gegebenheiten in den slawischen Sprachen und auch im Deutschen besser entspricht.

Aufgrund der oben aufgestellten Definition, die Arbeitsbasis für die weiteren Erwägungen ist, möchte ich jetzt einige Feststellungen zu den Komposita aus kontrastiver Sicht überprüfen und diskutieren, die bei Donalies (2004) zu finden sind. Zur besseren Übersichtlichkeit werden die einzelnen diskutierten Probleme in Form von Topics kurz angegeben.

8 Mit dem Kopf wird hier allerdings nur der syntaktische Kern verstanden, der die Wortart bestimmt. 9 Die paradigmatischen Fugenelemente werden bereits im Punkt a) erfasst.

3. Verwendung von Adjektiven in polnischen Zusammensetzungen

An mehreren Stellen in der Arbeit von Donalies (2004) steht die Feststellung, dass in polnischen Komposita keine Adjektive verwendet werden (vgl. ebd., 28, 58) oder Adjektiv-Substantiv-Komposition nicht produktiv ist (ebd., 40), was auch im abschließenden Resümee wiederholt wird: „Unterschiede zeigten sich aber vor allem darin, dass im Deutschen das ganze Repertoire möglicher Konstituenten zur Komposition genutzt wird, während z.B. im gegenwartssprachlichen […] Polnischen keine Adjektiv-Substantiv-Komposita“ (S. 72) gebildet werden. Diese Feststellung wird auf Seite 26 eingeschränkt, wo es heißt, in den slawischen Sprachen sei die endozentrische Komposition dieses Typs nicht produktiv. Auf Seite 27 lesen wir zu dieser Frage: „Im Rahmen pragmatischer Notwendigkeiten werden dort allerdings aus Substantiv und Adjektiv mitunter exozentrische Komposita wie poln. Krzywonos ‘Krummnase’ zusammengesetzt.“10 Auf Seite 38 wird im Zusammenhang mit Rechts- oder Linksköpfigkeit dann als Beispiel das Substantiv Wielkanoc angegeben, dass gemäß den obigen Behauptungen gar nicht existieren dürfte. Noch verwunderlicher ist, dass rakieta noĞna (S. 38) als Adjektiv-Substantiv-Kompositum angesehen wird,

obwohl wie in einem Syntagma beide Komponenten flektiert werden (es ist ein typisches polnisches Mehrwortlexem).

In einem Gegensatz zu dieser Meinung stehen die Angaben von Grzegorczykowa et al. (1999:457), nach denen Adjektiv-Substantiv-Komposita mit der Struktur N (A+N1) mit 100-500 Einheiten die drittgrößte Subklasse der Komposita des Polnischen darstellen. Da aber, wie oben gesagt, die Autoren der Gramatyka wspóáczesnego jĊzyka polskiego (Grammatik der polnischen Gegenwartssprache) von einem weiteren

Verständnis der Komposita ausgehen, kann diese Zahl nur eine annähernde Vorstellung vom Bestandsumfang vermitteln. Unter den Komposita mit der Struktur N (A + N) finden sich sowohl endozentrische als auch exozentrische Zusammensetzungen. Beispiele für die endozentrische Komposita sind biaáodrzew, boĪodrzew, biaáosĊp, biaáoskórnik, czarnowron, czarnoziem, szaroziem, drobnoustrój. Sie lassen erkennen,

dass endozentrische Komposita dieses Typs vor allem fachsprachliche Lexeme etwa der Biologie oder Geographie sind. Man kann annehmen, dass dieses Muster im Rahmen von Fachsprachen weiterhin produktiv ist. Es gibt aber auch durchaus standardsprachliche Beispiele wie báogostan, Īywopáot, starodruk, starodrzew, ciemno-gród, wielkolud, wobei nowotwór (Karzinom, Krebs; wörtl. Neubildung) oder nowo-mowa (Kopie zu engl. newspeech) relativ neue Bildungen sind. Auch Okkasionalismen

wie die analoge Bildung krasopisarz (Schönschreiber) von Gombrowicz kommen vor. Nicht als Komposita, sondern als Ableitungen von Syntagmen sind Bildungen wie

biaáogwardzista, czerwonogwardzista, czarnogieádziarz, zimnokrwistoĞü, ciepáolecz-nictwo zu interpretieren, da sie auf Syntagmen wie biaáa gwardia, czarna gieáda etc.

zurückgehen.

