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Die Kunst der Barockzeit und des Rokoko

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D er hl. Sebastian von Peter Paul Rubens

B e r l i n , K a i s e r - F r i e d r i c h - M u s e u m

P a ir l N e f f V e r l a g ( M a x S c h r e i b e r ) , E ß l i n g e n a . N .

(3)
(4)

GRUNDRISS

D E R

KUNSTGESCHICHTE

VON

WILHELM LÜBKE

V ierzehnte Auflage

vollstän d ig neu bearbeitet

von

Dr. Max Semrau

ao. Professor der K unstgeschichte an der U niv ersitä t Greifswald

IV.

B A R O C K Z E I T U N D R O K O K O

E S S L I N G E N a . N .

P A U L N E E F V E R L A G ( M A X S C H R E I B E R ) 1913

(5)

KUNST DER BAROCKZEIT UND DES ROKOKO

VON

¡O Ö T f i

DR. MAX S EM RAT

A r

=CH

ao. Professor der K unstgeschichte an der U niversität Greifswald ^ ,

Dritte (des Gesamtwerkes vierzehnte) Auflage

M i t 2 0 K u n s t b e i l a g e n u n d 4 4 3 A b b i l d u n g e n im T e x t

u m

E S S L I N G E N a.N.

P A U L N E F F V E R L A G ( M A X S C H R E I B E R )

(6)

Alle Kechte, besonders das der Übersetzung, Vorbehalten

D ru ck d e r D e u tsch e n V e rla g s-A n stalt in S tu ttg a rt

(7)

V o r w o r t z u r z w ö l f t e n A u f l a g e

F ü r d en größten T e il des v o rlieg e n d en v ie rte n B a n d e s m uß ich n ach I n h a l t u n d F o r m die a lle in ig e V e ra n tw o rtu n g ü b e rn e h m e n , d a die w enigen S e ite n , w elch e L ü b k e dem 17. u n d 18. J a h r h u n d e r t g e w id m e t h a tte , k au m in B e tr a c h t k o m m en k o n n te n . . .

Ic h se lb st m öchte m ein en A n te il a n d e r N e u g e s ta ltu n g des „ L ü b k e “ n ich t beschließen, ohne des s te ts b e re ite n E n tg e g e n k o m m e n s d e r V e rla g s ­ h a n d lu n g n a m e n tlic h bei d e r B esch affu n g eines re ic h h a ltig e n A n s c h a u u n g s ­ m a te ria ls rü h m e n d zu g edenken.

Z u r v i e r z e h n t e n A u f l a g e

N a c h dem T o d e von P ro fe s s o r H e n r y H y m a n s (1 8 3 7 — 1912), d e r a u f W u n sch d e r V e rla g s h a n d lu n g z u r zw ölften A u fla g e den A b s c h n itt ü b e r n ie d e rlä n d isc h e M a le re i (d am als S. 2 1 7 — 314) b e ig e s te u e rt h a tte , ersch ien es g eboten, dieses K a p ite l n e u ab zu fassen . E s is t n ic h t bloß an U m fa n g (S . 2 2 3 — 333) g ew achsen, so n d e rn fü g t sich vor a llem , w ie ich hoffe, n a c h T o n u n d D a rs te llu n g s a rt dem B a n d e n u n vollkom m en ein. D er T e x t w u rd e a u c h so n st g e n a u d u rc h g e se h e n , e rg ä n z t u n d verbessert-; die Z a h l d e r A b b ild u n g e n is t von 385 a u f 443. die d e r K u n s th e ila g e n von 7 au f 20 g estiegen.

G r e i f s w a l d , im M ä rz 1913

M ax S e m ra u

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I n h a l t

E i n l e i t u n g : R e n a i s s a n c e u n d B a r o c k S. 1

E r s t e s K a p i t e l : D i e A r c h i t e k t u r d e s B a r o c k s — Ita lie n S. 5 — S panien S. 46 — Die N iederlande S. 60 — F ra n k re ic h S. 68 - E ngland S. 8S — D eu tsch ­ land S. 96

Zweites Kapitel: D i e b i l d e n d e n K ü n s t e i m Z e i t a l t e r d e s B a r o c k s S. 141 — Italien S. 142 — F ran k reich S. 183 — D eutschland S. 204

Drittes Kapitel: D i e n i e d e r l ä n d i s c h e M a l e r e i i m 17. J a h r h u n d e r t S. 223

Viertes Kapitel: D i e s p a n i s c h e M a l e r e i u n d P l a s t i k i m 17. J a h r ­ h u n d e r t S. 334

Fünftes Kapitel: D i e K u n s t d e s R o k o k o u n d d e s K l a s s i z i s m u s S. 368 — F ran k reich S. 369 — D eu tsch lan d und die ¡ihrigen L änder S. 403

Register S. 439

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Abb. 1 Inneres der K irche il Gcsu zu Rom (Nach P h o t. A nderson)

E i n l e i t u n g

R en aissan ce und Barock

Die K unst des 17. und 18. Jahrh u n d erts bedeutet, im ganzen betrachtet, keinen neuen A nsatz der geschichtlichen Entw icklung, wie die voraufgehende Epoche der R enaissance; sie w ar die historisch wie ästhetisch notw endige F o rtsetzu n g und A bw andlung der letzteren und kann ohne sie in ihrem W esen nicht begriffen werden. D agegen d arf diese K unst nur insofern m an die klassische R einheit der Form ensprache nach dem M uster der A ntike zum M aßstabe nim m t, als eine Epoche der E n tartung und des N iedergangs charakterisiert werden. Die starken treibenden K räfte der R enaissancekunst sind vielmehr noch nicht erschöpft, sie bringen nur, g en äh rt von neuen geistigen Ström ungen der Zeit, andere Früchte.

So gelangen neue große Ideenkreise e rst je tz t zu ih rer künstlerischen A usgestal­

tung, neue Techniken zur A usbildung; die Malerei, die R adierkunst steigen zu den höchsten, ihrem W esen nach erreichbaren L eistungen em por; ganze Völker, wie die Spanier, die Holländer, in m anchem B etracht selbst die F ranzosen, treten erst je tz t m it ihrem vollen Können a u f den P lan. A uf allen Gebieten des k ü n st­

lerischen Schaffens sehen diese Jahrhunderte reiche T ätigkeit, zum T eil bedeut­

sam en F ortschritt, und wenn die Ideale der R enaissance m ehr und m ehr ver­

blassen, so treten dafür die ersten Zeichen einer neuen Epoche hervor, der m o d e r n e n K unst, zu w elcher uns diese Zeit hinüberleitet.

L i i b k e , K u n stg esc h ic h te 14. A ull. B arock und R okoko 1

(10)

2 Renaissance und Barock

Man h at sich gew öhnt, a u f die K unst des 17. und 18. Jah rh u n d erts die Stilbezeichnungen B a r o c k , R o k o k o und K l a s s i z i s m u s in einer etw a dieser A ufzählung entsprechenden historischen Reihenfolge zur A nw endung zu bringen.

Der Ausdruck „ B a r o c k “ (Barocco, B aroque“), etym ologisch nicht m it S icher­

heit zu erklären, bezeichnet im übertragenen Sinn wohl das Absonderliche, Ge­

suchte und Regelwidrige der Form bildung, das m an nam entlich in einer Epoche, deren Schönheitsideal durch die klassische Antike bestim m t war, vielen Schöp­

fungen des 17. Jah rh u n d erts beimaß. W ir dürfen ihn — ohne diesen tadelnden Nebensinn — als allgem ein verständliche B ezeichnung für die Stilepoche akzep­

tieren, die sich — in Italien etw a seit 1580 — u n m ittelb ar an die Renaissance anschließt und vielfach in einem entschiedenen G egensatz zu ihr steht. W orin dieser G egensatz besteht, das bedarf im folgenden eingehender E rörterung. Z u­

nächst au f die Form en der A rchitektur angew andt, die auch in dieser Epoche die F ührerrolle beibehält, m uß der „B arockstil“ doch auch von P lastik und Malerei verstanden werden, in denen die gleiche K unstgesinnung zum A usdruck kom m t.

Der Barock ist in einem noch um fassenderen Sinne der Stil seiner Zeit, als es die Renaissance gew esen w ar; er beh errsch t u n g each tet aller G egensätze der Natio­

nalität und des Glaubens die K unst des 17. Jah rh u n d erts fast allerorten und kom m t in dem Schaffen R em brandts n ich t m inder zum A usdruck als in dem der Italiener.

Als R eaktion gegen die Ü berschw englichkeiten des Barocks hielt die Zeit stets den K l a s s i z i s m u s bereit, d. h. den th eo retisch strengen Anschluß an die Form en der Antike und der ihr n ahestehenden Hochrenaissance. Diese Rich­

tu n g hat erst am Ende des 18. Jah rh u n d erts a u f kurze Z eit einen geschlossenen europäischen K unststil („Em pire“, „Z opfstil“) zu schaffen verm ocht, aber sie ist in den verschiedenen Ländern im m er w ieder als retardierendes Moment der E n t­

w icklung aufgetreten und vorübergehend zu r H errschaft gelangt.

