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Die Rolle der Stipulation in den Urkunden der siebenbürgischen Wachstafeln

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DIE ROLLE DER STIPULATION IN DEN URKUNDEN DER SIEBENBÜRGISCHEN WACHSTAFELN

I

1. Im Stoff der 25 siebenbürgischen Wachstafeln der erstmalig im III. Band des Corpus Inscriptionum Latinarum (S. 924-959) systematisch veröffentlicht wurde, spielt das Rechtsgeschäft der Stipulation eine ganz überragende Rolle. Dies hängt mitder grossen Elastizität und Schmiegsamkeit dieses Rechtsges-chäftes zusammen. —- Von den erwähnten 25 Urkunden sind 14 fast zur Gänze leserlich. 7 der in diesen Dokumenten enthalten Verträge handeln über Sti-pulationen (die Triptycha III, V—VIII, XIII, X X V ) manche sogarüber mehre-re (z.B. Eviktionsstipulation und Fideiussio); ausserdem finden sich noch zwei, kaum leserliche Triptycha (II, XIV) mit Ausdrucken, die auf eine Sti-pulation hinweisen: „fideiussoris" (T. II), und „spopondit" (T. XIV).

2. Die leserlichen siebenbürgischen Wachstafeln stammen aus den Jahren 139 bis 167 u. Z., also aus der Mitte des II. Jahrhunderts, der Schwelle des spätklassischen Zeitalters, als die Vorgänge die zur Vulgarisierung des römi-schen Reichsrechtes führten, erst ihre ersten Ansätze zeigten1. Das, was sich aus den Urkunden über die Entwicklung der Stipulation im II. Jahrhundert feststellen lässt, kann natürlich wegen der geringen Zahl der Schriftstücke nicht sehr bedeutsam sein und hat, da die Tafeln nur die Praxis eine einzigen Provinzen wiedergeben, auch keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit. Immerhin gestattet der Stoff, unseres Erachtens, gewisse Feststellungen um das Bild zu ergänzen, das die moderne Romanistik über die Entwicklung der Stipulation in der spätklassischen Zeit aufgestellt hat.

II

1. Betrachten wir zunächst das Bild das uns das Schrifttum der modernen Romanistik über die Stipulation und ihre Entwicklung bietet.

1 E. L e v y , West-Roman Vulgar Laic. The Lato of Property (Washington 1961) Bd. I.,

S. 6 f f . ; W. K u n k e l , Herkunft und soziale Stellung der römischen Juristen (Weimar 1952), S. 371 ff. ; M. K ä s e r , Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte. Romanistische

Abtei-lung (= SZ) 73, (1956), S. 445 und SZ 75 (1958) S. 412 ff.

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Ε. PÓLAY

Nach der heute ziemlich allgemeinen Auffassung2 war die Stipulation der klassischen Zeit ein Verbalakt, der es den Parteien anheimstellte, die Causa des Rechtsgeschäftes zu bennenen (cautio indiscreta), oder zu verschwiegen (cautio discreta) und dementsprechend konnte der auf die Stipulation gegrün-dete Anspruch entweder mit einer kausalen oder mit einer abstrakten Formel geltend gemacht werden.

2. Es fragt sich, wann die Wandlung eintrat, die den Verbalakt im Rechts-geschäft der Stipulation erst in dem Hintergrund und später ganz beiseite schob und die der Urkunde, die ursprünglich seit dem Ende der Republik als Beweismittel der Stipulation gedient hatte, eine wesenhaft konstitutive Wirkung verlieh, indem man die Anstellung der Urkunde mit der Fiktion der stattgefun-denen Stipulation verknüpfte.

Die Sententiarum libri (5.7.2) aus dem Ende des III. Jahrhunderts u.Z. erklären :

Verborum obligatio inter praesentes non etiam inter absentes contrahitur. Quod si scriptum fuerit instrumenta promisisse aliquem, perinde habetur, atque si inter-rogatione praecedente responsum sit.

Diese Stelle erweckt den Anschein, als hätte die Stipulation bis zum Zeital-ter Diocletians ihren klassischen CharakZeital-ter bewahrt, und sich erst in diesem Zeitpunkt zu einem Literalvertrag verwandelt, und zwar durch die Bestimmung, dass das Schriftstück perinde habetur (so gehalten wird: die Fiktion) als habe die Stipulation tatsächlich stattgefunden. Wie und wann sich die Wandlung abgespielt hat, ist im Schrifttum heftig umstritten. Die Ansichten teilen sich in mehreren Gruppen.

Die älteste Auffassung verlegt diese Wandlung in die spätklassische Zeit3. Diese Auffassung widersetzt sich der Ansicht, als habe die Wandlung erst im nachklassischen Zeitalter begonnen, und in dieser Gruppe gehen wider die Meinungen über die näheren Zeitpunkt des Beginns und des Abschlusses der Wandlung auseinander. R i c c o b o n o4 behauptet mehrfach, die klassischen Juristen hätten durchgehend die mündliche Form gefordert und nur diese als schulbegründend erachtet. Die Stellen die dieser These widersprechen, hält er durchwegs für verfälscht. In der Frage aber, wo und wann sich die Wandlung abgespielt habe, schwankt auch er selbst. Anfangs vertrat er

2 R. S o h m - L . M i t t e i s - L . W e η g e r ; Institutionen (München-Leipzig 1931), S. 411; —

H. K r e l l e r , Zur Geschichte der 'exceptio non numeratae pecuniae' (St. Riccobono 2 (Palermo 1936), S. 307 ff.; M. K ä s e r , Das altrömische lus (Göttingen 1949) S. 288; E. L e v y , Die

querela non numeratae pecuniae SZ 70, (1953), S. 242.

3 Ε. L e v y , Westen und Osten in der nachklassischen Entwicklung des röm. Rechts (SZ 49

(1929), S. 254 ff.).

4 S. R i c c o b o n o , Traditio ficta 34 (SZ (1913), S. 172. und S. 246; Stipulatio ed instru-mentant nel diritto giustinianeo (SZ 35 (1914), S. 297. und SZ 43 (1922), S. 337; Punti di vista

critici e ricostruttivi a proposito della dissertatione di L. Mitteis 'Antike Rechtsgeschichte und roma-nistisches Rechtsstudium' (1917) in (Annali Univ. Palermo (1928), S. 526 ff. und S. 540. ff.).

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DIE ROLLE D E R STIPULATION 187 den Standpunkt, dass so ein Vorgang nur in den östlichen Provinzen statt-gefunden habe5, liess aber später diese These fallen, und hielt einzig daran fest, dass im justinianischen Recht der griechische Literalvertrag den Ver-balkontrakt im Wesen ausgeschaltet habe6. J ö r s7 behauptet, die Stipulations-urkunde sei nach republikanischem und klassischem Recht durchgehend nur ein Beweismittel gewesen, selbst wenn sie Wort für Wort eine ungekürzte Stipu-lationsklausel enthielt. Diese Klausel hatte seines Erachtens, wenn die mün-dliche Stipulation unterblieben war, keinerlei Rechtswirkung. Diese Lage habe sich erst in der späteren Kaiserzeit — unter griechischem Einfluss — ver-ändert, und zwar nach der Constitutio Antoniniana. Anders B r a n d i l e o n e8. Seiner Meinung nach blieb die Stipulation als rechtswirksamer Verbalakt im Ostreich bis zum Erlass Kaisers Leos vom Jahre 472 (C. 8,37,10), im Westen sogar noch bis tief ins Mittelalter hinein in Geltung, und die Urkunde sei dabei nichts als ein gewöhnliche Beweismittel gewesen. Ähnlicher Ansicht ist A. W i η k-] e r9, die aber die Wende einheitlich für das ganze Reichsgebiet im erwähnten Erlass des Kaisers Leo erblickt: mit diesem Zeitpunkt hatte die Praxis begonnen den Stipulationsklauseln der Urkunden konstitutive Wirkung beizulegen.

Eine eigene Stelle nimmt unter diesen Ansichten jene L e ν y s ein. Auch er vertritt die Auffassung, dass diese Wandlung nicht in das klassische Zeitalter fiel und dass sie erst in der nachklassischen Zeit eintrat. Demgegenüber behauptet er aber, dass sich der Verbal akt schon seit Ciceros Zeiten der Urkunde nähert, da sich die Urkunde zur Fixierung des Inhalts schon seit Beginn der Kaiserzeit sozusagen zum essentiellen Bestandteil der Stipulation entwickelte, vornehmlich im Vulgarrecht des Westens, bis zu dem Grad, dass schliesslich bei Verträgen unter Anwesenden die Urkunde an die Stelle des Verbalaktes trat10.

5 R i с с o b о η о, SZ 34 (1913) und 35 (1914) a.a.O. 6 R i с с o b о η о, SZ 43 (1922), S. 395 ff.

' P . J ö r s — W. K u n k e l — L. W e n g e r , Rom. Privatrecht (Berlin 1935), S. 97-98.

8 F. B r a n d i l e o n e , Scritti di storia del diritto private italiano II (Bologna 1931), S.

419. ff.

9 A. W i η к 1 e r: Gaius III, 92 (RIDA) 5 (1958), S. 603 ff.).

10 L e v y , SZ 49 (1929), S. 255 und Weström. Vulgarrecht. Das Obligationenrecht (Weimar

1956), S. 34 ff.; F r . P r i n g s h e i m (Stipulations-Klausel. Gesammelte Abhandlungen (Hei-delberg 1961), S. 194 ff.) findet aber L e v y gehe zu weit wenn er behauptet, dass die Urkunde den Verbalakt im Vulgarrecht des Westens so frühzeitig zurückgedrängt habe. Der Standpunkt Levys, dass die Lage, die im Osten durch den Erlass Kaiser Leos geschaffen wurde (C. Th. 8, J7, 10) -— (der jede schriftliche Vereinbarung für eine Stipulatio erklärte) im Westen schon <xüher erreicht, ja sogar überholt worden sei (S. 39), ist nach Pringsheim (S. 198) unhaltbar, weil die konstitutive Rolle der Schriftlichkeit vom Osten her nach dem Westen drang. Prings-heim erklärt: „Auf vielen Wegen näherte man sich in einer weitherzigen Praxis der Anerken-nung, dass die Urkunde ein Beweismittel von besonderer Kraft sei, aber das Dogma der mündli-chen Frage und Antwort blieb bis in die hochklassische Zeit hinein bestehen und wurde noch von Diokletian bekräftigt" (S. 194). Seines Erachtens legte die Obligation den Weg zur Allein-herrschaft der Schriftlichkeit nicht so rasch und einfach zurück, wie sich dies Levy vorstellt.