10 Hier ist auch zu fragen, was eigentlich in dem Kontext die Formulierung „im Rahmen pragmatischer Notwendigkeiten“ heißen soll?

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Eine relativ umfängliche Gruppe bilden auch exozentrische Komposita anderen Typs wie biaáogáowa, czarnogáówka, zielnonóĪka, ĪóátobrzeĪek, Īóátodziób. Das Muster

ist auch ein umgangssprachlich recht produktives, was einige von mir im Internet gefundene Okkasionalismen bestätigen; unter diesen auch Beispiele für Personenbezeichnungen wie wielkodup (derb, Internet), wielkoáeb11 (Internet) und okkasionelle Sachbezeichnungen wie wielkocyc (wörtlich: Großzitze) als kolloquiale Bezeichnung für einen BH in Übergröße in folgendem Beleg, der die Lebendigkeit des Musters bestätigt:

Sáuchajcie – przymierzam to „coĞ”, a tu siĊ okazuje, Īe ten wielkocyc teĪ jest na mnie za maáy. Ja juĪ nie wiem jaki rozmiar mam kupiü?! (Internet)

Hört mal: Ich probiere dieses „Etwas“ an und es erweist sich, dass die Großzitze für mich auch zu klein ist. Ich weiß nicht mehr, welche Größe ich kaufen soll?! Für die WBK vom Typ Īóátodziób (Grünschnabel) oder Rotschwanz ist einerseits

ein determinatives Verhältnis der Konstituenten charakteristisch, andererseits aber argumentiert man, dass die zweite Konstituente kein Oberbegriff ist wie bei den sonstigen Determinativkomposita, weil die Namen Rotschwanz oder Rotkehlchen keinen roten Schwanz und kein rotes Kehlchen bezeichnen, sondern Vögel, die sich durch diese Eigenschaften auszeichnen. Das Problem bei der Argumentation ist, dass hier zwei Ebenen miteinander vermengt werden, einerseits die Wortbildungsbedeutung, andererseits die lexikalische Bedeutung, die aufgrund der Übertragungsprozesse entsteht, da die sog. Possessivkomposita häufig Metonymien mit einer Pars-pro-toto-Bedeutung (Langbein, Rotkehlchen, Spitzbauch) oder metaphorische Bezeichnungen (Löwenzahn) sind. Daher ist Donalies zuzustimmen, wenn sie in exozentrischen Komposita „lediglich semantisch weiterentwickelte, umgedeutete Determinativ-komposita“ (2005:59) sehen will.

Vor diesem Hintergrund ist jedoch nicht verständlich, warum die exozentrischen Adjektiv-Substantiv-Komposita bei Donalies (2004) als eindeutig zweirangig behandelt werden.

Anders als Grzegorczykowa (1999) betrachte ich als keine Komposita gemäß der obigen Definition Substantiva, die von einem Syntagma abgeleitet wurden, wie

czer-wonoarmista (Rotarmist), czarnoksiĊĪnik (Schwarzkünstler, wörtl. Schwarzbüchler),die

den Bestand der Adjektiv-Substantiv-Komposita noch erweitern würden.

Ein Sonderkapitel sind Adjektiv-Substantiv-Komposita zur Eigennamenbildung, in denen dieses Muster auch genutzt wird, z.B. Szybkowiatr, BiaáoruĞ, BiaáowieĪa, Czarnogród, Biaáogród, Zielonogród etc. (wörtlich: Schnellwind, Weißrussland, Weißturm, Schwarzstadt, Weißstadt, Grünstadt).