Die Schlußphase des Barocks, in der besonderen Form, welche die heitere und liebensw ürdige französische K unst ihm gab, bezeichnet das R o k o k o , ein Spottnam e, der zu nächst in den A teliers der klassizistischen S chulrichtung a u f­

gekom m en sein soll, dem W ortsinn nach sicher im Z usam m enhang m it dem

„genre rocaille“, dem bizarren Muschel- und G rottenw erk, wie es in den G arten­

dekorationen der Zeit beliebt war. Das Rokoko verhält sich zum Barock wie dieser zur R enaissance: es ist, aus kulturgeschichtlichen V erhältnissen erwachsen, die letzte mögliche W andlung des Form engeschm acks au f dem im 10. Jah rh u n d ert gelegten Grunde. — Die Franzosen benennen bekanntlich die verschiedenen P hasen der Stilentw icklung im 18. Ja h rh u n d ert m it dem Namen ihrer Könige, so daß

„Louis XIV“ etw a dem Barock, „Louis XV“ dem Rokoko, „Louis X V I“ dem neu­

beginnenden Klassizism us entspricht, m it dem diese ganze E ntw icklungsreihe ihren S chlußpunkt erreicht.

Der B a r o c k ist nicht bloß, wie m an g esag t hat, ein „verw ilderter D ialekt“

der S prache, welche die Renaissance redet, er ist der vollgültige, klare und künstlerisch gepflegte A usdruck der Em pfindungsw eise s e i n e r Zeit, genau in derselben W eise, wie die Renaissance sich i h r e K unstsprache gebildet halte. Die ersten Laute dieser neuen Sprache tönen uns bereits aus den W erken der großen Renaissancem eister, eines Raffael, eines Correggio entgegen, ja die m oderne sp ek u ­ lative Ä sthetik verm eint ihren K lang sogar schon au s den Schöpfungen der flo- rentinischen Q uattrocentisten heraushören zu können1) und Michelangelo g ilt ihr in jed er H insicht als der eigentliche V ater des Barocks. Es ist eben ein inneres Bedürfnis der Zeit, ja des m enschlichen H erzens und dam it des künstlerischen Schaffens überhaupt, das im Barock zum A usdruck kom m t, oft einseitig und

J) K. Ilorst, Barockprobleme. München 1912.

(11)

Renaissance und Barock 3 übertrieben, in m achtvollem Drange die Fesseln der Form sprengend, aber nicht m inder w ahr und berechtigt als das V erlangen nach ausgeglichener Harm onie und Schönheit, das die Hochrenaissance leitet. Die Zeiten, in denen dieses Ideal die Herzen erw ärm te und in großartigen Schöpfungen der K ünstler b etätig t wurde, gingen rasch vorüber. An die Pforte des V atikans in Rom pochte, kaum daß Raffael und Michelangelo hier ihre Schöpfungen vollendet hatten, der R uf nach kirchlicher Reform und m achte der unbefangenen H ingabe an die A ntike und ihr freies Menschentum, in w elcher die Epoche Ju liu s’ II. sich gefallen hatte, ein Ende. Das C hristentum siegte wieder über das verborgene H eidentum , der Glaubenseifer über den antiken Schönheitskultus. A uf dem Konzil von T rient (1547—63) w urden die Grundlinien der neuen kirchlichen E ntw icklung gezogen, in dem Kampfe gegen die Reform ation erhielt das P ap sttu m eine neue furcht­

bare Waffe durch die G ründung des Jesuitenordens (1540). Und die so entfachte Flam m e zu schüren, erkannten die F ührer der Gegenreform ation in der K u n s t ein w irksam es H ilfsm ittel. U m fassender als je stellte die Kirche das künstlerische Schaffen in ihre Dienste. „Bauen ist so g u t wie Almosen g eb en “, w ar ein W ort G regors XIII. Und so h at die katholische Kirche kaum je zuvor so zahlreiche und prächtige K irchenbauten au sg efü h rt und m it S kulpturen und Malereien ein­

heitlich geschm ückt wie im Z eitalter der Gegenreform ation und des Jesuitism us.

D er K am pfstim m ung aber, dem Glaubenseifer, der religiösen Inbrunst, die der Ansporn zu so fieberhafter T ätig k eit waren, konnte das abg ek lärte S chönheits­

ideal der R enaissance nicht m ehr genügen. Schon aus den religiösen und kirch­

lichen Bew egungen des Zeitalters also erk lärt sich der unruhige D rang, die Leidenschaft und das Pathos, welche die K unst des Barocks charakterisieren.

In ganz ähnliche Bahnen leitete diese K unst der D ienst der F ü r s t e n und Hö f e . Das 17. Ja h rh u n d e rt ist das Z eitalter der aufsteigenden F ü rsten m ach t;

G roßstaaten von einem U m fange und M achtbereich, wie sie E uropa se it dem Z eitalter der Röm er nicht m ehr gesehen hatte, bestim m ten die politischen Ge­

schicke und nahm en zum Teil, wie Frankreich, auch die Pflege der K unst von S ta a ts w egen in ihren Schutz; dafür konzentrierte sich das künstlerische Schaffen ausschließlicher als je zuvor a u f die Bedürfnisse des Hofes und der fürstlichen R epräsentation oder wurde auch in seinen sonstigen Ä ußerungen von den hier gestellten A nforderungen beeinflußt. Das V erlangen nach Fülle des A usdrucks, nach P ru n k und Schw ulst lag im Geiste der Zeit und m acht sich nicht bloß in den K unstw erken geltend. A uf der anderen Seite entsprechen die C harakterzüge der B arockkunst durchaus auch den großen F o rtsch ritten der Z eit a u f g e i s t i g e m Gebiete. Die von der Renaissance angebahnte E rforschung der N atur führte ja e rst je tz t durch Kopernikus, Kepler, Galilei, Newton zu w eltum gestaltenden E r­

gebnissen; die Philosophie Bacons, der P antheism us Spinozas konnten, jed e a u f ihre Art, die V ertiefung in das S tudium der N atur n u r fördern. D am it darf man wohl die Innigkeit und S tärke des N aturem pfindens in Parallele setzen, welche die je tz t ü b erh au p t erst als selbständige G attung ausgebildete L a n d s c h a f t s ­ m a l e r e i beseelt. Auch das G e n r e b i l d , das S t i l l e b e n bauen sich a u f die­

sem vertieften und verfeinerten Naturem pfinden a u f und beanspruchen im Ge­

sam tbilde der Zeit ihre Stelle.

Nicht ohne B edeutung blieb die gleichzeitige Entw icklung der K ünste des T o n s : der M u s i k und des T h e a t e r s . Neben die Reform der katholischen K irchenm usik durch Palestrina (1514—94) stellt sich die Schöpfung des g eist­

lichen O ratorium s durch Giacomo Carissimi (1604— 74) und des protestantischen G em eindegesanges. Das m usikalische Elem ent nahm fortan im G ottesdienste einen breiten R aum ein und w andte sich gleichfalls vorwiegend an die sinnliche Em pfindung, g esta lte te den A usdruck in b rü n stig er H ingabe und E rregtheit. Den

(12)

4 Renaissance und Barock

um gew andelten Geist der p o e t i s c h e n Schöpfungsw eise ch arak terisiert nichts schlagender als der G egensatz zwischen Ariosts lächelndem H eidentum in seinem

„Rasenden R oland“ und Torquato Tassos „Befreitem Jeru salem “ m it seiner schw är­

m erischen V erzücktheit. In die Tiefen des m enschlichen H erzens griff auch der Hum or des Cervantes, vor allem aber w ar es das D r a m a , das die fortreißende Sprache der Leidenschaft re d e te : Shakespeare s te h t neben Rubens und R em brandt als der gew altigste V erkünder des G eistes, der die B arockkunst beseelt und groß m acht.

W er alle diese treibenden Kräfte der politischen und K ulturgeschichte des Z eitalters, die Parallelerscheinungen in der Philosophie, W issenschaft und L iteratur erw ägt, wird nicht so leicht geneigt sein, das Ü bertriebene und Gew altsam e in den Schöpfungen der bildenden K unst einseitig zu betonen u nter H intansetzung alles dessen, was darin als notw endiger und berechtigter A u s d r u c k e i n e s b e s t i m m t e n W o l l e n s sich darstellt. Große Aufgaben a u f allen Gebieten der bildenden K unst h atte die R enaissance ungelöst oder halb vollendet zurückgelassen.

