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REZENSIONEN

KĘSICKA,KAROLINA (2009): Adaption als Translation. Zum Bedeu-tungstransfer zwischen der Literatur- und Filmsprache am Beispiel der Remarque-Verfilmungen. Wrocław/Dresden: Oficyna Wydawnicza ATUT – Wrocławskie Wydawnictwo Oświatowe / Neisse Verlag. 303 S.

Verfilmungen von literarischen Werken sind als Forschungsgegenstand an der Schnittstelle zwischen Literatur-, Me-dien- und Filmwissenschaft sowie Kul-tursemiotik angesiedelt. Bemerkenswer-terweise fallen Relationen zwischen dem literarischen Original und seiner filmi-schen Adaption relativ selten in den In-teressenbereich der Übersetzungswissen-schaft, auch wenn die Übertragung eines Prosawerkes auf die Leinwand als typi-sches Beispiel der intersemiotischen Über-setzung im Sinne von Jakobson gilt. Viel-mehr wenden sich Translationswissen-schaftler der filmtechnischen Bewälti-gung der interlingualen Problematik zu, die für übersetzte Filme relevant ist (Un-tertitelung, Synchronisierung). Die Aus-einandersetzung mit dem ontologischen Status der Adaption und ihrer Beziehung zur literarischen Vorlage scheint eher Li-teratur- und Medientheoretiker zu be-schäftigen.

Das Buch der Posener Literatur- und Über-setzungswissenschaftlerin Karolina Kęsicka ist insofern eine Ausnahme im filmtheo-retischen Diskurs, als die Autorin in ihrer Analyse der Remarque-Verfilmungen die literaturwissenschaftliche Perspektive aus-drücklich um Kategorien der semiotisch orientierten Translationswissenschaft er-weitert. Ihre methodologische Wahl be-gründet sie damit, dass die Adaption „einen Grenzfall der Übersetzung oder eine Form der übersetzungsähnlichen

Transforma-tion“ (S. 11) darstellt. Voraussetzung für diese Betrachtung ist die Überzeugung, dass der Film über eine eigene Sprache verfügt, die – in Analogie zur natürlichen Sprache – sowohl eine denotative als auch eine konnotative Bedeutungsebene aufweist. Die filmische Adaption verläuft dabei analog zum interlingualen Überset-zungsprozess: Dekodierung – Interpreta-tion – Neukodierung (S. 11). Eine weitere Annahme, die die Adaption als Sonder-form der Übersetzung auffassen lässt, ist die Ausweitung des Textbegriffs um kul-turelle und (multi)mediale Kontexte so-wie das Eindringen des Textualitäts-Pa-radigmas in nichtphilologische Fächer, darunter auch in die Medienwissenschaft (vgl. BASSLER 1998:471). Die Tatsache, dass die Autorin eindeutig für einen sprachanalogen, zeichenhaften Charakter der filmischen Adaption plädiert, lässt ihre Studie im Kontext der heutigen Kulturwissenschaften positionieren, die auf einem über das rein Sprachliche hin-ausgehenden Textbegriff aufbauen. Die Arbeit der Posener Germanistin beweist ferner die Notwendigkeit, auch die Kate-gorie der Translation interdisziplinär zu erweitern.

Das Buch weist eine klare, überschau-bare Struktur auf. In Teil I, „Zur Ästhetik des verfilmten Wortes“, setzt sich Kęsicka mit der Beschaffenheit des kinematogra-phischen Codes auseinander. Sie stützt sich zu Recht auf die Vertreter des

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russi-schen Formalismus (B. Eichenbaum, J. Tynianow), aus dem die erste Filmtheo-rie hervorgegangen ist, sowie auf die Se-miotiker J. Lotman, C. Metz, U. Eco, I. Schneider u. a. Hauptanliegen der Ver-fasserin ist es zu untersuchen, welchen Transformationen das literarische Origi-nal bei der Übertragung auf die Lein-wand unterliegt – d. h., wie der Sinn im Prosawerk und seiner Verfilmung auf den denotativen und konnotativen Be-deutungsebenen konstruiert wird, die bei-den Kunstwerken als erzählerischen Gebilden gemeinsam sind. Dazu gehören die Sujetebene, die Erzählerinstanz, die Dialogebene, die Motivgestaltung und das zeitlich-räumliche Kontinuum – nar-rative Kategorien, die im jeweiligen Me-dium unterschiedlich realisiert werden. Sie werden im Kapitel „Form- und in-haltsbezogene Relationen des Films zur Literatur“ aus literaturtheoretischer Sicht eingehend besprochen. Für die Erörte-rung des ontologischen Status der Adap-tion ist insbesondere die Auffassung von B. Balázs einleuchtend, nach dem die Fa-bel ein „Halbfabrikat“ sowohl für den Roman als auch für dessen Verfilmung darstellt, so dass der Regisseur nicht auf das Prosawerk zurückgreift, sondern direkt auf die abstrakte „Tiefenstruktur“ der Fa-bel. Demzufolge wären der Roman und seine Adaption zwei gleichberechtigte Ver-wendungen desselben Fabelstoffes (S. 55). Diesem Standpunkt schließt sich Kę-sicka an: Sie beweist die Autonomie des Films, der der Literatur als unabhängi-ges, ästhetisch gleichwertiges Kunstwerk gegenübersteht.1 Die Autorin spricht sich

somit gegen eine literaturzentrierte Film-theorie aus, die „die Verfilmung in ein Dependenzverhältnis zu dem literarischen Text stellt“ (S. 112). Dabei stützt sie sich auf Erkenntnisse der poststrukturalisti-schen, kognitiven und

rezeptionsästheti-schen Filmtheorie – Konzepte, die die Adaption als einen „individuell gepräg-ten Wahrnehmungsprozess“ (S. 112) be-trachten und somit die Rolle des Re-zipienten bei der Sinnkonstruktion in den Blick nehmen. Es war nicht zuletzt die aufkommende Rezeptionsästhetik, in deren Zuge nach 1960 der Autonomieanspruch der Filmkunst anerkannt wurde. Bis in die 1950er Jahre hinein galt die Adaption einzig als Nachahmung bzw. Illustration der Literatur, die von Anfang an eine na-türliche Inspirationsquelle für den Film war; daher wurden auf Literaturverfil-mungen dieselben Kategorien angewandt, die lange Zeit den übersetzungswissen-schaftlichen Diskurs dominierten: „Treue“ vs. „Verrat“ am literarischen Original. Im theoretischen Teil geht Kęsicka ferner der Frage der Verfilmbarkeit von Litera-tur nach. Sie erörtert den grundsätzlichen Unterschied zwischen den Möglichkeiten des verbalen und des kinematographi-schen Codes: die Tatsache, dass der Film nur das Konkrete, Außersprachliche (etwa das Aussehen der Protagonisten und ihr Handeln), d. h. das materielle Kontinuum darstellen kann, während die Literatur das innere Leben und die Gemütszu-stände der Personen, also das geistige Kontinuum, vermittelt. Anders als im Roman kann das Abstrakte im Kino nur suggeriert werden. Nach S. Kracauer ver-läuft die Grenze der „Übersetzbarkeit“ der Literatur in die Filmsprache dort, „wo das materielle Kontinuum endet und das geistige beginnt“ (S. 82). Auf dieses Problem kommt Kęsicka im empirischen Teil der Arbeit mehrmals zu sprechen. Wie komplex sich die Relationen zwi-schen Verfilmung und deren literarischer Vorlage gestalten können, wird an der typologischen Differenziertheit des Adaptionsbegriffes sichtbar – etwa an der Typologie H. Kreuzers, der zwischen

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Aneignung von literarischem Stoff, Illu-stration, Transformation und Dokumen-tation unterscheidet.

In Teil II, Remarques Beziehungen zum Film – einer Bestandsaufnahme, geht die Posener Germanistin der Frage auf den Grund, warum die Prosawerke des deut-schen Schriftstellers sich besonders gut als Drehbuchvorlagen eignen. Ihre Pro-blematik (Kriegsaufarbeitung) und die stilistischen Eigenschaften (lebhafte Dia-loge, Expressivität der Schilderung, fes-selnde Handlungsführung) sind Vorzüge, die die deutsche und vor allem die ame-rikanische Filmindustrie schon in der Zeit zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg zu schätzen wusste. Es ist wohl wenig bekannt, dass „Remarques schriftstellerische Karriere untrennbar mit seinem Erfolg in Hollywood einher-ging“ (S. 127).2 Kęsicka stellt die

Ent-stehungsgeschichte der beiden zur Ana-lyse gewählten Filme dar: Three

Comra-des (1938) nach dem Roman Drei

Kame-raden (Regie: Frank Borzage, Drehbuch:

F. Scott Fitzgerald und E. Paramore) und

Die Nacht von Lissabon (1971, Regie

und Drehbuch: Zbynek Brynych) und be-spricht die Rezeption der Remarque-Ver-filmungen in der englischsprachigen und deutschen Filmkritik.

