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Das Wildfangrecht. Eine pfälzische Geschichte.

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Academic year: 2022

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AUSGABE FÜR DIE

DEUTSCHE BUCH-GEMEINSCHAFT g.m.b.h. BERLIN

PRACOWNIA ZLOTNICZ Piotr Zbutiy

ul. (jlllll'lskil fw budynlat kvznky dla zwicrzAt

48- 100 GLÜBCZYCE

(6)
(7)
(8)

6 ä m t l i d) e Werfe

A

Siebenter ö a n b

Öas XDllbfangred)t

i. ttbteltung: Romane (Sanb 1-3)

(9)

Das XDilbfangredjt

Sine p f ä i 3 i J d) e ® e j d) i d) t e

d o n

Julius Wolff

01 i t Silbern

»on

W. Weimar

PRACOWNIA ZtOTNlC Piotr Züniiy

ul. Gikulska fw hudynku kcznicy dla zwierz-

48-100 GLÜBCZYCE

Paul £ i J t D c r I a g £ e f p 3 f g

(10)

Copyright 1912 by Paul List, Leipzig

Dtucf son 5r. Srenfler&Co. in feipjiq

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Das IDilöfangredjt

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(Erftes Kapitel.

fln einem warmen Septemberabenö faf? ein fyodj«

geftalteter, ftämmiger Wann mit grauem Cangljaar oor öem IDoIjnljaufe feines <5el?öftes in öem anmutig ge»

legenen Stäötd?en Wadjenljeim in öer Rt?einpfal3 unö blicfte finnenö oor fid? ^in. (Er war in lanöesüblid?er Bauerntradjt, aber feine tjaltung unö ganje «rfdjeinung Ijatten etwas IDüröenolles, Adjtunggebietenöes. Seine redjte tjanö ru^te auf öem öerben Kreu3beintifd?e oor ifym, unö ofjne fid? öeffen bewußt 3U fein, trommelte er auf öer platte einen marfd?mäfjigen Gatt. <£r Ijatte in öenüberftanöenen, langen Kriegsjatjren Diel trommeln getjört, unö fo war i^m öiefes Singerjpiel 3m (Bewoljm tjeit geworöen, wenn iljm etwas Befonöeres öie öanten bewegte.

a$ war öer Bürgermeifter oon IDa^enfjeim (Efjriftopf?

Armbrufter, öer fid? als ID m3 er eines behäbigen IDotjD ftanöes erfreute unö öie Bürgermeifterei im (Ehrenamt uerwaltete. (Es fdjienen aud? feineswegs Sorgen 3U fein, was il?n 3U öiefer Stunöe befdjäftigte, öenn fein (befielt mit öer ftart fyeroortretenöen Rafe unö öem fräftigen Kinn 3eigte einen 3ufrieöenen Ausörud, unö er fd?aute, wie fie in öer Pfab Jagen, fo redjt ftillbeöudjt unö Ijeim«

felig örein.

!•

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Das (Beljöft, auf bas man oon ber Strafte burd? ein breites, bei Sage ftets offenes Hör gelangte, biibete ein umfangreiches, längliches Diered, in welchem fidj mehrere, ben Umfaffungsmauern angefügte öebäube befanben, ein gröfteres, 3weiftödiges Jjaus, bas ber Bürgermeiftermitfeiner Srau unb feiner füngften üodjter, unb ein fleineres, bas fein Sohn mit $rau unb Kinbern berooftnte, ferner bas Kelterhaus, Scheune, Schuppen unb Ställe. Dem gröfteren IDohnhaufe entlang 30g fidj eine fdjattigePergola, b. h- ein laubenartiger, auch oben mit Satten »erfeftener Rebengang, worin 3wifdjen ben Raufen unb Blättern bunfelblaue IRaloafiertrauben hingen, tjinter ben fjäufern ftredte fidj bis an bie mit runben Derteibigungstürmen bewehrte Stabtumwallung ein wohlgepflegter ©bft= unb ©emüfegarten. Ruf bem geräumigen ljofe ftanb feitwärts ein alter Ruftbaum, öeffen mächtigen Stamm eine hö^erne Siftbant umgab.

Diefes ftattlidje flnwefen hieb öer Rbtshof, weil es oor Sahrhunberten bas Eigentum öes nahen, »on Kom rab II., bem Salier, gegifteten unb reich botierten Benebittinerflofters Simburg gewefen war, 3U bem ber Kaifer felber, unb 3war an bem nämlidjen Hage wie 3U bem herrlichen Dom in Speyer ben ©runbftein gelegt hatte. Hiner ber ftbte hatte ben tjof erbaut, um hier bie eblen (Bewächfe ber ihn umgebenben, bem Klofter 3ugehörigen IDeinberge feltern unb lagern 311 tonnen, unb jeftt nodj waren .bie ftarten Blauem unb (Bewölbe oorhanben, in benen bies einft gefdjehen war.

flufter biefem unterirbifdjen (Bemäuer aber war »on bem abteilichen Bau taum ein Stein auf bem anbern geblieben. Kriegsftürme hatten ihn wie fo manches, was IRenfchenhanbhiergefdjaffen, faft bis auf ben (Brunb hinweggefegt. Denn bie Pfal3, namentlich bie Doröer-

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pfalj mit ihrem Köftltdjes hereorbringenöen Rebern gelänöe an öer tjaaröt Ijatte unter ferneren Drangfalen 3U leiöen gehabt. Die unaufhörlichen 3el?öen öes ftreit»

luftigen Pfabgrafen bei Rhein $rieörid? öes Siegreichen, öie Untatenöes Bauernfrieges, öie BezweifeltenKämpfe mit Öen beutegierigen £anösfned?ten öes ITCarfgrafen Albrecht Alcibiaöes oon Branöenburg unö enölid? öie furchtbaren tjeimfuchungen im öreifrigjäfjrigen Kriege unter Hilly, öem ©rafen ©rnft uon Wansfelö unö öem fjerjog (Hjriftian oon Braunfdjweig hatten öie Stäöte unö Dörfer öer Pfal3 eingeäfdjert, öas £anö oerööet, öie

£eute ins (Henö Derfefet.

Aber öie unerschöpfliche $rud?tbarteit öes Boöens brachte nad? jeöer Derwüftung öie jungen Saaten unö Pflanzungen ju f^nellem Wachstum, unö öie Betrieb«

famfeit öer Bewohner befafe öie 3äl?e Kraft, unneröroffen wieöer auf3urid?ten, was nieöergeftampft, oerbrannt unö ueröorben war. ©roh aller Derheerungen, öenen fie im £auf öer Seiten ausgefeijt war, rühmte fid? öie Pfalj, einer öer höd?ftgefegneten ©aue öes öeutfdjen Reiches 3U fein, fo öafe es einft uon ihr hiefe, fie wäre fo reich, öafe hier felbft öie BettelleuteKapitalfteuer 3ahlten.

Unö jefet, fedtfehn 3ahre nach öem Weftfälifd?en grie«

Öen, unter öer Regierung öes für öie Wohlfahrt feines

£anöes raftlos bemühten Kurfürften unö Pfabgrafen Karl £uöwig, war fie in fröhlichem Auffcfjwung be»

griffen; allerwegen entfaltete fid? ein fid?tlid?es ©e«

öeihen uon tjanöel unö ©ewerbe, Ader« unö Weinbau.

Aud? öer Abtshof, öie einftige Sieöelung jenes Iängft 3erftörten Beneöiltinerftiftes, hatte fid? aus Öen ©rüm«

mern, in öie er mehr als einmal gefunten war, in er»

neuter ©eftalt erhoben unö war nun fdjon in öer eierten

©eneration öas (Erbe öer gamilie Armbrufter. Seine

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letzte Befdjäbigung öurdj bie Spanier, bie fein gegen«

wärtiger Befi^er als junger Hlenfdj fdjon erlebt Ijatte,

©ar nidjt fo fdjlimm gewefen wie bie früheren, dljrv ftoptjs (brofeoater Ijatte iljn wieöerljergeftellt, fein Dater nod? erweitert unb ausgebaut unb er felber it?n enblid?

»u bem gemadjt, was er Ijeute war, ein edjt pfäljifdjer Bauern« unb IDinjerljof, ber fid} feljen Iaffen tonnte unö in gan? IDadjentjeim nur non einem einigen an (Jjröjje unöjdjmuderIDoljnlidjfeitnodj übertroffen würbe.

fjier auf feinem freien (Eigen fafj nun <It?riftopl? flrm«

brufter unb trommelte mit ben Singern auf ber Gifdj«

platte, piötjlidj überflog ein gutmütig fdjlaues tädjeln feine martigen 3üge, unb er fjob ben Blid 3U bertrutjigen Wadjtenburg empor, öie unweit ber Stabt ben (bipfel eines Heilen Dorberges frönte. Die Sonne war bereits Ijinte> »em . in fdjönen Cinien auf« unb abfteigen«

ben h immt öes (bebirges verfdjwunben, aber ein flam«

mer.öes abeiibtoi ftanö am fjimmel unb überljaudjte bi* ?!• ’ *n unö ttürme ber Burg mit einem golbigen Sdjimmer.

Dort tjaufte ber Reidjsfreifyerr Dietrid? non Rem«

djingen, turfürftlidjer ©beroogt ber Dorberpfal?, ber bie iljm uerliefjene Bladjtbefugnis geredjt unb milb ausübte. & unb (Eljriftopl? waren 3ugenbgenoffen.

Der flbtömmling eines alten, ftoben Rittergefdjledjtes unb ber Sprofj einer alten, freien Bauernfamilie Ratten fidj als Knaben balö aufben Wällenunbin ben (bräben ber Burg, balb in bem (barten unb ben IDirtfdjafts«

räumen öes Winjerljofes getummelt, Ijatten als 3üng«

linge bie Berge unb Gaier ber Jjaarbt burdjftreift, als Männer bem eblen IDeibwert obgelegen unb enblid}

bie Sdjreden bes großen Krieges miteinanber getragen, unb iljre Sreunbfdjaft Ijatte burdj all bie langen Jaljre

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treulidj ftanbgebalten unb Blühte beute nod?, wo fie Beibe rüftige, welterfaljrene Seliger waren. 3m trau«

liefen ©efpräd? nannten fie ficf? bu unb bet ben Dor«

namen, im amtlichen Derteljr aber, benjail?reStellungen mit fid? brachten unb bei bem es ljin unb wieber 3U Heinen Reibereien unb manchmal audj 3U einem fdjarfen Wortwedjfel tarn, fdjnoben fie fid? aud? woljl mit tjerr Reidjsfreiljerr! unb fjerr Bürgermeifter! unwirfd? an, um fid? beim nädjften Wieberfeljen oljne Dorrebe bie tjänbe 3U fdjütteln unb t?er3lid? ins ©efidjt 3U ladjen.

An einen foldjen fürjlid? gehabten Streit modjte ber Bürgermeifterwoljlgedadjtljaben, als er 3m TOadjtenburg ljinaufgeblidt ljatte.