Noch w ar das hohe Ideal des Z entralbaues, wie es der Generation der Hoch­

renaissancem eister vorschwebte, n u r in B auten kleineren U m fangs verw irklicht und das eng dam it verknüpfte Problem , eine auch den B edürfnissen des K ultus entsprechende neue Form des K irchengebäudes zu finden, h a rrte vollends seiner Inangriffnahme. Noch w aren R aum schöpfungen von jen e r G roßartigkeit, wie sie die aufgedeckten Ruinen der röm ischen K aiserbauten in im m er weiterem Um fange den überraschten Z eitgenossen vor Augen stellten, kaum gew agt worden. Nur die plastische K unst schien, als Michelangelo starb, das Höchste erreicht und geleistet zu haben, was ihr beschieden sein konnte. Sie erlebte denn auch zu­

n ächst eine Periode der Verarm ung, aus der sie e rst durch den Einfluß ihrer Schwester, der Malerei, erlöst w urde. D ieser selbst h a tte sich in dem Schaffen Correggios und anderer die P fo rte zu einer neuen W elt au fg e ta n : die E ntdeckung des eigentlich „ M a l e r i s c h e n “ stellte sie an den Anfang eines W eges, den sie nach Überw indung einer Epoche des S tillstandes und Sichbesinnens m it frischen Kräften beschritt. Das H ervortreten der großen m alerischen Genies in den bis dahin zur Seite gestandenen Nationen, eines Murillo und Velasquez, eines Rubens und Rembrandt, g ibt ihrer Geschichte im 17. Ja h rh u n d ert einen Glanz und einen R eichtum , der alle voraufgegangenen Epochen ü b erstrah lt. Es beginnt das

— noch heute kaum abgeschlossene — Zeitalter, in welchem die W erke der M alkunst das Interesse der Mitlebenden w eit überw iegend in Anspruch nehm en.

W ie w eit es danach berechtigt ist, diesen m a l e r i s c h e n C harakter dem gesam ten K unstschaffen des B arocks beizulegen, m uß die weitere B etrachtung lehren. Ihren A usgangspunkt h a t sie von Italien zu nehm en, dem Geburtslande des Barocks wie der Renaissance.

(13)

?. f. f > *

Abb. 2 F assad e des P a la zz o P a la z z i z u Rom

E R S T E S K A P I T E L

D ie A r c h ite k tu r des B a ro c k s1)

Ita lie n

Der Stilw andel zum B arock2), wie er im Laufe des 16. Jah rh u n d erts sich allm ählich vollzog, kom m t am k la rsten in den W erken der A rchitektur zum A us­

druck. Und zw ar ist es zu n äch st die r ö m i s c h e A rchitektur, deren G eschichte uns über die leitenden Ideen und B estrebungen a u fk lä rt3). Sie m ußte unbedingt anknüpfen an die Schöpfungen des großen Meisters, der, nachdem alle anderen dahingegangen, die röm ische K unst allein b e h errsch te: Michelangelos. In seiner Individualität liegen w esentliche C harakterzüge des neuen Stils b ereits vorgebildet, deshalb übte sie auch einen so tiefgehenden Einfluß a u f die Zeitgenossen aus. Das gew altige Innenleben, das in seinen M ediceergräbern nach A usdruck ringt, die erschütternde S tim m ung der Zerknirschtheit, die das W andgem älde des „Jüngsten G erichts“ beherrscht, fanden lauten W iderhall, denn sie entsprachen dem gleich­

zeitig sich vorbereitenden U m schw ung der Gesinnung. D as Kolossale der Form en­

bildung, die V ersöhnung ringender G egensätze in einem großen G esam teindruck,

!) C. G urlitt, G eschichte des B arockstiles, des Rokoko u nd des K lassizism us (I. Bd.

Italien. I I . Bd. B elgien, H olland. F ran k reich , England. I I I . B d. D eutschland). S tu ttg a r t 1887—89.

2) 77. W ölfßin, Renaissance und B arock. E in e U ntersuchung über W esen u nd E n t­

steh u n g des B arockstils in Ita lie n . M ünchen 1888. — A . Sclimarsow, Barock und Rokoko.

Eiiie k ritisch e A useinandersetzung üb er das M alerische in der A rch itek tu r. L eipzig 1897.

3) A . Riegl, D ie E n tste h u n g der B arockkunst in Rom. W ien 1908. — K . Eschei', Barock und K lassizism us. Studien zu r G eschichte der A rc h ite k tu r Roms. L eipzig 1910.

(14)

6 Die Architektur des Barocks

Abb. 3 V ig n o la s F a ssa ilen en tw u rf für il Gcsii

Meisters freilich erst bis zum K uppelring gediehen war, von ausschlaggebender B edeutung. Die großartige, in dieser R ich tu n g üb er B ram antes E n tw u rf hinaus­

gehende Einheitlichkeit seiner R aum gestaltung in St. P eter, die stren g e U nterordnung der — infolgedessen allerdings oft und m it Bew ußtsein w illkürlich behandelten — E inzelheiten unter die G esam tw irkung, z. B. am K onservatorenpalast, w iesen den A rchitekten die Bahn. W enn das S treben der R enaissancebaukunst sich in diem G rundsatz zusam m enfassen lä ß t: Schönheit ist H arm onie, so lautete die Devise des neuen S tils: Schönheit ist K raft und A usdruck innerer B ew egung.

wie er dort durch die zyklische Komposition so überm enschlich bew egter Gestalten, hier durch das nie zuvor so plastisch g reifb ar geschilderte A ufsteigen aus N acht und Tod zu him m lischer K larheit und Ruhe zum A usdruck kam , schufen Vor­

bilder eines neuen Stils. F ü r die A rchitektur w urden die nach Michelangelos Plänen ausgeführten Bauten, die P a läste a u f dem K apitol und die stre n g einheit­

liche A nordnung des ganzen P latzes, die Biblioteca L aurenziana in Florenz, der Abschluß des Palazzo F arnese durch ein gew altiges, die ganze F assade zusam m en­

fassendes K ranzgesim s, vor allem sein Bau von St. P eter, der beim Tode des

(15)

Italien 7

Sie tritt am I n n e r e n wie a m Ä u ß e r e n des Baues hervor, n ich t zuletzt auch in der W irk u n g des architektonischen D e t a i l s . F ü r das Innere sind beim K irchenbau die w eiten Dimensionen, das Schw eigen in R aum und Licht, die durch­

gängige A nw endung der W ölbung charakteristisch. Die eigentlich entscheidende W endung tritt m it der W iederaufnahm e des L anghausbaues an Stelle des Z entral­

baues ein, wie sie bereits die — 1568 begonnene — Jesuitenkirche in Rom, il G esii, aufw eist (Abb. 1). Ihr Inneres is t auch d urch die b r e i t e E n t w i c k l u n g d e s M i t t e l s c h i f f s , das die Seitenschiffe nur als eine R eihe halbdunkler Kapellen

Abb. 4 Giacom o d e lla P ortas F a ssa d e von ¡1 Gesu zu Rom

(16)

8 Die A rchitektur des Barocks

Abb. 5 Unterer T eil der F assad e v o n S. C aterina de’ Fnnari zu Rom

begleiten, für die von dem neuen Stil angestrebte E i n h e i t l i c h k e i t der W ir­

k u n g vorbildlich gew orden: die unbedingte H errschaft des H au p trau m s über die Nebenräume, wie sie bereits M ichelangelos P lan zu St. P ete r charakterisiert, ist eine w esentliche Forderung des B arockkirchenbaus. F ü r den P a l a s t b a u ergab sich daraus das schnelle Schw inden des luftigen Binnenhofes oder seine Um ­ w andlung in longitudinale Form, dagegen das im m er m ächtigere A usw achsen der g e s c h l o s s e n e n Baum asse, der n u r noch selten frei herausgebaute Flügel, Loggien u. dgl. angefügt werden. Als H auptrepräsentationsraum des P alastes bildet sich allm ählich der große, oblonge, womöglich durch zwei Stockw erke gehende F e s t s a a l aus, zu dem ein stattlich entw ickeltes T reppenhaus geleitet.

F ür den A u ß e n b a u g ilt der gleiche G rundsatz: Z usam m enhalten der Masse zum A usdruck der K raft. Besonders ch arak teristisch ist das völlige A u f ­ g e b e n der von der R enaissance so bevorzugten Q u a d e r t e i l u n g ; bei Z iegel­

bauten w urde nun regelm äßig der V erputz angew endet, der T rav ertin aber, das M aterial der römischen Steinbauten, kam durch seine schw am m ig-poröse S tru k tu r der ästhetischen Tendenz entgegen, die A ußenerscheinung des B aues als h o m o ­ g e n e M a s s e zu behandeln, aus w elcher die F assade als etw as Ganzes h erau s­

gearbeitet wird. D aber der reliefm äßige C harakter derselben, das Komponieren nach Licht- und S chattenm assen, das V erstärken oder A uflockern d er Masse durch Pilasterstellungen oder N ischen; die F assade ist nicht m ehr das Echo des Innen­

baues, sondern ein s e l b s t ä n d i g e s S c h a u s t ü c k , ja die W irkung wird oft geradezu a u f den K ontrast der stark bew egten A ußenseite m it einem ruhigen, verhältnism äßig einfachen Innenraum zugeschnitten.