Teil III, „Der Bedeutungstransfer zwischen der Literatur- und Filmsprache: eine in-tersemiotische Übersetzungsanalyse“, ist dem deskriptiven Vergleich der beiden Verfilmungen mit den Romanvorlagen gewidmet. Die Auswahl des Analysema-terials mag überraschen3, da die beiden

Filmwerke in jeder Hinsicht unterschied-lich sind: im Hinblick auf die Ent-stehungszeit, die Präsentationsform (Kino-film vs. Fernsehproduktion), den Adap-tionstyp (Three Comrades sei eine Trans-position nur ausgewählter Erzählkonsti-tuenten des Originals, Die Nacht von

Lissabon wird als werkgetreue

Illustra-tion des gleichnamigen Romans bewer-tet) und schließlich die Sprache (Eng-lisch vs. Deutsch). Während die drei er-sten Kriterien durchaus plausibel sind und einen aufschlussreichen Vergleich versprechen, stellt die sprachliche Diffe-renziertheit der beiden Filme eine zu-sätzliche Schwierigkeit dar: Kann man sinnvollerweise zwei Adaptionen ver-gleichen, von denen die eine einen vor allem intersemiotischen Transfer dar-stellt, bei der anderen dagegen die ausge-sprochen translationswissenschaftliche Problematik der interlingualen Überset-zung hinzukommt? Die Verfasserin im-pliziert zwar, dass die Zusammenstellung gerade dieser beiden Verfilmungen me-thodologisch dann begründet ist, wenn man sich mit der Relation der englischen Dialoglisten zur deutschen Vorlage ein-gehend befasst. Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Problematik des interlingualen Transfers in der Analyse doch etwas zu kurz kommt. Die empirische Untersuchung bestätigt die bereits in Teil II geäußerte Behaup-tung, dass beide Adaptionen ihren Vorla-gen nur einigermaßen gerecht werden, und zwar unabhängig von der Sprache und – überraschenderweise – von den Möglichkeiten und Beschränkungen der Filmtechnik. Auf der denotativen Bedeu-tungsebene wird die Sinnkonstruktion im Rahmen der Sujetstruktur, des Erzählver-haltens und der Gestaltung der Dialoge in den beiden Filmen mit der jeweiligen Vorlage verglichen. Aus der Analyse geht hervor, dass es am einfachsten ist, die filmische Handlung originalgetreu darzu-stellen. Etwaige Abweichungen ergeben sich aus dem Konzept des Regisseurs: Während die Geschehnisse in Die Nacht

von Lissabon dem Roman folgen, werden

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Elemen-te der Handlung ausgelassen (Episoden, die auf die sozialen Konflikte und die Bewältigung des Kriegstraumas hinwei-sen), was den Roman zu einer sentimen-talen Liebesgeschichte verflacht. Die Schwierigkeit hingegen, im Film – der die Figuren ‚von außen‘ darstellt – ver-schiedene Erzählhaltungen zu vermitteln, geht in erster Linie auf die Medienspezi-fik zurück. Auch dies kann jedoch bewäl-tigt werden: Die subjektive Perspektive des Ich-Erzählers in Die Nacht von

Lis-sabon wird im Film durch eine

geschick-te Kameraführung kompensiert. Dagegen wird das Erzählkonzept von Drei

Kame-raden in der amerikanischen Fassung

missachtet und die Doppelexistenz des Ich-Erzählers (als Erzähler und handeln-de Figur zugleich) aufgelöst. Das litera-tureigene Erzählmittel des inneren Mo-nologs lässt sich ebenfalls auf die Lein-wand übertragen: In Die Nacht von

Lissabon wird der innere Monolog aus

dem Off vermittelt. Die Autoren von

Three Comrades verzichten dagegen auf

das monologische Sprechen, was für die Adaption erhebliche Bedeutungsverluste zur Folge hat. Bei der Sinntransposition in den Dialogen ist vor allem das sprach-liche Problem des Idiolekts der Personen relevant. Die Analyse der Figurenrede in

Die Nacht von Lissabon bestätigt die

These, „dass die Adaption, welche die Sprache des Originals benutzt, auf we-niger Transferprobleme auf der Ebene der Dialogenkonstruktion stößt, als es bei den anderssprachigen Adaptionen der Fall ist“ (S. 156). Die Beurteilung der Dialoge in Three Comrades fällt dagegen etwas oberflächlich und pauschal aus. In

Drei Kameraden von Remarque

verwen-den die Protagonisten das umgangssprach-liche, manchmal derbe Register voller Ironie und Sarkasmus. In der Adaption wird der englische bzw. amerikanische

Slang verwendet, wobei man jedoch schwer beurteilen kann (was Kęsicka auch zugibt), ob gerade diese Sprachvarietät des Englischen die Aussagen des Ro-manpersonals adäquat wiedergibt. Der interlinguale Transfer bedürfte gerade an dieser Stelle einer tiefergehenden Analyse. Im Bereich der Sinnkonstruktion auf der konnotativen Ebene bespricht die Verfas-serin die Motivgestaltung sowie das Zeit- und Raumkontinuum. In dem Film Three

Comrades, der im Vergleich zur

Roman-vorlage die Ausblendung des sozial-poli-tischen Kontextes zugunsten der Liebes-geschichte anstrebt, werden zahlreiche als Symbolträger fungierende Nebenfigu-ren und Gegenstände ausgelassen. Aller-dings ist es oft das Bild, das als Substitut des Gesagten in Form von z. B. suggesti-ven Nahaufnahmen auf der Leinwand erscheint. In Die Nacht von Lissabon kommt es zur Kompensation des Schrift-wortes durch das Motiv der Fado-Musik, die Konnotationen (das Schicksal der Emigranten, Fragen existenzieller Natur) werden also über den auditiven Kanal transportiert. An diesen Beispielen beweist Kęsicka die Überlegenheit des Filmme-diums, das die Bedeutung multimedial konstruieren kann, der Literatur gegen-über sowie die Stärke des visuellen und des auditiven Codes, die genauso wie der sprachliche Code imstande sind, Konno-tationen herzustellen und „trotz materiel-ler Differenzen einen hohen Äquivalenz-grad [zu] erzielen“ (S. 252).

Zum Schluss wird noch das Zeit- und Raumkontinuum als Träger von Konno-tationen thematisiert. In Remarques Drei

Kameraden fungiert die Stadt Berlin als

Hintergrund der sozialen und politischen Probleme der Zwischenkriegszeit. In Three

Comrades spielt die Handlung in einer

anonymen Metropole, was erhebliche Verluste im Bereich der Assoziationen

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bewirkt. Ähnliches ist in der Verfilmung von Die Nacht von Lissabon festzustel-len: Bei Remarque wird die Stadt Osna-brück assoziativ mit dem Nazi-Regime verknüpft, in der Adaption erscheint der dargestellte Raum als eine zufällige Ku-lisse ohne jeglichen Assoziationswert. In der „Schlussbetrachtung“ wird die These von der Eigengesetzlichkeit und Zeichen-haftigkeit der Medien – Literatur und Film im Rückblick auf die durchgeführte Analyse – bestätigt. Die Beziehungen zwischen dem literarischen und dem filmischen Textsystem basieren nicht auf der Identität der Zeichensysteme (die we-gen der materiellen Zeichenstruktur nicht äquivalent sind), sondern auf der Analo-gie in der Verwendung der Codes (Funk-tionalität der Zeichen) (S. 283). Im Anschluss daran müsste man noch aus-drücklich betonen, worin die wohl wich-tigste Analogie zwischen Adaption und Translation besteht. Sowohl in der filmi-schen (intersemiotifilmi-schen) als auch in der interlingualen Transposition des Aus-gangsstoffes lässt sich die denotative Be-deutungsebene relativ einfach in das andere Zeichensystem übertragen. In der Romanverfilmung wird diese Rekon-struktion durch die Nachbildung der Handlung und die Übernahme von Dia-logen oder aber durch die Technik (Wie-dergabe der Erzählhaltung durch entspre-chende Montage und Kameraführung) ermöglicht. Dagegen geht die Sinnüber-tragung auf der Konnotationsebene so-wohl in der Filmadaption als auch in der sprachlichen Translation mit unver-meidlichen Abweichungen vom Original einher. Dieses Ergebnis überrascht nicht, wenn man die Erkenntnisse der polni-schen Literatursemiotikerin SEWERYNA WYSŁOUCH (von Kęsicka nicht berück-sichtigt) heranzieht. Im Zusammenhang mit der Relation zwischen Literatur und

Film unterscheidet sie zwischen zwei primären Kommunikationssystemen: dem visuellen und dem verbalen. Auf diesen seien sekundäre Systeme aufgebaut, die den konnotativen Wert der primären Zei-chen aktivieren und ausnutzen. Literatur sei ein sekundäres Kommunikationssy-stem, dem der verbale Code zugrunde liegt, während der Film als sekundäres Kommunikationssystem auf dem visuel-len Code basiert. Dieser bleibt dominant, auch wenn er um andere Codes (verbale Sprache, Musik) ergänzt wird (WYS -ŁOUCH 1994:164). Die zeichenhafte Be-schaffenheit des filmischen und des literarischen Codes ist somit analog, was das Bestehen einer eigenständigen Film-sprache bekräftigt. Wenn also die denota-tiven Ebenen der beiden sekundären Kom-munikationssysteme prinzipiell ohne weiteres übersetzbar sind, dann ist es der Vergleich der konnotativen Bedeutungs-ebenen des Erzählwerkes und seiner Ad-aption, der die aufschlussreichsten For-schungsergebnisse zeitigen dürfte: Hier entstehen nämlich die meisten Heraus-forderungen an die Kreativität des Regis-seurs, der die Sinnverluste und Trans-positionen ausgleichen muss.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass das Buch der Posener Germanistin einen wichtigen interdisziplinären Bei-trag zur modernen Komparatistik darstellt, die sich den intermedialen Relationen der Künste zuwendet. Ein unbestreitbarer Vorteil der Studie ist der ausgewogene Standpunkt der Autorin, die sich zwar auf literaturtheoretische Termini stützt, sich jedoch stets im Klaren darüber ist, dass eine literaturorientierte Betrachtung der Adaption aus einer Verkennung der Eigengesetzlichkeit der Medien Literatur und Film resultiert. Andererseits schreckt Kęsicka nicht davor zurück, von über-setzungswissenschaftlichen Positionen aus

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an die Filmadaption heranzugehen. Sie beweist, dass es durchaus legitim ist, den Terminus ‚Translation‘ im erweiterten Sinne auf die wechselseitigen Beziehun-gen von Kunstwerken unabhängig von ihrer Materie anzuwenden. Die Arbeit macht deutlich, dass Übersetzung zu einem Leitbegriff der Kulturwissenschaften im Zuge des ‚translation turn‘ werden kann (BACHMANN-MEDICK 2009:272). Immer-hin beleuchtet die Verfasserin einen Ab-schnitt aus der faszinierenden Geschichte des Hollywood-Abenteuers von Remar-que – eine Erfolgsstory, die seinen Le-sern kaum bekannt sein dürfte. Es bleibt nur zu bedauern, dass dem empirischen Teil kein einziges Foto aus den bespro-chenen Filmen beigegeben wurde. Einige Bilder hätten die Thesen der Autorin bekräftigt und veranschaulicht bzw. einen Eindruck davon vermittelt, inwiefern sich die beiden Adaptionen voneinander unterscheiden.