Wie er ba nun am Cifd? unter ben Reben fafe unb finnierte, lugte plöijlid?, unbemerkt uon iljm, ein brauner IRäbdjenfopf aus ber tjaustür um bie (Ede, unb fjufd?!

fprang eine tjiibfdje junge Dirn bie paar Stufen ljinab unb 3U bem Alten auf bie Bant, wo fie fidj fufd?elig an feine breite Sdjulter fdjmiegte.

„örastjupf, bift bu ba?" fpradj er, inbem er ben Arm um feinen Siebling, die jüngfte Godjter, fdjlang.

„Wo ift bie Rfutter?"

„Sie fommt audj gleid?," erwiberte bas lTläbd?en.

„tjaft woljl fdjon ljunger, Däterle?"

„© ja, aber bie anbern feljlen aud? nod?, iljr Iafet mid? ja gan3 allein tjier."

„3d? bod? nidjt, Däterle! id? lauf bir immer nad? wie ein fpürenbes tjunbl feinem oerlorenen fjerrn."

„3a bu, bu!" lädjelte er unb brüdte fie fanft an fid?.

Die Sieb3el?njäl?rige mit runben Wangen unb luftigen Augen war eine t?er3ensfreube für ben ernften, mand?«

mal tur3 angebundenen Wann, und wenn er fie aud?

teineswegs Gezogen ljatte, fo befafe fie dod? eine nidjt

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geringe ©ewalt über iljn unb tonnte iljm abbetteln unb äbfdjmeidjeln, was fie wollte, Hr aber Ijatte feinen Spafe an ben Heinen Siften, bie fie babei anwanbte unb bie er, oljne fidj’s merten 3U laffen, woljl burdjfdjaute.

Die beiben blieben nidjt lange allein. 3wei paus»

bädige jungen oon 3efen unb adjt 3aferen, dferiftopfes

©ntel, tarnen um bas ljaus feerum angeftürmt, unb bas erfte Wort bes älteren war: „©ibt’s nodj nidjts 3U effen?"

„So!“ ladjte (Eferiftopfe, „wo feabt iljr Sdjlingel benn geftedt?"

„3m ©arten, ©rofeoater," erwiberte ber jüngere.

„Unb wo finb eure (Eltern?“

„Dater ift nidjt baljeim, unb mutter fingt’s Bärbele in Sdjlaf."

„Dann feljt mal nadj, ob iljr ©rofemutter finbet, bafe fie eudj bie gefräfeigen IRäuler ftopft."

Da fprangen fie ins tjaus feinein, unb man feörte fie nadj ber ©rofemutter rufen.

Hun erfdjoll oon innen eine weiblidje Stimme: „Am«

merie!"

„3a, Blutter!" gab bas Uläbdjen 3urüd unb enteilte.

Balb tarnenbie oier wieber. ©feriftopfes $rauIRablen, in flbfür3ung oon Ulagbalene fo genannt, unb Anv merie, beibe mit irbenen Hellern unb Sdjüffeln be«

laben, auf benen bas falte Abenbbrot appetitlich ge=

fdjidjtet war, unb feinter ifenen bie 3wei 3ungen mit anberem (Efegerät, fooiel ifere Heinen fjänbe faffen tonnten. Alles würbe auf bie fieben piäfee an bem 3uoor mit einem blaugemufterten Sinnen bebedten Sifdj t>ers teilt, benn ber Sofen afe mit grau unb Kinbern ftets bei ben ©Item, weil es ber alte tjerr, ber auf ben feften 3u»

fammenfealt ber Samilie feofeen Wert legte, fo oerlangte.

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Armbrufter fafj vor feinem ßaufe und fann nad).

(S. 7.)

(20)
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9

Als Ammerie öann nod) einen großen Steintrug felbft«

gefeerbfteten U)etn unö fünf 3innerne Bedjer gefeolt Ijatte, erfcfeien aud? (Elsbetlj,Armbrufters fdjöngeroadjfene Scfewiegertocfeter.

„Wo tjaft öu öeinen IRann?" fragte dferiftopfe.

„3d? weif} nidjt, roo öer Peter bleibt," erroiöerte (Els«

bett?. „(Er wollte nur nod? einmal 3um Böttcfeermeifter

£ufe fjebenftreit geljen."

„Uun, roarten wir nidjt auf iljn," beftimmte öer Bürgermeifter unö liefe fidj queruor am difdje in einem grobge3immerten £efenftufel nieöer, feiner $rau gegen«

über, fo öafe Kinöer unö (Entel 3rotfd?en öen beiöen AI«

ten fafeen, öas jüngere (Efeepaar auf öer Bant.

(Efee fie aber alle piafe genommen featten, rief öer ältere öer beiöen 3ungen: „Da fommt öer Dater!"

Peter, an (blieöerbau roie aud? im Sefidjt feines Daters (Ebenbilö unö öeffen redjte fjanö im IDirtfdjafts«

betriebe, tarn fdjnell über öen fjof Ijeran unö fefete ficf?

miteinem entfdjulöigenöen „Bereifet!" nebenfeinegrau.

Kadj einem tu^en (lifdjgebete, öas öer ältefte dntel geläufig, öod? oljne grofee Anöadjt feerfagte, begannen fie 3U effen, unö (Eisbett? teilte iferen beiöen 3ungen ein (Senügenöes 3U, roäfjrenö Ammerie aus öem Kruge öie Bedjer füllte.

„Du roarft nod? bei £ufe fjebenftreit?" fragte dferiftopfe.

„3a, id? wollte iljn nodj einmal ernftlicfj an unfere Säffer maljnen," gab Peter 3ur Antwort, „aber öa fam id? bei öem bärbeifeigenalten 3unggefellen fdjön an. (Erft müfete er öie für meinen Sdjroiegeroater fertigfdjaffen, öer ifem mit (Ent3iefeung feiner Kunöfdfeaft geörofet feätte, wenn er fie ifem nidjtpünttlid? lieferte; roir füllten ifen in öes Deibels Kamen in Rufee Iaffen, fufer er pafeig

auf mid? los, efee id? nur ausreöen tonnte."

(22)

„Hurt, es ift ja nod) ein paar Wodjen 3eit bis jur

£efe," meinte Rlaölen begütigend.

„Die Wingerten finö gefdjloffen, unb wir l)aben einen guten tjerbft not uns,’ fagte (Hjriftopl). „Aber freilid), wo Slorian Gersbadjer ben Dorfprung t?at, ba featunfev eins bas Iladjfefyen. Unb bas will mein S«unb fein!"

fügte er launig fyinju.

„Jft et audj, lieber Dater!" fiel (Eisbeil), bie Sodjter bes eben Beredeten, ein. „Aber warum fommft bu fo fpät?" wandte fie fid) an ihren Wann.

„3d) batte auf dem Rüdroege einen Heinen Aufent=

halt," erwiderte öiefer.

„Warft wobl nod) in einer Straufewirtfdjaft unö haft bir dort öas £odj im Ärmel geholt?" 30g Ammerie ihren Bruder fpottluftig auf.

„Wahrhaftig, er hat ein 3erfefetes Kamifol!* rief (Elsbeth erfdjroden, fefet erft den Rife in feinem Wams entöedenö. „Wann! was haft öu angeftellt?"

„3a, da triegft öu was 3U flirten," lad)te Peter. „3d) wuröe ein wenig hanögemein mit einem wiöerfpenftigen

©djfen, öer trofe 3ureöens unö Sd)läge nidjt in den Stall hinein wollte. Da mufet id) dort) dem tjans Kaub unö feinem Kned)te tjelfen unö parfte den ftörrifdjen Didlopf bei ben fjörnern, was il)m nidjt 3U gefallen fdjien, denn er {tiefe nad) mir, fd)Ii^te mir aber nur öas Kamifol auf, nidjt aud) öas $ell, unö fo ift es nodj gut abgelaufen unö nidjt öer Reöe wert. Der ©d)$ mufete in öen Stall, unö nun ift er drin."

„tjaft redjt getan," fprad) öer Bürgermeifter mit feiner tiefen Stimme. „Wem öu t)ilfft, öer hilft öir wieöer."

„Aber mit einem böfen ©djfen anjubinöen ift eine Dermeffenljeit. peter, Peter, immer nod) bie dollfühn»

(23)

— <1 —

Ijeit wie in beinen jungen 3a^ren!" fdjalt iljn IRoblen liebeooll.

„Rein, ITlütterle, IjabfeineBange,id? neljm mid? fdjon in adjt, wo’s nötig ift," befdjwicfjtigte fie ber gute Soljn.

§rau IRabien madjte ben (Einbrud einer behäbigen, fidj itjres Stanbes unb Wertes bewußten Bäuerin, in beren gefdjeiteltes fjaar fidj fdjon reidjlidj Silberfäbeti mifdjten. Sie ljatte ein ruljiges, tootjlroonenbes (bemüt, bas fid? in iljrem oollen Antlit? mit ben oielen Sältdjen unb in iljren tjell unb freunblidj blidenben Augen wie in ber gemeffenen Art iljres Bebens unb (bebarens aus­ prägte. 3hrem Rlanne war fie eine treue, tapfere Sebensgefäljrtin unb ljatte iljm oier Kinber gefdjenft, beren älteftesPeter war. (Ein jweiter Sotjn warjung ge«

ftorben, eine barauffoigenbe Eodjter war an einen jimmermeifter in Reuftabt oertjeiratet, unb als nidjt rnetjr erwarteter Spätling ljatte fidj Ammerie nodj ein«

geftellt, bie fdjon in iljren Kinberjaljren etwas ungemein Drolliges geljabt ljatte unb nun, 3ur blüfjenben Jungfrau gereift, (Eltern unb (befdjwifter mit iljrem fdjalfljaften

$rol?finn ergötzte. Sie Ijatten fie alle lieb, audj (Elsbctlj ftanb mit ber »iel jüngeren Sdjwägerin auf bem bejten Sufee.

So berrfdjte eine erfreulidje (Eintradjt in ber Samilie, unb wenn man tagsüber feine Arbeit getan ljatte, fo ergab man fidj am Seierabenb unb bei Eifdje einer tjarmlos Ijeiteren Stimmung, bie fein IRi^ton trübte, dljriftoplj Armbrufter felber, bas oon allen oerefjrte Ober»

fjaupt, waltete auf bem Abtsljofe als unbefdjränfter Jjerr unb (bebieter, beffen leifeftem Wort unb Winf fidj jeber ber Seinigen oljne Wiöerfprudj fügte. 3n bem, trotj ber feften IRauern unb Eürme, meljr bäuerlichen als ftäbtifdjen (bemeinwefen genofe er wegen feiner

(24)

Redjtfdjaffenljeit unö befonnenen datfraft eines hoben Anfeljens, obwohl er aus einem befonöeren Srunöe audj einige feiner Mitbürger 3U entfcfjieöenen ©egnern ^afte.

Seit öreiunÖ3tüan3ig 3afjren war er hier Bürgermeifter als unmittelbarer Hadjfolger feines Daters, öer gleich^

falls öiefes Amt bis 3U feinem in hohem Alter eintreten«

Öen doöe innegeljabt Ijatte.