F ü r den Ü bergang zum Barock ist ein V ergleich der beiden F a s s a d e n v o n i l G e s ü , der nicht ausgeführten, in einem Stich erhaltenen, des Vignola (Abb. 3) und der noch heute bestehenden des Giacomo della Porta (Abb. 4) be­

sonders lehrreich. Gemeinsam ist ihnen die strenge B etonung der dom inierenden M itte; aber man sehe, um wie vieles energischer dieser Gedanke von P o rta aus­

gedrückt is t: er zieht die den Seitenschiffen entsprechenden Flügelteile, welche Vignola n u r dürftig m it dem M ittelbau zu verbinden weiß, durch die breit durch-

(17)

Römische Kirchenfassaden 9

Abb. 6 H a u p tk u pp el von S t. P e te r zu Koni

geführte A ttika über dem G urtgesim s und die doppelt geschw ungenen Voluten m it in die Komposition, rü ck t die au f Sockel gestellten P ilaster paarw eise zusam m en und hebt durch V erdoppelung der Motive usw. die M ittelvertikale k räftig heraus.

Solches U nterstreichen und V erdoppeln einzelner G lieder — m an beachte z. B.

die ineinandergeschachtellen Giebel über dem H auptportal — bleibt für den Barock in seiner ersten P h ase ganz besonders ch arak teristisch . In der B elebung der Fläche und der A nw endung von S tatuenschm uck ungleich z u rü ck h alten d er als Vignola, weiß Porta seiner F assade eine feierliche und stren g e W ürde zu w ah ren ; diesem Eindruck sind m it B edacht alle Einzelheiten untergeordnet.

Ganz ähnliche T endenzen tre te n in der Fassadenbildung des röm ischen B a r o c k p a l a s t e s hervor: die gleichm äßige B ehandlung der drei Geschosse, die köstliche R hythm isierung jedes einzelnen durch F en sterg ru p p en und P ilaster-

(18)

10 Die Architektur des Barocks

Stellungen — wofür die Cancellería in Rom das schönste Beispiel gibt — die R ustika­

gliederung endlich werden aufgegeben zugunsten einer e i n h e i t l i c h e n M a s s e n ­ e n t f a l t u n g , wobei e in Geschoß energisch als das H auptgeschoß (piano nobile) betont zu werden pflegt (Abb. 2). Dies geschieht vor allem durch im posante H öhenentw icklung des Stockw erks, sodann durch stärk ere U m rahm ung der Fenster, zuweilen auch durch A nordnung eines H albgeschosses (Mezzanin) m it kleinen Fenstern über dem H auptgeschoß. D as P ru n k stü ck der Fassade wird nam entlich in späterer Zeit, als der zunehm ende Luxus eine E infahrt erforderlich m achte, das P ortal m it darüber angeordnetem Balkon.

Die nächste Folge aus der veränderten B augesinnung für das D e t a i l w ar eine einfachere und derbere Bildungsweise. W ie der Gliederbau dem M assenbau weicht, so tritt nunm ehr die Säule h in ter den P f e i l e r zurück; fast n u r noch als Halb- oder D reiviertelsäule fristet sie fortan ihr Dasein, auch dann g ern durch horizontale R ustikabänder gleichsam an die Mauer geschm iedet — sonst aber m eist verdrängt von dem flachen P i l a s t e r . Ja, dieser selbst löst sich gleichsam nur m ühsam , in m ehrfachem A nlauf aus der Masse der W and los: zwei-, j a dreimal hinter ihn geschobene Halb- oder V iertelpilaster g estalten ihn zum P i l a s t e r ­ b ü n d e l ; eine B ew egung, ein im Ü bergangsstadium erstarrter W erdeprozeß ist auch hier der gew ollte und erzielte E indruck an Stelle des abgerundeten, harm o­

nischen Seins, das die R enaissance bietet. — Ähnlich steh t es m it dem auffälligen H o c h d r a n g aller dekorativen Form en im B arockstil: die Säulen werden auf Sockel gestellt, die Herme m it ihrer nach oben w achsenden Masse wird beliebt, der Giebel des P o rtals durchbricht das Gesims des oberen Stockw erks oder seine eigene Dreieckslinie w ird aufgeschlitzt etw a durch ein W appenschild, eine Kartusche, die in der V ertikalachse aufw ärts drängt. Am charak teristisch sten ist das Ver­

schwinden des ruhig-schönen F e n s t e r m o t i v s der Renaissance, des au f zwei Halbsäulen ruhenden Giebelchens. D er Giebel bleibt und wird sogar im m er schw erer gebildet, aber die Stelle der H albsäulen ersetzt ein einfaches Rahm enprofil oder wohl g a r ein P aar Konsolen. Die U m rahm ung von K artuschen und Nischen wird an den Ecken o h renartig in die Höhe gezogen, der Inhalt d rän g t auch hier zum eist über die U m fassung hinaus. Eine L ust am formlos Üppigen, weich F lüssigen be­

herrscht alle P r o f i l e von Basen und Gesimsen, die Form en der Säulenkapitelle, wie die gesam te D ekoration; nicht die heitere K larheit und Ruhe des Seins, sondern die gärende Unruhe des W erdens, des Sichgestaltens brin g t die Form enw elt der B arockarchitektur im ganzen wie im einzelnen zu einem oft ergreifenden A usdruck.

W ie die röm ische R enaissancearchitektur von dem in Oberitalien geschulten Bramante geschaffen worden war, so sind es fast durchw eg auch oberitalienische B aukünstler, welche die erste Epoche des röm ischen Barocks beherrschen. Aus Mailand stam m te der schon erw ähnte Giacomo della Porta (1541— 1604). In seiner F assade von S. G a t e r i n a d e ’ F u n a r i — der untere Teil 1563 datiert — kom m t das neue Streben erst schüchtern zur Geltung, hauptsächlich in der energischen S chattenw irkung der verschieden geform ten Nischen (Abb. 5), w ährend der reiche Reliefschm uck der K apitellzone ihn noch als A nhänger der antikisierenden Schule Vignolas kennzeichnet. Die kleine F assad e von S. M a r i a d e ’ M o n t i zeigt ihn in raschem F o rtsch ritt a u f die m achtvolle E inheitlichkeit der G esüfassade zu, wie sie im G egensatz zu dem E ntw urf Vignolas oben analysiert wurde. Die M eisterleistung Portas ist sein Aufbau der K u p p e l v o n St . P e t e r (1590 voll­

endet [Abb. 6]), nach dem Modell Michelangelos, aber doch in selbständiger Aus­

g e staltu n g ; insbesondere scheint die feingefühlte s p h ä r o i d i s c h e Form der Kuppel au f seine Initiative zurückzugehen, so wie er auch bezeugterm aßen die u rsp rü n g ­ lich halbkugelige Innenschale der Kuppel höher g estaltete — beides ganz im Sinne jenes stolzen Hochdrangs, den w ir auch sonst im Schaffen der B arockbaukünstler

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Giacomo della P orta und Martino Lunghi 11 w irksam finden. — F ür die Entw icklung des röm ischen P alastb au e s h a t Porta m it seinem P a l a z z o P a l u z z i (vgl. Abb. 2) ein Vorbild geliefert, das die G rund­

züge des B arockgeschm acks bereits in ziem lich reiner Form au fw e ist; sein Plan der S a p i e n z a , der röm ischen U niversität (seit 1575 [Abb. 7]), brin g t m it dem im posant in longitudinaler R ichtung entw ickelten Pfeilerhof — an den erst sp äter als Abschluß die Rundkapelle des hl. I v o angebaut w urde — gleichfalls ein neues, die veränderte G eschm acksrichtung charakterisierendes E lem ent hinzu. Aber auch zur A usbildung eines für die B arockarchitektur sehr w ichtigen B autypus, der röm i­

schen V i l l a , scheint P o rta w enigstens durch den ihm zugeschriebenen Bau der V i l l a A l d o b r a n d i n i bei F rascati

(1598— 1603) beigetragen zu haben;

andere Beispiele etw a aus gleicher Zeit sind die Villa Medici, Villa Borghese, Villa d'E ste in Tivoli. Sie alle u n ter­

scheiden sich w esentlich von dem älteren Typus der Renaissancevilla, wie ihn in so heiterer Anm ut z. B. die Villa Farne- sina verkörpert. An Stelle der freien und leichten Gliederung des Baues tritt auch hier ein Streben nach schw erer M assenhaftigkeit, nach gravitätischer W ürde. Die dem E ingang zugekehrte Seite insbesondere bleibt stren g g e­

schlossen, n u r nach rückw ärts, dem Garten zu, öffnet sich das Gebäude m it Loggien, Balkons und Freitreppen und w ird m it S tatu en geschm ückt; eine oft im posante A nlage von Alleen, F rei­

treppen und W asserkünsten, in der sich die Nachw irkung von Michelangelos Komposition des K apitolsplatzes n ich t verkennen läßt, führt a u f das Ge­

bäude zu.