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188 Ε. P Ó L A Y

Eine Weiterentwicklung dieser Auffassung stellt die Ansicht K ä s e r s dar11. Seines Erachtens war es schon längst in Übung gekommen, neben der Stipulation auch eine Beweisurkunde zu errichten, doch sei diese rechtlich kein Gültigkeitsbestandteil der Stipulation, also auch nicht geeignet gewesen diese zu ersetzen. Doch habe dies nur für das Reichsrecht gegolten. Nicht nur im Orient, auch im Westen habe sich noch in der klassischen Zeit unter den Laien die Ansicht verbreitet, das der Schuldbrief an sich, auch in Ermangelung der Stipulation, volle Beweiskraft habe.

Diese Ansicht gründete sich auf die Praxis, dass die Verfasser der Urkunden in den Provinzen, die Dokumente mit einer sogenannten Stipulationsklausel ergänzten, die, wie aus den ägyptischen Urkunden ersichtlich, folgende Worte enthielt επερωτηθείς ώμολόγησεν (-σα) ( = interrogatus spopondit)12. Diese Verwandlung des Verbalakts zu einem Literalakt erfolgte selbstredend auch laut Käser erst in der nachklassischen Zeit.

Die neueste Stellungnahme in dieser Frage stammt vom P r i n g s h e i m13. Er stüzt sich suf die Stelle des Gaius:

Praeterea litterarum obligatio fieri videtur chyrographis et svngraphis, id est si quis debere se aut daturum se scribat; ita scilicet qui eo nomine stipulatio non fiat. Quod genus obligationis proprium peregrinorum est (3. 134).

Er ist der Ansicht, dass Gaius hier von einem, im römischen Recht anerkann-ten peregrinen Rechtsbrauch spricht. Da im hellenistischen Osanerkann-ten die Urkunde verbindende Rechtswirkung hatte, hält es Pringsheim für möglich, dass durch die Urkunden, die keine Stipulation enthielten, auch der römische Bürger verpflichtet wurde falls es sich um ein peregrines Rechtsgeschäft handelte, da seines Erachtens das ius proprium peregrinorum in das ius gentium rezipiert wurde. Demgegenüber hätten für solche hellenistische Urkunden, wenn sie die Stipulationsklausel enthielten, die Stipulationsnormen des Reichsrechts gegolten,

Die Norm der Sent. 5, 7, 2: verhört im obligatio inter praesentes, non inter absentes contrahitur sei

auch dann nicht aus der Welt zu schaffen, wenn dabei die Urkunde Schritt für Schritt an Feld gewann. Jedenfalls sei die verborum obligatio aus dem Vulgarrecht des Westens nicht

verschwun-den, und es könne keine Rede davon sein, dass Justinian das Rad der Geschichte zurückgewendet hätte, als er das klassische Stipulationenrecht in das Corpus Juris aufnehmen liess (S. 197). Die

Argumente der beiden Standpunkte aber gehen — w .'e Th. M a y e r-M a 1 y bemerkt (SZ 79

(1962), S. 401) — im Wesen n'cht allzu weit auseinander und die Abwe'chungen stammen viel-fach aus unterschiedlichen Begr ffsbestimmungcn.

11 M. K ä s e r , Das römische Privatrecht II. (München 1959), S. 274. 12 P r i n g s h e i m , a.a.O., S. 205-206.

13 Natürlich hatten die Urkundenverfasser beim Aufkommen dieser Praxis — wie dies

P r i n g s h e i m (Slip. Kl. 229 und S. 246) bezüglich Ägyptens ausführt — das römische

Bei-spiel. die mit Stipulationsklauseln versehenen römischen Urkunden vor Augen, und die Aufnah-me der Stipulationsklauseln in die Urkunden war nicht ihre eigene Erfindung. Über den Zusam-menhang zwieschen den oben erwähnten Klauseln der ägyptischen Urkunden und der römischen

stipulatio siehe F. De F i s s e h e r , Symb. Taubenschlag, II S. 161 ff. und BIDR 63 S. 19 ff.;

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D I E R O L L E D E R S T I P U L A T I O N 189 dass lieisst, es habe in solchen Fällen nur der in der Urkunde bezeugte Verbalakt konstitutive Wirkung gehabt, und die Urkunde sei bloss ein Beweismittel gewesen. Er behauptet, die klassischen Juristen seien nie so weit gekommen, die konstitutive Wirkung von Urkunden bei Verbalakten anzuerkennen; diese Wandlung habe sich erst im postklassischen Zeitalter abgespielt, auf Grund der Fiktion die der Autor der Sentenzen (Sent. 5, 7, 2) registrierte.

Die beiden letzterwähnten Ansichten gehen in der Auslegeung des Reichs-rechts nicht weit auseinander. P r i n g s h e i m sagt nur insofern mehr, als er die Ungewissheit ausschaltet, die hinsichtlich der Stelle des Gaius (3, 134) in der Frage der konstitutiven Wirkung des Chyrographum und der Syngrapha herrschte. Die Auffassung Käsers ist aber elastischer, da sie die Dogmatik des Reichsrechts nicht so scharf von der Praxis der hellenistischen Gebiete trennt, in der die Elemente des Reichsrechts mit der hellenistischen Praxis immer enger verschmolzen.

3. Unseres Erachtens kommt der Wahrheit die Auffassung Käsers am nächsten.

Die Verordnungen der Severi (C. 4, 13, 6) und selbst Diokletians (C. 3, 38, 7; 4, 2, 6; 12, 4, 64, 3; — 4, 65, 27) bezeugen unzweideutig die Auffassung des klassischen Zeitalters, dass die Stipulation nur verbis begründbar ist, und dass nur das ausgesprochene Wort konstitutive Wirkung haben kann. Diese Auf-fassung gilt auch entgegen der Tatsache, dass die Rechtsquellen zu Ende des klassischen Zeitalters der Stipulationsurkunde hinsichtlich des Vollzugs des Verbalakts presumptive Wirkung gewährten (Sev. et Ant. С. 8, 37, 1), da diese Präsumption widerlegbar war. Das Reichsrecht setzte sich also über die gleich-zeitige, auf Volksmeinung gegründete Praxis hinweg, die verbindende Wirkung dem Schriftstück zuzuschreiben. Dies ist auch ganz natürlich und Ρ r i η g s-h e i m14 redet nicht ohne Grund von dem „Versuch Diokletians, das römische Recht in seiner klassischen Gestalt gegen allen Einfluss des Hellenismus zu verteidigen". In der Praxis allerdings lag die Sache anders. Die Stipulation erforderte keine Zeugen und wir wissen auch von keiner Praxis die den Verba-lakten Zeugen zugezogen hätte, um später den Vollzug des Aktes mit ihnen zu beweisen. Demgegenüber kam schon während der republik, des näheren in ihrer Spätzeit die Übung auf einen Schuldschein auszustellen, der die Darle-hensstipulation beweisen sollte. Da es für den Vollzug der Stipulation — in Ermangelung von Zeugen •— kein anderes Beweismittel gab als dieses Schiftstück, mussten die römischen Gerichte bei Vorweis einer solchen Urkunde den Schuldner auf Grund ihres Inhalts verurteilen, es sei denn, dass er einen zwingenden Gegenbeweis erbringen konnte (etwa dass er sich im gegebenen Zeitpunkt nicht in der Ortschaft der angeblichen Stipulation aufhielt). Die Gerichtspraxis

14 P r i n g s h e i m , Zu Reichsrecht und Volksrecht (JJP. 8 (1954), S. 163-168 ( = Ges.

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deckte sich also äusserlich vollkommen mit der laischen Auffassung, dass der Richter bei Yorweis der Stipulationsurkunde das Urteil auf Grund ihres Inhalt fällte, da ein Gegenbeweis praktisch wohl selten in Frage kommen konnte.

Unterdessen dehnte die Constitutio Antoniniana an der Schwelle des nachklas-sichen Zeitalters (212 u.Z.) das römische Bürgerrecht auf alle freien Reichsbe-wohner aus. Die Klausel επερωτηθείς ώμολόγησεν kam in diesen Urkunden, wie dies A r a n g i o - R u i z , W o l f f und P r i n g s h e i m15 feststellten, nach der constitutio allgemein in Übung, und zwar nach Auffassung der beiden erstgenannten Autoren wohl deshalb, um diese Verträge vor den römischen

Gerichten klagbar zu machen. Diese Praxis wurde also nach der Erlassung О t?

der Const. Antoniniana auf dem ganzen hellenistischen Gebiet allgemein, und breitete sich später auch weiter auch in andere Gebiete des Reiches aus, dessen Bevölkerung nunmehr hinsichtlich des status civitatis wesentlich gleichgestellt war ; damit wurde auch der Verfall oder, wie sich v a n Ο ν e n10 ausdrückt, die „Degenerierung" der Stipulation zur einen allgemeinen Erscheinung.

Diese sog. Degenerierung ging folgend^rmassen vor sich:

erstens kam in der römischen Gerichtspraxis ein wesentlicher Rechtsgrund-satz des hellenistischen Rechtsgebietes: die Schriftlichkeit zu entscheiden-der Rolle, was sich darin äusserte, dass, besonentscheiden-ders nach entscheiden-der Const. Antoniniana, auch die römischen Gerichte einzig die Stipulationsurkunde als Beweis des Verbalaktes gelten liessen,

und da praktisch ein Gegenbeweis kaum möglich war, diesen mit der Zeit auch versagten. Zu diesem Degenerierungsvorgang setzt sich weiters auch damit fort, dass

die Urkunden — zumindest im Osten — griechisch abgefasst wurden, also die Ausdrücke spondesne — spondeo, promittisne — promitto usw. nicht mehr wörtlich wiedergaben, obwohl diese Worte noch in der zweiten Hälfte des klassischen Zeitalters sehr wesentlich waren (Gai. 3, 92-93). Im Westen wiede-rum wurden mit anderen auch die Ausdrücke spondere, promittere usw. vulga-risiert und bedeuteten nicht mehr notwendig die Stipulation. Es kamen an ihrer Stelle Worte wie cautio, instrumentum, documentum usw. in Gebrauch17.