Anmerkungen

1Man könnte hier zusätzlich das

Argu-ment von Alicja Helman anführen, dass das Bestehen oder Nichtbestehen einer literarischen Vorlage für den ästhetischen Wert des Filmes keine Relevanz hat und die Rückbindung an ein Prosawerk nur deswegen möglich ist, weil der Zuschau-er von dZuschau-er Existenz dZuschau-er Vorlage weiß (vgl. HELMAN 1979, zit. nach WYSŁOUCH 1994:158).

2 Interessanterweise waren die

US-Ver-filmungen zur Zeit der Nazi-Diktatur auf die pazifistische Botschaft ausgerichtet,

die bei der Vermarktung der Filme in Deutschland infolge der Eingriffe der deutschen Zensurbehörden wiederum entschärft wurde. Die endgültige Gestalt mehrerer Remarque-Verfilmungen war somit das Resultat von Zensureingriffen – vgl. KĘSICKA (2010).

3Abgesehen von dem durchaus

verständ-lichen Argument der erschwerten Zu-gänglichkeit der Quellenmaterialien (Dreh-bücher und Dialoglisten) – vgl. S. 156f.

Literatur

BACHMANN-MEDICK,DORIS (32009):

Cul-tural turns. Neuorientierungen in den

Kulturwissenschaften. Reinbek bei

Ham-burg.

BASSLER,MORITZ (1998): Stichwort Text.

Die Literaturwissenschaft unterwegs zu

ihrem Gegenstand. In: Jahrbuch der

deut-schen Schillergesellschaft 42:470-475.

HELMAN, ALICJA (1979): Modele

adap-tacji filmowej. Próba wprowadzenia w

problematykę. [Modelle filmischer

Adap-tion. Versuch einer Einführung in die Problematik]. In: Kino 6.

KĘSICKA,KAROLINA (2010):

Textmodifi-kationen in der Filmübersetzung. Unter-sucht am Beispiel der deutschen Syn-chronfassung von „All Quiet on the

Western Front“ Lewis Milestones. In:

BĄK,PAWEŁ /SIERADZKA,MAŁGORZATA /WAWRZYNIAK, ZBIGNIEW (eds.): Texte

und Translation. Frankfurt (M.), 85-97.

WYSŁOUCH, SEWERYNA (1994):

Litera-tura a sztuki wizualne. [Literatur und

visuelle Kunst]. Warszawa.

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KŁAŃSKA, MARIA / KITA-HUBER, JADWIGA / ZARYCHTA, PAWEŁ (eds.) (2010): „Cóż za księga!“ Biblia w literaturze niemieckojęzycznej od Oświecenia po współczesność. [„Welch ein Buch!“ Die Bibel in der deutschsprachigen Literatur von der Aufklärung bis zur Gegenwart]. Kraków: Homini. 564 S.

„Bibel und Literatur“ – es gibt wohl nur wenige Forschungsfelder mit einer ver-gleichbaren Spannweite und mit einer größeren Vielfalt an Fragestellungen. Ei-nerseits mag man sagen, das sei eine Selbstverständlichkeit: Wenn die euro-päische Kultur ohne das Judentum und das Christentum, somit auch ohne die Bibel nicht denkbar ist, so trifft dies auch auf die europäische und damit auch die deutschsprachige Literatur zu. Dies muss heute weder festgestellt noch bewiesen werden, und das liegt auch nicht in der Absicht der Autoren des Bandes. Jedoch ist es angesichts der gegenwärtigen Ten-denz, dieses biblische, jüdische und chri-stliche Erbe zu leugnen, was oft von einem schlichten Mangel an Wissen, um nicht zu sagen von Ignoranz zeugt, durch-aus begründet, ja sogar erforderlich, immer wieder darauf zu sprechen zu kommen, dass und auf welche Art und Weise die Bibel – und somit die beiden biblischen Religionen, das Judentum und das Chri-stentum – in allen ihren Dimensionen die Kultur und somit die Literatur geprägt haben und immer noch prägen. Trotz dieser Selbstverständlichkeit (oder vielleicht gerade ihretwegen) ist die Erforschung eines so weiten Feldes keine leichte Auf-gabe. Wer Bibel sagt, muss sofort ergän-zend hinzufügen, „welche“ Bibel er meint: Meint er den hebräischen und griechi-schen Urtext oder eine der Übersetzun-gen, meint er die Bibel der Juden, der römisch-katholischen oder der russisch-orthodoxen Christen, oder vielleicht einer der zahlreichen evangelisch-christlichen Gemeinschaften. Eines steht fest: Immer

geht es um einen Text, der für eine be-stimmte religiöse Gemeinschaft als heili-ger Text gilt, Quelle und Fundament des Glaubens, Wort Gottes. Zwar werden auch Zugänge zu den biblischen Texten gesucht, in denen die Bibel aus dem religiösen Kontext gelöst und als eine Sammlung von mehr oder weniger kunst-vollen literarischen Texten betrachtet wird – dann aber wäre ernsthaft zu über-legen, inwieweit man noch von der Bibel in ihrem vollen Sinne sprechen kann. Zum wissenschaftlichen Umgang mit dem Problemfeld „Bibel und Literatur“ gehört also nicht nur literaturwissen-schaftliches Wissen, sondern auch eine tiefe Kenntnis der Bibel in all ihren eben erwähnten Dimensionen, der Besonder-heiten der verschiedenen religiösen Ge-meinschaften, ihrer Theologie und Glau-bensgrundsätze, nicht selten der gesamten Tradition, der Sitten und Bräuche… . So weit und tief schlagen die biblischen Texte ihre Wurzeln sowohl in der Kultur ganzer Gemeinschaften als auch im Leben und Glauben einzelner Menschen. Somit wird ein weiterer Aspekt der Er-forschung unseres Themas angesprochen: die persönliche Religiosität und Fröm-migkeit, Glaube oder Unglaube und die daraus resultierende Beziehung zur Bibel der einzelnen Dichter. Bei eingehender Analyse ist es sogar von Bedeutung fest-zustellen, mit welcher Version (Original-text oder eine der Übersetzungen) der Dichter vertraut war, womit man sich auf ein noch unsichereres Terrain begibt. Trotz der kurz skizzierten Schwierigkei-ten und Aufforderungen, die die

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Erfor-schung des Themas „Bibel und Literatur“ mit sich bringt (und man könnte noch weitere aufzählen) und deren sich die Autoren des Bandes zweifelsohne be-wusst waren, haben sie diese anspruchs-volle Aufgabe in Angriff genommen. Das Buch ist Ertrag einer mehr als dreijäh-rigen Team-Arbeit. Am Projekt haben zehn Personen mitgewirkt, darunter sowohl erfahrene Wissenschaftler als auch jüngere Forscher. Manche von ihnen haben meh-rere Beiträge verfasst. Der Band setzt sich aus dreiundzwanzig Kapiteln zusam-men, die in zwei Teilen von unterschied-lichem Umfang gruppiert sind. Der erste Teil (S. 21-131) bietet einen literaturge-schichtlichen Überblick in drei Schritten: PAWEŁ ZARYCHTA schreibt über die Zeit von den Anfängen der deutschsprachigen Literatur bis zur Weimarer Klassik, JADWIGA KITA-HUBER beginnt mit der Romantik und endet mit der Zäsur des Jahres 1900, MARIA KŁAŃSKA zeigt bi-blische Inspirationen in der deutsch-sprachigen Literatur des 20. Jhd.s auf. Der zweite Teil (S. 135-510) besteht aus zwanzig Beiträgen, die, wie der Unter-titel des Bandes ausweist, die Zeitspanne von der Aufklärung bis zur Gegenwart umfassen. Der Leser findet auch eine Auswahlbibliographie (S. 507-510), An-merkungen zu den einzelnen Dichtern, deren Texte im zweiten Teil besprochen werden (S. 511-548), zwei Register: ein Personenregister (S. 549-556), ein Register der biblischen Figuren (S. 557-558) so-wie die wichtigsten Informationen zu den Autoren des Bandes (S. 559-564). Die wesentlichen Aspekte des Forschungs-projektes werden im Rahmen des von den drei Herausgebern signierten Vorwortes erläutert und zusammenfassend aufgelistet (S. 7-17). Als primäre Methode der Unter-suchung soll die Intertextualitätsforschung gelten, ergänzt durch eine diachronische

Perspektive. Eine weitere Profilierung gewinnt die Arbeit der Wissenschaftler durch die Entscheidung, die Ergebnisse ihrer Forschung in polnischer Sprache darzubieten. Wie sie selbst im Vorwort betonen, richtet sich der Band an polni-sche Leser, auch an solche, die der deut-schen Sprache nicht mächtig sind. Er soll einen Einblick in die Geschichte der deutschsprachigen Literatur gewähren, auch in das Schaffen von Dichtern, die dem heutigen polnischen Publikum we-nig bekannt sind. Hier trifft man selbst-verständlich auf eine bei solchen Vor-haben unvermeidbare Qual der Wahl. Wie die Herausgeber selbst betonen, wurde die Auswahl nicht dem Zufall überlassen, sondern nach einem klaren Kriterium durchgeführt: Die einzelnen Beiträge sind der Darstellung von Dichtern und Dich-terinnen gewidmet, die zu den bedeu-tendsten der deutschen Sprache gehören und deren Werke zahlreiche, für diesen Kulturraum typische intertextuelle Bezüge zu den biblischen Texten aufweisen. Sie sollen zugleich als Vertreter verschiedener literarischer Epochen wie auch Religio-nen und KonfessioReligio-nen gelten. Folgende Dichter und Dichterinnen sind berück-sichtigt: Friedrich Gottlieb Klopstock, Gotthold Ephraim Lessing, Friedrich Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Novalis, Joseph von Eichendorff, Jean Paul, Heinrich Heine, Friedrich Hebbel, Rainer Maria Rilke, Ernst Barlach, Franz Kafka, Joseph Roth, Bertolt Brecht, Tho-mas Mann, Heinrich Böll, Ingeborg Bach-mann, Else Lasker-Schüler, Rose Aus-länder, Nelly Sachs, Paul Celan, Gerhart Hauptmann, Luise Rinser und Stefan Heym. Bis auf zwei Ausnahmen ist jeweils einem Dichter ein Beitrag gewidmet. Entweder werden mehrere wichtige Texte dargestellt, wodurch sich der Leser ein Bild vom Gesamtwerk machen kann (wie

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z. B. in den Beiträgen zu Klopstock, Ei-chendorff und Böll), oder es wird ein Text oder eine Textgruppe eingehend analysiert (wie z. B. in den Beiträgen zu Goethe oder Thomas Mann).