Die Entw icklung des neuen Stiles vollzog sich nicht ohne V erzögerung und R ückschläge; so kom m t P ortas Schüler Marlino L unghi d. Ä., wiederum

ein M ailänder, nicht über die eklek- A ,,b - 7 « r u n .ir iß der s a p ie n z a zu Rom

tische V erbindung der neuen Form en

m it den Motiven des strengen K lassizism us der S pätrenaissance hinaus. Die Fassade seines P a l a z z o B o r g h e s e (seit 1590) is t eine im posante A nw endung des Barock­

schem as in der Art des Palazzo Paluzzi, den Hof dagegen schm ückt eine schöne H allenanlage m it gekuppelten Säulen toskanischer und ionischer Ordnung, m it R und­

bögen darüber, das G anze auch durch die wohligen und luftigen R aum verhältnisse ein köstlicher N achklang der genuesischen Hochrenaissance. In seinen K irchen­

fassaden (S. G i r o l a m o d e ’ S c h i a v o n i , S. M a r i a d e l l a V a l l i c e l l a ) schließt er sich m eist an Porta und den gleich zu erw ähnenden zw eiten B arockm eister, Maderna, an ; das T urm paar aber, m it dem er die F assade von S. A t a n a s i o schm ückte, ist ein Im port aus seiner oberitalienischen H eim at. — Der ausgesprochenste K lassizis­

m us herrscht in den B auten S ix tu s’ V., u n te r dem das P a p sttu m eine neue G lanz­

epoche erlebte; seine B aum eister w aren die beiden Lom barden Giovanni und Do­

menico Fontana, hervorragende Techniker, als A rchitekten m it energischer Schaffens-

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Abb; 8 L ä n g en scim itt und Grundriß der C appella del P resen io an S. M aria M aggiore z u Rom

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Die Brüder Fontana 13 k raft begabt, auf m ächtige Dimensionen und V erhältnisse ausgehend, aber ohne eigentliche künstlerische O riginalität. D aher trag en ihre B auten einen gesunden, tüchtigen, aber zum eist etw as trocken akadem ischen C harakter. Der jü n g ere und bedeutendere der Brüder, Domenico Fontana (1543— 1607), fügte als B aum eister von St. P eter der Kuppel die L a t e r n e hinzu und bew ährte seine m echanischen F ertigkeiten bei der A ufrichtung m ehrerer der gew altigen O b e l i s k e n vor St. P eter, S. Maria Maggiore und dem L ateran, welche seitdem einen so bedeutsam en F ak to r im architektonischen G esam tbilde der ewigen S tad t ausm achen. Die von Sixtus V.

noch als K ardinal 1584 begonnene C a p p e l l a d e l P r e s e p i o an S. Maria Maggiore (Abb. 8) zeigt ihn im wesentlichen den Idealen der H ochrenaissance zu­

geneigt: es ist ein vollkom m enes griechisches K reuz m it ku rzen Schenkeln und zwei q uadratischen K apellen in den der Kirche zugekehrten W inkeln, das Innere wie das Ä ußere durch korinthische P ilaster, Nischen und Füllungen klar und reich gegliedert.

An der F assade von S. T r i n i t ä . d e ’ M o n t i (um 1570) greift er das oberitalienische Motiv der F lankentürm e wieder auf, und in dem seinen D im ensionen nach gew altigen P alaste des L a t e r a n s (seit 1586) w irkt offenbar das Vorbild des Palazzo F arnese, aber ohne die m odifizierende W endung zu r m ajestätischen Einheitlichkeit, welche M ichelangelos K ranzgesim s hineingebracht h atte (Abb. 9); die F assad e ist m ehr eintönig als im posant. Ganz klassizistisch, zw eigeschossig, m it Rundbögen zw ischen Pfeilern, die durch toskanische und korinthische H albsäulen belebt sind, ist die an­

stoßende B e n e d i k t i o n s l o g g i a vor dem Querschiffsende der B asilika S. Gio­

vanni in L alerano gestaltet, die wohl schon 1586 von Fontana begonnen, aller­

dings erst 1636 vollendet wurde. Dieselbe korrekte, aber n üchterne A rch itek tu r

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14 Die Architektur des Barocks

brachten die Fontana für jene großen D ekorationsbauten in A nw endung, m it welchen sie die Ausflüsse der in Rom m ündenden, von Sixtus V. w ieder in Be­

trieb gesetzten W asserleitungen, die A c q u a P a o l a und die F o n t a n a di T e r m i n i , schm ückten. Und im m er w ieder haben spätere römische Architekten d arauf zurückgegriffen, wie Giov. Balt. Soria (1589— 1657) in seiner Vorhalle von S. Crisogono in T rastevere (1623), in der Fassade von Sa. G atarina da Siena (1630), dem Portal vor S. Gregorio Magno (1633) u. a.

Aber der stark e Strom der vorw ärtsdrängenden E ntw icklung konnte durch diese strengere akadem ische R ichtung n u r zeitw eise aufgehalten w erden. Domenico F ontana fiel 1592 bei Clemens VIII. in U ngnade und ging nach Neapel, wo er den riesenhaften, aber langw eiligen P a l a z z o r e a l e (1609) erbaute. Sein eigener Neffe und Schüler Carlo Maderna (1556— 1629) w ar es, der den Sieg des Barocks in Rom herbeiführte. Maderna fußt a u f den E rrungenschaften seiner Schule, au f ihrer praktischen, an großen A ufgaben geübten E rfahrung, aber er is t kühner und geist­

voller als sein V orgänger und g ib t sich dem Em pfinden der Zeit freier hin. Sein erstes selbständiges W erk, die F assad e von S a . S u s a n n a (1595— 1603 [Abb. 10]), is t allerdings nur ein D ekorationsstück, denn es g ib t der Schlußw and einer alt­

christlichen Basilika ein neues A ngesicht; durch rechts und links anschließende Mauern, deren Höhe das Untergeschoß der Fassade ü b errag t, ist die Seitenansicht der Kirche den Blicken entzogen. So konnte die F assad e ganz ohne Z usam m en­

h ang m it dem dahinter liegenden B aukörper ein selbständiges S chaustück relief­

m äßiger Flächendekoration w erden. In w ohlberechneter S teigerung ist die Mitte k rä ftig herausgehoben, aber auch hier bleiben die Säulen zu einem D rittel ihres D urchm essers in tiefe Rinnen eingelegt; S tatu en in sta rk um rahm ten Nischen beleben die Fläche, fügen sich aber doch ganz anders der G esam tw irkung ein als etw a ähnliche Motive im E n tw u rf Vignolas für den Gesü. In starken G egen­

sätzen von Licht und S chatten bew egt, schließt die F assade sich m it ihrer Um­

g ebung zu einem m alerischen Bilde z u sa m m e n : die B alustrade ü b er den F lächen­

m auern k ehrt, durch energisch aufw ärts strebende Voluten verm ittelt, als Ab­

schlußm otiv des Giebels w ieder! Mit diesem kleinen M eisterw erk w ar die end­

gültige Form für die K irchenfassade des röm ischen Barocks gefunden, er hat seitdem n u r V ariationen dieses T ypus zu liefern verm ocht.

F ü r das fernere Schaffen M adernas w ar es offenbar nicht ohne Bedeutung, daß ihm die Aufgabe zufiel, den von Pietro Paolo Olivieri 1594 begonnenen Bau von S. A n d r e a d e l l a V a l l e nach dem frühen Tode dieses A rchitekten (1599) zu vollenden. Im G rundriß fast eine genaue W iederholung des Gesü (Abb. 12), g eh t S. A ndrea im Aufriß des Inneren (Abb. 11), das glücklicherw eise durch keine schw elgerische D ekoration sp äter Zeiten entstellt ist, durch das Streben nach gro ß artig er W eiträum igkeit und durch schlichte W ürde der F orm en noch über jenen Schöpfungsbau hinaus. So w urde es für Maderna eine gute Vorschule zu

dem großen W erk seines Lebens, der V ollendung der P e t e r s k i r c h e .

Daß St. P eter nicht als Z entralbau, wie ihn B ram ante und Michelangelo g e ­ plant hatten, au sgebaut werden würde, stand nach dem W andel, der sich in den künstlerischen und vor allem in den kirchlichen A nschauungen vollzogen hatte, ohnehin fest. Der reine Z entralbau g a lt je tz t als etw as H eidnisches, die Rücksicht a u f die Anforderungen des K ultus stan d allem anderen voran. Das Odium dieser U m gestaltung des G rundplans bleibt also n ich t a u f Maderna sitzen, sondern a u f seinen A u ftrag g eb ern ; zieht m an die gegebenen V erhältnisse in B etracht, so h at er sich seiner Aufgabe im m erhin m it Geschick und T a k t entledigt. E r suchte, wie der G rundriß seines L anghauses (Abb. 13) zeigt, vor allem durch m öglichste Ver­

breiterung des Mittelschiffs, wie am Gesü und an S. A ndrea della Valle, den ver­

derblichen K ontrast gegen die K uppelanlage zu m ildern; daher schrum pfen die

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Carlo M aderna 1 5 Seitenschiffe zu nebensächlicher B egleitung zusam m en, so daß die Kuppeln darüber eine sta rk gequetschte ovale Form erhalten haben. Die A nlage zweier riesiger Kapellen am letzten Joch nach der Kuppel zu verkürzt ohnehin die m erkbare Aus­

dehnung dieses Langschiffes au f zwei Joche. Es w irkt auch durch die G estaltung

Abb. 10 F a ssa d e von Sa. Su sanna zu Rom von Carlo Maderna (Nacli P h o t. A linari)

der L ichtverhältnisse nun w esentlich als künstlerische V orbereitung a u f den K uppel­

raum . Denn n u r durch S tichkappenfenster in dem Tonnengew ölbe erhält es z u ­ n ächst m äßiges Licht, in dem dritten Joch wird durch die A nbauten auch diese Lichtzufuhr abgeschnitten, so daß hier eine V erdunklung des Inneren e in tritt, gegen welche der strahlende Glanz des K uppelraum s dann doppelt w irksam erscheint.