Als nun an öem warmen, bei öem flaren tjimmel lange hell bleibenöen Abenö alle, Alte unö 3unge, unter öem ljie unö öa öurdjfidjtigen Rebenöadj frötjlicf? bei«

fammenfaßen unö Öen aufgetragenen 3mbiß Begehrten, roanöte fidj IRaöIen plößlidj 3ur Seite unö fagte: „Wen bringt uns öenn öer Sdjnedentafdjperöa? eine Sremöe?

einen Befudj?"

Alle blidten auf unö faljen nadj öem (Eingänge Ijin.

Dort unter öem (Torbogen ffatiö ein etwa oie^etjn«

fätjriger 3unge, barhäuptig unö barfüßig unö ärmlidj getleiöet, aber träftig unö gebräunt, mit einem offenen, Augen ©efidjt. 3u einer neben iljm ftehenöen weiblidjen Seftalt reöenö 3eigte er mit ausgeftredtem Singer nadj öer am difdje fißenöen Samilie. Dann traten beiöe näher, »on einem fjunöe, einem gelblicE? grauen, ftrup«

pigen Sdjnau3erl begleitet, unö öas junge Weib oöer Rläödjen, öas ein Bünöel auf Öen Rüden trug, fdjritt ffracfs auf öie Bürgermeifterin 3U.

Die mehr als mittelgroße Sremöe war feljr fjübfdj, faft fdjön 3U nennen, aber fie falj bleidj unö oerljärmt aus, unö um ihren feingefdjnittenen IRunö wob fiel?

ein 3ug uon Bitterfeit. „Seiö 3hr $rau IRaöIen Arm«

brufter?" begann fie fdjüdjtern.

„3a, öie bin idj," antwortete Rtaölen.

„3dj bin Oontruö fjegewalö aus ©amburg im IDürv burgifdjen."

(25)

13

„IDie Ijiefe öeine IHutter mit iljrem IHäöchennamen?"

fragte öie Bürgermeisterin.

„tjilöe Sdjeithauer."

„Das ftimmt; öannbift öu öie Gruöi, unö idj bin öeine BaS’," fpradj IHaölen, erljob fidj unö reichte iljrerÜicfjte öie fjanö. „Sei willfommen unö Sage: was fdjaffft öu?"

Die 3ugerei{te mufete fidj in iljrer tiefen Befangenheit erft faffen, um öas Anliegen, öas fie tjergefütjrt Ijatte, oorbringen ju fönnen. Dann tat fie öies mit einem hörbaren Beben öer Stimme: „Dater unö IHutter finö tot, ich bin eine IDaife, — mittellos unö heimatlos, — habe niel Grauriges unö Schlimmes erlebt unö — fann nidjt wieöer öaljin 3urüd, wo idj hertomme. Darum wollt ich Gudjbeglichbitten, mich als IHagö, als öienenöe IHagö bei Gudj aufjuneljmen; — idj fann arbeiten unö weife auch mit IDingert unö IDeinbau Befdjeiö."

Sie atmete tief auf, als fie öas »on öer Seele herunter hatte, unö blidte ihre Bafe ängftlidj unö erwartungs»

doII an.

„£ege öein Bünöel ab unö nimm piafe an unferem Gifdje," fagte IHaölen ohne auf öie ihr oorgetragene Bitte gleidj einjugeljen. „Dies finö öie IHeinigen, mein IHann unö unfere Kinöer unö Gnfel."

Gruöi überflog öie fleine Sefellfdjaft mit öen Augen, unö öie grüfeenöe Heigung ihres blonöen tjauptes war oon einer gefälligen Anmut.

„Du bleibft öie Hadjt hier, unö wenn öu morgen aus- gefdjlafen ljaft, reöen wir weiter; ich öenfe, es wirö fidj einrichten Iaffen, was öu wünfdjeft," fuhr IHaölen fort, nadjöem fie fidj öie Sadje überlegt unö öas IHäödjen mit einem prüfenöen Blid angefdjaut hatte.

„3dj öanfe Gudj!" tarn es wie ein erlöfenöer fjaudj aus Gruöis bewegter Bruft.

(26)

„Sefee bidj neben mid?; f?ier auf bet Ban! ift nodj pia£, unb nun oor allen Dingen, — bu wirft hungrig fein oom Wege, — alfo flint, Ammerie!"

Diefe fprang aufunb oerfdjwanb im fjaufe, wäljrenb Grubi ber (Einlabung iljrer Bafe folgte.

Der mit iljr gelommene 3unge ljatte, etwas 3urüd- ftefyenb, bas (Sefptädj mit angeljört unb wollte fidj nun entfernen, aber bie Biirgermeifterin rief iljm ju: „Bein, Kafdjper, bleib ba unb wart e biffel."

Da fefete er fidj auf bie Ban! unter bem großen Hufe«

bäum, unb fein rauljfjaariger Köter legte fitf? 3U feinen Süfcen nieber, ben Kopf 3wifdjen ben Dorberpfoten, unb blin3elte witternb nadj bem Speifetifdje tjin.

Audj Kafpar war eine elternlofe IDaife, ljatte Dater unb IHutter nie gefanntunb lebte f?ier bei feinem (Srofe- cater, berfid? wenigum iljn fümmerte unbnidjt einmal für feine redjte (Ernätjrung forgte. Aber ber 3unge war in ben IHitteln, feinen fjunger 3U füllen oljne 3U betteln, fef?r erfinberifdj, unb weil er fidj 3U biefem 3H>ede in ben IDeinbergen fleifeig Sdjneden fudjte, bie er fid? in einer alten Bledjpfanne mit allerlei IDur3el- unb Kräuter­

wert fdjmorte ober audj röftete, nannte man iljn ben Sdjnedentafdjper. Die meiften berIDadjenljeimer Ratten ben wilb Aufwadjfenben gern, unb ba er audj fonft an­

teilig unb gefdjidt war, braudjten fie iljn 3U Heinen Dienften, 3U Botengängen, 3um Dieljljüten, 3um Der- fdjeudjen ber Dögel aus ben IDeinbergen, W03U er fidj eine weittönenbe Klapper angefertigt ljatte, unb 3U meljr bergleidjen Derridjtungen. Dafür gaben fie iljm bann 3U effen, unb mandje fdjenften iljm abgelegte Klei­ ber non iljren Kinbern, feinen Altersgenoffen unb (5e- fpielen, beren er fel?r Diele unb feljr anljänglidje ljatte.

Ammerie bradjte für Grubi einen Geller, IReffer unb

(27)

15

Sabel unö aud? einen Bedjer, Öen ihr Peter ranönoll gofe, unö nun langte öie einer Afeung alleröings fefer Beöürftige oljne Sdjeu ?u unö liefe fidj öas freunölidj (gebotene munöen. Die anöeren ftörten fie öarin aud?

nidjt mit Srtunöigungen nadj iferem Sdjidfal. Sie beobachtetenöas wofelgefittete Hläödjen mit teilnefemem öer Aufmertfamfeit, unö feinem oon ifenen ftieg öer Dep öadjt auf, öafe es eine Sdjulöbelaöene, oom fjäfdjer Dep folgte fein fönnte.

Unteröeffen feätte $rau Ittaölen ein grofees Stüd feausbaden Sdjwa^brot runöfeerum mit Sdjinfen be»

legt unb roinfte nun Öen Sdjnedenfafdjper feerbei, öer fidj 3ur (Entgegennafeme eines foldjen, ifem ungewofenten Scfemaufes waferlidj nidjt nötigen liefe. (Er ging öamit 3ur Ilufebaumbanf 3urüd, feieb mit gefunöen 3äfenen wader darauf ein unö gab aucfe feinem Sdjnau3erl fein unö wieöer einen guten Biffen öaoon ab.

Als er öas Scfeinfenbrot oe^efert feätte, fragte druöi:

„Darf idj öen lieben Buben, öer midj 3U eudj gefiifert feat, einen Sdjlud aus meinem Bedjer tun laffen?"

„3a, öas öarfft öu," fpradj öer Bürgermeifter fdjnell, unö es Hang roarm unö freuöig, wie er esfagte.

Da tarn Kafpar wieöer feeran, leerte Öen ifem von

?Iruöi gereichten, nodj fealb oollen Bedjer langfam in Heinen Abfäfeen, unö feine Augen ftrafelten, als er ifen öer Spenderin öes erquidenöen Neuntesmit einemleifen

„Dante!" jurüdgab.

Peters nicfet gern ftillfitjenöe Spröfelinge waren auf- geftanöen unö jagten fidj mit pafe, Kafparsvierbeinigem Begleiter, auf öem tjofe feerum, was allen öreien Diel Spafe 3U macfeen fdjien. Die 3ungen tobten, öer fjunö umfprang fie, bellte unö weöelte vergnügt mit feinem frühen Scfewänjcfeen.

(28)

Bald aber madjte dlsbetfe bem lärmenden Spiel ein dnbe, indem fie iferen Rangen befafel, fidj 3U Bett 311 fdjeren, was fie iljnen allerdings 3weimal jagen mufete, efee fie gefeordjten unb fidj trollten. Da ging audj ber Sdjnedenfafdjper mit feinem pafe ftill oon bannen.

Durdj bie flnfunft einer bis jefet oöllig unbetannten Derroanbten war bas Sefprädj am difdje etwas ins Stoden geraten, tarn aber allmäljlidj toieber in Sang.

Befonbers bie beiden $rauen bemühten fidj, in drubi nidjt bas Sefüfjl auftommen 3U laffen, bafe fie als eine Störende in ben gefdjloffenen Kreis ber $amilie ge=

treten wäre, unb ridjteten öfter bas IDort an fie. fludj dferiftopfe unb Peter beteiligten fidj, wenn aud? nur fpärlidj, bod? in entgegenfommenber IDeife an ber Unterhaltung mit ifer. Rur flmmerie oerfeielt fiel? auf' fallend fdjweigfam, liefe aber ifereneue Rlufeme nidjt aus ben Augen, unb mandjmal fdjien es, als fdjwebte il?r ein IDort auf ber 3unge, bas fie beinahe feeroorgebradjt Ijätte unb bann bodj ungefprodjen feerunterfdjludte. Als aber (Hsbetfe nun bodj ein paar Sragen an drubi {teilte, weldje biefe nur einfilbig unb ausweidjenb beantwortete, fdjritt dferiftopt? dagegen ein unb gebot: „Derfdjont bie drubi feeut abenb mit fragen; fie wirb müde fein unb ber Rufee bedürfen."

„tjaft redjt, dferif^topfe," fpracfe IRablen. „morgen nadj bem Kirdjgang, drubi, denn morgen ift bas $eft ber Kreu3'drfeöfeung, wirft bu mir alles e^äfelen, nid?t wafer?"

„3a, gern, Bafe IRablen!" erwiderte drubi.

„Unb bu fdjläfft mit mir im ©benaufftübel," er«

Härte flmmerie beftimmt, „ba ftefet nodj ein Bett für meine Sdjwefter, wenn fie oon Reuftabtfeerüberfommt."

„3d?modjte aber niemanboerbrängen,"fagtedrubi.

(29)

17

„(Tuft öu audj nidjt, liebe Erubi," beruhigte fie Wab=

len. „Die Berte! wirb fobalb nidjt fommen, unb wenn bodj, fo wirb fdjon Rat werben füriljren Unterfdjlupf."