Eine den einzelnen Beiträgen gerecht werdende Besprechung würde den Rah-men einer Rezension sprengen, außerdem ist, wie die Herausgeber selbst betonen, die wissenschaftliche Herangehensweise der einzelnen Projektteilnehmer recht unterschiedlich. Man kann jedoch trotz der Vielfalt der Einzelstudien den Band als ein Ganzes betrachten. Es ist zweifels-ohne ein wichtiges Buch, mit dem man nicht nur dem Erwartungshorizont der an der biblischen Problematik interessierten Leser gerecht wird, sondern aller, die ihre Kenntnisse über die Literatur und Kultur des deutschsprachigen Raumes erweitern oder vertiefen möchten. Trotz der klaren Profilierung, die dem ersten Anschein nach einen eher engen Blickwinkel erwar-ten lässt, haben wir es mit einer Darstel-lung von literaturgeschichtlichem Wert zu tun. Dank der Strategie, zuerst einen Überblick anzubieten, kann der Leser ein literaturgeschichtliches Gesamtbild gewin-nen, in das er dann die einzelnen Dichter und ihre Werke einzuordnen vermag. Die beiden Teile des Bandes (die drei litera-turgeschichtlichen Skizzen und der ana-lytische Teil) ergänzen einander, wobei überflüssige Wiederholungen vermieden werden. Die Entscheidung, mit der Auf-klärung eine Zäsur zu setzen, ist völlig berechtigt und wird auch in der Einfüh-rung begründet. Die einzelnen Analysen besitzen hohen informativen Wert. An dieser Stelle sei besonders auf einen Ab-schnitt hingewiesen, und zwar auf eine kurze Besprechung der von Martin Buber und Franz Rosenzweig angefertigten Über-setzung der hebräischen Bibel ins Deutsche (S. 79-83). Auch wenn diese Übersetzung

keine breite Resonanz im gesamten deutsch-sprachigen Raum gefunden hat, ist sie nicht nur für Theologen, sondern auch (und gerade) für Literaturwissenschaftler von besonderem Wert – und zwar nicht nur das unmittelbare Translat, der deutsche Text, sondern auch eine ganze Reihe von Beiträgen, in welchen Buber und Rosen-zweig ihre übersetzerische Strategie er-läutern. Man kann nur bedauern, dass man sich im Rahmen des Projektes nicht dazu entschlossen hat, der Problematik der Übersetzungen von biblischen Texten ins Deutsche einen eigenen Beitrag zu widmen. Damit wäre die Möglichkeit ge-geben, auch die Arbeit Martin Luthers einem kritischen Urteil zu unterziehen. Dass die Sprache seiner Übersetzung zum Fundament des Hochdeutschen wurde, ändert nichts an der Tatsache, dass es eher fragwürdig ist, ihn als „ein trans-latorisches Genie“ (S. 34) zu bezeichnen (dass dieser Zweifel begründet ist, zeigt sehr deutlich sogar Luthers eigener

Sendbrief vom Dolmetschen). Da durchaus

zu erwarten ist, dass der Band auf großes Interesse stoßen wird, vor allem unter Studierenden, scheint es einer Überle-gung wert, ob es nicht möglich wäre, die Beiträge um umfangreichere Zitate auch im deutschen Original zu ergänzen oder sogar ein Lesebuch in Form eines Be-gleitbandes zusammenzustellen. Da die gesamte Arbeit mit Sicherheit vielen Lesern als Lehrbuch dienen wird, würde eine zweite Auflage auch Gelegenheit dazu bieten, die eine oder andere Korrektur vorzunehmen (die Übersetzung Wulfilas wurde nicht mit Hilfe von Runen (S. 21), sondern mit der von Wulfila selbst nach dem Vorbild vor allem der griechi-schen Lettern erfundenen gotigriechi-schen Schrift niedergeschrieben; die blaue Blume sym-bolisiert nicht die Erkenntnis (S. 224) sondern die wahre, echte Poesie, die

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ro-mantische Sehnsucht nach der All-Ein-heit der Welt) oder vielleicht manche weni-ger geglückte Formulierungen zu vermeiden. Neben dem schon erwähnten informati-ven Wert erfüllen die einzelnen Beiträge eine weitere wichtige Aufgabe, nämlich den Leser aufzufordern, sein eigenes Verständnis der Texte einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Dies ist umso wertvoller, als wir es nicht nur mit einem klar definierbaren literaturtheoretischen, literaturhistorischen und theologischen Wissen zu tun haben (obwohl dies auch der Fall ist), sondern oftmals auch eine Sphäre berührt wird, die von persönli-chem Fühlen und Erleben geprägt ist – was sowohl die literarischen Texte und ihre Autoren als auch Leser und Forscher betrifft. Wie sich bei der Lektüre der ein-zelnen Beiträge herausstellt, ist es nicht möglich, allein den Buchstaben des bibli-schen Textes als Beziehungspunkt zu be-trachten. Manchmal kann man sogar fra-gen, ob sich die Analysen nicht allzu weit vom biblischen Text entfernen und eher das Phänomen der Religion bzw. Religiosität untersuchen. Manche der aufgestellten Thesen bieten sicherlich Diskussionsbedarf. Ob sich Lessings

Nathan der Weise als Manifest der

Näch-stenliebe im Sinne des Neuen Testaments lesen lässt (S. 178-179)? Ob sich Eichen-dorffs Lyrik mit Hilfe der Theorie des Mythos nach Eliade lesen lässt (S. 234)? Ob man Franz Kafka wirklich als einen

„Künder der frohen Botschaft“ betrach-ten kann (S. 332)? Ob Brechts Umgang mit dem biblischen Text den Namen ei-ner Reinterpretation verdient und ob er „mit der Bibel“ (und nicht eher „gegen die Bibel“) denkt (S. 361, 368)? Mit die-sen Fragen soll die oben erwähnte Dimension des Bandes begründet wer-den, der sich vor allem als eine Einla-dung zum Mitdenken, zum Studieren und zum Gespräch versteht. Die Teilnahme an einer solchen Diskussion verlangt dem Leser naturgemäß eine profunde Kenntnis der Bibel mit der ganzen ein-gangs skizzierten Problematik und der angeführten literarischen Texte ab. Zumindest muss er dazu bereit sein, sich diese Kenntnisse zusätzlich anzueignen, um sich auf die Lektüre vorzubereiten. Auf jeden Fall stellt der gesamte Band eine Herausforderung dar. Und dies kann mit Sicherheit als sein großer Vorteil gel-ten. Wie die Projektleiterin MARIA KŁAŃSKA betont, bleibt die Bibel – auch wenn man von verschiedenen Formen der Präsenz der Bibel in der deutschspra-chigen Literatur sprechen kann, und wenn die Art und Weise dieser Präsenz einem ständigen Wandel unterliegt – der wichtigste Urtext dieser Literatur (S. 85). Dass man nie müde werden soll, an diese Wahrheit zu erinnern und sie zu erfor-schen – dies aufzuzeigen ist den Autoren des Bandes mit Sicherheit gelungen.

Katarzyna Dzikowska, Poznań

KRYSZTOFIAK,MARIA (ed.) (2010): Probleme der Übersetzungskul-tur. Frankfurt (M.)/Berlin/Bern u. a.: Peter Lang Verlag (=Danziger Beiträge zur Germanistik 33). 270 S.