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Abb. 12 Grundriß von S. A ndrea d e lla V alle zu Rom

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Die Vollendung von St. Peter 17 Die Bildung des architektonischen Details, soweit sie a u f M aderna zurückgeht, schließt sich im wesentlichen den vorhandenen älteren M ustern an. Auch in der G eslaitung seiner Fassade (Abb. 14) h a t Maderna den G rundgedanken Michelangelos zu wahren gew ußt, der eine Kolonnade von zehn Säulen und vor den m ittleren vier eine zweite anordnete, welch letztere einen Giebel trag en sollte: n u r sind — en t­

sprechend dem neuen Gefühl für architektonische M assenentfaltung — die Säulen nicht von der W and losgelöst, und diese beg leitet nebst dem abschließenden Gebälk in Vor- und R ücksprüngen die

G liederung der F a ssa d e ; in den beiden Stockw erken der Inter- kolum nien und in der schweren A ttika darüber kom m t die An­

ordnung der Seitenfassaden zum Ausdruck, wie sie bereits Michel­

angelo gew ollt hatte. Allerdings h at Maderna die W ucht dieser B reitenentfaltung noch m ehr gesteigert durch die beiden g e­

waltigen E ckrisalite, die er über die Breite des ganzen Baukörpers hinaus anfügte, und m an muß zu ihrer gerechten B eurteilung erw ägen, daß er sie durch luftige und doch ernste T u r m a u f ­ b a u t e n krönen wollte, die m it der H aupt- und den Neben- kuppeln sich zu einer fü r den E indruck des Äußeren en t­

scheidenden Gruppe vereinigen sollten. Der Tod verhinderte Maderna, diese T urm bauten au s­

zuführen, die seiner Fassade erst den richtigen Ausgleich zwischen Höhen- und Breitendim ensionen gebracht hätten. — W as M aderna als raum bildender K ünstler, wo er ganz frei schuf, zu leisten verm ochte, h a t er in der V o r ­

h a l l e der P eterskirche gezeigt, die voll K raft und F rische zugleich äußerst geschickt — trotz der schon höchst bedeutenden Dim ensionen — den C harakter des Vorraum s w ahrt, der w eder Kirche noch F estsaal, den E in tritt in das Heilig­

tum verm itteln soll.

Daß von einem völligen Aufgeben der R enaissancetradition bei M aderna noch keine Rede ist, zeigen auch seine P alastb au ten , von denen die H ofanlagen des P a l a z z o M a t t e i d i G i o v e (1602) und P a l a z z o C h i g i insbesondere an ähnliche W erke der H ochrenaissance in Genua und Oberitalien erinnern. Originell, w ahrscheinlich durch die besondere Lage des B auplatzes m itbestim m t, ist sein G rundplan zum P a l a z z o B a r b e r i n i (1624 begonnen), der u n ter völligem V erzicht a u f den Binnenhof zwei parallellaufende B aukörper durch einen breiten M illeltrakt verbindet. Man w ird in dieser Anlage, die sich m it ihren vorspringen­

den Eckilügeln in den um gebenden G arten hinausstreckt, eine A nnäherung an die Form der röm ischen Villa (Farnesina!) und den ersten A nlauf zu einer m ehr

I, ü h k e . K u n stg esch ich te 14. Aufl. B arock und R okoko 2

Abb. 13 G rundriß von S t. P ete r zu Rom

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18 Die Architektur des Barocks

m a l e r i s c h e n Gruppierung der Bauteile erkennen dürfen. Aber noch w ahrte der röm ische Barock seine ernste W ürde, wie m an selbst an der von einem Maler, dem berühm ten Domenichino, entw orfenen (seit 1626 von Orazio Grassi ausgeführten) Kirche S. I g n a z i o sieht, die — abgesehen von der späteren Innen­

dekoration — noch ganz an die T radition Vignolas und P o rta s anknüpft.

Abb. 14 F a ssa d e von S t. P eter nach dem E n tw u r f Carlo M adcrnas

Einen völligen Um schw ung brachte e rst das A uftreten des genialen Lorenzo B e rn in i1), der, 1599 von florentinischen E ltern in Neapel geboren, als Knabe m it seinem Vater, einem geachteten P orträtbildner, nach Rom kam und hier selbst als Bildhauer seine ersten Lorbeeren erntete. -E s ist bezeichnend für den E nt­

w icklungsgang des ganzen Stils, daß dieser T räg er des ferneren Schicksals von der P lastik ausgegangen, sich dann der A rchitektur zuw andte und a u f Betrieb seines Gönners U rban VIII. auch die Malerei sich aneignete, so daß er alle drei K ünste m it voller M eisterschaft auszuüben im stande w ar.“

B ernini hätte, bei aller angeborenen B egabung, n ich t in solchem Grade die Bew underung seiner Zeitgenossen erregen können, w äre die N atur seines Talentes nicht einer allm ählich unw iderstehlich gew ordenen Z eitström ung entgegen-

*) St. Fraschetti, II B ernini. Milano 1900. — F. Pollak, Lorenzo Bernini. S tu ttg a rt 1909.

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L orenzo B ernini 19 gekommen. Das P a p sttu m und die katholische Kirche w aren nun w ieder zu einer W eltm ach t geworden, die sich n ich t m ehr z u r Defensive gezw ungen fühlte.

Man ging daran, die letzten W urzeln heidnisch-antiken D enkens und Em pfindens a u sz u re iß e n ; Sixtus V. ließ das Septizonium des Servus ab trag en und krönte die Säulen des T rajan und Mark Aurel m it den Statuen der A postelfürsten. Aber

Abb. 15 F a ssa d e v o n S t. P e te r nach dem E n tw u rf L orcnzo B ern in is

der T rium ph des G laubens sollte auch durch W erke besiegelt w erden, welche die des A ltertum s vergessen m achten, indem sie ihre eigene m achtvolle Sprache redeten. T onfärbung und L au tch arak ter erhielt diese Sprache je länger je m ehr von dem Gebiete künstlerischen G estaltens, das christliche G laubensinnigkeit sich von je h e r als ad äq u ate A usdrucksform erw ählt h a lte : von dem M a l e r i s c h e n .

Als A rchitekt h a t Bernini seine V orgänger m it E rn st stu d ie rt; das beweist seine erste Leistung, die schlicht, maßvoll und stre n g gehaltene F assade von S. B i b i a n a (1625) und auch die F assade von S. A n a s t a s i a (1636) am Pala- tinischen Hügel. Beim W eiterbau von S t. P e t e r hielt er sich an das T u rm ­ p ro jek t M adernas und steigerte es nur zu einer reichen, doch form enstrengen S äulenarchitektur in zwei Geschossen übereinander, die heiter und schw ungvoll a u sk lin g t (Abb. 15). Als der zu e rst ausgeführte N ordturm 1647 w egen des Sinkens

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2 0 Dio Architektur des Barocks

der F undam ente wieder abgetragen w erden m ußte, w ar dam it das ganze Projekt der Ecktürm e, das u n ter den gegebenen V erhältnissen allein die Fassade zu künsllerischer G eltung hätte bringen können, für im m er begraben.

Abb. 16 M itte lteil d es P a la zz o O dcscalchi zu Rom (N ach P h o t. A nderson)

Auch den Palazzo B arberini baute Bernini als M adernas N achfolger w eiter;

charakteristisch ist die ovale G rundrißform , die er dem einen T reppenhause und dem Vorsaal im Piano nobile gab : das O v a l an Stelle des Kreises wird fortan ein neues Symbol für das Streben des Barocks nach B evorzugung e i n e r R ichtungsachse an Stelle der allseitig gleichm äßig entw ickelten Harmonie der R enaissance. Bei den P alazzi L u d o v i s i (jetzt Montecitorio) und O d e s c a l c h i (Abb. 16) k eh rte er in Einzelheiten, wie der A nwendung der R ustika und der F ensterädikula, sogar zu den Formen des alten Stils zurück, schuf aber zugleich die G rundlagen eines neuen fruchtbaren T y p u s: die a u f sockelartigem U ntergeschoß sich erhebende, die oberen Geschosse zusam m enfassende K o l o s s a l o r d n u n g von P ilaste rn oder H alb­

säulen, au f der dann unm ittelbar das m ächtige H auptgesim s und die abschließende B alustrade (ursprünglich m it Statuen) ruht. Auch das H ervortreten des M ittel­

risalits vor den einfach behandelten Seitenflügeln gab der durch späteren Umbau veränderten Fassade eine lebhafte B ew egung und m alerischen Reiz.