Ein Grund für die relativ geringe Produktivität des Wortbildungsmusters ist sicherlich die Tatsache, dass in die Bildungen nur morphologisch einfache Adjektivbasen eingehen können. Daher ist die neue Entwicklung interessant, dass im Polnischen Komposita mit einer Adjektiv-Nomen-Wortbildungsbasis entstehen, in

11 Großarsch, Großkopf

denen das Adjektiv morphologisch vereinfacht wird, indem es eine Kürzung erfährt und als Kopfwort in das Kompositum eingeht. Derartige Komposita werden im gegenwärtigen Polnischen gehäuft gebildet, vor allem mit Adjektiven entlehnter Basis, vgl.:

alkotesty – testy alkoholowe (Alkoholtests) (Internet)

eurolĊki – europejskie lĊki (europäische Befürchtungen) (Internet)

eurodeputowany – deputowany europejski, deputowany do parlamentu

europejskiego (Europaabgeordnete)

In vielen Fällen erfahren beide Basen eine Kürzung:

bankomat – automat bankowy (Geldautomat)

alkomat – automat alkoholowy, automat do mierzenia iloĞci alkoholu we krwi (Alkomat, Alkoholmessgerät)

Hier zeichnet sich eine neue Tendenz ab. Diese Bildungen entsprechen jedoch nicht der für die Belange dieses Aufsatzes aufgestellte Definition. Sie werden hier nur im Kontext der Diskussion, ob es im Polnischen Adjektiv-Substantiv-Komposita gibt, kurz erwähnt.

Die angeführten Beispiele sind m.E. hinreichender Beweis dafür, dass die Feststellung, im Polnischen gäbe es keine Adjektiv-Substantiv-Komposita, nicht der sprachlichen Wirklichkeit entspricht.

4. Verben als Erstkomponenten

Donalies (2004:31) gibt an, dass im Polnischen Verben (als Erstkomponenten) nur in Exozentrika verwendet würden. Dem ist nicht so, denn obwohl in typischen Substantivkomposita Verben als Erstkomponente der Zusammensetzung tatsächlich selten vorkommen, ist diese Möglichkeit nicht grundsätzlich ausgeschlossen, was Bildungen wie Ğpiewogra (Singspiel), Ğpiwór (Schlafsack), wirolot, dmuchoplew, wiropáat, wiropáatowiec, wiroszybowiec belegen. Auch Ad-hoc-Komposita wie etwa biegomarsz lassen sich finden:

Wariacka jazda na rowerze, ‘biegomarsz’ po parku… (Internet) Verrücktes Radfahren, Laufmarsch im Park…

Die adäquate Formulierung müsste also heißen: als Erstkomponenten sind Verben in polnischen nicht-exozentrischen Komposita sehr selten.12

12 Eine ungenaue Formulierung lesen wir auch auf der Seite 41, wo es heißt, im Französischen sei die exozentrische Verb-Substantiv-Komposition stark ausgebaut, in anderen Kontrastsprachen dagegen kaum. Hier würde man gern mindestens annähernde Ordnungsgrößen erfahren. Im Polnischen stellen die Verb-Substantiv-Exozentrika nach Grzegorczykowa et al. mit 100-500 Bildungen die drittgrößte Kompositagruppe dar (hier muss allerdings berücksichtigt werden, dass polnische Wortbildungsforscher einen weiteren Kompositumsbegriff verwenden, vgl. oben).

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5. Der semantische Kern polnischer Determinativkomposita

Im Deutschen ist nach Altmann/Kemmerling (2000:51) das Kennzeichen der Determinativkomposita die Subordination der ersten unmittelbaren Konstituente unter die zweite unmittelbare Konstituente. In einem solchen Fall ist das Determinatum (Grundwort) „der wortsyntaktische und semantische Kern der Konstruktion, der die Bezeichnungsleistung erbringt, das Determinans (Bestimmungswort) ist morpho-syntaktisch und semantisch untergeordnet“ (ebd.). Das gleiche stellt Donalies fest, indem sie schreibt, bei Determinativkomposita sei „der syntaktische Kern immer auch der semantische Kern“ (2005:55).

Diese Feststellung trifft auch auf die Mehrzahl der polnischen Determinativkomposita zu. Es gibt im Polnischen allerdings eine nicht allzu große Gruppe von Substantivkomposita mit der Struktur N (N+N), in denen das Determinatum die erste unmittelbare Konstituente ist, Determinans die zweite unmittelbare Konstituente. Als Beispiele können etwa solche Tandemnomina13 wie zwierzokrzew,

babocháop, obiadokolacja, nartorolki, barakowóz genannt werden. Babocháop

(Mann-weib, wörtlich: Weib-Mann) bezeichnet somit keinen Mann, sondern eine Frau mit männlichen Zügen. Eine Untersuchung im Internet ergab 2380 Einträge für diese Reihenfolge (auch lexikalisiert und in Wörterbüchern erfasst) und nur einen Eintrag mit umgekehrter Reihenfolge der Glieder (cháopbaba; wörtlich: Mannweib):