15 V. A r a ii g i o-R u i z, L'application du droit romain en Egypte après la constitution

Antoninienne. Bull, de VIst. d'Eg. 29 (1918), S. 22 ff. — Seines Erachtens beginnt die allgemeine

Verbreitung der Stipulationsklauseln in Ägypten um 220 u.Z.; H. J. W o l f f , Zur Romanisie-rung des Vertragsrechts der Papyri ( S Z 73 (1956), S. 13 f f . ; Ρ r i n g s h e i m (Stip. К . 222,

S. 224) findet, dass diese Klauseln in Ägypten mehr erst nach der Const. Ant., anderwärts aber

auch schon vorher allgemein in Übung kamen. (Wie sich dies an der Urkunde aus Side in Pam-phylien (FIRA III, 133) an mehreren Urkunden aus Dura und auch an den Texten der aus

Dazien stammenden Triptychen zeigt).

16 J. C. V a n O v e n , La stipulation a-t-elle dégénéré? (Tijdschft. V. Rechtsgesch. 26 (1958)

Bd., S. 409-436.

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D I E R O L L E D E R S T I P U L A T I O N 191 III

1. Bevor wir zur Prüfung der Frage schreiten, welche Funktionen die Sti-pulation in Rahmen der einzelnen Verträge erfüllte, müssen wir uns erst ins klare kommen darüber, in welcher Gestalt die Stipulationen allgemein zustande kamen und ob die Urkunde schon an sich fähig war, die Verpflichtung zu er-zeugen, oder ob auch die Stipulation selbst erfolgen musste und die Urkunde bloss ein Beweismittel für sie war.

„ 2. Unter den Stipulationen in den leserlichen Urkunden kam eine als

sponsio zustande (T. XIII) ; bei der übrigen aber war die Stipulation in der Form der auch Peregrinen zugänglichen Wortpaare fide rogare —fide promittere erfolgt, falls sie überhaupt statgefunden hatte und nicht nur in der Urkunde erwähnt war. Die Übernahme der Bürgschaft, die sich gleichfalls in mehreren Urkunden findet, geschah durchgehend in der Form der fideiusso.

Bei der einzigen leserliche Urkunde die eine Stipulation in Form der sponsio enthält, sind wir zu der Annahme berechtigt, dass die Subjekte dieses Verbal-kontraktes römische Bürger waren, da um den Zeitpunkt der Entstehung dieser Urkunde (28. März 167 u.Z.), also ungefähr im Zeitalter des Gaius, die-ser selbst bezüglich der sponsio erklärt:

at ille verborum obligatio 'dari spondes, spondeo'' adeo proprium Romanorum est, ut ne quidem in Graecum sermonem per interpretationem proprie transferri possit, quamvis dicatur a Graeca voce figurata esse (3, 93).

Ähnliches sagt auch eine zweite Stelle des Gaius (3, 120). Allerdings finden л vir das Wort spondere in der provinzialen Praxis auch in verzerrter Bedeutung gebraucht, indem eine Behörde verspricht, eine Stiftung zu genehmigen18, doch kann dies unsere obige Behauptung wohl kaum entkäften. Von den Parteien die in der Urkunde eine sog. societas danistaria gründeten (Τ. XIII), konnte die eine, auch ihrem Namen nach (Cassius Frontius) zu schliessen, ein römischer Bürger gesewen sein, bei der anderen deutet nur das eine Glied ihres Namens (Julius Alexander) auf griechischen Ursprung hin, was aber keineswegs aus-schloss, das auch dieser Vertragspartner das römische Bürgerrecht besass. Dies unterbaut auch die Tatsache, dass im Darlehensvertrag der Urkunde V. die ein Stipulationsverhältnis zwischen demselben Julius Alexander und einem gewissen Alexander Cari begründete, dessen Namen zweifellos auf peregrine Abkunft schliessen lässt, die Stipulation mit dem Worten: fide

roga-vit •—fide promisit erwähnt ist.

Die übrigen Urkunden in denen die Stipulation nicht mit den Worten

stipulatus est — spopondit sondern mit den Worten fide rogavit —fide promisit erwähnt ist, wurden, wie sich an dieser Tatsache zeigt, nicht vom römischen Bürgern ausgestellt bzw. bestellt; höchstens dass eine der Parteien römischer

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Bürger war, wie der Sklavenkäufer des Triptychon X X V Claudius Julianus, ein Soldat der XIII. Zwillingslegion (Legionäre konnten nur römische Bürger werden).

Eine fideiussorische Bürgschaftsübernahme lassen die Ausdrücke idem oder id fide sua esse iussit in den Triptychen Y, VII bzw. X X V erkennen, wie auch das Wort fideiussoris in dem — vermutlichen — Darlehensvertrag des stark beschädigten Triptychon II, das neben dem Namen eines Untersieglers steht. Bürgschaftsübernahmen in den beiden anderen Gestalten der Adpromissio, als a der Sponsio oder Fidepromissio, kennt der Stoff der Siebenbürger Wachsta-feln nicht, was darauf zu deuten scheint, dass damals nur mehr die elastischeste Form der Adpromissio in Übung war.

3. Eine weitere Frage geht — wie schon erwähnt — dahin, ob den Urkun-den nur Beweiskraft zukam und sie daher Urkun-den Yerbalakt nicht entbehrlich machten, oder ob die Urkunden an sich die Schuldverbindlichkeit konstituierten und ihre Verfasser die sog. Stipulationsklausel nur auf Grund der Gewohnheit der östlichen Provinzen in die Schriftsstücke aufnahmen, um ihnen auch vor den römischen Gerichten Bechtsgültigkeit zu verleiben.

Vor allem müssen wir wissen, dass in Dazien wo die Urkunden ausgestellt wurden viele Griechen lebten, da Trajan nach dem dazischen Krieg dort nicht nur illyrische, sondern auch griechische Volksgruppen ansiedelte, die vor allem aus Kleinasien, also aus hellenistischen Gebieten stammten. Dass auch in Ve-respatak und seiner Umgebung Griechen lebten, bezeugen die Wachstafeln selbst, da die vorkommenden Namen grossenteils griechischen Ursprungs sind (was sich in zahllosen Fällen an der griechischen Gewohnheit zeigt, den Namen des Vaters in den Genitiv zu stellen); eine der Schuldurkunden (T. IV) ist in griechischer Sprache abgefasst und der Fideiussor des Triptychon X X V hat seinen Namen, da er offenbar der lateinischen Schrift nicht machtig war, in griechischer Schrift unter die Urkunde gesetzt. Dies alles zeigt dass D a z i e n e i n e d e r P r o v i n z e n w a r , w o s i c h d e r h e l l e n i s t i s c h e E i n f l u s s i n j e d e r H i n s i c h t d u r c h g e s e t z t h a t t e . Wenn dem aber so ist, so dürfen wir annehmen, dass dort auch d i e U r k u n d e n n i c h t u n b e k a n n t w a r e n , die — abweichend von der römischen Auffassung, die sich nur bei den Literalkontrakten griechischen Ursprungs mit der schriftlichen Form zufriedengab — d i e S c h u l d V e r b i n d l i c h -k e i t a n s i c h , sine verbis -k o n s t i t u i e r t e n . Eine solche Ur-kunde, die die Schul dverbindlichkeit selber konstituierte, können wir in der griechisch verfassten Darlehensurkunde des Triptychon IV erkennen (CIL III. p. 933). Doch scheint uns der gleiche Falle auch bei der Urkunde des Triptychon X I I über ein depositum irreguläre vorzuliegen (CIL III. p. 494), deren Inhalt gerade die Auffassung P r i n g s h e i m s (I, 2) bestätigt, der die Stelle Gaius 3,134 dahin auslegen will, dass in den hellenistischen Urkunden auch römische Bürger als Subjekte der peregrinen Bechtsgeschäfte auftreten konnten.

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Bei-DIE ROLLE DER STIPULATION 193 de Tafeln handeln über die Rückzahlung einer certa pecunia. Trotzdem ist eine Stipulation weder im griechischen noch im lateinischen Schriftstück zu finden, obwohl beide Urkunden zunächst der Selbstverpflichtung auf Rückzahlung so einer certa pecunia galten. Doch gahen wir weiter. Der Anspruch auf die Vertragsstrafe wurde im römischen Recht allgemein durch stipulatio poenae begründet, und zwar gewöhnlich im Wege zweier Stipulationen, von denen die erste auf eine Leistung, die zweite auf den Fall des Unterbleibens dieser Leistung gerichtet war (diese letztere war die stipulatio poenae)19. Die Zusagen

und die beiderseitigen Vertragstrafen für den Fall der Nichterfüllung in den Dienstverträgen (CIL III. p. 448—449) der Triptychen I X — X I bezogen sich, wenn auch nicht auf Sachleistungen so doch auf die Leistung von Arbeit und Arbeitslohn (in diesem letzteren Fall also doch auf Leistung von Sachen, — näher gesagt sogar von Geld). Trotzdem fehlen die stipulativen Versprechen sowohl hinsichtlich der Hauptverbindlichkeit als auch bezüglich der Ver-pflichtung zur Vertragsstrafe (stipulatio poenae). Ebenso enthält das bereits erwähnte griechisch verfasste Triptychon IV die Regründung eines solchen Anspruchs auf Vertragsstrafe20. I m r ö m i s c h e n D a z i e n f i n d e n

19 Papinianus: Pamphilum dari s pondes ? Si non dederis tantum dari spondes? (D. 45, 1,

115, 2).