Die Vorstellung von der Funktion der künstlerischen Übersetzung sowie von den durch Übersetzer zu bewältigenden Aufgaben unterliegt seit den Anfängen der Translation Studies ständigen

Verän-derungen. Gegenwärtig scheint das Inter-esse der modernen literaturwissenschaftlich profilierten translatorischen Forschung an dem kulturvermittelnden Potential künst-lerischer Übersetzungen verstärkt

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zuzu-nehmen. Damit geht auch die Notwen-digkeit einer Sensibilisierung der am translatorischen Kulturtransfer Beteiligten (gemeint sind hierbei vornehmlich Über-setzer/Dolmetscher wie auch Verleger, Kritiker, Übersetzungswissenschaftler) für die Problematik der Vermittlung von fremden Kulturbildern einher. Für diesen Zweck ist der Sammelband Probleme der

Übersetzungskultur bestens geeignet. Die

Veröffentlichung knüpft an den ebenfalls von KRYSZTOFIAK herausgegebenen Band

Ästhetik und Kulturwandel in der

Über-setzung (2008) an, der gewissermaßen

translationstheoretische Grundlagen und einen kulturwissenschaftlichen Rahmen für Probleme der Übersetzungskultur ge-schaffen hat. Diesmal handelt es sich vornehmlich um die Herausarbeitung bestimmter Transfermodalitäten von den in künstlerischen Werken enthaltenen fremden Kulturbildern, die es zunächst zu identifizieren, zu entschlüsseln und schließlich gekonnt wiederzugeben gilt. Wie im Vorwort erklärt wird, ist dieser Band als Ergebnis einer internationalen Kooperation von Übersetzungsforschern, Kritikern und Praktikern entstanden, die „ein Netzwerk des Erfahrungsaustausches im Bereich der kulturwissenschaftlich orientierten Translationswissenschaft“ (S. 7) gebildet haben. Das Buch besteht aus neunzehn Beiträgen, die sich nach ihren thematischen Schwerpunkten in überset-zungstheoretische Überlegungen, prakti-sche Fallstudien, translatoriprakti-sche (Werk-statt-)Berichte und Fragen zur medialen Translation einteilen lassen. In dem von der Herausgeberin verfassten Eröffnungs-beitrag, Vom Übersetzen der

Kulturwör-ter (S. 9-23), wird dem Problem ihrer Übersetzung nachgegangen. Unter diesem Begriff sind in literarischen Werken sprachlich verschlüsselte, ausgangskultu-relle Elemente zu verstehen, die einen

symbolischen Wert besitzen und insbe-sondere bei Autoren vorkommen, die durch mehrere Sprachen und Kulturen geprägt sind. Die Verfasserin versucht, das Geheimnis von kongenialen über-zeitlichen Übersetzungen zu ergründen, in denen wir es mit einer „zeitlich paral-lelen Gleichwertigkeit von Original und Übersetzung“ (S. 11) zu tun haben, und verweist auf ebenfalls multikulturell er-fahrene, bestenfalls zeitgenössisch lebende und selbst literarisch tätige Übersetzer, die für diese Aufgabe besonders prä-destiniert scheinen. Um den Übersetzern eine angemessene Identifizierung von Schlüsselwörtern und Weltbildern litera-rischer Vorlagen einer anderen Kultur zu erleichtern, wird eine übersetzungsrelevante Typologie von Kulturwörtern und -sym-bolen aufgestellt. Abschließend wird die alleinige Verantwortung des Übersetzers für die Umkodierung des sprachlichen Kodes von fremden Kulturen betont, während seine Dekodierung nach Mei-nung der Verfasserin den Philologen obliege. Vor diesem Hintergrund analy-siert KATARZYNA LUKAS das Werk von Bruno Schulz, Zwischen

Kulturgebun-denheit und Individualästhetik: Bruno

Schulz in deutschen Übersetzungen (S.

185-200), und ortet die mit der Überset-zung seiner literarischen Arbeiten zusam-menhängenden Schwierigkeiten in der Individualästhetik des Schriftstellers. Wie die Verfasserin betont, gilt dieser multikulturelle und multimediale Künstler (außer der Literatur wird auch sein graphisches und essayistisches Schaffen hervorgehoben) als ein wahrer ‚Geist seiner Epoche‘ und „war in der pol-nischen, jüdischen und deutschen ethni-schen Kultur gleichermaßen beheimatet“ (S. 186), was sein Werk zusätzlich berei-cherte und ihm universelle Züge verlieh. Als auszeichnende Merkmale der Schulz’schen

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Schreibweise und gleichzeitig als größte translatorische Herausforderungen werden u. a. seine Strategie der „Mythisierung der erzählten Zeit“, die durch den Gebrauch von iterativen Verbformen erzielte Über-zeitlichkeit sowie ein scheinbarer Realitäts-bezug genannt. RADEGUNDIS STOLZE, An-hängerin der hermeneutisch ausgerichteten Translatorik, setzt sich mit dem klassischen Thema der Bibelübersetzung auseinander (Kulturbilder in ihrer Rezeption durch

deutsche Bibelübersetzungen, S. 25-40).

Der berühmten Bibel Martin Luthers wer-den drei alternative programmatische Translationen der Heiligen Schrift gegen-übergestellt: die „funktionsorientierte“, 1999 im Insel-Verlag erschienene Neu-übersetzung; die frei übertragene, seit 2005 im Internet als „Open-Source-Experiment“ zugängliche jugendsprachliche Volxbibel sowie das 2006 abgeschlossene Projekt Die

Bibel in gerechter Sprache. Mit Hilfe eines

intrasprachlichen Vergleichs von ausge-wählten neutestamentlichen Versen be-schreibt Stolze translatorische Grundsätze, Prioritäten und Strategien der einzelnen Übersetzer(teams), um abschließend zu fol-genden Schlussfolgerungen zu gelangen: Fremdkulturelle Bestandteile der biblischen Texte werden in den untersuchten moder-nen Übersetzungen entweder allegorisch universalisiert, umständlich erklärt oder durch moderne Begriffe ersetzt. Das zuletzt genannte Konzept sei mit einem besonders krassen Beispiel aus der Volxbibel veran-schaulicht, wo es heißt (Mt. 25, 1): „In der neuen Zeit wird es so abgehen, wie es bei zehn Mädchen war, die nach einem alten Brauch den Macker, der heiratet, von zu Hause abholen sollten. Sie fuhren mit ihren Vespas in sein Dorf, aber nur fünf waren schlau genug, auch ausreichend Benzin mitzunehmen.“ In Extremfällen könnte also sogar von einer Abschaffung der AS-Kultur die Rede sein. Die Autorin

versucht jedoch auch diese Strategie zu verteidigen, indem sie einerseits auf die Notwendigkeit der Loslösung von wört-lichem Transfer verweist und gleichzeitig „Kreativität und Vertrauen in die eigene Sprachfähigkeit“ (S. 36) hervorhebt. Der in der Reihenfolge dritte Beitrag des Bandes, verfasst von PAWEŁ DOMERACKI,

Übersetzung als Lüge? Eine Ausein-andersetzung mit der Sprachphilosophie

Thomas Bernhards (S. 41-53), ist der

Sprachphilosophie Bernhards, des gedank-lichen Nachfolgers der österreichischen Sprachskeptiker von Mauthner bis Witt-genstein, gewidmet. Aus den philoso-phischen Grundsätzen des Schriftstellers wird eine Reihe von schwer überwind-baren translatorischen Schwierigkeiten im inhaltlichen, stilistischen und forma-len Bereich hergeleitet. Abschließend scheint Domeracki die These nahezule-gen, potentielle Übersetzer von Bern-hards Werken seien beinahe von vorn-herein zum Scheitern verurteilt, wenn sie allen ästhetischen Qualitäten seines Schaf-fens gerecht werden möchten. BRIGITTE SCHULTZE, Mainzer Slawistin und aus-gewiesene Kennerin polnischer Dramen von Krasiński bis Gombrowicz, richtet ihr Augenmerk diesmal auf Über-setzungen von Lermontovs Maskarad in die polnische, deutsche und tschechische Sprache (Dramatische, theatrale und

kulturspezifische Bedeutungsbildung an Namen, Titulaturen und (pronominaler) Anrede. Untersucht an Übersetzungen

des 19. bis 21. Jahrhunderts, S. 55-74).

Der Schwerpunkt ihrer komparatistischen Analyse liegt im übersetzerischen Um-gang mit sprechenden Namen sowie mit Titulaturen und wechselnden Anreden. Am aufschlussreichsten erscheinen die beiden polnischen Maskerad-Fassungen, in denen Schultze zahlreiche Auslassun-gen, Änderungen und Missdeutungen in

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den untersuchten Bereichen aufdeckt. Die übersetzerische Fehlleistung lässt sich nach Meinung der Verfasserin nicht allein aus Sprachenpaarasymmetrien er-klären, es dürfte sich dabei vielmehr um mangelnde translatorische wie interpreta-torische Kompetenzen der polnischen Übersetzer handeln.

Drei Beiträge des Bandes beziehen sich auf den skandinavischen Raum: MAŁ -GORZATA BIEŃ-LIETZ beschäftigt sich mit polnischen Übersetzungen von Kinder- und Jugendbüchern schwedischer und nor-wegischer Autoren (Gewollter

Kulturtrans-fer. Neueste schwedische und norwegische

Kinderbücher auf Polnisch, S. 85-96). In

ihren Ausführungen erörtert sie Fragen und Strategien eines erfolgreichen und bereichernden ausgangskulturellen Trans-fers für junge polnische Rezipienten. Der schwedische Literaturübersetzer ANDERS BODEGÅRD, Drei Übersetzerblicke (S. 97-105),und sein dänischer Kollege PER ØHRGAARD, „Die Blechtrommel“ fünfzig

Jahre danach. Ein persönlicher Bericht

(S. 107-118), beschreiben die aus ihrer eigenen translatorischen Arbeit hervorge-gangenen Erfahrungen und Reflexionen. In der Wisława Szymborska und Ryszard Kapuściński gewidmeten Skizze entdeckt der schwedische Autor „die Sparsamkeit der Worte“ als eine Schlüsselkategorie für die angemessene Übersetzung von Texten der beiden genannten polnischen Wortkünstler. ØHRGAARD, erfahrener Grass-Übersetzer ins Dänische, berichtet ausführlich über seine Arbeit an einer Neuübersetzung der Blechtrommel und geht dabei auf die aus der Rezeptionsge-schichte und aus Kulturspezifika des Werkes resultierenden translatorischen Schwierigkeiten (wie beispielsweise dem Umgang mit Dialekt und Fachwissen in Bezug auf Steinmetzwerkzeuge, die Kenntnis des Ablaufs einer katholischen