„Siefjft bu? bu fdjläfft bei mir!" froijlodte Ammerie unb griff nadj Erubis Bünbel. „Komm! idj brinqe bidj 3U Bett."

„Daf? bu fie mir aber nidjt burdj bein unnü^es ®e=

plapper nodj lange roadj hältft!" ermaljnte Wahlen iljre Eodjter.

„Rein, Wütterle, idj fdjlaf auf beiben (Dljren, id?

f^Iaf wie unfre Urfdjel in ber Kirdj, wenn ber pater Bumpus auf ber Kanjel fteljt."

Die anbern ladjten, benn fie tannten ben feften Kirdjenfdjlaf ber guten Urfdjel, ihrer älteften Wagb, unter bem einlullenben ©enäfel bes btden Wöndjes, bas bei mehreren ber „anbädjtig Derfammelten" biefe unwiberfteljlidje Wirfung 3U ljaben pflegte.

Erubi reichte jebem ber Si^enben bie ljanb 3ur guten Radjt unb folgte Ammerie ins f?aus. Diefe rief nod? oon ber Eür 3urüd: „3d? fomme gleich wieber."

Als fid? bie beiben Wäbdjen entfernt hatten, fdjwiegen bie uier am Eifdje Gebliebenen eine3eitlang ftill. Jeber non ihnen modjte woljl feinen Gebauten nadjljängen über bie unter fo feltfamen Umftänben l?ier ffingefeljrte, bie fidj bei ihren einigen Derwanbten als Wagb oer=

hingen wollte. 3fyre fummerDolIen Anbeutungen über bas, was fie erlebt ljatte, unb ber Eon, mit bem fie oors gebracht waren, Ijatten glaubwiirbig unb ber3erqreifenb geflungen unb bas Witleib ber fjörenben'erregt, fdjon etje fie näheres oon iljr wußten.

Wahlen war bie erfte, bie ifjren Betrachtungen Worte lieh. „Wie fie mid? jammert, bie arme Dirn!"

begann fie, „welche Kämpfe mufc fie 3U fjaufe burdj’

Sultus Wolff, Sämtl. Werte, Dos Wilbfanflte<f|t. 2

(30)

gemadjt feaben! Der Gram ftanö ifer beutlicfe in öem blaffen Geficfet gefd?rieben, unö ifere Augen bhdten fo traurig unö ängftlidj. Wenn wir ifer

fefeen tonnten, was fie oerloren feat! 3ft es bir recF^t, Gferifdjtopfe, bafe id) ifer tofier gegeben feabe.

Gewife, liebe Alte!" erroiberte öer Bürgermeifter, wir tönnen öod? eine 3ufludjtfucfeenöe aus , bemer greunöfdjaft nicfet oon unferer Sdjwelle weifen.

Unö tönnen audj jur £efe redjt gut nodj 3toei Ijanbe mefer gebraucfeen," fügte Peter feinen. „Sie fagte ia, öafe fie mit öem H>in3ergefd?aft Befdjeiö wufete, unö an Kraft 3U tiidjtiger Arbeit fcfeeint es ifer toaferlicfe nicfet

?U Du feaftwofel ifere (Eltern nicfet gelaunt, Gferifdjtopfe, fufer lUablen fort. „3fere mutter unö icfe finb Ge»

fdjwifterfinöer; ber tjilöe ifer Dater unö meiner waren Brüöer, roofenten aber nidjt m berfeiben Stabt, mein ©ntel }ofepfe Sdjeitfeauer wofente m Sanbau.

Aber mir feaben fie öfter öort unb fie uns wieber in Deibesfeeim befudjt, unb einmal ift bie tjilöe wodjenlang allein bei uns geblieben, unö öa würben wir IKabcfeen feljr befreunöet miteinanber. Wie es bann 3iigegangen ift, bafe fie ben fjegewalö gefeeiratet feat unb mit ifem ins U)ür3burgifdje ge3ogen ift, weife idj micfe nidjt mefer 3U erinnern. Gr featte weher Brüher nodj Scfewefter, foll aber ein oröentlidjer, braoer lllenfdj gewefen

’ei,1Unb nun finb Dater unb Blutter tot," fpradj her Bürgermeifter. „Wie mag ifere Gocfeter nur fo ins Glenb geraten fein, bafe fie gän3lid? feabelos geworben unb

ausgewanbert ift?" . .

3a, barauf bin icfe felber neugierig," erwiberte mah­

len. „morgen werb idj’s ja wofel oon ifer erfaferen.

(31)

19

3efet tarn flmmerie 3urüd mit einem feljr ernften unö meljmiitigen (befidjt.

„Kun? Ijaftbu bie Gruöi gutoerforgt?" fragteITlablen.

„3a, Blutter, id? glaube, fie fcfjläft fdjon, fo müöe mar fie," berichtete flmmerie. „(Oben in öer Kammer ift fie mir um Öen ljals gefallen unö Ijat gefdjludj3t unö gemeint oor ®lüd unö$reuöe, öafemir fie aufgenommen ljaben. fldj, menn midj öodj öeine (Eltern bei fidj be=

gelten! mie roollt idj’s itjnen bauten! fagte fie unter Gränen unb falj midj babei mit Augen an, bafe mir’s burdj unb burdj ging. Dater, lafe fie bocfj Ijier bleiben!"

„IDirb ja moljl fo tommen, mein Kinb," ermiberte Gljriftoplj unb nidte ber für bie fjeimatlofe Bittenben freunblidj 3U.

3n biefem flugenblid blies ber Gürmer auf feinem IDalöljorn ben flbenbfegen. Gs tlang aber nidjt mie eine fromme IDeife, fonbern mie bas meibmännifdje fjalali, unb fein IDedruf morgens früt? äljnelte audj ftart einem „Srifdjauf 3um fröljlidjen 3agen!", benn berflitlas mar friiljer 3äger beim Reidjsfreiljerrn auf ber IDadjtem bürg gemefen, unb biefer Ijatte iljm, als er gebredjlidj geroorben mar unb 3utn IDeibmert nidjt meljr taugte, Öen Ruljepoften öes Gürmers in IDadjenljeim »erfdjafft.

Sein IDalöljorn Ijatte ber Alte mitgebradjt, unb feine geliebten 3a9Öfanfaren büntten iljn gerabefo erbaulidj mie bas (Slodengeläut, bas er ebenfalls beforgte.

Die Armbrufters erhoben fidj unb fagten fidj Oute Itadjt, benn es mar allmäljlidj tiefe Dämmerung ge=

morben. Aber ber 3uneljmenbe Klonb beleudjtete ben füllen Abtsljof, in beffen Sdjufe unb Stieben ein »iel=

gequältes Iltäbdjen^er3 feitlanger3eit 3um erften ITlale mieber in forglofem Sdjlummer ruljte.

2*

(32)

3n ber grülje bes näd?ften dages fragte Ittablen tl?re CEodjter, wie Hrubi gefdjlafen Ijatte.

„Sie fdjläft immer nod»," gab Ammerie 3m Antwort,

„unb id? fjabe beim Anjiefyen gan3 leife gemad?t, um fie nid?t 3U weden."

„®ut! aber fage mal: wie ift’s mit iljrer Kleibung beftellt?"

„Soaiel id? baoon gefeljen Ijabe, red?t bürftig, unb wenn fie mit uns 3um tjodjamt geljen foll... 3d» i?abe fdjon gebad?t, ob id? iljr nidjt ausljelfen fonnte. aber meine Rode werben iljr 3U fur3 fein, benn fie ift ein gai»3 Heil größer als id?."

„Unb meine Sewänber finb il?r 3U weit," lädjelte Wahlen.

„Aber oon (Elsbetl? fonnte iljr oielleidjt mand?es paffen," meinte Ammerie.

„Das ift wafjr; lauf f?in 3U iljr unb fiel? 3U, was bu it?r abfdjwaijen fannft; fie ift ja gutljer3ig unb gefällig."

„3aja! fofort! unb mit leeren fjänben fomme id? nidjt wieber," rief Ammerie unb fprang bauon.

Rad? faum einem Diertelftünbdjenfeljrte fie mit einem mafellos fauberen Kleibe 3urüd, bas fie triumpljierenb

(33)

— 21

nor öer mutter entfaltete. „Siefeft öu? idj raufet es rao^I, öie (Elsbetfe fcfelägt mir nichts ab, unö fie feafs gern feergegeben." Dann eilte fie oergnügt damit öie (Treppe feinauf.

Als druöi, erfrifdjt unö geftärJt öurdj Öen gefunöen Schlaf, mit Ammerie feerabfam, nafem fie fid? gan? oors trefflid? aus, öenn (Elsbetfes Kleiö ftanö iljr gut unö fafe i^r audj leiölid? gut, wenn es audj um öie Bruft etwas eng unö um Öen (Sürtel nidjt anfdjliefeenö genug war, aber öas liefe fid? ja leidjt anöern. „3fer befcfeämt midj mit eurer ®üte," fpradj fie nadj öargebradjtem morgen’

grufe, „aber idj nefeme es mit allem Danf an, öamit idj eud? am Feiertage mit meinen abgetragenen Sadjen feine Sdjanöe madje."

„U)ie ift öir nadj öeiner IDanöerung 3umute?" fragte maölen.

„Ad?! wie neugeboren füfel idj midj; es lag fidj fo wonnig in öem fdjönen Bett, idj tonnte midj reden unö ftreden, unö nidjt einmal geträumt feab idj."

„Sdjaöe!" meinte Ammerie, „öenn was man in öer erften Aadjt unter einem fremöen Dacfee träumt, öas gefet in drfüllung."

„mir ift fo wofelig feier, als wäre öies fein fremöes Dadj für midj," erwiöerte druöi, „unö was foll mir öenn nodj grofe in (Erfüllung gefeen?"

„Kinö, öu bift nodj jung; in öeinen Jaferen läfet fidj audj öas fdjwerfte £eiö mit frofeen fjoffnungen tröffen,"

gemafente fie maölen.

druöi feuf3te leife unö fdjwieg.

3efet trat dferiftopfe ins jimmer, wo öas grüfemafel feiner fearrte. „Hun, idj braudje nidjt 3U fragen, wie öu gerufet feaft," fpradj er, „fiefeftfeeute fdjon gan3 anöers aus als geftern abenö."

(34)

„Das mad)t nidjt blofe öer tiefe Sd)laf, ©nfel," er wiöerte Gruöi, „öie liebeoolle Aufnahme tut’s, öie idj bei (Eud? gefutiöen habe."

CEr ftrid? iljr mit öer fjanö über iljr »olles, glän3enöes BIonöf)aar unö fagte: „Dem IRüöen ift leidjt gebettet, unö öer fDillfommene finöet immer offene Arme." Dann liefeen fid? alle »ier am Gifdje nieöer.

Die Armbrufters waren bereits in feftlidjem Gewanö, unö als fpäter öie ©lode öer öem Ritter Sanft Georg geweiften Kirdje läutete, feijte fidj öer Bürgermeifter feinen breitfrempigen Dreifpife auf, unö fie begaben fid) mit Gruöi 3um Gottesöienft.