20 Freilich könnte man demgegenüber behaupten, es habe von den Triptychen IV und

I X — X I I nur das IV (griechische) Triptychon nach hellenistischer Praxis an sich konstitutive Wirkung gehabt, während die übrigen nur zum Beweise dienten, weil der Text im Triptychon IV in der ersten Person, in den übrigen aber in der dritten Person abgefasst ist, was der Natur der Sache nach darauf hinzuweisen scheint, dass die Triptychen I X — X I I bloss einen ausser-halb der Urkunde abgeschlossenen Konsensual — oder Realakt bestätigen, während der in erster Person verfasste Text darauf hinwiese, dass hier die Verbindlichkeit ex litteris entstand. Dazu sei folgendes bemerkt : das Bedingen der Vertragsstrafe erfolgte nach römischem Recht praktisch allgemein im Wege der Stipulatio (wie dies auch im Triptychon XIII geschieht). Aber warum berufen sich die Texte der Triptychen I X — X I beim Bedingen der Vertragsstrafe nicht auf eine solche stipulatio poenae? Offenbar darum, weil die Verfasser der Urkunden unter dem Ein-fluss des lokalen, hellenistisch gerichteten Volksrechts standen. Nach diesem Recht kam aber auch der Urkunde selbst konstitutive Wirkung zu, und so genügte sie auch an sich, um die Ver-bindlichkeit der Konventionalstrafe zu erzeugen. Und was schliesslich das gleichfalls in dritter Person abgefasste Triptychon (XII) über das Depositum irreguläre betrifft, wurde dieses Rechtsge-schäft aus dem hellenistischen Recht in das römische rezipiert (R. T a u b e n s c h l a g , Opera

minora (Warschau 1959), Bd. I, S. 444 u. 457) und daher ist anzunehmen, dass bei diesem helle-nistischen Rechtsgeschäft auch die daraus entstehende Verbindlichkeit durch die Urkunde selbst entstand, falls überhaupt eine Urkunde ausgestellt wurde. Denn dieses Rechtsgeschäft ist ein Bestandteil des griechischen Rechts und war dem klassischen Recht, also dem römischen Recht zu der Zeit der Entstehung der Wachstafeln, noch unbekannt. Wir haben es hier dem Wesen nach mit einer in lateinischer Sprache abgefassten griechischen Vertragsform zu tun (die Quellen und die Literatur über die nachklassische entstehnung des depositum irreguläre s. K. S z e-m é 1 y i : Roe-mai jog (Röe-misches Recht) Nyiregyhâza 1932. Bd. II, S. 3). Ie-m übrigen ist es nicht angebracht aus der Abfassung in erster oder dritter Person weitgehende Folgerungen bezüglich des konstitutiven oder deklarativen Charakters der Urkunde zu ziehen, da der Text in erster bzw. dritter Person (chyrogryphum, syngrapha) zu den Arteigenheiten der einzelnen Urkunden

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194 Ε. P Ó L A Y w i r a l s o u m d i e M i t t e d e s I I . J a h r h u n d e r t s u. Z. F ä l l e , w o b e i S c h u l d v e r p f l i c h t u n g e n , d i e n a c h r ö m i s c h e r P r a x i s d u r c h g e h e n d a n d i e R e c h t s h a n d l u n g d e r S t i p u l a t i o n g e b u n d e n w a r e n , w i e z . B . b e i D a r l e h e n s v e r t r ä g e n o d e r b e i d e r A u s b e d i n g u n g v o n V e r t r a g s -s t r a f e n , d i e P a r t e i e n d e n V e r b a l a k t u n t e r l i e -s -s e n . Gegen diese Tatsache kann man nicht damit argumentieren, dass die Parteien dieser Urkunden Pergerinen waren, da auch die Subjekte der mit Evictions-stipulationen versehenen Sklavenkaufverträge in den Triptychen VI-VIII (CIL III p. 936-947) ausnahmslos Peregrinen waren, während andererseits der Deponent des depositum irreguläre laut Triptychon X I I , der besagte Julius Alexander — wie schon dargelegt — ein römischer Bürger war und es ausserdem fraglich ist, ob der Arbeitsnehmer des Dienstvertrags in T. IX., L. Ulpius Valerius, nicht zumindest das sog. Halbbürgerrecht besass21.

Schon seit den Zeiten Ciceros beginnt sich bei den Laien die Auffassung zu bilden — wie dies C o s t a2 2 anhand zahlreicher Belege beweist — dass bei der Stipulation das Schriftstück zu den essentiellen Bestandteilen des Rechtsge-schäftes gehört. Diese laienhafte Auffassung nährte sich zunehmend aus der hellenistischen Praxis23, dass die Verfasser der Urkunden in den östlichen Pro-vinzen sog. Stipulationsklauseln in ihre Urkunden aufnahmen, um diese auch vor den römischen Gerichten verwendbar zu machen. Die Parteien und die Schreiber der siebenbiirgcr Urkunden (das Triptychon I X wurde von Adiutor Macari, die Urkunde X I von Dorcus geschrieben) waren teils Peregrinen oder doch wenigstens Römer die in peregrinen Dörfern lebten (der Schreiber der Urkunde X war Flavius Secundinus), deren Bewusstsein gewiss stark unter dem Einfluss des lokalen, örtlich geltenden Peregrinenrechtes stand, das der Urkunde konstitutive Wirkung beimass. Damit erklärt es sich, dass die Urkun-den der Tafeln von Verespatak über unterschiedlichste Rechtsverhältnisse handeln. Die Parteien strebten nach schriftlichen Vereinbarungen, selbst wenn dies mit Schwierigkeiten verbunden war, wie etwa wenn die Parteien oder eine von ihnen nicht schreiben konnte (siehe T. I X - X I ) . Doch Hessen die Par-teien in diese Urkunden nach Möglichkeit auch die Stipulationsklausel

aufneh-zählt, wobei die Urkunden beider Arten — laut Gaius (3. 134) — konstitutive Wirkung hatten, auch dann, wenn ihrer Ausstellung keine Stipulatio voranging (was sich damals freilich nur auf das Peregrinenrecht bezog). Übrigens enthält die Stelle D. 12, 1. 40 die Formel einer Darlehen-stipulation in erster Person, obwohl die konstitutive Wirkung hier — im Geltungsbereich des klassischen römischen Rechtes —- ausschliesslich im Verbalakt liegen konnte.

21 E. W e i s s , Peregrinische Mancipationsakte (SZ 37 (1916), S. 138) hält ihn für einen

römischen Bürger, was jedoch in Hinblick auf seine soziale Lage (als Bergmann) nicht sehr wahrscheinlich klingt.

22 E. C o s t a , Cicerone giureconsulto (Firenze 1927) Bd. I, S. 163. 23 K ä s e r , RPR II, S. 274.

(12)

D I E R O L L E D E R S T I P U L A T I O N 195 men, zumindest wenn sie meinten, dass ihre Urkunde vor einem römischen Gerichtshof als Beweismittel dienen könnte. Damit suchen wir uns die Tatsache zu erklären, dass die Mehrzahl der Stipulationen in den Verträgen steht, deren mindestens eine Parteie römischer Bürger war24. Wir sehen also, dass d i e a u s g r i e c h i s c h e n W u r z e l n g e n ä h r t e A u f f a s s u n g , d a s s d i e U r k u n d e u n m i t t e l b a r e R e c h t s w i r k u n g h a b e , a u c h i m r ö m i s c h e n D a z i e n h e r r s c h t e , u n d e s k a n n s e i n , d a s s d i e S t i p u l a t i o n e n s k l a u s e l i n d i e s e U r k u n d e n g r i e c h i s c h e n T y p u s n u r a u f g e n o m m e n w u r d e , u m s i e v o r d e n r ö m i s c h e n G e r i c h t e n v e r w e n d b a r z u m a c h e n .

Den ersten Anzeichen dieser Umwandlung des Stipulationsgeschäftes be-gegnen wir am Ausgang des klassischen und an der Schwelle des nachklassischen Zeitalters. Ein Erlass der Kaiser Severus und Antoninus aus dem Jahre 200 u.Z. präsumiert die erfolgte Stipulation auch dann, wenn das Schriftstück nur das Versprechen bestätigt. Aber die Sententiarum libri aus den ersten Jahrzehnten der nachklassischen Zeit verallgemeinern diese Regel schon indem sie erklären:

Verborum obligatio inter praesentes, non etiam inter absentes contrahitur, quod si scriptum fuerit instrumenta promisisse aliquem, perinde habetur, atque si interrogatione praecedente responsum sit (5, 7, 2).

Ganz zu Ende des klassischen Zeitalters schafft also die Urkunde nach Kaiserrecht eine praesumptio iuris für die erfolgte Stipulation, und wenn es nicht gelingt, diese Annahme durch Gegenbeweise zu entkräften, besteht die Schuldverbindlichkeit auch dann zu Recht, wenn der Verbalakt tatsächlich niemals statgefunden hat. Da es ziemlich schwierig war, gegen die urkundlich begründete Präsumption einen Gegenbeweis zu erbringen, wurde in der Praxis auf die Stipulation vielfach auch verzichtet. U n d w e n n s o m i t g e g e n E n d e d e s II. J a h r h u n d e r t s u. Z. n a c h R e i c h s r e c h t d i e S c h u l d v e r b i n d l i c h k e i t f a k t i s c h a u c h o h n e V e r b a l a k t e n t s t e h e n k o n n t e , f a l l s n u r d i e U r k u n d e d i e S t i p u l a -t i o n s k l a u s e l e n -t h i e l -t , k o n n -t e d i e s u m s o l e i c h -t e r i n e i n e r P r o v i n z g e s c h e h e n , i n d e r s i c h a u c h h e l l e n i -s t i -s c h e r E i n f l u -s -s g e l t e n d m a c h t e .

Schliesslich kommt noch ein weiterer Umstand in Betracht. Die Bürgschafts-übernahme erfolgte im Stoff der siebenbürgischen Wachstafeln (in fragmentari-schen Triptyclion II und in den vollständigen Triptychen VII und X X V )

ausnahmslos in der Gestalt der Fideiussio. Davon kann nicht die Rede sein, dass die beiden anderen Formen der Bürgschaft: die Sponsio und die Fide-promissio im II. Jahrhundert u. Z. ausser Übung gekommen wären, da diese

21 Verträge, bei denen wenigstens eine der Parteien römischer Bürger war, enthalten die

Triptychen III, V, X I I , X I I I und X X V , wobei die Stipulationsklausel nur im Triptyclion X I I fehlt. Die Parteien der Verträge V I — V I I I und I X — X I waren vermutlich beiderseits Peregrinen und hier fehlt diese Klausel in den letzten drei Tafeln.