Messe) ein. Zum Schluss weist der Über-setzer auf einen seiner Meinung nach zur Entstehung einer gelungenen literarischen Übersetzung erforderlichen ‚Faktor‘ hin: einen Gegenleser und ersten Kritiker (ei-nen Schriftsteller, aufmerksamen Lektor, zuverlässigen Freund), von dem sich der von Zweifeln und Unsicherheit geplagte Translator noch vor der Veröffentlichung des Zieltextes beraten lassen kann. Der Beitrag von RAINER KOHLMAYER,

Die französische Alexandrinerkomödie als Übersetzungsproblem. Am Beispiel engli-scher und deutengli-scher Versübersetzungen

(S. 145-161), verbindet Elemente theore-tischer Reflexion mit aus der eigenen translatorischen Tätigkeit im Bereich der künstlerischen Übersetzung gewonnenen Erkenntnissen. Ausgehend von einer „rhetorischen Theorie der Übersetzung“ formuliert er – entgegen der in Deutsch-land oft vertretenen Meinung – seine gat-tungspoetische These über die Möglich-keit der Wiedergabe des französischen Alexandriners im Deutschen unter Beibe-haltung der Versform. Seine Ausführun-gen finden ihre Bestätigung in der Ana-lyse einer englischen und einer deutschen Fassung von Molières L’école des

fem-mes und werden zusätzlich durch seine eigene Übersetzung dieses Werkes unter-mauert. Dem von EWA MAKARCZYK -SCHUSTER und KARLHEINZ SCHUSTER, Witkacy-Übersetzer ins Deutsche, ver-fassten Artikel liegen ebenfalls prakti-sche Erfahrungen im Umgang mit litera-rischen Texten zugrunde, denn es handelt sich um die Übersetzung von Werktiteln und Figurennamen, erörtert an deutsch-sprachigen Fassungen von Beispielwer-ken aus der neuesten polnischen Literatur (Übersetzung von Werktiteln und

Figu-rennamen, S. 243-253). Wie die Autoren

zeigen, spielt bei der Formulierung des Zieltext-Titels eine Reihe von Faktoren

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mit, von denen sprachlich-stilistische und kulturgeschichtliche Fragen in erster Li-nie zu nennen sind. Es wird aber nicht verschwiegen, dass in vielen Fällen ins-besondere verkaufsstrategische Gründe über die Formulierung des Titels ent-scheiden. ŁUKASZ NECA,ein weiterer Ko-autor des erwähnten Artikels, ist für dessen zweiten Teil verantwortlich und untersucht darin die Übertragung von operativen Ausdrücken (Werbeslogans) aus dem Deutschen ins Polnische. Ähnlich wie bei Werktiteln sind auch in Bezug auf diesen Texttyp nicht nur ästhetische Aspekte oder etwa Äquivalenzbeziehun-gen ausschlaggebend, sondern vielmehr außersprachliche Faktoren, zu denen vor-dergründig jeweils beabsichtigte Mar-ketingmaßnahmen zählen.

Drei weitere Beiträge des Bandes lassen sich als Fallstudien klassifizieren, die sich jeweils mit Übersetzungen von Kul-turphänomenen in einem bestimmten li-terarischen Werk auseinandersetzen. MO -NIKA MYSAKOWSKA hat das autobiogra-phische Werk von Günter Grass zum Gegenstand ihrer Untersuchung gemacht (Die Kulturbilder im autobiographischen

Werk „Beim Häuten der Zwiebel“ von Günter Grass – den translatorischen

Lö-sungen auf der Spur, S. 119-128). Ihrer

Übersetzungsanalyse werden Überlegun-gen zu dem für Autobiographien kenn-zeichnenden Spannungsverhältnis zwischen Wahrheit und Fiktion vorangestellt, das sich bei Grass als „eine private und kol-lektive Geschichte“ (S. 121) manifestiert. Bei der Analyse der Übersetzung von Sławomir Błaut konzentriert sie sich auf Beispiele, in denen auf eine Direktüber-nahme fremdkultureller Elemente zugun-sten der Analogie bzw. Lehnübersetzung verzichtet wird. Anschließend wird auch eine weitere Teilübersetzung derselben Vorlage herangezogen und Błauts

Fas-sung gegenübergestellt. Aus dem kontra-stiven intrasprachlichen Vergleich wird das Fazit gezogen, „dass bei der Über-setzung von Kulturbildern und Realien nicht so sehr die Sprachkompetenz des Übersetzers, sondern seine translatorische Sensibilität und Übersetzungskultur auf dem Prüfstein stehen“ (S. 127). Der Bei-trag von ANNA FIMIAK-CHWIŁKOWSKA erweitert die Problematik des Bandes um den translatorischen Umgang mit dem im Originalwerk enthaltenen Fremdbild ei-nes ‚Drittlandes‘ am Beispiel des in Ita-lien spielenden Romans Katar von Sta-nisław Lem (Übersetzen der fremden und

eigenen Kulturbilder. Der Roman „Ka-tar“ von Stanisław Lem in deutscher

Übersetzung von Klaus Staemmler, S.

223-233). Im Mittelpunkt des wissen-schaftlichen Interesses von MAŁGORZATA WĘGLARSKA stehen Thomas Manns Rund-funkansprachen Deutsche Hörer!, in denen der Verfasser vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkrieges das Deutschtum und Bestandteile der deutschen Kultur (re)definiert (Das übersetzte

Kulturver-ständnis Thomas Manns. Die

Rundfunk-ansprachen „Deutsche Hörer!“, S.

201-211). In den untersuchten polnischen Über-setzungen erweisen sich insbesondere Begriffe wie ‚Innerlichkeit‘,‚Geist‘ und ‚Vaterland‘ als problematisch, deren Be-deutungen in der deutschen Geschichte mehrmals einem Wandel unterlagen. In seinem ausführlich betitelten Beitrag (Kulturbilder und ästhetische

Verarbei-tung des Französischen in den letzten Romanen Milan Kunderas und ihre Wiedergabe im Polnischen, Tschechi-schen und DeutTschechi-schen: der Versuch einer kultursemantischen und diskursanalyti-schen Funktionsbestimmung der

inter-lingualen Invarianz/Varianz, S. 129-143)

nimmt sich PETER KOSTA vor, eine semantische Geste im Hinblick auf ihren

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nonverbal kodierten Sinn zu untersuchen. Aus seiner eingehenden Analyse folgt, dass die Körpersprache genauso wie das Gesagte eine Quelle von interpretato-rischen wie translatointerpretato-rischen Fehlern dar-stellen kann.

ULRIKE JEKUTSCH beschreibt die kultur-vermittelnde Tätigkeit von Christian Gott-lieb Steiner, der in den 1780er Jahren Herausgeber der Zeitschrift Polnische

Bi-bliothek und Autor von darin

veröffent-lichten Übersetzungen und Rezensionen polnischer Literatur war („Achtenswerte

Geistesfrüchte Polens“. C. G. Steiners Präsentation polnischer Literatur der Aufklärung in Übersetzung und

Re-zension, S. 163-184). Dabei handelte es

sich nicht nur um die „polnischsprachige, sondern auch die im Königreich Polen […] entstandene Poesie und Gelehrsam-keit“ (S. 171). Die Verfasserin rekonstru-iert sowohl das Bild der polnischen Kul-tur, das aus Steiners Arbeiten hervorgeht, als auch seine persönliche Übersetzungs-strategie und ferner die translatorische Konzeption der Zeitschrift im Kontext der aufklärerischen Übersetzungstheorie. MARKUS EBERHARTER skizziert Das Bild

des österreichischen Wirtshauses in

pol-nischen Übersetzungen (S. 213-222) und

versucht Konnotationen, die der in litera-rischen Werken (z. B. von Thomas Bern-hard oder Ingeborg Bachmann) verwen-dete Begriff ‚Wirtshaus‘ bei den Österrei-chern evoziert, mit der Wirkung seiner polnischen Äquivalente (‚gospoda‘, ‚oberża‘, ‚zajazd‘) zu vergleichen. Statt eines Fa-zits schließt er seinen Beitrag mit einer Reihe von weiterführenden Fragen ab, be-zogen auf die erwähnte Thematik: „Wel-che Österreich-Bilder werden durch Über-setzungen geschaffen, und wie unter-scheidet sich diese Außenperspektive von der österreichischen Sichtweise?“ (S. 222) In diesem Zusammenhang sei

er-gänzend ein anderer fester Bestandteil der österreichischen Kultur erwähnt: das Wiener Kaffeehaus, für den auf der be-grifflichen Ebene zwar das wörtliche polnische Äquivalent ‚kawiarnia‘ durch-aus stehen könnte, das allerdings die kul-turelle und gesellschaftliche Funktion von Wiener Kaffeehäusern nicht im Ge-ringsten zu erhellen vermag, so dass eine umfassende Aufklärung unumgänglich erscheint, beispielsweise in Form eines Verweises auf den von STEFAN H. KASZYŃSKI (2004) edierten, aus Über-setzungen österreichischer Aufsätze und literarischer Proben bestehenden Band

Opowieści Wiedeńskiej Kawiarni

[Ge-schichten des Wiener Kaffeehauses]. Da sich die translatorische Problematik nicht nur auf schriftsprachliche Kunst-werke bezieht, werden auch Fragen der audiovisuellen Translation behandelt. Im Fokus des Interesses von MAŁGORZATA KORYCIŃSKA-WEGNER steht der Film

Der Rote Kakadu von Dominik Graf

(Das Unfassbare fassen. Kulturbilder als

sinnkonstituierende Einheit bei der

Film-übersetzung, S. 75-84). Die Autorin

ver-sucht das darin enthaltene Kulturbild als sinnkonstituierende Einheit und überset-zungsrelevante Kategorie für die Erarbei-tung einzelner translatorischer Lösungen darzustellen. BIANCA BICAN berichtet über ihr experimentelles Projekt, die in Werktiteln von Paul Celan enthaltenen Metaphern intermedial zu übersetzen, d. h. sie in Form von Zeichnungen zu interpretieren (Intermediale Übersetzung

von Metaphern am Beispiel Paul Celan,

S. 235-241). Die auf diese Weise entstan-denen Kulturbilder weisen eine doppelte Verankerung auf: einerseits als die im dichterischen Werk verschlüsselten In-halte, andererseits aber auch als Bilder, die durch diese Metaphern bei den Inter-pretierenden evoziert werden. Der Band