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Abb. 17 P c tc r sp la tz zu Rom (Nach Phot. A nderson)

i-l.Vgizma

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22 Die A rchitektur des Barocks

Sein architektonisches M eisterstück schuf Bernini, zw anzig Ja h re nach jenem für ihn beschäm enden Ereignis beim Bau der Fassade, durch die U m gestaltung des P l a t z e s v o r d e r P e t e r s k i r c h e (Abb. 17) — ein M eisterstück n ich t zum w enigsten auch deshalb, weil er es verstand, großherzig sich dem W erk eines anderen unterzuordnen und n u r das Ziel eines m öglichst machtvollen Eindrucks der vorhandenen F assad e im Auge zu behalten. Um die überm äßige B reiten­

ausdehnung von Madernas Bau für das Auge einzuschränken, legte er daran seitlich im spitzen W inkel anstoßende geschlossene Gänge, deren F ront m it gekuppelten toskanischen Pilastern geschm ückt ist: die starken Horizontallinien ihres m ächtigen, m it Statuenreihen bekrönten Gebälks heben die V ertikalen der F assade k räftig heraus, und dem Auge, das sie an den im m erhin schon 20 m hohen E ckpavillons dieser Kolonnaden m ißt und sie m ehr als doppelt so hoch findet, scheint die Höhe noch beträchtlicher. Auch die Trapezform des Vorplatzes läß t die F assade schm äler und somit höher erscheinen, und im gleichen Sinne w irkt die a n s t e i g e n d e Ge­

staltu n g dieses P latzes m it seinen breiten T reppenanlagen, w elcher selbst die Linien des Gebälks der Hallen unm erklich folgen. Doch Bernini ging m it sicherer B erechnung noch weiter: er schloß daran einen zw eiten äußeren Vorplatz von ovaler Gestalt, der seitlich m it halbkreisförm igen Kolonnaden um geben ist; sie w erden von einer vierfachen Reihe kräftiger toskanischer Säulen gebildet und schließen m it je einem m ächtigen Giebel au f E ckpilastern. Das Auge em pfindet diesen P latz als kreisrund, indem es die leichter m eßbare A usdehnung der Q uerachse unw illkürlich a u f die Längsachse ü b e rträ g t; die K irchenfront wird dadurch perspektivisch zurück­

geschoben und erfäh rt wiederum einen scheinbaren Zuw achs an W u ch t und Größe.

Die einfachen, großen und noblen Form en dieser A rchitektur sind an sich des höchsten Lobes würdig, aber ihre entscheidende W irkung für den Eindruck der F assade b eruht allerdings ganz au f dem m a l e r i s c h e n G esam tbilde und seiner perspektivisch fein berechneten K om position; die architektonischen Massen als solche sind hier zum erstenm al reines W erkzeug in der Hand eines m alerischen Illusionisten g e ­ w o rd e n .— Den Ideen des P etersplatzes ist noch ein zw eites K unststück gleichen C harakters entsprossen, das B ernini wohl schon einige Jah re früher (1601) ausführte:

die S c a l a r e g i a des V atikans (Abb. IS u. 19). Sie ste ig t in V erlängerung der Achse des rechten Ganges am P etersp latze an, au f leise sich verjüngendem Grundriß, dem durch kulissenartig vor die W and gestellte Säulen und durch die allm ählich sich verringernden A bm essungen auch des A ufbaus eine scheinbar noch größere Tiefen­

ausdehnung gegeben wird. D am it ist das Gesetz der m alerischen T h eaterp ersp ek tiv e offenkundig in die A rchitektur eingeführt. N icht die w irklichen Dim ensionen eines Raum es, sondern das m alerische Scheinbild, das er insbesondere dem E intretenden bietet, stehen für den A rchitekten in e rster Linie. Ovale G rundrißanlagen, m it der kürzeren Achse als H auptachse, ein in flächenhafter B reite nach A rt eines Bildes kom ponierter G esam teindruck voll m alerischer B ew egtheit werden für die G estaltung von Innenräum en und Plätzen, für den Aufriß wie für die F assade von grundlegender Bedeutung. Bernini hat, noch m it jen er einfachen D erbheit der architektonischen E inzelgestaltung, die ihm eigen bleibt, in diesem Sinne die kleinen Z entralbauten von S. A s s u n z i o n e d e l l a V e r g i n e zu A r i c c i a (1664) und S. A n d r e a i n Q u i r i n a l e zu R o m (1678) g ebaut. Doch größeren E indruck als fast alle seine architektonischen Schöpfungen haben a u f Zeitgenossen wie N achw elt zwei W erke dekorativen C harakters gem acht, die am Anfang und am Ende seiner T ä tig ­ keit stehen: das A l t a r t a b e r n a k e l (1633) und die C a t t e d r a in St . P e t e r . Die Aufgabe, für den A ltar u nter der Kuppel der P eterskirche eine Ü berdachung zu schaffen, h alte ihre eigentüm lichen Schw ierigkeiten. Bernini h a t sie nicht ohne G eist gelöst und durch sein W erk zugleich — in den Augen der begeisterten Zeitgenossen w enigstens — die ganze ältere Tradition der R enaissance über-

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P la tz vor St. P e te r 23 w unden (Abb. 20). In K onkurrenz m it den sta rk en V ertikalen der K uppelpfeiler verm ochte sicher nur ein so bew egtes Gebilde zu treten, wie er es schuf; auch die riesigen M aßverhältnisse sind an sich richtig, sie w irken nur unglücklich im Vergleich m it der scheinbaren L eichtigkeit des A ufbaus. Vier au f M armorsockeln stehende Bronzesäulen von gew undener Form — wie sie zu dekorativen Zwecken selbst die antik-christliche K unst bereits in der U m gebung des P etersaltars benutzt h a tte — tragen den gleichfalls in Erz gegossenen Baldachin, der sich aus einem m it Lam bre-

Abb. 18 u. 10 Grundriß und A n sich t der S ca la reg ia im V atik an zu Koni

quins geschm ückten R ahm en und vier kuppelartig em porgeschw ungenen Voluten zu ­ sam m ensetzt. Der g anze Bau kn ü p ft leicht an die Form des altchristlichen Ziboriums an und bildet es doch ganz selbständig und in b e stim m terR ich tu n g fo rt; dieverletzen- den A nklänge an T apeziererkunst nam entlich in den oberen T eilen dürfen uns n ich t hindern, anzuerkennen, daß im Sinne dam aliger kirchlicher A nschauungsw eise an dieser Stelle kaum etw as W irkungsvolleres geschaffen werden konnte. Bernini ging freilich im dekorativen T aum el auch über das hier Geleistete noch hinaus, und sein T abernakel m ag noch verhältnism äßig ru h ig erscheinen im Vergleich m it der

„ C a t h e d r a P e t r i “. Dies ist ein von den bronzenen K olossalgestalien der vier K irchenväter g etrag en er Aufbau, der den alten T hronsessel der röm ischen Bischöfe

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24 Die Architektur des Barocks

b irg t: dahinter eine plastische W olken­

dekoration m itEngel- g estalten und der im Lichte eines gelb­

verglasten F en sters schw ebenden T aube des Heiligen Geistes.

— Mit solchen W er­

ken, die alle Künste und Effekte zu einem rein m alerischen Ge­

sam teindruck zu ver­

einigen wußten, w ar auch fü r die Archi­

te k tu r ein ähnliches S treben und zugleich die Schrankenlosig­

keit in der W ahl der Mittel proklam iert.

E rn st und W ürde schw anden dahin vor dem H aschen nach einerfesselnden Augenblickswirkung.

B erninis M itarbeiter und K onkurrent Francesco Borromini (1599—1667), wieder­

um ein Mailänder, ist der typische Ver­

tre te r dieser neuen R ichtung. Die kleine, au f beengtem G rund­

riß angelegte Kirche S. C a r l o a l l e q u a t t r o f o n t a n e (1640—67) wurde zum ersten P rü f­

stein seiner glänzen­

den B egabung. Im G rundriß (Abb. 21) weiß er darau s eine Anlage von ver­

blüffendem R eich­

tum zu m achen, im A ufriß durch in ter­

essante Behandlung

A bb. 20 A ltartab ernak el der P ete r sk ir eb e zu Rom von L .B e r n in i der Form en-Ulld g e ­ schickt angeordnete B eleuchtung eine w uchtige Größe vorzutäuschen. Die F assad e verfolgt keinen anderen Zweck, als dem Auge auch in der perspektivisch verschobenen Seiten-

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Francesco Borrom ini 25 ansicht, wie sie die Enge der S traße n u r g e stattet, ein in teressan tes Bild zu bieten.

Sie h at geschw ungenen Grundriß, dem alle Gesimse und W andflächen folgen, und auch die w agerechten Flächen biegen und bäum en sich em por, um an schein­

barer A usladung zu gewinnen. Der ursprüngliche Sinn der architektonischen Glieder bleibt ohne Bedeutung, n u r das M itsprechen im m alerischen Ensem ble bedingt ihre Verw endung und G estaltung. B orrom ini ist gewiß insofern ein echter K ünstler, als er kein Motiv bloß der T radition gem äß verwendet, sondern jedes a u f seine besonderen Zwecke hin neu au ffaß t und g esta lte t: da diese aher völlig andere w aren als die der früheren Zeit, so m ußte die tektonische W ahrheit darunter in die Brüche gehen, es siegte der m alerische Schein.