(13)

196 Ε. P Ó L A Y

noch bei Gaius als lebende Einrichtungen erwähnt sind (3, 118). Allerdings konnten sich der Sponsio nur Bürger bedienen, der Fidepromissio aber, ebenso sie der Fideiussio, auch Peregrinen. Dass sich in der dazischen Praxis bei der Bürgschaftsübernahme trotzdem durchgehend die Fideiussio durchgesetzt hatte lag, neben der maximalen Elastizität dieses Rechtsgeschäftes, wohl auch daran, dass sich mit der Fideiussio die Bürgschaft ohne Unterschied für Verbal-, Literal- und Konsensualverträge begründen liess, während die Fidepromissio nur zu Verbalverträgen hinzutreten konnte (Gai. 3, 118-119). Die Fideiussio bestand also auch dann zu Recht, wenn die Hauptverbindlichkeit — wie dies z. B. bei dem fragmentarischen Triptychon II anzunehmen ist — auf keiner Stipulation beruhte.

Den starren Standpunkt P r i n g s h e i m s25, dass bei Urkunden die eine Stipulationsklausel enthielten durchwegs nur die Stipulationsnormen des Reichsrechts in Anwendung kamen, können wir mit diesen Ausführungen zwar nicht ausdrücklich widerlegen, doch berichtigen sie uns immerhin zu der Annahme, dass die Stipulation im römischen Dazien, wo sich auch hellenistische Einflüsse geltend machten, nicht unbedingt einen Verbalkontrakt deckte, sondern dass die mit Stipulationsklausel η versehenen Urkunden ausnahmsweise auch an sich konstitutive Wirkung haben konnten.

4. Nun bleibt noch zu prüfen, welchen Zwecken die Stipulationen in den siebenbürgischen Wachstafeln dienten. Aus den lesbaren Triptychen geht hervor, dass diese Stipulationen viererlei Aufgaben haben konnten23. Dementsprechend unterscheiden wir folgende Stipulationen:

a). Darlehenstipulationen

b). Eviktionsstipulationen und die stipulatio habere licere c). die stipulatio poenae und

d). Fideiussionen.

IV

1. Die meisten Probleme ergeben sich vielleicht aus den Darlehenstipula-tionen. Stipulationen finden sich in zwei Darlehensverträgen unserer Urkunden (T. III und V, CIL III. P P. 931 und 935).

Wie bereits erwähnt, trat gegen Ende der Republik im römischen Recht unter griechischem Einfluss die Syngrapaha auf, der Schuldschein in dem sich jemand bindend verpflichtet, eine erhaltene Geldsumme dem der sie ausgezahlt

25 P r i n g s h e i m , Stip. KL, S. 206.

26 Laut P r i n g s h e i m (Stip. KL, S. 201) kann die Stipulatio drei Aufgaben haben:

1. Zinzversprechen, Geschenk- oder Mitgiftversprechen, wobei die Verbindlichkeit selbst keinen klagbaren Verträgen entsprang; 2. auch bei klagbaren Verträgen die Unterbauung der Klage, weil die Condictio für den Gläubiger vorteilhafter war (z.B. Kaufpreisstipulationen) ; 3. zuweilen hatte sie auch Strafabsicht, wie der Verbalakt zur Begründung der Vertragsstrafe.

(14)

D I E R O L L E D E R S T I P U L A T I O N 197 hatte oder einer dritten Person zurückzuzahlen. Diesem Schuldschein an sich legte freilich das römische Recht keine verpflichtende Wirkung bei. Die verpflich-tende Wirkung entsprang nicht dem Schriftstück an sich, sondern entweder der Tatsache, dass der im Schuldbrief bezeichnete Schuldner die betreffende Geldsumme tatsächlich erhalten hatte und der Gläubiger auf Grund dessen die condictio sine causa gegen ihn anstrengen konnte, oder der Tatsache, dass der Schuldner im Rahmen eines tatsächlich stattgefundenen Verbalakts die Rückzahlung des erhaltenen Darlehens (kausale Stipulation) . oder einfach, ohne Bezeichnung der causa, die Bezahlung einer angegebenen Summe ver-sprochen hatte (abstrakte Stipulation), wobei dem Gläubiger die actio ex

sti-pulatu zur Verfügung stand. Dementsprechend konnte die Syngrapha nach römischen Recht lediglich als Beweismittel dienen.

Anders lag die Sache bei der sog. σνγγραφή, der parallelen Einrichtung des griechischen Rechtes, die konstruktive Wirkung hatte: hier genügte die Ur-kunde an sich um die Klage zu erheben, ja unter Umständen sogar ohne Klage und Urteil die Vollstreckung gegen den Schuldner anzustrengen, ohne Rücksicht darauf, ob die Darlehensumme tatsächlich ausbezahlt worden war oder nicht27. Die griechische Urkunde konnte also ein tatsächliches oder auch ein fiktives Darlehen decken.

Daher müssen wir hinsichtlich unserer Darlehensvert äge die folgenden Fragen klären:

a). haben wir es in den gegebenen Fällen mit Darlehensurkunden griechischen oder römischen Typus zu tun;

b). hatten die Stipulationen in den beiden Urkunden abstrakte oder kausale Fassung;

c). wurde das Darlehen in beiden Fällen tatsächlich ausgezahlt oder handelt es sich nur um fiktive Darlehen und schliesslich

d). da beide Verträge auch Zinsversprechen enthalten: wie verhalten sich die Zinsversprechen zu dem Akt der die Hauptverbindlichkeit begründete.

Diese Fragen hängen so eng miteinander zusammen, dass wir sie nur auf Grund einer einheiltlichen Untersuchung beantworten können.

2. Die Frage ob der erwähnte Schuldbrief nach griechischen Recht abstrakten oder kausalen Charakter hatte, ferner ob er sich auf einen tatsächlichen oder fiktiven Kredit aufbaute, ist im Schrifttum ziemlich umstritten. M i t t e i s28 vertritt die Ansicht, dass die griechische Praxis in der σνγγραφή einen echten Literalvertrag erblickte, der an sich eine Schuldverbindlichkeit konstituierte. Der Ausdruck έδάνεισεν der zweifellos auf die Ausbezahlung eines Darlehens ( = δάνειον) hinzuweisen scheint, beweise keineswegs den kausalen Charakter der Urkunde. „Das Darlehen — erklärt M i 11 e i s29 — ist die allgemeine

27 K ä s e r , RPR II, S. 273.

28 L. M i t t a i s : Reichsrecht und Volksrecht S. 468 ff. 29 M i 11 e i s. Reichsrecht, S. 475.

(15)

198

Ε. PÓLAY

Form des Credits und man könnte das έδάνεισεν auch übersetzen mit 'es

hat credidiert N. N.', wie denn bekanntlich δανειστής in der Rechtssprache

den Gläubiger in abstracto bezeichnet". Der Ausdruck έδάνεισεν von dem die

Urkunde in der Wissenschaft den Namen δάνειον — Urkunde erhielt,

bezeich-nete alle Formen der Kreditgewährung, ob es sich um Darlehen, Bürgschaften

oder um Kreditierung von Kaufpreisen handelte. Die abstarkte Natur der

Urkunde verficht auch R i с с o b о n о

30

, obwohl er auch die Berufung auf

die Klagegrundlage nicht ausschliesst. K ä s e r

3 1

behauptet, dass die

Daneion-Urkunde die Verbindlichkeit aus einem abstrakten Rechtsgeschäft verkörpert,

ohne fiktiven Charakter zu haben. B r a n d i l e o n e

3 2

aber leugnet sogar die

verbindlichkeiterzeugende Wirkung der Urkunde als solcher, da seines Erachtens

zu dem Vertrag auch ein Konsens erforderlich war. Den gleichen Standpunkt

vertritt auch S t о 11

33

, indem er behauptet die συγγραφή habe mit der ομολογία

eine rechtlich ungeteilte Einheit gebildet. Ausserdem führt B r a n d i l e o n e

aus, dass die σνγγραφή δάνειον kein abstrakter, fiktiver Schuldschein gewesen

sein konnte, da sie ebenso bei tatsächlich ausbezahlten Darlehen, wie bei

ein-fachen Kreditvereinbarungen ausgestellt wurde. Unseres Erachtens erhalten

wir die Antwort auf diese Frage aus den sog. Nikareta- und

Asklepiasurkun-den

34

, auf deren Analyse erstmalig Mitteis einen Standpunkt zu gründen suchte.

Im ersten Fall hatte die Stadt Orchomenos in Böotien von einer Frau, Namens

Nikareta ein Darlehen in der Höhe von 17 000 Drachmen aufgenommen

(έδάνει-σεν). Da der Schuldner den Zahlungstermin versäumte, wurde, den

Wuchersit-ten gemäss, eine neue Urkunde über 17 585 und später noch eine über 18 833

Drachmen ausgestellt, wobei die Stadt und neben ihr die Polemarchen und

die 14 angesehensten Bürger der Stadt die Verpflichtung zur pünktlichen

Rückzahlung binnen 4 Monaten übernahmen, und zwar vier von ihnen als

Korrealschuldner, die übrigen als deren Bürgen.

Im zweiten Fall gewährte (im Jahre 166 oder 99 v.u.Z.) Arsiasis aus

Dios-polis dem Asklepias ein unverzinsliches Darlehen von 22

1

/

z

Artaben Weizen

(έδάνεισεν) anstelle der 14 Artaben Weizen, die der Vater des Asklepias dem

Vater des Arsiasis auf Grund einer ägyptischen Urkunde schuldete (κατά

σύμβόλαιον αίγύπτιον, Pap. Louvre 7).

Aus den beiden Urkunden geht Folgendes hervor:

Obwohl beide Urkunden von Darlehen reden, also anscheinend kausale

Verträge enthalten, wissen wir einerseits dass der Ausdruck έδάνεισεν nicht

30

R i с с o b о n о, SZ 43 (1922), S. 394 ff.

31

Käser, RPR II, S. 273-274.

32

F. B r a n d i l e o n e ,

Sulla supposta obligatio lilterarum nell'anlico diritto graeco (Mem. delia R. Accad. di Bologna

1919/20, S. 57 ff.).