Babocháop bez talii – Dzisiejsze kobiety coraz bardziej zatracają swe krągáoĞci, upodabniając siĊ do mĊĪczyzn. (Internet)

Mannweib ohne Taille – Heutige Frauen verlieren immer stärker ihre Rundungen und werden den Männern ähnlicher

Dziewczyna musi mieü co pokazaü, bo jeĞli nie ma i jest jak decha to wygląda jak cháopbaba. (Internet)

Ein Mädchen muss etwas zeigen können, denn wenn sie es nichts zu zeigen hat und wie ein Brett ist, dann sieht es aus wie ein Mannweib.

Bei selteneren Bildungen kann das zu Interpretationsschwierigkeiten führen, wie in dem unten stehenden Text, wo nur aufgrund der Leseart von babocháop14 anzunehmen ist, es handle sich hier um eine Analogiebildung und es gehe um eine Frau (und nicht um einen Mann mit weiblichen Zügen, was auch möglich wäre):

dzisiaj w szkole babodziad zamiast mnie musiaá znaleĨü sobie jakaĞ inna ofiarĊ … (Internet)

heute in der Schule musste sich Mannweib/Weibmann (?) ein anderes Opfer suchen …

13 Es gibt wenige deutsche Tandemnomina wie etwa Mannweib. Generell sind sie dem System aber eher fremd. Die Komponentenfolge ist im Polnischen wie im Deutschen rein konventionell (daher auch in einem Beleg cháopbaba). Häufiger als im Polnischen sind sie im Russischen.

14Cháop ist ein Synonym zu dziad. Beide bedeuten umgangssprachlich Mann.

6. Kopulativkomposita

Donalies (2004:43ff.) unterscheidet drei Typen von Kopulativkomposita. Der erste Typ, den man durch die Zusammensetzung Dichterkomponist exemplifizieren könnte, ist ihrer Meinung als eine Unterart der Determinativkomposita zu interpretieren. Hierzu rechnet sie auch das polnische Kompositum klubokawiarnia (Klubcafé). Diese Leseart geht implicite von einem postulierten Ungleichgewicht aus, davon, dass etwas mehr das Eine ist als das Andere. So ist ein Dichterkomponist mehr Komponist als Dichter,

babocháop (wörtlich: Weibmann) mehr Weib als Mann. Es gibt aber im Polnischen

Kopulativkomposita, die eine determinative Lesart kaum zulassen.

Dass viele Kopulativkomposita gerade zu Beschreibung hybrider Erscheinungen oder Größen verwendet werden, wo die Wortbildner sich nicht auf eine determinierende Bezeichnung festlegen wollen, zeigen Beispiele, in denen Bildungen mit vertauschter Reihenfolge der Glieder nebeneinander stehen:

zwierzolud zwany tez ludozwierzem (Internet) Tiermensch, auch Menschtier genannt

Mam siostrĊ czy brata hehe. Siostra. Brat. Siostrobrat. Bratosiostr. (Internet) Habe ich eine Schwester oder einen Bruder hehe. Schwester. Bruder. Schwesterbruder. Bruderschwester.

Andere Bildungen zeigen, dass das Gemeinte weder wirklich das Eine noch das Andere ist, sondern Eigenschaften von beiden aufweist. So ist pokojokuchnia (Wohnküche, wörtlich: Zimmerküche) in erster Linie weder eine Küche noch ein Zimmer, sondern eine Wohnfläche, die die Eigenschaften eines Zimmers und der Küche vereint, also ein Zimmer und eine Küche in einem, turecki „buákochleb“ (türkisches Brötchenbrot) ist ein Zwischending zwischen Brötchen und Brot, Bóg Matkoojciec

(Gott Muttervater) ist weder Mutter noch Vater, tradycyjny Ğniadanioobiad

(traditionelles Frühstück-Mittagessen) ist, was die Speisen und Essenszeit anbetrifft, ein Mittelding zwischen Frühstück und Mittagessen (Brunch), maápolud (Affenmensch) ist

eine Übergangserscheinung zwischen Affe und Mensch, kein richtiger Affe mehr und noch kein richtiger Mensch, kotopies (Katzenhund) ist in dem Beispiel unten weder Katze noch Hund:

ChrzeĞcijaĔski zen to jak kotopies. (Internet) Christliches Zen ist wie ein Katzenhund.