Aud) heute wölbte fid) wieöer ein woltenlofer Ijimmel über öer Pfal3, unö es brütete eine fdjier fommerlidje IDärme. Die TOadjenljeimer pilgerten in Sdjaren 3ur Kirdje. 3l?re Gefidjter fdjauten heiter, unö ifjre Ge»

müter waren froh geftimmt, wol)l nidjt 3um geringften Geil öeswegen, weil öiefe Ijeifeen Sonnenftraljlen Öen Grauben an Öen Weinftödennodj 3ugutetarnen, an öeren

»ollfaftigem Geöeiljen öie Hoffnungen eines gan3en 3atjres tjingen.

Die Sitjreiljen öer Kirdje füllten fid) fdjnell, unö riel neugierige Blide rid)teten fid? auf öie bilöljübfdje gremöe 3wifdjen lüaölen unö Ammerie, öie man nod) nie in Gefellfdjaft öer Armbrufter gefeljen Ijatte.

Das Hodjamt begann, natjm feinen gewöfjnlidjen Der*

lauf unö fein Gnöe, unö öas Gotteshaus leerte fidj wie=

öer. Auf öem Heimwege fdjloffenfidj mand)e öer Kirdj=

gänger öer Bürgermeifterfamilie an, unö wenn es öie Sippen nidjt taten, fo fragten öodj öie Augen: wen habt ihr öenn öa beieuch? fo öafe Rlaölen oftmals wieöer holen mufete: „Das ifteine liebe Derwanöte, öie 3um Be*

fucl) eingetroffen ift unö längere 3eit beiuns bleiben wirö."

(35)

23

Die fjonoratioren öer Win3ergilöe, aud? einigeHeinere tjofbefifeer unö el?rfame r?anöroertsmeifter Bereinigten fid? nad? öem ©ottesöienfte nod? in öem ®aftl?aus 3ur Krone bei öer fogenannten (Elfuljrmeffe 3U einem Sd?op3 penglafe. Aud? djriftopl? Armbrufter fehlte feiten bei öiefem Sonntagstrunte, öenn öort rouröen öie ®e=

meinöeangelegenljeiten oft grünölidjer öurd?gefprod?en als auf öem Staötfyaufe, unö man oertrug fid?beim Wein leidjt in Sieben unö $reunöfd?aft. IHandjmal freilid?

tarn es aud? anöers, toenn öie Köpfe öer Streitenöen l?eife rouröen. Dann fielen fdjroere, felbft grobe Worte, feiner blieb öem anöern etwas fdjulöig, unö öie gäufte öonnerten mit einem trotzigen f?ol mid? öer Deibel! auf öen Gifd?. Denn ein Spridjroort fagte: öem Pfä^er fifet öas Ijer3 auf öer 3unge unö nidjt feinter öen ®I?ren.

Die grauen aber gingen I?eim, um nad?öemIHittageffen 3U fel?en. So aud? öie grau Bürgermeifterin mit öen beiöen jungen !Häöd?en.

Auf öem Abtsljof angelangt fagte IHaölen 3U üruöi:

„Uun tomm mit mir in öen ©arten; öortift eine fd?attige

£aube, roo öu mir öeine £ebensgefd?id?te et3äf?len fannft unö uns niemanö ftören roirö." Diefer 3ufafe roar für Ammerie beftimmt, öie öen Winf uerftanö unö fid? an Stelle öer IHutter pflid?tfd?ulöig in öie Küdje uerfügte.

Als Bafe unö Uid?te auf einer Bant in öer £aube piafe genommen Ratten, Gruöi aber nod? fdjroieg, fafjte IHaölen il?re f?anö unö fprad?: „Öffne mir öein f?er3, liebes Kinö, fo uertrauensuoll, als wär’ id? öeine befte greunöin oöer öeine IHutter, roas id? ja beiöes fortan aud? roirtlid? fein will."

Unö Gruöi l?ub mit bewegter Stimme unö anfangs mandjmal ftodenö an: „3d? mufe mit öen (Erinnerungen meiner frütjeften 3ugenö beginnen, öie bis 3U meinem

(36)

3wölften 3aljre eine wunfdjlos glücfliefje war. IHeine (Eltern, beren einiges Kinb id? war, exogen mid? 31»

allemOuten unb Sdjidlidjen unb forgten audj fürmeinen Unterricht, ben mir unb ein paar anberen Kinbern ein alter geistlicher Ejerr mit großer Eingebung erteilte.

Sie befaßen in Oamburg, nidjt weit von dauberbifdjofs»

heim im IDür3burgifdjen, ein mäßiges Adergut, öeffen (Ertrag fie auskömmlich ernährte unb 3U bem audj ein IDeinberg in guter Sage gehörte. Sie waren jeöod}

Altarleute bes Klofters Bronnbadj, hatten biefem 3efjn=

ten unb Beben 3U Ieiften, unb mein Dater mufete auf bem klöfterlidjen IReierhofe in ben 5aljres3eiten, wo es gelbarbeit gab, wöchentlich einen, währenb ber (Ernte meistens 3wei (Tage Sronbienft tun. Das kam ihn halt an, aber er hatte bei ber Übereignung bes Sehngutes biefe unablösbare Verpflichtung mitübernehmen müffen.

Der IReier bes Klofterljofes war nadjfidjtig unb milbe gegen ihn, plagte ihn nidjt unb brüdte ein Auge 3U, wenn ber Dater einmal eine TOodje lang nidjt 3um Sronen unb Roboten erfdjien. So gingen meine Sage forglos babin; bann aber — bann bradj bas Unglück über uns herein.

ITlein lieberDater ftarb— nadj fu^em Krankenlager

—an einem Ijifeigen Sungenfieber, — unb meine IHutter war trofb unb ratlos. — (Es finb nun 3eljn 3aljre her, aber heutenodj felj ich unb fühlidj, wie fie in ihrer Der«

3weiflung bie Ejänbe rang, midj in mafelofem jammer an fidj prefete unb fd?ludj3te."

(Erubi felber 3itterte am gan3en Körper bei ber IUit=

teilung biefes unoorljergefehenen, tief in ihr Seben ein»

fdjneibenben ürauerfalles.

„Kur3 »or Anfang bes IDinters war es. Korn unb (Trauben waren herein,aber wasfollte werben,wennbas

(37)

25

Srüljjaljr tarn unb ber Wingert beforgt, ber Ader be»

[teilt werben mufete? Da blieb meiner Blutter nidjts anberes übrig als einen ©bertnedjt atgunetjmen, ber bie Wirtfdjaft leiten follte. Das gefdjal? benn audj.

Panfra3 Dorntjuber roar ein nodj 3iemlidj junger, aber tüdjtiger Blenfdj, ber ben iljm anoertrauten poften 3ur 3ufriebenfeeit meiner Blutter ausfüllte, fidj aber audj auf jebe Weife in ifjre ©unft ein3ufdjmeidjeln fudjte."

Die (Lr3ä^lerin blidte einige Sefunben lang ftarr oor fidj ljin, etje fie fortfufjr: „3a, — wie bas alles fo ge=

tommen ift, roeife idj nidjt meljr, aber nadj ber erften (Ernte unter feinem Betriebe, bie feljr gut ausgefallen roar, heiratete meine Blutter ifjren ©rofetnedjt, unb nun 30g er plöfelidj gan3 anbere Saiten auf. Bis fjerr in fjaus unb fjof trat er audj [jerrifdj auf, unb alles mufete nun nadj feinem Willen geljen. Die Blutter Ijatte nidjts meljr 3U fagen, unb nur mit oieler Blülje unb nadj mandjem tjarten Streite tonnte fie es burdj5 fefeen, bafe idj ben guten Unterridjt nodj weiter ge=

niefeenburfte. 3d?follte im Weinberge unbauf bem $elöe mitarbeiten, oerlangte er unb liefe midjmit jebem Hage meljr füllen, bafe idj iljm ein unbequemes, feljr über*

fluffiges Stieftinb war.

3aljre »ergingen; idj Ijatte midj 311 einem träftigen Bläbdjen entwidelt unb falj, wie fef?r meine Blutter unter bem roljen Wefen iljres 3weiten Blannes litt, oor bem fie 3U fdjüfeen nidjt in meiner Bladjt lag; jeben Derfudj ba3u Ijatte idj fdjwer 3U büfeen. Uun mufete idj öfter bie fälligen (bitten, bas §aftnad}tsfjufjn unb anbere Abgaben nadj bem Bleierljofe bes Klofters tragen, was idj anfangs feljr gern tat, um bann unb wann auf tur3e 3eit oon fjaufe weg3utommen unb frei unb allein 3U

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fein, benn bie Hleierei war wenig übet eine halbe Stunbe oon Samburg entfernt. Balb aber trat idj biefen IDeg nur mit bem größten tDiberftreben an, unb bas hatte feinen befonberen (Brunb."

„IDas für einen (Brunb, Ctrubi?" fragte mablen, be»

rührt oon bem auffallenb bittern Hone, mit bem Hrubi bie lebten IDorte gefprodjen Ijatte, unb roeil fie banadj in iljrem Beridjte toieber ftodte.

„Der Soljn bes Tfteiers," griff Grubi ben $aben roie»

ber auf, „Ijatte feinem alternben, fdjtoadjen Dater bas Regiment auf bem Klofterljofe gan3 aus ben Ijänben ge­ nommen unb fdjaltete nun bort allein nadj feinem Be=

lieben. Sooft idj baljin tarn, näljerte fidj mir ber Din»

cenj (Ebenborffer, — fo Ijiefe ber junge Itteier — fpradj in Ausbrüden 3U mir, bie mir bas Blut in bie IDangen trieben, unb ftellte midj, um midj langer bei fidj 3U be»

galten, 3U leidjten Arbeiten an, bies bamit erflärenb, bafe mein Stiefoater feinem $ronbienft nidjt genügenb nadjfäme unb idj iljn bafür burdj Ceiftungen meiner»

feits entfdjäbigen müfete. (Er fagte mir bas mit einer falfdjen, gefdjmeibigen fjöflidjteit unb fatj midj babei oon oben bis unten mit fo feltfamen Bliden an, bafe idj midj im Innern baoon erfdjaubern fühlte. 3dj modjte ben wiberlidjen IRenfdjen mit feinem fuchsroten Ijaar unb Bart nidjt leiben; fein Benehmen, feine biofee (Begenroart fdjon flöfeten mir untDillfürlid? IRifetrauen unb $urdjt ein. mein Stiefoater fdjien mein längeres gortbieiben oon Ijaufe nidjt 3U beadjten ober roar beffen oielleidjt froh, um midj, bie ihm fidjtlidj Derfjafete, nidjt beftänbig oor Augen haben 3U müffen."

Rlit fteigenber Spannung laufdjte mablen ben (Er»

Öffnungen ber immer erregter XDerbenben. „ljaft bu bid? in biefer Annahme nid?t getäufdjt, liebes Kinb?"

(39)

27

fragte fie jefet. „(Er entbehrte öod} wäferenb deiner Ab«

wefenfeeit öeine fjilfe bei öer Arbeit."