33

A. S t o l i ,

Übersicht über die italienische Rechtsliteratur

1915-1922 (SZ 47 (1927) Bd.,

S. 518.

34 M i 11 e i s, Reichsrecht, S. 470 u. 473.

(16)

DIE ROLLE DER STIPULATION

199

nur Darleben sondern auch allerlei Kreditsgeschäfte bedeutete, Avas der Urkunde

einen abstrakten Charakter verleiht ;

j^. die Worte κατά σνμβόλαιον αίγύπτιον besagen, dass das ursprüngliche

δάνειον auf Grund einer Urkunde bestand, dass also die Verbindlichkeit einer

Urkunde entsprang und dass daher der Vertrag einen Literalkontrakt und

nicht die schriftliche Fassung eines Konsensualkontraktes bedeutete. Die

Verbindlichkeit war nicht der ομολογία sondern dem συμβόλαιον entsprungen;

schliesslich hatten einerseits die Polemarchen und die 14 Bürger von

Orcho-menos kein Darlehen von der Nikareta erhalten und nahmen dennoch ebenso

eine Verbindlichkeit auf sich, als ob die betreffende Summe auch die Polemarchen

und die vier — als Korrealschuldner verpflichteten — Bürger behoben hätten

Andererseits steht es fest, dass Arsiasis dem Asklepias niemals 22

x

/

2

Artaben

Weizen übergeben hatte und sich trotzdem zu deren Übergabe verpflichtete,

•was also beweist, dass sich beide Urkunden auf die Bezahlung eines ganz oder

teilweise fiktiven Darlehens richten.

Die Daneion-Urkunde des griechischen Rechtes war demnach

verbindlich-keitserzeugend (ein Literalkontrakt), abstrakt und fallweise fiktiver Natur,

galt also als Beweis auch contra fidem veritatis

35

.

3. Die beiden siebenbürgischen Darlehensurkunden weisen in Text und

Aufbau beträchtliche Unterschiede auf und so ist es schwer die oben gestellten

Frage einheitlich zu beantworten.

Prüfen wir zuerst die weniger problematische Darlehens stipulation des

Triptychon V. Der Text der Urkunde enthält zwei Stipulationen. Die erste

richtet sich auf der Rückzahlung des Kapitals, die zweite soll die Zinsforderung

begründen. Der Stipulation der Kapitalsrückzahlung folgt unmittelbar auch

der Text einer Quittung, der die Aufnahme der kreditierten Summe durch den

Schuldner bestätigt. Die erste Hälfte der Darlehensurkunde ist genau nach

römischem Muster formuliert, und verträgt somit einen Vergleich mit der

Stipulationsformel des Paulus (D. 12, 1, 40):

LX qua die petierit probos rede dari Lucius Titus scripsi me accepisse

fide rogavit Julius Alexander, dari fide a Publio Maevio quindecim mutua

promisit Alexander Cari (Darlehens- numerata mihi de domo (Quittung) —

stipulation) — et se eos LX qui supra et haec quindecim proba rede dari

Ka-scripti sunt, mutuos numeratos accepisse lendis futuris stipulatus est Maevius,

et debere se dixit (Quittung, T. V, spopondi ego L. Titius

(Darlehenssti-Zeile 1-3). pulation).

Die dazische Praxis hatte also — wie sich an diesem Beuspiel zeigt — nicht

nur den Aufbau sondern auch den Wortgebrauch der Darlehensquittungen

übernommen, was uns beweist, dass man grosses Gewicht darauf legte, die

Urkunde auch vor römischen Gerichten verwendbar zu machen. Dies um so

mehr, als der Schuldner des Vertrags, Julius Alexander, römischer Bürger war.

(17)

200 Ε . P Ó L A Y

Vor allem heisst es die Frage zu klären, ob unsere Urkunde ein konstitutiver griechischer Schuldbrief oder eine römische Beweisurkunde ist.

Wie schon dargelegt, wäre es trotz ihrer römisch-rechtlichen Formen ausnahms-weise immerhin denkbar, dass auch die mit Stipulationsklauseln versehenen Urkunden der siebenbürgischen Wachstafeln an sich verbindliche Kraft gehabt hätten und dass die Vornahme des Yerbalaktes belanglos war. Trotzdem sind wir der Meinung, dass die Darlehensstipulation in vorliegenden Fall nicht nur in der Urkunde steht, sondern dass der Verbalakt auch tatsächlich stattgefunden hat. Darauf deutet die peinliche Befolgung die römischen Urkundenformen und die Tatsache, dass der Gläubiger des Vertrags, der Wucherer der Gruben-gegend um Alburnus maior, auch schon in seiner Eigenschaft als römischer Bürger, die Gerichtspraxis der römischen Behörden kennen musste um sich gewiss nicht der Gefahr eines Gegenbeweises gegen seine Urkunde aussetzen wollte, der unter Umständen wegen des versäumten Verbalaktes zur Abweisun-gen seines Klagebegeherns führen konnte.

Die zweite Frage lautet dahin, ob wir es hier mit einer abstrakten oder kau-salen Stipulation zu tun haben. Ihrem Text nach erwähnt die eigentliche Sti-pulationsklausel die causa des Bechtsgeschäftes nicht, und so könnte man es als abstrakt betrachten. Doch folgt sofort nach der Klausel die Quittung des Schuldners über die Gewährung und die Aufnahme des Darlehens (mutuos

numeratos aeeepisse). Wenn also auch der Ausdruck ex mutuo im Text der Sti-pulation nicht vorkommt, so steht doch gleich hinter dieser das Wort mutuos. Wenn wir die beiden Teile der Urkunde (Stipulation und Quittung) gesondert betrachten, so könnte es scheinen, als hätte sich der Gläubiger nicht eine son-dern zwei Grundlagen für seine Forderung geschaffen: die eine in der abstrak-ten Stipulation, bei der es nicht zu prüfen gilt, ob die Auszahlung des Darlehens tatsächlich stattgefunden habe, die zweite in der Quittung über den Empfang des Darlehens, des Mutuums, als Bealvertrag. Wie lag wohl die Sache in Wirk-lichkeit?

Die Antwort auf diese Frage geht u.E. aus Stellen von Ulpianus, Pomponius und Paulus hervor. Wenn bei der Aufnahme einer Darlehenssumme ihre Bück-zahlung zugleich euch stipulativ versprochen wird, so liegen, erklärt Ulpianus, nicht zwei Verträge vor, sondern einer (D. 46. 2. 6. 1.):

Quum pecuniam mutuam dedit quis sine stipulatione et ex continents fecit sti-pulationem, unus contractus est. Idem erit dicendum et si ante stipulatio facta est,

mox pecunia numerata sit.

Noch eindeutiger wird der Text, wenn man die Worte sine stipulatione und den Satzteil Idem ... sit fortlässt, die das Schrifttum als interpoliert betrachtet38.

36 N a b e г (Mnemosyne. Bibl. Phil. Batava. Lugduni Batavi et Lipsiae NS. 20 (1892), S. 110)

und S о I a z z i ( B I D R ) 25, (1912), S. 103) halten die Worte stipulatus est für interpoliert. Und B a r t o l u c c i (Actio quae instituit obligationem (Macerata 1915), S. 16. meint das gleiche v o m Abschnitt „Idem ... sit".

(18)

D I E R O L L E D E R S T I P U L A T I O N 201 Die Worte sine stipulatione wollten nämlich den Text offenbar präzisieren, vernebeln aber in Wirklichkeit gerade den Sinn, den Ulpianus der Stelle geben wollte, dass nämlich die Auszahlung und die Stipulation hier ex continenti erfol-gen. Der kontinuierliche Ablauf der Rechtshandlung bedeutet nämlich ihre Verknüpfung, die sich darin äussert, dass in solchen Fällen ein einziger Kontrakt entsteht. Ebenso ist auch der Satzteil Idem ... sit eine überflüssige Umschrei-bung, da ja die Wendung ex continenti auch die Möglichkeit in sich schliesst, die Stipulation vor der Auszahlung vorzunehmen. Beim fortgesetzten Ablauf der beiden Handlungen liegt das Schwergewicht nicht auf deren Reihenfolge sondern darauf, dass beide gemeinsam, Zug um Zug erfolgen.

Noch mehr sagt uns die Stelle (D. 46, 2, 7) die von Pomponius herrührt:

Quum enim pecunia mutua data stipulemur, non puto obligationem numera-tione nasci et deinde eam stipulanumera-tionem novari, quia id agetur, ut sola stipulatio teneat, et magis implendae stipulationis gratia numeratio intelligenda sit fieri.

Wenn wir die Worte quia ... teneat3' streichen — die den Zusammenhang

merklich stören und die das Schrifttum als interpoliert betrachtet — haben wir die gleiche Auffassung vor uns, die auch Ulpianus dargelegt hat. Mit der Stipulation der Rückzahlung des Darlehens verknüpft sich die Auszahlung, die eben ihre Grundlage, ihren organischen Bestandteil bildet und sich daher von ihr auch nicht loslösen lässt: die Stipulation hat keine novierende Wirkung auf die Auszahlung die für sich allein, ohne Stipulation, ein Mutuum als Real-kontrakt begründen würde. Vor allem auf diese Stelle gestützt behauptet S e g r è38, dass die Numeration und der Yerbalakt auch ex intervalle stattfin-den können, so also, dass zwischen stattfin-den beistattfin-den Handlungen eine gewisse Zeit-spanne liegt. In solchen Fällen habe der Yerbalakt der später dem durch Aus-zahlung entstandenen Realkontrakt folgt, eine novierende, schuldverändernde Wirkung, wodurch das vormalige Mutuum erlischt und dem durch den Verba-lakt geschaffenen Schuldverhältnis weicht.

Schliesslich erklärt Paulus an einer literarisch beglaubigten Stelle39 (D. 45, 1, 126, 2) Folgendes zu diesem Problem:

Superest quaeramus, an ea numeratione ipso, qui contraxit pecuniam creditam petere possit; nam quoties pecuniam dantes eandem stipulamur, non duae obliga-tiones nascuntur, sed una verborum.

Diese Stelle ist eigentlich eine Präzisierung und Prinzipialisierung der Stelle Ulpianus (quum pecuniam mutuam dedit quis ...et ex contient! fecit

stipula-37 S с i а 1 о j a (St. Perozzi (Palermo 1925), S. 411 ff.) hält die Worte „quia ... teneat" für

interpoliert.

38 G. S e g r è, Mutuo è stipulatio nel diritto romano classico e nel diritto giustinianeo (St·

Simoncelli (Napoli 1917). S. 331 ff.).

3» V a s a I 1 i ( B I D R 27 (1914), S. 248) ist der einzige der die Echtheit dieses Textes in

Präge stellt da er aber mit den unangefochten klassischen Teilen der beiden zitierten Stellen völlig übereinstimmt, sind die Bedenken Vasallis unseres Erachtens kaum berechtigt.