In der Prototypensemantik würde man sagen, diese Bildungen beschreiben klassische typologische Grenzfälle, Hybriden, Zwitter.

Für einen Teil der Bildungen ist es charakteristisch, dass Antonyme zusammengesetzt werden und dadurch auf eine Vereinigung der Kontraste verwiesen wird:

taka piĊknie zmysáowa miáoĞcio-nienawiĞü (Internet) eine so schön sinnliche Hassliebe (wörtlich: Liebe-Hass)

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Ein Kompositum kann auch mehrere Phänomene zugleich bezeichnen. Auch in diesen Fällen kann man schwerlich von einem Determinativkompositum sprechen:

I tu widaü szowinizm-seksizm-patryjarchat w jednym … (Internet) Und hier sieht man Chauvinismus-Sexismus-Patriarchat in einem …

Viele Bildungen benennen Phänomene, die aus zwei gleichwertigen Teilen bestehen wie:

deskorolka (Skateboard „Brettrolle“), ein Brett und Rollen

áyĪworolki (Inliner, wörtlich: „Schlittschuhrollen“) – schlittschuhähnliche Schuhe und Rollen

póákotapczan („Regalbett“) – Bett und Regalschrank

Zum Teil können diese Bildungen auch exozentrisch gelesen werden, z.B.: póákotapczan – Möbelstück, dass aus einem Bett und Regalen besteht,

spódnicospodnie – Kleidungsstück, das die Eigenschaften des Rockes und der Hose verbindet,

deskorolka – Spiel- und Sportgerät, das aus einem Brett mit vier federnd gelagerten Rollen besteht.

plecobrzuch – (additiv) Rücken- und Bauchbereich

Die erste Untergruppe der Kopulativkomposita müsste folglich, mindestens für das Polnische, differenzierter betrachtet werden.

Die zweite Unterart umfasst bei Donalies (2004:44f.) Länderbezeichnungen wie

Elsaß-Lothringen im Deutschen oder Austro-WĊgry im Polnischen.

Zur dritten von Donalies (2004:45) ausgesonderten Unterart der substantivischen Kopulativkomposita gehören Komposita vom russischen Typ brat-sestra, die ein Kollektivum sind, hier im Sinne ‘Geschwister’. Sie sind im Polnischen tatsächlich nicht üblich. Es kommen zwar Kopulativkomposita wie ojcomatka (Vatermutter) vor, wie in dem unten angeführten Beispiel, die Bedeutung der Bildung ist jedoch ein hybrides Elternteil und nicht beide Eltern zusammen:

W kawalerce pojawia siĊ teĪ hybrydyczna postaü Ojcomatki, z którą Skóra zawziĊcie dialoguje. ĩali siĊ i skarĪy. Ojcomatka raz jest kochającym, wyrozumiaáym rodzicem, innym razem rodzicem strofującym i wyrzucającym báĊdy. To hybryda kochającej matki i kaĪącego ojca.

7. Ist Orli nos ein Kompositum wie Adlernase?

In Donalies (2004:47) steht Folgendes zu lesen: „Daneben finden sich in den von mir berücksichtigten germanischen und slawischen Sprachen häufiger exozentrische

Substantiv-Substantiv-Komposita, z.B. […] poln. orli nos […]. Im Gegensatz zu den Adjektiv-Substantiv-Komposita werden die Substantiv-Substantiv-Komposita in der Regel primär endozentrisch gelesen, z.B. poln. on ma orli nos ‘er hat eine Adlernase’.“ (2004:47f.)