Srubi fcfeüttelte öas tjaupt. „Hein, id? feabe mid}

nidjtgetäufdjt, unö fpäter ift mir öie (Erfenntnis darüber aufgegangen, warum er mid} immer nad} öem Klofter«

feof fdjidte. 3d} feabe »ergeffen 3U erwähnen, öafe meine ülutter öem pantra3 nidjt lange nad} öer Jjod^eit einen Knaben geboren featte. Don Stund an war idj, öie redjtmäfeige tünftige (Erbin öes Cefengutes, ifem im Wege, unö er wollte mid} los fein, um öen öurd) öie Ejeirat mit meiner IHutter erfdjlicfeenen Befife öermaleinft feinem Sofene »erfdjreiben 3U fönnen.

Kun öurdjfdjaute id} aud? öie abfdjeulidjen Abficfeten Dincen3 (Ebenöorffers, öer immer 3ubringlicfeer, immer deutlicher in feinen Anfpielungen wurde und die um oerfdjämteften Derfüferungstünfte gegen midjaufbot. (Er begeferte meiner, aber nidjt 3um IDeibe; er wollte mid?

nur befifeen, und mein Stiefoater — unterftüfete ifen in feinen fündfeaften planen," rief Grubi 3ornrot.

„Grubi!" . .

„Ijört mid} nur weiter! (Eines Sages tarn öer Dny cen3 3U uns unö featte eine feeimlidje Unterredung mit Pantra3, deren 3nfealt id? »on meiner IHutter erfaferen feabe. (Er featte ifem den Dorfcfelag gemadjt, mid? ifem aufden IHeierfeof aus3uliefern, wogegener ifen oon allem gronbienft befreien unb ifem bie (Sitten und Beben fo«

oiel wie möglid? erlaffen wollte. IHein Stiefoater war auf ben gewiffenlofen tjanbel bereitwillig eingegangen, aber meine IHutter, bie unfere trübfeligen feäuslidjen Derfeältniffe taum nod} ertragen tonnte unb, an £eib unb Seele baoon angegriffen, träufelte, raffte all ifer bifedjen Kraft nod} auf, bie Scfemad} unb Scfeanbe oon mir ab3uwenöen.

(40)

Die $olge tljres unb meines unüberwinölidjen IDiber*

ftanöes gegen öen rud?Iofen Derrat Dornljubers roar, öafe öer Unmenfd? uns beiöe nun nod? nieöerträdjtiger beljanöelte, id? fann wol?l Jagen mifel?anöelte. Das Ijielt meine arme Blutter nidjt meljr lange aus; fie fiedjte troij meiner forgfamften Pflege 3ufet?enös öafjin, unö in öiefem Srii^japr ftarb fie, roie 3U Goöe ge=

martert."

Die mit Gränen Kämpfenöe brad? ab unö »erfant in fdjme^Iidjes Sinnen, Aud? Blaölen, aufs tieffte er fdjüttert, tonnte tein Wort Ijeroorbringen.

„Don öa ab," fing Gruöi wieöer an, „wuröe mir fjaus unö fjof 3U einer wahren fjölle, id? Ijatte feine ruljige Stunöemel?r. Pantra3 Ijefete feinennidjtsnufeigen jungen gegen mid? auf, öafe er mid? unabläffig quälte unö ärgerte unö mir tagtäglief? allerljanö Sd?abernad unö böfe Streidje fpielte. Der Bleier tarn öfter, bat unö lodte unö oerfprad? mir oiel Gutes unö Sdjönes. Blein Stiefoater fcfjalt, öroljte unö peinigte mid? fo graufam, öafe es nidjt mel?r 3U ertragen war. 3d? blieb jeöod? fefi unö liefe mid? öurd? nidjts 3um Hadjgeben bewegen.

Aber aud? mit meiner Kraft ging es 3U Gnöe, unö oon Der3weiflung getrieben wollte id? mid? in öie Gauber {tilgen. Da tarn mir 3U meinem fjeile plöfelid? ins ©e*

öädjtnis, was mir meine Blutter einft non Gud? gefagt ijatte; id? entfann mid? Gures Hamens unö Wohnortes, unö mir öämmerte ein Schimmer non fjoffnung auf.

Sdjnell war mein Gntfdjlufe gefafet. 3d? Ijatte nod? einen wol?lr>erwal?rten Sparpfennig oon meiner Blutter, ftedte iljn 3U mir, fdjniirte mein Bünöel unö entflofe eines Hadjts, um in meiner Hot unö Beörängnis bei eud?, meinen eitrigen Derwanöten, Sd?ufe unö 3uflud?t 3U fud?en. Unö öa bin id? nun, unö — unö nun wifet 3fyr

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olles, Bafe mablen!" fie, erfdjöpftnon bem langen Bericht ihres traurigen Schidfais.

IHaöIen 30g fie in ihre Arme. „Set getroft, mein f?er3ensfinb!“ fprad? fie mit innigem Sone. „Du bleibft bei uns, nidjt als bienenbe magb, fonbern als unfere liebe Godjter, bie es nidjt fdjledjt bei uns ljaben foll unb oon heut an nennft bu midj bu! uerftanben? Aber nun fage mirnodj," fufjr fie nadj einer Heinenpaufe fort,

„wie bu bidj Ijergefunben unb ob bu als einfam Salj=

renbe unterwegs nidjt Anfechtungen unb Widerwärtig’ feiten 3U befteljen gehabt ljaft."

„ITlir ift (Bott fei Dani! nidjts Arges begegnet," er=

wiberte Grubi, „aber fedjs läge habe idj 3U ber Wanbe=

rung gebraucht unb traf überall gute menfdjen, bie fidj meiner erbarmten, weil fie mir wohl meine Kümmernis unb Ijilflofigfeit oom ©efidjte Iafen. Über Amorbadj tarn idj burclj ein Stüd ©benwalb nadj (Eberbach am üedar unb lehrte bort in einem (Baftijof ein, wo fie 3ufällig Wäfdjebatten. 3<h half babei ben gan3en nädjften Sag, um mir bamit oielleicht mein Üadjtlager 3U uer=

bienen, unb abenbs madjte mirbie Wirtin ben Dorfdjlag, gan3 bei ihr 3U bleiben, weil fie midj gut oerwenben tonnte. 3d? wäre gern barauf eingegangen unb dritte bann eudj nidjt 3m Saft 3U fallen braudjen, aber es war mir nodj nidjt weit genug oon Hamburg, unb idj fürdjtete, ber ITleier fönnte mir nadjfehen, midj auf=

greifen unb mit Gewalt wieber nadj Tjaufe ober gar auf ben Klofterljof fdjleppen; barum lehnte idj bas An*

erbieten bantenb ab. Am nädjften morgen cerfdjaffte mir bie $rau, bie fein (Selb non mir annahm, niel*

mehr mir noch einen reichlichen 3mbifj als Weg3eljrung mitgab, eine Sdjiffsgelegenljeit nadj fjeibelberg, unb idj fuhr auf bem Üedar burdj bas fdjöne Gal mit ben

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Dielen Burgen, bie mir bie Sdjifferfrau alle bei Hamen nannte. Don fjeibelberg ging id? wieber 3U §uft unb tarn an ben Rljein, ben mädjtigen Strom mit Staunen betradjtenb unb frofj, eud? nun fdjon fo nalje 3U fein, benn ba brüben am anberen Uferlag ja bie PfC1I3, meiner lieben IHutter fjeimatlanb. Dom Dorfe Rtjeinfjaufen liefe idj midjnadjSpeyer überfeften unbfüfelte mid? in ber großen Stabt mit ben uon IHenfdjen wimmelnben Straften redjt »erlaffen. Da begegneten mir 3wei Bri=

gittenfdjweftern, bie idj nadj einer befdjeibenen fjerberge fragte. Sie naljmen midj aber mit in iljrStiftsljaus, tuo idj gute Unteriunft fanb, für bie idj nidjt einmal etwas be3aljlen burfte. Der Weg oon Speyer nadj Heuftabt unb »on ba über Deibesfjeim ljierljer nadj Wadjenljeim war nidjt 3U »erfeljlen, unb ljier »or bem Sore fanb idj geftern abenb ben Kafdjper, ber midj auf meine Bitte 3u eudj füljrte. Aber nun, Bafe IHablen, wenn idj fjier bleiben foll, fo müfttiljr mir audj was 3U fdjaffen geben, benn idj will ljier nidjt fauleren, tjabe 3wei rüjtige Arme, unb feine Arbeit foll mir 3U fdjwer fein."

„Scfjon gut!" fpracfj Wahlen unb brüdte bem IHäö- djen öie tjanb. „IHüftig follft bu nidjt fein unb fannft uns fdjon bei ber £efe wader fjelfen. 3m übrigen fielj 3U, was bu ber Ammerie an ijäuslidjen Derridjtungen ab=

nehmen fannft, aber 3anft eudj nidjt um bie Arbeit."

„Wir uns 3anfen?" rief eine fröljlidje Stimme ljinter bem bidjten ©eranf ber £aube. (Es war Ammerie, bie unbemerft Ijerangefommen war unb bie Worte ber IHutter geljört ljatte. „Wer fidj mit mir 3anfen will, bermuft es fdjon Ijübfdj grob anfangen, benn idj bin bodj bas fanftmiitigfte unb »erträglidjfte (Befdjöpf 3wifdjen Rbein unb ljaarbt. Aber fommt! ber Dater ift ba unb fieljt firfdjrot aus im (Sefidjt. (Er ift gewift wieber mit

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öem Sreiljerrn 3ufammengeraten, öer nielleidjt öie (Elf*

u^rmeffe mit feiner tjoljen ©egenwart beehrt l?at."

„Unö wie fteljt’s mit öem IKittageffen?" fragte IKaölen.

„Alles bereit! riedjt iljr öenn nidjt, wie öer Sonntags*

fdjweinsbraten öuftet?" ladjte öer Kobolö.

Da erhoben fidj öie 3wei unö gingen mit Ammerie 3um fjaufe, in öeffen Siir grofj unö breit ©Ijriftoplj Armbrufter in feiner gan3en Biirgermeifterwüröe, aber audj in feiner rofigften Saune ftanö.

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Währenb ber näcbften Wochen tnurben auf bem Abts»

l;ofe bie nötigen Dorbereitungen für bie £efe getroffen.

3m Kelterhaufe mürben fämtlidje (Berate einer genauen Prüfung auf it?re Braud)barfeit unb Sauberteit unter»

3ogen unb im Keller bie £agerfür bie £otten, jene üon»

nen, in bie ber ausgeprefete Uraubenfaft 3uerft gegoffen wirb, fomie für bie Söffer unb Grubfäfele hergeridjtet.

Bei biefen Arbeiten Ratten bie S^uen weniger 3U tun als bie Wanner, unb Wahlen benutze biefe letzte $rift oor bem alle Kräfte in Anfprudj nefjmenben Werte bes fjerbftens ba3U, ürubi nadj unb nad) in bie H>irtfd?aft entführen,wobei fid) 3Uihrer $reube herausftellte, bafe ihre junge Derwanbte in ben mancherlei fjantierungen bes ^auswefens woljlbewanbert war.

©Ijne einige fleine Steifte ging bas inbeffen nidjt ab.