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wird abgerundet mit Erinnerungen, Er-lebnissen und Anekdoten aus dem Leben eines Praktikers:WOLFGANG PAILER be-schreibt seinen Dolmetschdienst bei der deutschen Botschaft in Polen

(Dolmet-schen für Präsidenten, Kanzler und Mini-ster – aus über 30 Jahren

Berufserfah-rung (Oktober 2009), S. 255-266). Als

Sprachmittler des Auswärtigen Amtes konnte er während seiner diplomatischen Laufbahn zahlreiche politische, kulturelle und sogar sportliche Ereignisse der neue-sten Geschichte miterleben und die wich-tigsten zeitgenössischen Politiker per-sönlich treffen. Seine Ausführungen ent-halten praktische Tipps für angehende Übersetzer und eigene Reflexionen zur Behandlung und Wahrnehmung von Dol-metschern in Polen und Deutschland. Aus den einzelnen Beiträgen des Bandes geht eindeutig hervor, dass die Kulturkom-petenz und das Einfühlungsvermögen des Übersetzers sowie seine sprachliche und ästhetische Kreativität als Voraussetzun-gen für den erfolgreichen Kulturtransfer bzw. die sprachliche Rekonstruktion der in Originaltexten verschlüsselten Kultur-bilder gelten, somit avanciert der Über-setzer zu einer der zentralen Einflussgrö-ßen im Prozess der literarischen Über-setzung. Daher nimmt es nicht weiter wunder, dass seine translatorische Lei-stung und die an ihn gestellten Anforde-rungen in fast allen Beiträgen des Bandes zur Sprache gebracht werden. Während manche Autoren an der translatorischen Leistung des Übersetzers einiges

auszu-setzen haben (Schultze, Kosta) oder gar an der Übersetzbarkeit bestimmter Werke zweifeln (Domeracki), konstatieren andere mit Bedauern, dass die übersetzerische Arbeit nach wie vor meistens unter-schätzt wird (Krysztofiak, Pailer) und den Übersetzern selbst bei herausragen-den Leistungen nicht nur der „Zugang zur eigenen Sprachgeschichte“ (S. 13), sondern auch die gebührende Anerken-nung ihrer Bemühungen verweigert wird. Andererseits werden aber stellenweise ge-lungene oder mutige und innovative trans-latorische Lösungen hervorgehoben (z. B. bei Stolze, Węglarska, Fimiak-Chwiłkow-ska). Der Sammelband Probleme der

Übersetzungskultur erweist sich einerseits

als anregend und weiterführend für Lite-raturübersetzer und ganz allgemein für die Übersetzerausbildung, andererseits liefert er auch wegweisende Hinweise und Erkenntnisse für Übersetzungsforscher sowie für Literatur- und Kulturwissen-schaftler. Und nicht zuletzt leistet die Veröffentlichung einen wichtigen Beitrag zur besseren kulturübergreifenden Ver-ständigung zwischen europäischen Völkern.

Literatur

KASZYŃSKI, STEFAN H. (ed.) (2004):

Opowieści kawiarni wiedeńskiej.

[Ge-schichten des Wiener Kaffeehauses]. Poznań.

KRYSZTOFIAK, MARIA (ed.) (2008):

Äs-thetik und Kulturwandel in der Überset-zung. Frankfurt (M.)/Berlin/Bern u. a. (=

Posener Beiträge zur Germanistik 19).

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KUNICKI,WOJCIECH / ZYBURA, MAREK (eds.) (2011): Germanistik in Polen. Zur Fachgeschichte einer literaturwissenschaftlichen Aus-landsgermanistik. 18 Porträts. Osnabrück: fibre (=Studia Brand-tiana 3). 400 S.

Nun liegt es endlich vor, das „Germani-stenbuch“ (wie es im germanistischen Milieu schon jetzt genannt wird), das be-reits vor seinem Erscheinen für so viel Spekulation und Munkelei gesorgt hat. Der Grund für diese verstärkte Aufmerk-samkeit liegt in der Konzeption des Ban-des: Inmitten einer Phase zunehmender Beschäftigung der polnischen Germani-stik mit ihrer eigenen Fachgeschichte – auch Conviviumwidmete dieser bereits einige Beiträge und das Schwerpunkt-thema 2009 – greift dieser Band das Thema mit einer bisher nicht gekannten Gründlichkeit und Datenfülle auf und verabschiedet nebenher auch noch die häufig vorherrschende Tendenz zu Selbst-lob und diskretem Übergehen heikler Fragen. Konzentrierte sich die Fachge-schichte bisher auf Institutsbibliogra-phien und -geschichten sowie ehrende Würdigungen bedeutender Wissenschaft-ler, die vorrangig in Institutszeitschriften und Festschriften mit vorgegebenen Loya-litätsmustern erschienen, so liegt hier erstmals ein Buch vor, das sich syste-matisch der polnischen Germanistik ins-gesamt und nicht nur aus der Perspektive eines einzelnen Instituts widmet. Dies befreit die Herausgeber von den Be-schränkungen und Rücksichten einer nur lokalen Perspektive und ermöglicht ihnen wissenschaftliche, notfalls auch kritische Distanz. Im Ergebnis werden die fachli-chen Leistungen polnischer Germanisten nicht mehr nur einfach aufgeführt, son-dern auch kontextualisiert und kritisch abgeglichen mit dem für das jeweilige Thema zur jeweiligen Zeit herrschenden internationalen Forschungsstand.

Origi-nalität und EpigoOrigi-nalität, Stärken wie Schwächen werden dadurch in bisher nicht gekannter Klarheit benennbar. Die-ser Mut zur Selbstkritik kommt der pol-nischen Germanistik letztlich sehr zu-gute: Im Ergebnis erweist sie sich im Zuge dieser Abgleichung als eine der tat-sächlich produktivsten, interessantesten und bedeutendsten Germanistiken der Welt.

Dabei werden die besonderen, oftmals hemmenden Rahmenbedingungen, unter denen die polnische Germanistik im „kurzen 20. Jahrhundert“ (1914/18-1989/90) mit seinen zwei Weltkriegen, deutscher Okkupation, nationalsozialisti-schen Verbrechen und kommunistischer Herrschaft funktionieren musste, nicht übersehen, sondern gezielt berücksich-tigt. Zu den dadurch bedingten gravieren-den Einschnitten gehören die Ermordung Zygmunt Łempickis 1943 im Vernich-tungslager Auschwitz (S. 61) ebenso wie die illegale Lehrtätigkeit etwa Jan Ber-gers (S. 123), Arno Wills (S. 194), Ry-szard Ligacz’ (S. 155), Elida Maria Sza-rotas (S. 178) und vieler anderer im Bil-dungssystem des polnischen Untergrunds während der nationalsozialistischen Ok-kupation Polens, aber dann auch der Druck der kommunistischen Herrschaft, die in fast allen hier vorgestellten Biographien ihre Spuren hinterließ – wenn auch selten so drastisch wie im Falle des internatio-nal renommierten Herder-Forschers Emil Adler, der im Zuge der von der Partei in Form einer „antizionistischen Kampa-gne“ geförderten antisemitischen Welle von 1968 Polen für immer verlassen musste (S. 211f.). Manche Leistung wird

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vor diesen oft erschreckenden Hinter-gründen umso bewunderungswürdiger, manche auf den ersten Blick unschein-bare Tätigkeit – etwa die von Olga Dobi-janka-Witczakowa über viele Jahre hin-weg selbstlos auf sich genommene weite-re Pflege der germanistischen Bibliothek nach der schrittweisen Einstellung des Lehrbetriebs des Instituts für Germani-sche Philologie in Krakau seit 1949 (S. 324) – erweist sich unter dieser Per-spektive als aufopferungsvolles Beharren unter oft schwierigsten Umständen. Dieses Buch öffnet den Blick für solche Arbeits-bedingungen von Wissenschaft und lehrt alle, die solche Umstände selbst nicht erleben mussten, Verständnis und Respekt – gerade weil die Herausgeber vor den mit diesen „schwierigsten Umständen“ verknüpften und bisher gerne ausgeblen-deten heiklen Fragen wie der nach der Verstrickung einzelner Wissenschaftler in Geheimdienst- und Spitzeltätigkeiten nicht zurückschrecken. Recherchen in den Archiven des Instytut Pamięci Narodo-wej, des Instituts für das Nationale Ge-denken, zeigen, dass die „These, die polnische Germanistik wäre als Nischen-wissenschaft und internationales Aushän-geschild des Regimes immun gegen die geheimpolizeiliche Durchdringung und Vereinnahmung gewesen, jetzt als irr-tümlich bezeichnet werden muss“ (Vor-wort, S. 11). Die Belastungen des Sy-stems lassen sich nicht darstellen, Opfer nicht erklären, wenn nicht zugleich Kri-tik geübt, ihre Kollegen schädigende Profiteure des Systems wie der für den Geheimdienst spitzelnde Zenon Rudnicki mit in den Blick genommen werden. Da-bei geht es nicht primär um „Aufdec-kung“ oder „Entlarvung“, sondern um das möglichst präzise Austasten der Exi-stenzbedingungen germanistischer Ar-beit, um die Frage nach Behinderungen

und Handlungsmöglichkeiten; was konnte überhaupt gesagt und geschrieben wer-den? Wie groß waren die Spielräume des Einzelnen? Dass die politische Überzeu-gung allein, wie also jemand zu den Ideen des Kommunismus stand, dabei noch keinen Rückschluss auf sein mensch-liches und kollegiales Verhalten zulässt, zeigt der durchaus tragische Fall des wis-senschaftlich herausragenden, mensch-lich integren Tadeusz Namowicz, der als inhaltlich überzeugtes Parteimitglied in Konflikt mit der Partei geriet, weil er deren harten Umgang mit Kritikern und Anhängern der Solidarność nicht unter-stützte und schließlich aus der Partei ausgeschlossen wurde (worunter er lange litt). Eine Professur konnte er erst im Jahr der „Wende“ 1989 erlangen (S. 371f.), während umgekehrt ein Michał Cieśla aufgrund politischer Opportunität 1972 eine Professur erhalten konnte, ohne sich überhaupt habilitiert zu haben (S. 235). Die hier berichteten Lebens-läufe sind durchgehend geprägt von den Wirren des Jahrhunderts, der Beitrag über Jan Piprek kann geradezu als Studie über das „Drama eines gescheiterten Wissenschaftlers“ (S. 63) unter den Be-dingungen „der spannungsvollen Lage der polnischen Germanistik im 20. Jahr-hundert“ (S. 63) angelegt werden; nicht nur seine „Lebensgeschichte liest sich heute wie ein Roman“ (S. 265).