(19)

202 Ε. PÓLAY

tionem, unus contractus est), da sic die Verknüpfung der beiden

Rechtshandlun-gen und den Umstand, dass hier nur eine einzige Verbalobligation entsteht, noch deutlicher ausdrückt.

Ganz anders lösen aber die Frage die beiden folgenden Stellen, die Modestinus und Ulpianus zugeschrieben werden:

Re et verbis pariter obligamur, quum et res interrogation interced.it (D. 44,

7, 52, 3) und

Quoniam igitur ex omnibus contractibus liaec certi condictio competit, sive re

fuerit contractus factus sive verbis, sive coniunctim (D. 12, 1, 9, 3).

Diese Stellen besagen, dass bei einem Darlehen, bei dem sich die Auszahlung und die Stipulation in der dort angegebenen Weise verknüpfen, keine einheitliche Verbalobligation entsteht, sondern eine obligatio re et verbis, und dies hat des weiteren zu bedeuten, dass diese den Gläubiger zu seiner condictio certi berech-tigen kann. Doch hält das Schrifttum diese beiden Stellen einhellig für inter-poliert, was man übrigens an den Worten quoniam igitur der zweiten Stelle gleich auf den ersten Blick erkennt40.

Unter diesen Umständen wird es uns klar, dass die Digesten in dieser Frage zwei unterschiedliche Standpunkte ausdrücken: die klassische und die justi-nianische Auffassung. Demnach verknüpft sich die Auszahlung mit der Stipula-tion (oder die StipulaStipula-tion mit der Auszahlung) bei kontinuierlichem Ablauf der beiden Handlungen in der klassischen Zeit so eng, dass dabei nur eine einzige Verbalobligation entsteht, während sich in solchen Fällen nach justinianischem Recht eine obligatio re et verbis bildet.

Treffend erklärt S e g r è41 nach reiflicher Erwägung aller einschlägigen Stellen, dass im klassischen Zeitalter aus dem Verbalkontrakt bei Zug um Zug erfolgter Stipulation und Auszahlung dem Gläubiger nur die Klage ex stipulatu erwächst und daraus folgt notwendig, dass bei ungültiger Stipulation aus der Auszahlung für sich allein infolge ihres engen Zusammenhanges mit der Sti-pulation weder ein Mutuum (Realkontrakt) noch die actio certae pecuniae

creditae erwachsen konnte. Umgekehrt nach justinianischem Recht, da hier

ein Schuldverhältnis re et verbis entstand, und man bei ungültiger Stipulation auf Grund des Realkontraktes die condictio certea pecuniae creditae erheben konnte.

40 Die ganze Stelle D. 44, 7, 52. halten für interpoliert, Ρ e r o z z i (Ist. (Firenze 1908)

Bd. II 3, 22, S. 2533 u.S. 265j); A r a η g i o-R u i z (Mélanges Cornil. I (Paris 1926), S. 86);

В r a s i e 11 o (St. Bonfante (Milano, 1930) Bd. II, S. 564. und 574. Anm. 124); A l b e r t a r i o

(Rend. Lomb. (Milano 1926) Bd. 59, S. 354 ff.); R i с с o b о η о (SZ 43, (1922), S. 283 u. 317) und S e g r è a.a.O. S. 343). Ebenso halten die ganze Stelle D. 12, 1, 9, 3 für interpoliert, N a-b e r vMnemosyne 20 (1892), S. 182); E i s e 1 e (Abhandlungen zum räm. Civilprozess (Freiburg/i. Br. 1889), S. 7915; S u m a n (Atti del. R. Instituto Veneto di scienże (Venezia, 1918/19) Bd.

78, S. 236) und D e F r a n c i s c i (Synallagma (Pavia 1916) Bd. II, S. 404 u. 467).

(20)

DIE ROLLE DER STIPULATION

203

Wir sehen daraus, dass in der klassischen Zeit, zumindest in ihrer zweiten Hälfte aus der unsere Urkunde stammen, bei kontinuierlicher Auszahlung und Stipulation des Darlehens nur ein einziger Vertrag: die Stipulation und nur ein einziges Rechtsverhältnis: eine Yerhalobligation entstand. Dieses Rechts-verhältnis hat — wie S e g r è42 erklärt — seine causa antecendens oder causa

futura in der Auszahlung, je nachdem ob sie dem Akt der Stipulation zeitlich

vorangeht oder unmittelbar nachfolgt. Dadurch wird die causa der Stipulation in der Auszahlung verwirklicht, was soviel bedeutet, dass sich der Verpflichtete, wenn die Auszahlung nur in der Urkunde erwähnt war ohne wirklich erfolgt zu sein, auf diese Tatsache berufen konnte.

Daher ist vor allem die Frage zu klären, ob die Auszahlung und die Stipula-tion von der unsere Urkunde handelt ex continenti oder ex intervalle erfolgten.

Da die Reihenfolge der Quittung und der Stipulation in unserer Urkunde von der Formel der Darlehensquittung bei Paulus abweicht, überzeugt uns ihr Aufbau davon, dass die Urkunden den Umstand der Prä-Postnumeration wahr-heitsgetreu wiedergeben. In unserer Urkunde steht der Text der Stipulation an erster Stelle (ab u eichend von der Formel des Paulus, in der zuerst die Quit-tung steht), und dann erst folgt die QuitQuit-tung über die Auszahlung. Somit konnten die beiden Akte unmöglich ex intervalle erfolgt sein. Dann diesfalls müsste unbedingt die Quittung am erster Stelle stehen, (und selbst diese Fassung schlösse es nicht aus, dass die beiden Akte, mit vorangehender Zahlung, Zug um Zug erfolgt wären), da ja die Stipulation gegenüber dem Realkontrakt (dem Mutuum) nur bei dieser Reihenfolge novierende Wirkung hätte.

Der einheitliche Verbalakt, der aus der Verknüpfung der Auszahlung mit der Stipulation entsteht, trägt — wie wir sehen — kausalen Charakter. Die Stipulationsklausel der Urkunde LX qua die petierit probos rede dari fide rogavit

Julius Alexander, dari fide promisil Alexander Cari sagt zwar an sich nichts

über die causa aus, doch schon der unmittelbar folgende Quittungstext: et se

eos LX qui supra scripti sunt m u t и о s numerates accepise et debere se dixit

spricht von einer Auszahlung unter dem Titel des Mutuum. Anzunehmen, dass die Stipulation in unserem Fall abstrakt gewesen sei, einzig auf der Grundlage, dass die Worte ex mutuo in der eigentlichen Stipulationsklausel nicht vorkommen, wäre übertrieben, wo doch gleich nach ihr die Worte mutuos numerates folgen. Unbeschadet dessen, dass hier die Worte ex mutuo in der Stipulation nicht ent-halten sind, bezeugt die Urkunde immerhin eine kausale Stipulation.

Schliesslich bleibt noch die Frage, ob wir im gegebenen Fall eine tatsächliche Auszuhlung anzunehmen haben oder nicht.

Zunächst müssen wir der Tatsache ins Auge sehen, dass die in der Urkunde bezeugte Stipulation kausalen Charakter trägt und dass man sich daher bei Mängeln der causa auf diese berufen kann. Dadurch war es möglich, bei

unter-42 S e g r è, a.a.O.

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204 Ε. PÓLAY

bliebener oder m a n g e l h a f t e r A u s z a h l u n g einer etwaigen K l a g e v o r r ö m i s c h e n G e r i c h t e n m i t der exceptio doli e n t g e g e n z u t r e t e n (da bei A u s s t e l l u n g u n s e r e r U r k u n d e die exceptio non numeratae pecuniae noch nicht e i n g e f ü h r t war). Dieser U m s t a n d scheint d a r a u f d e u t e n , dass bei so einem R e c h t s s c h u t z des S c h u l d n e r s die A u s z a h l u n g wahrscheinlich s t a t t g e f u n d e n h a t , nicht so wie bei der sog. Daneiort-Urkunde, die a b s t r a k t e n C h a r a k t e r h a t t e u n d a u c h contra fidem

veri-tatis bewies.

Ausserdem spricht, w e n n a u c h n u r m i t t e l b a r , noch ein a n d e r e r U m s t a n d f ü r die Wahrscheinlichkeit der A u s z a h l u n g . Der Gläubiger des T r i p t y c h o n V sichert sich f ü r den Fall d a s s der S c h u l d n e r nicht zahlt d u r c h eine B ü r g s c h a f t in der F o r m der Fideiussio, ist also anscheinend m e h r u m die R ü c k z a h l u n g seines Geldes besorgt als der Gläubiger des T r i p t y c h o n I I I , der auf diese F o r m der Sicherstellung v e r z i c h t e t e , obwohl sie bei den siebenbürgischen Darlehens-v e r t r ä g e n o f f e n b a r allgemein gebräuchlich w a r , da sie a u c h der Gläubiger der f r a g m e n t a r i s c h e n Tafel I I b e n ü t z t e . D a z u sei noch b e m e r k t , dass wahrscheinlich die gleiche A n d u e i a B a t o n i s , die sich als Gläubigerin im Falle des T r i p t y c h o n I I ( C I L I I I p. 929 exempli exterioris pagina prior al. 3) m i t einer Fideiussio sicher-stellte, dies im Falle des T r i p t y c h o n I I I unterliess. Die e r h ö h t e Sicherstellung d e u t e t u. E . d a r a u f hin, d a s s die A u s z a h l u n g in den V e r t r ä g e n der T a f e l n I I u n d V, t a t s ä c h l i c h s t a t t f a n d , w ä h r e n d dies im Falle der Tafel I I I im F r a g e s t e h t , da hier den Gläubiger im Falle der N i c h t z a h l u n g kein solcher S c h a d e n b e d r o h t e wie in den beiden a n d e r e n Fällen, wo die k r e d i t i e r t e S u m m e t a t s ä c h lich ausbezahlt w u r d e . W e n n sich also auch der C h a r a k t e r der D a r l e h e n s -u r k -u n d e d e r T a f e l У n i c h t -u n w i d e r l e g b a r beweisen lässt, h a b e n wir doch gute G r ü n d e a n z u n e h m e n , dass hier d i e S t i p u l a t i o n t a t -s ä c h l i c h -s t a t t g e f u n d e n h a b e u n d d a -s -s d i e U r k u n d e m i t h i n e i n S c h u l d b r i e f r ö m i s c h e n T y p u s d a r s t e l l t , b e i d e r e s u m d i e R ü c k z a h l u n g e i n e s t a t s ä c h l i c h a u s -b e z a h l t e n D a r l e h e n s g e h t .