Ammerie, bie bei ben mütterlichen Unterweifungen 3U»

gegen war, wollte halb biefe, balb jene Obliegenheit nidjt gutwillig abtreten unb behauptete, burdj fold)e, il)rerfeits nid)t gewiinfdjte (Entladung oon ifer 3uftänbigen

©efdjäften eine dinbufee an Wirtfamfeit 311 erleiben, bie fie fidj nid)t gefallen 311 laffen braudjte. W03U fie benn überhaupt hier auf bem tjofe nod) nüfce wäre, fragte fie,

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öie ITafe rümpfend, wenn man iljre fidj ftets als taöeP los erwiefette £eiftungsfäl?tgfeit bradjlegen wollte; fie cerlangte feine Erleichterung unö Ablöfung. Gruöi follte tun unö treiben, was fie £uft hätte, aber 311 nichts angehalten unö ge3wungen weröen. Das gefiel nun aberGruöi wieöernidjt; im Segenteil, fie tonntegar nicht genug triegen an ihr 3U übertragenöer Gätigteit unö fdjien alle Blühen auf fid) laöen unö an fidj reiften 3u wollen.

So entfpann fidj 3wifdjen öen IHäödjen ein eöler Wettftreit, öen öie Bürgermeifterin nur öurdj ein ent1 fdjieöenes IRadjtwort fdjlidjten oöer öaöurcfj 3U einem beiöe befrieöigenöen Ausgleich bringen tonnte, öaft fie fich ÖO3U oerftanö,auf mandjeiljrer eigenen hausfraulichen Anredjte 3U oe^idjten unö öiefe unter öie jungen <Hjr=

gei3igen 3U oerteilen. Bei öer prattifdjen Ausführung öer enögültig getroffenen ITlaftregeln geftalteten fidj öie Dinge alleröings weit frieölicljcr als bei ihrer Abmeffung.

Die Uläödjen fanöen fidj fdjnell in öie übernommenen Pflidjten, arbeiteten einanöer in öie tjänöe unö hatten bei gemeinfamem Gun (Gelegenheit 3U luftiger Unter tjaltung, fo öaft ihr piauöern, Singen unö £ad?en oft öurch öas gan3e tjaus erfdjoll.

Gruöi empfanö öas iftr auf öem Abtsljofe befdjieöene Slüd in tieffter Seele, nidjtnur öurdj öie iiebeoolle Be- hanölung, öie fie non allen 3nfaffen erfuhr, fonöern audj in öem Sefiihl, öaft fie öie iftr erwiefenen Wohl­ taten öurdj Segenleiftungen einigermaften uergelten tonnte unö fidj fo3ufagen iftr täglich Brot eftrlidj Der öiente.

3hr Ausfefjen befferte fidj oon Gag 3U Gag. 3hre Wangen ftrafften unö röteten, ihre Sdjultern rünöeten fidj, unö ihre blauen Augen blidten freuöig unö hoff5

3ulius Wolff, Sämtl. Werte, Das Wilbfanoredit. 3

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nungsvoll. Jn ötefer bürd? $Ieife unb ©rbnung geregelt ten f?ciuslid?feit, inmitten einer einträchtigen Samilie, beren ©lieber ficf? ftets rüdfidjtsüoll unb freunblid? be=

gegneten, lebte fie oon neuem auf, unb bie fdime^Iicfien (Erinnerungen an iljroon Seihen verbüftertes, non $einb=

feligfeiten vergälltes Dafein in ©amburg fielen eine nadj ber anberen wie fd}wer brüdenbe, nun fid? löfenbe Ketten von il?r ab. —

©nblid? läutete bie IDeinbergglode, bie von jetjt an täglid? jweimal ihre Stimme erhob, um ben Widern morgens bie (Erlaubnis 3um Beginn unb abenbs ben Befehl 3utn Sdjlufe bes Sefens 3U geben. Denn es war ein alter Braud?, bafe bie Stunben 3U biefem ©efdjäft von Amts wegen beftimmt unbbegreift würben. §rüher ober fpäter als bie ©lode rief, burfte niemanb ©rauben fd?neiben. ©s lafen aud? nidjt alle U)in3er 3U gleicher 3eit, fonbern ber eine an biefen, ber anbere an jenen Sagen, unb bie befreunbeten $amilien halfen fid? ba=

bei gegenfeitig. Denn bas fjerbften mufete fo fdjnell wie möglid? vor fid? gehen, ehe ein plöfelid? herauf3iel?enbes Unwetter ober ein fid? friil?3eitig einftellenber Radjtfroft bas Vollreife ©ewäd?s befdjäbigen ober gar vernichten tonnte.

Über bie Reihenfolge ber Sefen in ben ein3elnen IDingerten hatten fid? bie IDadjenheimer längft geeinigt, unb (Ehriftoph Armbrufter gehörte biesmal 3U ben erften, bie mit einem IDagen, mit Kübeln, Sogen unb Bütten fröl?lid? hinaus3ogen, um ben wintenben Segen ein3u*

heimfen, ben ihnen eine faft unausgefefete Jahresarbeit unb ein gnäbiger fjimmel gefdjaffen hatten.

An ben oft fdjweren Blühen, bie bas ©ebeiljen ber Reben erforderte, nahm er perfönlid?, foweit es feine 3eit neben ber Srlebigung feiner Amtsgefdjäfte ge«

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ftattete, tätigen Anteil, ben er fidj nidjt oertü^en lieft.

Als Blablen iljn einmal barauf Ijingewiefen Ijatte, baft foldje dagelöftnerarbeit ifttn in [einer Stellung bodj eigentlich nidjt gejieme, Ijatte er iljr geantwortet: „Wir finb ein altes, freies Bauerngefdiledjt, Illablen. Kleine Altoorbern, foweit idj non iftnen Kunbe Ijabe, finb Bauern unb IDi^er gewefen, ljaben ficfj geplagt unb ge=

rädert unb bie Srüdjte iftres $Ieiftes in 3ufriebentjeit genoffen, unb fo wie fie will idj es audj ljalten. Bei mir fommt erft ber Bauer unb bann ber Bürgermeifter, unb genau fo tjat mein Dater felig gebadjt; audj er war Bürgermeifter oon Wadjenftetm unbIjatbodj im Sdjweifte feines Angefidjts feinen Wingert gegraben unb gerüftrt, gebüngt unb gefeilt, wie idj es tue unb niemals baoon laffen werbe, fo lange icft bie Kraft baju Ijabe. (Es ift meine §reube unb mein Stol3, meinen eigenen (Brunb unb Boben felber3U bebauen, unb wenn idj oon meinem reinen, burdj teinerlei 3utat oermanfdjten Wein trinfe, will idj bas Bewufttfein ljaben: ben ljaft bu nur ®ott unb beiner Arbeit 3U bauten, ftaft iftn felber getjerbftet unb geteltert, unb in jebem dropfen, ber bir über bie 3unge geht, ftedt etwas oon beinern dun unb Können.

3djmodjteiljnnidjt meljr hinten, wenn idj iftn nidjt meljr bauen tonnte. Unb babei foll’s bleiben, mein liebes Alterdjen! tomm mir nidjt wieber öamit, baft fidj für ben Bürgermeifter nidjt fdjide, was bem Bauer ge=

büljrt unb ben Bauer eftrt!" Danadj ftatte er ben Karf't auf bie Sdjulter genommen, war mit langen Sdjritten nadj feinem Rebenlanb gegangen unb Ijatte öort gefdjat»

wertt wie ein in Soljn unb Brot fteljenber Wingerts»

mann.

Seine Hlitbürger tannten biefen edjten Bauernftol3 an iljm, ben fie in iljrer lTieljr3aljl felber befaften. Sie

3*

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roufeten, bafe er fie alle mit (einen geiftigen Säljigfeiten überfat?, fid? aber nidjt überljob, fonbern aud? als er=

roäijltes fjaupt ber Gemeinbe ihresgleichen fein wollte unb fid? nidjts Befferes 3U fein bünfte als ber geringften einer oon ihnen. Unb bas fdjlugen fie ihm h°dj an unb oergafeen ihm 3U feiner Stunbe, audj nidjt im fjeftigften IDiberfprudj ber Anfidjten unb Meinungen. —

Die Hage ber Armbrufter 3um Sefen iamen heran, unb bie $amilie Gersbadjer wollte ihnen babei nadj langjähriger Gewohnheit Beiftanb leiften.

glorian Gersbadjer war ber reidjfte Wilder in Wadjem heim unb fein ljof ber gröfete unb ftattlidjfte oon allen.

Grwar ein breitfpurig auftretenber, eigenwilliger Gefell, ber auf feinen Gelbbeutel podjte unb am Stammtifdj beim Kronenwirt bas grofee Wort führte. Der eitrige, ber ihn mit feiner unerfdjütterlidjen Ruhe unb Sidjer=

heit buden fonnte, wenn er fidj gar 3U proijig auffpielte, war Ghriftoph Armbrufter, 3Ubem er ineljrlidjer §reunb*

fdjaft hielt unb ben er im Stabtrate, beffeneinflufereidjfies IRitglieb Gersbadjer war, gelegentlich unb bann audj fräftig unterste, weil er Ghriftophs grünblidje Gin=

fidjt unb Grfaljrung im Genieinbewefen anerfennen mufete. Denn er war ein IRenfdj mit flarem Derftanb unb nidjt ohne Geredjtigieitsfinn; mandje fagten ihm fogar eine nidjt all3uweit geljenbe Gutmütigfeit nadj.

3n feinennidjt eben feltenen Streitigfeitenmitben gelb- nadjbarn mufete feine wacfere $rau oft oermittelnb ein»

greifen unb 311 Dertrag unb grieben reben. Gr hatte aufeer feiner Godjter Glsbeth, Peter Armbrufters Gattin, 3wei mannhafte Söhne, $rau3 unb Steffen, bie mit tüdjtiger Arbeit ihre Sdjulbigfeit taten.

An bem beftimmten IRorgen madjten fidj, als bas Gloden3«idjen ertönte, fämtlidje Armbrufters unb Gers»

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badjers mit ihrem 311 fjaufe nur irgend entbehrlichen (befinde 3U d^riftop^s Wingert auf den Weg; nur die 3toei älteren $rauen blieben 3urüd. GIsbeth übergab ihr Heines Bärbele ber (Dbhut ber(brofemutter, unb Ammerie fang unb tan3te »or Dergnügen auf bem fjofe unbhafte ficf?, als fie von bannen 3ogen, in Grubis Arm, bie fid?

non bem Sreubentaumel ber jüngften Wilerin gern mit fortreifeen liefe. Draufeen aber fand fid? nod? ein Ungeladener ba3u, ber allen willfommen war, — Sd?nedentafd?per, natürlid? mit feinem luftig fd?weif=

wedelnden, überallherumfdjnuppernben pafe. (Es waren mehr als ein Dufeenb in bem (befd?äftgeübter Wenfd?en, bie, fid? in ben Reihen ber Weinftöde verteilend, nun wohlgemut mit dem Sd?neiden der Grauben begannen.