Deshalb wurde die

• Grundlinie von Borrom inis E ntw ürfen die Kurve, im Inneren wie an den F a s­

saden ( O r a t o r i u m di S. F i l i p p o N e r i um 1650, K o l l e g i u m d e r P r o p a g a n d a um 1660);

der Grundriß seiner K a p e l l e S. I vo im Hofe der Sapienza (1660 [vgl. Abb. 7]) hat die G estalt eines S echspasses, und diese w iederholt sich in der Form des Kuppel­

tam bours, der, gekrönt von einer höchst phantastisch g esta lte ten Laterne, den äußeren A ufbau beherrscht (Abb. 22), w ährend die K up­

pel selbst n u r als flaches Steindach, dessen H aupt­

gurte durch strebepfeiler­

artige M auerkörper angedeutet werden, darüber sichtbar erscheint. Alles an diesem Bau ist Bewegung, gleichsam das Abbild eines elastisch sich einziehenden und ausdehnenden organischen K örpers; das P rinzip der tektonischen Masse und Festigkeit ist beinahe aufgehoben zugunsten eines Strebens, das die B aukunst in unm ittelbaren W etteifer m it P lastik und Malerei treten läßt. W iederholt doch Borromini im Hofe des P a l a z z o S p a d a im kleinen, und deshalb jedem Auge ohne weiteres verständlich, das K unststück Berninis vom P etersplatze, indem er durch einen perspektivisch verkürzten S äulengang dem Hofe scheinbar weit größere Tiefe verleiht, als er in W irklichkeit besitzt. — D as Schaffen Borrom inis, eines genialen, aber k rankhaft überreizten Mannes, der durch Selbstm ord starb , blieb im m erhin vereinzelt, wenn es auch deutlich den W eg anzeigt, den die B aukunst ein zu sch lag en g ed ach te. Seine r ö m i s c h e n Zeitgenossen und N achfolger nahm en wohl einzelne seiner Ideen, wie die bew egte Fassadenlinie, auf, hielten sich aber in der E inzelgestaltung w eit m ehr an den überlieferten F orm enschatz. Dies g ilt selbst von dem Maler, der als dritter führender Meister in dieser Epoche hervortritt, Pietro Berettini da Cortona (1596— 1669). Seine B edeutung für die E ntw icklung des Barocks b eruht allerdings in erster Linie darauf, daß er das neue System der D e c k e n d e k o r a t i o n schuf; die A usschm ückung des P a l a z z o B a r b e r i n i , der P rachtsäle im P a l a z z o P i t t i in Florenz, der C h i e s a N u o v a , von S. C a r l o a l G o r s o u. a. zeigt ihn als genialen D ekorator. Der G rundgedanke

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26 Die Architektur des Barocks

ist stets, daß über dem abschließenden W andgesim s eine neue W elt der P hantasie sich eröffnet, die der K ünstler, unabh än g ig von der K onstruktion, durch selb­

ständig hineingesetzte plastisch-architektonische Gliederungen g e sta ltet; Tafeln, Verdachungen, Muschelwerk, Ornam ente teilen, brechen und beleben die einzelnen, m it Gemälden geschm ückten Flächen (Abb. 23). Schw ere verkröpfte Gesimse, zum eist vergoldet, im Verein m it weißen Stuckfiguren und den tiefen F arben der Gemälde ergeben einen festlichen Z usam m enhang, der die davon erfüllten R äum e freilich

weder zum behaglichen W ohnen noch zu ern ster A ndacht einladen läßt.

Aber im Sinne des P ru n k ­ bedürfnisses der Z eit h at Pietro da Cortona das Höchste geleistet.

Doch auch als A rchitekt entfaltete er eine bedeutende T ä tig ­ keit. S. L u c a e M a r t i n a am Forum nim m t den Gedanken von St. P eter noch einm al a u f und su ch t m it frischer K raft eine Lösung selbst fü r das Problem der F assade des Z entralbaus über dem griechischen K reuz: in der konvexen G estaltung der P ortalw and kom m t der halbrunde A bschluß der K reuzarm e zum A us­

druck. Das gleiche Motiv, zugleich erhöht zu einer reizvollen halbrunden V o r h a l l e a u f toska­

nischen Säulen, k ehrt dann an der F assade von S. M a r i a d e l l a P a c e (vor 1659) wieder (Abb. 24), die auch in

A bb. 22 K uppel von S. Iv o a lla S ap ien za zu Rom ¡|)ren zurückliegenden, den Vorbau im H alb­

kreis um schließenden Teilen ein besonders anziehendes Beispiel ganz m alerischer, m it erstaunlicher Sicherheit der perspektivischen W irk u n g gehandhabter Kompo­

sitionsweise bietet.

Neben diesen H auptm eistern besaß das röm ische H ochbarock in Carlo Bai- naldi (1611—91) seinen bedeutendsten Architekten. Seine Kirche S. A g n e s e (1652) ist im Grundriß (Abb. 26) wie in der F assadengestaltung (Abb. 25) einfach, ungekünstelt und von vornehm ster W irkung. D er von Bernini zu erst erfaßte Ge­

danke, die Kuppel m it zwei F ro n ttü rm en zu einem m alerisch gestalteten B reit­

bilde zusam m enzufassen, dessen A usführung bei St. P eter infolge der A usdehnung des Langhauses scheitern m ußte, ist hier au f kurzem G rundriß w irkungsvoll durch­

geführt. Die konkave B iegung der F assadenm itte bildet m it den konvexen Grund-

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P ietro da C ortona u nd Carlo R ainaldi 27

Alib. 23 D cckendekoration im P a la zzo P itti zu F lo ren z von P ietro d a Cortona (Nach P h ot. G. B rogi)

linien der Kuppel, die auch in den — ßernini nachem pfundenen — T ürm en sehr fein anklingt, einen pikanten und künstlerisch berechtigten G egensatz. Eine be­

deutende L eistung Reinaldis ist seine Kirche S. M a r i a i n C a m p i t e l l i (1665), im Innern ein griechisches Kreuz m it künstlich nach der A ltarapsis hin gesteig erter Licht Wirkung, die Fassade eindrucksvoll durch die m ächtigen K ontraste von L icht und Schatten, wie sie durch frei vortretende Säulen, w eit ausladende und stark verkröpfte Gesims- und Giebelplatten hervorgebracht w erden. W o die ruhige F e rn ­ w irkung es erheischt, kehrt Rainaldi, wie bei seinen beiden kleinen, den E i n g a n g z u m G o r s o an P iazza del Popolo flankierenden Kuppelkirchen, selbst zum einfachen Tem pelgiebelm otiv zurück. — Jedenfalls ist das röm ische Barock gerade in dieser Periode seiner höchsten m alerischen E ntw icklung w eniger als je zuvor geneigt, a u f die Säule als Dekorationselem ent zu v e rz ic h te n ; den höchsten Grad in ihrer willkürlichen und, wenn m an will, frivolen V erw endung bezeichnet wohl die F assade von S. V i n c e n z o e d A n a s t a s i o (1650) von Martino Lunghi d. J. ( f 1657), wo sie reihenweise nebeneinander g estellt und — im oberen Geschoß — m it dreifach verkröpl'tem Gebälk und ineinandergeschachtelten Giebeln a u ftritt (Abb. 27).

Überboten werden konnte solche A rt von A rchitektur in ihrem prickelnden Sinnenreiz nur von jen er G attung des Schaffens, die alle drei K ünste gleichm äßig heranzieht, um ihren P hantasien W irklichkeit zu geben: der D e k o r a t i o n . In der T a t h a t die rein dekorative K unst niem als eine größere Rolle gesp ielt als im Hochbarock. Sie ist die notw endige E rgänzung der A rchitektur, deren Raum gebilde erst von ihr m it heiterem Leben erfüllt wird. Die Dekoration tritt m it dieser Rolle an die Stelle des K u n s t g e w e r b e s , das im italienischen Barock kaum be­

deutsam hervortritt. Denn für das einem bestim m ten G esam tzw eck dienende und

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28 Die Architektur des Barocks

dabei künstlerisch durchgeführte Einzelstück w ar in der ausschließlich a u f die große G esam tw irkung gerichteten B arockarchitektur liur w enig P latz; kaum daß A ltar­

geräte, Kanzeln und Gestühl für die Kirchen, Möbel und B eleuchlungsgegenstände

Abb. 24 F assad e von S. M aria dellu P ace zu Koni (S a ch P h o t. A nderson)

für den P a la st in einer den schweren, reichen Form en der A rchitektur entsprechen­

den W eise au sg estaltet w urden. Aber die Freude an individueller Erfindung und A rbeit konnte dabei nicht aufkom m en vor der R ücksicht au f das Ensem ble. Selbst das Nebeneinander des historisch Gewordenen verm ochte ein Stil, der seiner eigenen K raft und Schönheit so sicher war, nicht zu dulden. So sah die Barockperiode zu erst je n e erbarm ungslosen ..R estaurationen“ und U m gestaltungen älterer Bauw erke,

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Abb. 25 F assad e von S . A g n ese zu Rom

Abb. 26 G rundriß von S . A gn ese zu Rom

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