4. E t w a s a n d e r s scheint es bei der angeblichen D a r l e h e n s u r k u n d e des Trip-t y c h o n I I I zu liegen. Sie u n Trip-t e r s c h e i d e Trip-t sich v o n d e m v o r e r w ä h n Trip-t e n SchrifTrip-t- Schrift-s t ü c k d u r c h folgende M e r k m a l e :

a u c h diese U r k u n d e b e s t e h t a u s zwei Teilen, doch wird im zweiten Teil sozusagen n u r der erste w i e d e r h o l t :

X centum quadraginta sortis et quos eae reddere debebit qua die èorum usuras ex ea die singulas cente- petierit cum usuris supra scriptis, ut-simas quamdiu abstinuerit, id utrum- rumque sorte et usuras probos recte dari que probos recte dari fide rogavit An- fide rogavit Anduenna Batonis, fide duenna Batonis, fide promisit Julius promisit Julius Alexander (Zeile 5—9). Alexander (Zeile 1—5)

A n d e r s als im T r i p t y c h o n Y, in d e m sich die S t i p u l a t i o n e n des Darlehens-k a p i t a l s u n d der Zinsen scharf v o n e i n a n d e r t r e n n e n , w e r d e n sie in diesem T e x t

(22)

D I E ROLLE DER STIPULATION 205 gewissermassen v e r k n ü p f t u n d wiederholt. E i n U n t e r s c h i e d zwischen d e m ersten u n d den zweiten Teil des T e x t e s b e s t e h t n u r hinsichtlich des Fälligkeitter-m i n e (qua die petierit) sowie der A u s d r ü c k e „ Z a h l u n g " u n d „ R ü c k z a h l u n g "

(reddere). D e r ganze T e x t der U r k u n d e ist also r e c h t salopp u n d e t w a s u n k l a r

v e r f a s s t . Hier s p r i c h t viel m e h r f ü r die W a h r s c h e i n l i c h k e i t , dass die Auszah-l u n g der D a r Auszah-l e h e n s s u m m e ( = numeratio pecuniae) e n t w e d e r gar n i c h t oder n u r bezüglich eines Teiles der angegebenen S u m m e v o n 140 D e n a r s t a t t f a n d . Ausschlaggebend f ü r diese A n n a h m e erscheint u n s der U m s t a n d , dass hier abweichend v o m W o r t g e b r a u c h des T r i p t y c h o n V (mutuos numerates accepisse), die A u s z a h l u n g gar n i c h t zur S p r a c h e k o m m t , obwohl m a n sie, wie u n s der T e x t der T r i p t y c h o n Y l e h r t , der ganz der üblichen r ö m i s c h e n F o r m e l e n t s p r i c h t , im römischen Dazien o f f e n b a r meist e r w ä h n t e . D a s F e h l e n des Q u i t t u n g s t e x t e s spricht also sehr f ü r die W a h r s c h e i n l i c h k e i t , dass es sich hier u m ein f i k t i v e s D a r l e h e n h a n d e l t . A u s s e r d e m sprechen noch a n d e r e U m s t ä n d e f ü r die V e r m u -t u n g , dass diese U r k u n d e ein f i k -t i v e s D a r l e h e n zu -t a r n e n s u c h -t :

die U r k u n d e e n t h ä l t , abweichend v o n der v o r a n g e h e n d e n , eine a b s t r a k t e S t i p u l a t i o n . Sie ist a b s t r a k t t r o t z dessen, dass der zweite Teil des T e x t e s , der d e n e r s t e n Teil u n g e f ä h r wiederholt, das W o r t reddere g e b r a u c h t . D e n n m i t d e m W o r t reddere k a n n n i c h t n u r „ z u r ü c k z a h l e n " , s o n d e r n a u c h „ b e z a h l e n " g e m e i n t sein. D e r A u s d r u c k weist also nicht n o t w e n d i g auf eine R ü c k z a h l u n g hin. A b e r selbst w e n n er dies besagen wollte, k o n n t e sich dieses „ Z u r ü c k g e b e n " n i c h t bloss auf ein D a r l e h e n s k a p i t a l beziehen, s o n d e r n e t w a a u c h auf ein, im R e i c h s r e c h t d a m a l s noch n i c h t ausgebildetes, a b e r in der P r a x i s in der helleni-stischen P r o v i n z e n gebräuchliches depostium irreguläre, wie wir dies an d e m W o r t l a u t des T r i p t y c h o n X I I (reddere debebit) e r k e n n e n ; doch k o n n t e d a m i t e b e n s o g u t a u c h die E r k l ä r u n g des D r i t t e n beziehen, der die B ü r g s c h a f t f ü r den D a r l e h e n s s c h u l d e r ü b e r n a h m , auf die P f l i c h t des G a t t e n die Mitgift zu-r ü c k z u g e b e n u n d h ä u f i g selbst auf eine N o v a t i o n , wie dies d a s Beispiel dezu-r sog.

Daneion·Urkunden zeigt. I m vorliegenden F a l l allerdings spricht die Rolle

der Zinsen in d e r U r k u n d e f ü r die W a h r s c h e i n l i c h k e i t eines D a r l e h e n s v e r t r a g s . D a s eine s t e h t i m m e r h i n f e s t , dass sich der A u s d r u c k reddere w e d e r d a z u eignet, die T a t s a c h e der erfolgten A u s z a h l u n g zu beweisen noch a u c h die causa der Stipulation zu b e z e i c h n e n . A u s d e m l e t z t e r e n G r u n d m ü s s e n wir die S t i p u l a t i o n in unserer U r k u n d e als a b s t r a k t qualifizieren. D e r a b s t r a k t e C h a r a k -t e r e i n e r v e r m u -t l i c h e n D a r l e h e n s u r k u n d e , d i e k e i n e Q u i t t u n g ü b e r d i e A u s z a h l u n g e n t h ä l t , s c h e i n t a b e r d a r a u f z u d e u t e n , d a s s d a s S c h r i f t s t ü c k e i n f i k t i v e s D a r l e h e n d e c k t . F ü r diese A n n a h m e spricht u. E . a u s s e r d e m die n a c h -lässige F o r m u l i e r u n g d e x T e x t e s u n d die bereits e r w ä h n t e T a t s a c h e , dass sich der Gläubiger hier, a b w e i c h e n d v o n den D a r l e h e n s v e r t r a g e n der T r i p t y c h e n I I . u n d V, zur Sicherstellung seiner F o r d e r u n g keine B ü r g e n stellen liess; dies g l a u b e n wir d a h i n d e u t e n zu d ü r f e n , d a s s der Gläubiger diesmal kein effektives

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206 Ε. PÓLAY

Darlehen ausbezahlt hatte, und ihm daher weniger daran gelegen war, die ange-gebene Summe zu erhalten, als in den Fällen wo die Auszahlung tatsächlich erfolgt war.

Ausserdem ist zu prüfen, ob die Urkunde unserer Tafel eine schuldbegründende Urkunde griechischen Typus oder eine Beweisurkunde römischen Typus, eine Cautio darstellt. Mit voller Gewissheit lässt sich die Frage nicht entscheiden. Der Umstand, dass die Urkunde im allgemeinen die Formen des römischen Rechtes einhält, spricht für die letztere Annahme, wogegen die Tatsache, dass sie das römische Vorbild (Paul. D. 12, 1, 40) doch nicht genau befolgt (es fehlt die Darlehensquittung, der Text ist verworren) und dass sie vermutlich ein fiktives Darlehen deckt, eher darauf deutet, dass hier d i e U r k u n d e , ohne tatsächliche Stipulation, d i e S c h u l d v e r b i n l i c h k e i t s e l b s t e r z e u g e n s o l l t e . Für diese Annahme spricht auch das, was wir aus dem

status civitatis der Vertragsparteien folgern können. Der Gläubiger des

Trip-tychon V, Julius Alexander, war — wie schon erwähnt — römischer Bürger, der Schuldner aber, Alexander Cari (oder Caricci), dürfte ein Peregrine grie-chischer Herkunft gewesen sein. Derselbe Julius Alexander tritt im Triptychon I I I als Schuldner auf, während hier der Gläubiger, Andueia Batonis, eine Peregrine ist. Da in beiden Fällen eine der Vertragsparteien ein römischer Bürger war, mussten die Parteien damit rechnen, dass etwaige Rechtsstreite aus dem Vertragshältnis vor das römische Gericht einer Provinzialstadt gelan-gen. Daher hielten sie sich an die Formen des römischen Rechts. Aber Julius Alexander, der nicht nur römischer Bürger sondern auch ein Wucherer, ein Geschäftsmann war (dies beweist die Gründung der societas danistaria laut Triptychon X I I I ) war im Reichsrecht offenbar bewandert, verfertigte oder bestellte daher den Darlehensvertrag des Triptychon V nach den so strengen römisch-rechtlichen Formen. Es lag in seinem Interesse, dass das römische Gericht an dem Vertrag bzw. den Schuldbrief, bei dem er der Gläubiger war, nichts auszusetzen fand. Demgegenüber war Anduenna Batonis, obwohl wir ihr in unseren Urkunden mehrfach begegnen (im fragmentarischen Darlehens-vertrags des Triptychon II und als Käufer eines Hauses in Triptychon V I I I ) doch nur eine Peregrine, die, wenn sie auch als wohlhabende Frau zeitweise Geld verlieh (Darlehensverträge der Tafeln II und III), die römischen Formen nicht so genau kannte wie Julius Alexander, der Kompagnon einer Pfandleihan-stalt. Höchstwahrscheinlich wurden die Darlehensverträge der Tafeln I I I und V v o m Gläubiger selbst verfasst, da deren richtige Formulierung in seinem persönlichen Interesse lag. Dass kein fremder Urkunderverfasser dabei heran-gezogen wurde, zeigt sich daran, dass jedesmal wenn dies geschah — wie in den Dienstverträgen der Triptychen I X - X I und im stark beschädigten Tripty-chon X V I I — der Text der Urkunde mit der Wendung scripsi me rogatus ab ... und der Angabe der Namen ihres Schreibers und ihres Bestellers beginnt. Somit scheint es wahrscheinlich, dass Anduenna Batonis, die Gläubigerin des

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