Kafpar wich nidjt von Grubis Seite, rüdte ihr den Kübel bequem 3m f?and, in den fie die Grauben 3U legen hatte, und leerte ihn, wenn er gefüllt war, in die togel, die ein Kned?t 3U dem am Wege haltenden, mit (Ddjfen befpannten Wagen trug unb dort in bie Bütten aus=

fdjüttete. Grubi liefe fid? bie fjilfe bes fünfen jungen gern gefallen unb richtete öfter ein freundliches Wort ober eine $rage an il?n, auf bie er ftets befd?eiben unb verftänbig antwortete, fo bafefid? 3wifd?enbenbeiben ein Band gegenteiliger 3uneigung fnüpfte.

(bersbad?ers Söhne, bie Grubi auf bem Abtshofe fd?on tennen gelernt unb fid? auf (brunb ber immerhin etwas weitläufigen Derwanbtfd?aft gleich auf bu unb bu mit ihr geftellt hatten, hielten fid? aud? möglidjft in ihrer Rahe, fahen oft 3U bem hübfd?en Wäbcben hin unb warfen ihr bann unb wann eine fd?er3hafte Be­ wertung 3U, bie fie feiten unerwidert liefe. Befonbers Sran3, ber ältere, ein blonder, hünenhafter Rlenfd? mit einem freien, freudigen <befid?t, fdjien grofeen (befallen

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an iljr 3« finben. „drubi," rief er iljr einmal 3U, „haft öu öie drauben fdjon getoftet?"

„Hein," entegnete fie, „beim £efen foll man nidjt nafdjen."

„Sdjon redjt," fpradj er, „aber, weifet öu, es ijat ba<

mit eine eigene Bewanbtnis."

„XOas öenn für eine?" fragte fie.

„3a, öriiben in Dürtheim behaupten fie fteif unö feft, wenn man eine fdjöne 3ungfrau, öie oon Öen drauben gegeffen hat, auf öen Rlunb tüfete, fo tonnte man nadj öem©efdjmadöesKuffes öieBefdjaffenijeit öes fünftigen IDeines fdjon genau beurteilen."

„3ft öie IRöglidjteit!" lädjelte drubi unter einem flüchtigen drröten.

„Unö bu bift wohl feljr neugierig auf bie (hüte bes fünftigen IDeines unb mödjteft bie probe an drubi oor*

nehmen?" nedte ihn flmmerie. „Uber $ran3, was würbe 3atobine ba3U fagen?"

„fidj, was geht midj 3atobine an! mit ber lafe midj in Ruh'." gab ihr $ran3 ärgerlid? 3ur Antwort.

„Rur nidjt gleidj fo borftig! idj werbe es ihr nidjtoer raten, was bu drubi eben gelehrt haft," fpradj flmmerie.

„meinetwegen trag’s ihr 3«»" tnurrte $ran3-

„Sofo! id? badjte —"

„© ber draubenfaft hat oft eine wunberbare IDir tung, audj fdjon ehe er geteltert ift," unterbrach Steffen bie nodj nidjt Sdjweigenbe, um feinem Bruber aus ber Derlegenheit 3U helfen, in bie ihn flmmeries flnfpie’ lungen gebradjthatten. „IDifetihr benn, was bie Sdjwa=

ben oon einem ihrer heften öewädjfe prahlen?"

„Run?" fragten mehrere 3ugleidj.

„Die wollen einen IDein in ihrem £anbe haben, ber fo ftart ift, öafe, wenn ber Bürgermeifter beim £efen nur

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eine Beere in feinem Ulunbe 3erbrüdt, bie gan3e <5e=

meinbe einen Kaufd} baoon betommt."

Da mußten fie alle ladjen, aber (Elsbeth fprad}: „Das finb Sdjmabenftreidje, Steffen! Da gefällt mit grabens Stichprobe oiel beffer."

„(Ei mir aud?!" ftimmte il}r Steffen lebhaft 3U mit einem begehrlichen Blid nad} drubis roten Sippen.

„So? meint ihr?" mifdjte fid} Peter ein, „na, bann werbe id} bas feine ITlittel nädjftens einmal bei einer fd}önen jungfrau oerfudjen."

„Das möd}te id} bir nidjt raten, fonft tarmft bu oon mir roas erleben!" bebeutete (Elsbeth ihrem Wanne 3m großen Belüftigung aller.

Unter fo herteren (befprädjen naljm bie Sefe ihren ungehemmten $ortgang. Die beiben (Uten befanben fid}

an einer entfernteren Stelle bes IDingerts unb hatten wohl bas Sadjen, aber nidjt bie mutwilligen Schere ber jungen gehört, wenigftens nidjts baoon uerftanben.

Sie fpradjen nidjt oiel bei ber Arbeit, (bersbadjer hatte, Umfdjau haltenb, einmal geäußert: „Was benfft bu, dl}rifd}toph? auf einen Dreioiertelherbft tann man heuer bodj wohl rechnen?"

„(Ein bifedjen hodjgegriffen,“ meinte Ghriftoph; „auf Sweibrittel mödjt idj ihn fdjäfeen unb bin aud} bamit

fdjon 3ufrieben."

„Hein, ift 3U niebrig taxiert," beftanb (bersbadjer auf feinem Ausfprudj, oon bem er, aud} in anberen Dingen, nidjt leidjt etwas 3urüdnaljm. „Aber wir wollen audj nidjt wünfdjen," fügte er hin3U, „bafe es einmal einen fjerbft gibt, wo bas $afe mehr gilt als ber Wein."

„Das haben wir in unfern guten pfä^er Sagen nidjt 3u fürchten," fagte ber Bürgermeifter. „(Es fei benn, bafe Sufe fjebenftreit mit feinen preifen ftart auf’

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fcl?lüge, unb tut er bas, fo weife idj audj, wer baran fdjulb ift."

„fjater bid? warten taffen?" lachte Sersbadjer.

"fange genug, wie immer, wenn bu iljm auf bem Haden fifet."

„Ha, nidjts für ungut, dljrifdjtoplj!"

Cfjriftopfj fdjüttelte, unb fie fdjwiegen wieber unb fdjnitten eifrig weiter.

3ur Hlittagsjeit würbe eine turje Scljidjt gemadjt, unb bie beiben gamilien lagerten fiel? im Kreife, um ge=

meinfdjaftlidj bas iljnen aus ber Armbrufter’fdjenKiidje Ijerausgefanbte Gften einjuneljmen, wonadj fie bie £efe wieber fortfefeten, bie ja nodj mehrere (läge emfigen Schaffens beburfte, bis fie mit einer Heinen $efflidjfeit im fjaufe iljren Abfdjlufe fanb. Aber audj fdjon bie Gin»

bringung ber erften $uljre Grauben am Abenb ljatte etwas gewiffermafeen geierlidjes, bas fidj in ben froljen IHienen ber fie 3mStabt öeleitenbenfpiegelte, wätjrenb fie munter plaubernb redjts unb lints baneben Ijer=

fdjritten. Ammerie aber, einen Kran3 oonRebenlaub ums tjaupt geflodjten, featte fidj corn auf ben Wagen ge=

fdjwungen unb ftanb bort als feiibfcfee, 3üdjtig geflei»

bete Bacdjantin, eine ber ben Griumpfe3ug bes Dionyfos fjodjgefdjür3t Umfdjwärmenben, »on beren faudj3enbem daoe unb ausgelaffenen Gingen bas einfadje Bauern»

finö freiliefe nicfets wufete.

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Viertes Kapitel.

Ausgangs (Dftober roar bie £efe im pfä^er Wein=

gebiet beenbet unb Ijatte einen über (Erwarten guten tjerbft geliefert. Uun begann nadj bem Keltern ber (Trauben bie Kellerarbeit, bas Ab» unb Umfüllen aus einem $afe in bas anbere unb bas Klären bes Woftes, ber in feinen Ijöljernen Banben gärte unb braufte. Da- bei Ijatte jeher lüinjer mit bem eigenen ©eroädjs alle fjänbe doII 3U tun unb tümmerte fiel? nidjt barum, roie benanberen bas ifjrige geriet, droljbem [teilte fidj eines Sages §ran3 (Sersbadjer auf bem Abtsljofe ein, um fidj nadj bem Werben bes Armbrufter’fdjen Reuen 3U erfunbigen.

Sonberbar! (Er, ber beim £efen im Wingert ein un=

feljlbares Wittel 3m Sdjäi3ung bes fünftigen Weines auf bem lodenben Utnroege über einen Wäbdjenmunb angegeben l?atte, er roufete redjt gut, bafe man fidj oor früljeftens Weifenadjten fein Urteil barüber bilden fonnte.

Unb bennodj fam er unter biefem Dorroanbe unb traf 3U feiner $reube bie beiben Wäbdjen allein.

„Ijmljm!" madjte Ammerie mit einem pfiffigen Sdjmun3eln, nadjbem er feine $rage etwas unfidjer oorgebradjt fyatte, „fo ungebulbig auf bie Bonität bes Reuen bijt bu ja nodj niemals gewefen. fertig Ijejen

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fönnen wir aud? nidjt, was feine 3«ü unb Weile ljaben will. f?at bir benn euer IKoft fdjon etwas über feine ßoff«

nungsoolle 3utunft nerraten?"

„Das nidjt," erwiberte er, „aber id? badjte mir, id?

tonnte ljielleidjt ßier bei eud? was lernen. Dielleidjt beßanbelt man iljn im Wür3burgifd?en auf eine anbere, uns nodj unbetannte IDeife."

„fldj fo! im IDürjburgifdjen," Iadjte fie, „unb ba mödjteft bu wieber bei drubi in bie Sdjule geljen. Kun, drubi, toas fagft bu baju? willft bu bem $ran3 01635 mal beffer auf bie Sprünge ßelfen als bei feinem erften, mißlungenen probieroerfudje mit bir? Wirb im WÜ13«

burgifdjen beim Klären üielleidjt mandjmal get—?"

„Sefünftelt, meinft bu?" fiel drubi mit brennenben Wangen fdjnell ein, „o nein, niemals. Wir fennen aud?

fein anberes Derfaljren babei als Ijier 3U £anbe gang unb gäbe ift."

„Wirtlidj nidjt?"

„Kein, aber id? glaube, wir ljaben bort einen ebenfo geübten ©efdjmadfinnwieifjr; nur wollen wir nidjt für«

witjig etwas vorwegnefjmen, was uns ber Wein nod?

nidjt 3Ufoften geben fann, fonbern wartenrußig ab, was braus werben will."

„Da I?aft bu’s!" fpottete flmmerie. „3a, bie Wür3«

Bürger finb fluge £eut unb laffen fid? aud? oom ver- wogenften Pfä^er nidjts abludjfen."

Die IHäbdjen ftanben wie 3U Sdjuß unb druß an«

einanber gefdjmiegt. Die ®rößere ßatte einen flrm um ben Kaden ber Kleineren gefdjlungen, unb beibefdjauten

§ran3 mit blißenben AugenIjerausforbernb an unb trie«

ben iljn mit nedifdjen Spißreben über feine unjeitige Keugier auf ben erft Iür3lid? gefelterten Rebenfaft fo in bie dnge, baß ißm babei nidjt gan3 woljl in feiner tjaut

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