Hier muss richtig gestellt werden, dass erstens orli nos nicht für ein Substantiv-Substantiv-Kompositum herhalten kann, denn das Lexem orli ist ein Adjektiv(!). Zweitens kann das lexikalisierte Syntagma orli nos auch im Sinne der Kompositakriterien von Donalies (2004:8) nicht als Beispiel für ein Kompositum gelten, denn beide Lexeme, sowohl orli als auch nos, werden flektiert, sind also ein klassisches Syntagma. Die Feststellung selbst, dass sich im Polnischen häufiger exozentrische Substantiv-Substantiv-Komposita finden, trifft auf das Polnische freilich zu, aber ohne dass diese endozentrisch zu lesen sind. Beispiele sind etwa: szeĞcionóg, stawonóg, widáonóg, brzuchonóg.

8. Phrasenkomposita

Die nächste Frage betrifft Phrasen als polnische Substantivkomposita. Hierzu schreibt Donalies (2004:33) einmal, dass sie unüblich sind, und später, dass sie nicht verwendet werden. Zwischen dem Unüblichsein und der Nichtverwendung liegt jedoch ein Unterschied. Es gibt ja durchaus Bildungen, die sich als Phrasenkomposita deuten lassen, potentiell sind also solche Bildungen möglich, dies wird jedoch kaum genutzt. Beispiele sind: wniebowstąpienie (Christi Himmelfahrt, wörtlich: In-den-Himmel-Aufsteigen), wniebowziĊcie (Mariä Himmelfahrt, wörtlich: In-den-Himmel-Nehmen), zamąĪpójĞcie (Heirat, wörtlich: Dem-Mann-Folgen), skurwysyn (vulg. Von-der-Dirne-Sohn), skurwykoza (vulg. Von-der-Dirne-Ziege; Internet). Der letzte Beleg ist eine

Neubildung. Phrasenkomposita werden darüber hinaus im Internet öfter als Decknamen gebildet.

Phrasen gehen auch in Bildungen ein, die hier als explizite Ableitungen von Syntagmen oder Sätzen verstanden werden wie tumiwisizm (Mir-ist-alles-egal-Haltung, wörtlich: Hier-(es-)mir-hängt-ismus), tubylec (Einheimischer, wörtlich:

Hier-war-ler/Dagewesener), niezapominajka (Vergissmeinnicht, wörtlich: Vergiß-nicht!). Dies sei

nur am Rande erwähnt, da es sich im Verständnis von Donalies (2004) bei solchen „Zusammenbildungen“ um Komposita handelt.

9. Schluss

Das Anliegen dieses Aufsatzes war in erster Linie, einige Missverständnisse in Bezug auf die polnischen Substantivkomposita zu klären. Um Sprachen vergleichen zu können, bedarf es, wie BzdĊga (1999:23) zu Recht fordert, „eines entsprechend sinnvollen Aufbaus des tertium comparationis, damit unter Voraussetzung einer einheitlichen linguistischen Methodologie die einzelsprachlichen Sichtweisen und Darstellungs-konventionen nicht außer acht gelassen werden“. Dass der Aufbau einer solchen Vergleichsbasis nicht immer einfach ist, sollten die vorgetragenen Überlegungen vor Augen führen.

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Literatur

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BzdĊga, Andrzej Zdzisáaw (1999): Zusammenrückung, -setzung, -bildung. In: Andrzej Kątny / Christoph Schatte: Das Deutsche von innen und außen. Ulrich Engel zum 70. Geburtstag. PoznaĔ: Wydawnictwo Naukowe UAM. S. 9-23.

Donalies, Elke (2004): Grammatik des Deutschen im europäischen Vergleich. Kombinatorische Begriffsbildung. Teil I: Substantivkomposition. In: »amades«. Arbeitspapiere und Materialien zur deutschen Sprache 2/04. S. 1-86.

Donalies, Elke (2005): Die Wortbildung des Deutschen. Ein Überblick. Zweite, überarbeitete Auflage. Tübingen: Gunter Narr Verlag.

Eichinger, Ludwig M. (2000): Deutsche Wortbildung. Eine Einführung. Tübingen: Gunter Narr Verlag.

Engel, Ulrich (1988): Deutsche Grammatik. Heidelberg: Groos.

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Fleischer, Wolfgang/ Barz, Irmhild (1995): Wortbildung der deutschen Gegenwartssprache. Tübingen: Niemeyer.

Fuhrhop, Nanna (1998): Grenzfälle morphologischer Einheiten. Tübingen. (=Studien zur deutschen Grammatik 57).

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