Die unter solchen Umständen erbrachten wissenschaftlichen Leistungen wiegen, wenn sie (wie im Falle Namowicz’, aber natürlich auch Dobijanka-Witczakowas und vieler anderer) der fachlichen Kritik standhalten, umso mehr. Das Buch ist so angelegt, dass einerseits die fachliche Bewertung der Publikationen der darge-stellten Wissenschaftler allein und aus-schließlich vor dem Hintergrund des da-maligen Forschungsstandes erfolgt, die

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Bewertung ihrer wissenschaftlichen Ar-beit also nicht durch „Nebenaspekte“ be-einträchtigt wird, dass andererseits aber diese „Nebenaspekte“, all die oft be-drückenden politischen Rahmenbedin-gungen, dennoch sehr wohl mitbenannt werden. Die vorgestellten wissenschaftli-chen Leistungen werden so auch in das Koordinatennetz der jeweils herrschen-den Zwänge und Freiheiten eingebunherrschen-den, ohne auf diese reduziert zu werden; in einigen Fällen ist dies schon deshalb nö-tig, weil äußerer Druck oder Opportunis-mus Auswirkung auf die Wissenschaft selbst haben konnte, in anderen Fällen Wissenschaft ihre Kontur gerade in der Verweigerung des verlangten Sich-An-passens gewann. Auf dieses Weise fun-giert das Buch auch als ein Lehrbuch über das von Fall zu Fall unterschiedli-che Überleben von Intellektuellen unter dem Druck der Totalitarismen; die ein-zelnen Biographien sind exemplarisch für viele menschliche Schicksale des 20. Jhd.s insgesamt – und für das Überleben des Geistes in geistfeindlicher Zeit. Es ist deshalb nicht nur für Germanisten von Interesse (eine Parallel-Rezension in der Zeitschrift für Ostmitteleuropaforschung wird sich ihm unter diesem allgemeine-ren Aspekt widmen) –, aber natürlich le-sen Germanisten, insbesondere polnische und mit der polnischen Germanistik ver-bundene Germanisten, es mit erhöhtem Interesse.

Dabei ist dieses Buch kein in sich ge-schlossener Monolith, sondern ‚nur‘ ein klug konzeptioniertes Sammelwerk mit durchaus verschiedenartig an ihr Thema herangehenden Beiträgen. Eine umfas-sende Fachgeschichte der polnischen Germanistik ist ja zurzeit, oder, besser: war bis zur Vorlage dieses Bandes un-ausführbar aufgrund mangelnder Vorar-beiten, vieler fehlender Informationen,

aber auch wegen der heiklen Frage, wie mit den Einwirkungen der Politik auf die Tätigkeit bedeutender Germanisten um-gegangen werden soll. Auch dieser Sam-melband ist noch keine umfassende Fach-geschichte, will eine solche auch gar nicht sein, und doch stellt er einen unver-zichtbaren ersten Schritt in Richtung ei-ner solchen dar – wegen der in ihm erst-mals in diesem Umfang vereinten Infor-mationen, aber auch wegen des Muts, mit dem die Herausgeber und einige Bei-träger unangenehme Fragen angehen. In sachlicher wie in methodischer Hinsicht wird dieses Buch für jede weitere Erfor-schung der Fachgeschichte der polni-schen Germanistik eine nicht mehr hin-tergehbare Vorgabe sein.

Dabei setzt es sich eigentlich ‚nur‘ aus 18 Porträts bereits verstorbener bedeu-tender polnischer Germanistinnen und Germanisten zusammen, chronologisch geordnet nach ihrem Geburtsjahr: Spiri-dion Wukadinović (1870-1938, darge-stellt von Maria Kłańska), Zygmunt Łempicki (1886-1943, verfasst von Karol Sauerland), Jan Piprek (1887-1970, Krzysztof Żarski), Zdzisław Żygulski (1888-1975, Wojciech Kunicki), Jan Ber-ger (1889-1975, Jerzy Kałązny), Zofia Ciechanowska (1896-1972, Katarzyna Sadkowska), Ryszard Ligacz (1903-1982, Wojciech Kunicki), Elida Maria Szarota (1904-1999, Karol Sauerland), Arno Will (1905-1983, Wojciech Kunicki), Emil Adler (1906-1997, Marta Kopij), Michał Cieśla (1907-1997, Karol Sauer-land), Maria Kofta (1914-1992, Joanna Smereka), Jan Chodera (1915-1975, Jerzy Kałążny), Wilhelm Szewczyk (1916-1991, Wojciech Kunicki), Mieczy-sław Urbanowicz (1920-1970, Wojciech Kunicki), Olga Dobijanka-Witczakowa (1921-2006, Maria Kłańska), Marian Szyrocki (1928-1992, Marek Zybura),

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Tadeusz Namowicz (1938-2003, Maria Kłańska). Die Auswahl beschränkt sich auf den Bereich der Literaturwissen-schaft und beansprucht Repräsentativität, aber nicht Vollständigkeit. Es handelt sich nicht um ein Lexikon, wenn auch die Herausgeber um eine einheitliche Ge-stalt und inhaltliche Gliederung der Bträge bemüht waren, was dem Band ei-nen durchaus mit Nachschlagewerken vergleichbaren Charakter verleiht: Alle Beiträge beinhalten, unterschiedlich stark ineinander integriert, die Lebensläufe, eine kritische Würdigung der wissenschaft-lichen Leistungen und eine Darstellung der didaktischen und administrativen Aufgaben und Tätigkeiten – immerhin war ein großer Teil der hier Porträtierten wesentlich am Aufbau der germanisti-schen Institute und Einrichtungen Polens beteiligt; der dadurch ermöglichte institu-tionsgeschichtliche Blick auf die polni-sche Germanistik verleiht dem Buch zu-sätzliche fachgeschichtliche Brisanz: Germanistik in Polen musste nach 1945 ja nicht nur – wie alle anderen Fächer – unter dem mehrfachen Druck der Kriegs-folgen und der kommunistischen Herr-schaft wieder aufgebaut werden, sie wid-mete sich – anders als andere Fächer – inhaltlich ausgerechnet dem Besatzer und Feind von gestern, dessen Spuren noch überall schmerzlich sichtbar waren. Wie viel Germanistik und zu welchem Zweck sich das kommunistische Regime überhaupt leisten wollte, spiegelt sich in den oft schwierigen Arbeitsbedingungen wider. So wurde nach dem Tod Adam Kleczkowskis (1949) die germanistische Lehrtätigkeit in Krakau (wie 1953 auch in Warschau und in Lodz) eingestellt. Die Germanistik in Breslau sollte legiti-matorische Arbeit in den „wiederge-wonnenen Gebieten“ leisten und gegen die Vorkriegstendenzen der deutschen

Germanistik nun auch im deutschen Fach selbst den polnischen Geschichts- und Kulturanteil in Schlesien herausarbeiten, die Germanistik in Posen sollte in nicht zufälliger räumlicher Nähe zum „Westin-stitut“ (Instytut Zachodni) der Kader-schulung dienen. Nicht umsonst wurde Maria Kofta nach der Schließung der Warschauer Germanistik nach Posen gesandt und als Parteiaktivistin „von oben der Universität Posen aufgedrängt“ (S. 254). „Man sollte nicht so sehr [...] germanistisch geschulte Philologen pro-duzieren, als vielmehr fachkundige Funk-tionäre ausbilden, die man effektiv im ideologischen Kampf der Systeme ver-wenden könnte.“ (KASZYŃSKI 1998:39f.) Doch Menschen sind nicht so einfach planbar, wie die Behörden es sich wün-schen – auch die polnische Germanistik entwickelte sich entgegen solchen Vor-gaben – und in steter spannungsreicher Auseinandersetzung mit diesen – wie auch in Polen insgesamt „recht früh die ideo-logischen Fächer aufgeweicht und ver-mindert wurden“ (SAUERLAND 1997:143). Die Auswahl der Wissenschaftler wird nicht explizit begründet, ergibt sich aber aus dem Anspruch der Repräsentativität und dem Ziel „nicht immer nur die wis-senschaftlichen Leistungen [...], sondern [...] auch die Organisation des Faches in den einzelnenen Instituten sowie die Lehre, resultierend aus den politischen Rahmenbedingungen, in denen sie agier-ten“ (Vorwort der Hrsg., S. 9), darzu-stellen. So verteilen sich die hier vorge-stellten Personen auf die älteren ger-manistischen Institute Polens (Krakau, Breslau, Posen, Warschau, Lodz, Lublin), sie stehen für verschiedene Generationen und Erfahrungen, für unterschiedliche Verhaltensweisen dem Kommunismus gegenüber und für verschiedene wissen-schaftliche Richtungen und berufliche

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