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Widok Reparatursignale im gesprochenen Deutsch und Polnisch

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Academic year: 2022

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MARTA ROGOZIŃSKA

Uniwersytet Wrocławski, Polen

Reparatursignale im gesprochenen Deutsch und Polnisch

1. Einführung

Ziel des Beitrages ist die Untersuchung von Reparatursignalen in deutschen und in polnischen gesprochenen Texten. Unter Reparaturen verstehe ich sprachliche Modifi kationen, deren Objekt der Inhalt der Mitteilung ist und deren Funktion darin besteht, den Formulierungsplan zu ändern (mehr zum Reparatur-Begriff siehe Rogozińska 2012:265). Die Reparatursignale kündigen Stellen an, die beim spontanen, frei formulierten Sprechen aus nicht gestellten, natürlichen Kommu- nikationssituationen (vgl. Schank/Schoenthal 1976:7), änderungsbedürftig sind.

Eine Zusammenstellung der Signale für das Deutsche und das Polnische erweist sich in zweierlei Hinsicht als nützlich: Wie die Analyse der Sprachdaten1 zeigt, sind die Signale charakteristisch für den mündlichen Sprachgebrauch. Um es vorwegzunehmen: Die Reparaturen kommen in jedem analysierten Text vor und die Absicht zu reparieren wird in vielen Fällen sprachlich oder parasprachlich angezeigt (mehr dazu unten). Trotz des häufi gen Vorkommens und trotz der Tat- sache, dass die Reparaturen – und dadurch auch die Reparatursignale – Mittel zur Textgestaltung sind, wird der Funktionalität der kommunikativen Signale in der Literatur relativ wenig Beachtung geschenkt. Die Reparaturorganisation besteht im Prinzip aus drei Schritten: dem zu reparierenden Element, der Reparaturinitiie- rung und der Reparaturdurchführung. Die Autoren, die die Rolle der Reparaturen

1 Das Sprachmaterial ist dem GeWiss-Korpus entnommen. GeWiss (Gesprochene Wissenschafts- sprache kontrastiv. Deutsch im Vergleich zum Englischen und Polnischen) ist ein internationales Forschungsprojekt mit Partnern in Deutschland, Polen und Großbritannien, dessen Hauptziel die Erstellung eines Vergleichskorpus zur gesprochenen Wissenschaftssprache ist. Die Autorin war Mitglied der polnischen Projektgruppe. Mehr zum GeWiss-Projekt sowie zur Spezifi k des GeWiss- Korpus siehe unter https://gewiss.uni-leipzig.de/.

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im Sprechprozess thematisieren, konzentrieren sich in ihren Untersuchungen vor allem auf den letzten Schritt in der Reparatursequenz, also auf die eigentliche Re- paratur (vgl. Rath 1979, Levelt 1983, Rehbein 1984, Gülich/Kotschi 1996, Kor- mos 1999, Pillai 2002, Kindt/Rittgeroth 2009, Pfeiffer 2010). Die Art und Weise, wie man von einer reparaturbedürftigen Stelle zur Realisierung der Reparatur kommt, ist das Thema des vorliegenden Aufsatzes.

2. Methodisches Vorgehen

Im Folgenden werden die Reparatursignale für das gesprochene Deutsch und das gesprochene Polnisch anhand systematisch erhobener empirischer Daten zu- sammengestellt. Mit anderen Worten: Es werden sämtliche sprachspezifi sche Interjektionen, Lexeme und Phrasen aufgelistet, die die Reparaturen einleiten.

In die Liste werden ebenfalls die Signale einbezogen, die sporadisch auftre- ten. Diese Vorgehensweise hat zum Ziel, die Vielfalt der sprachlich-stilistischen Mittel zu erfassen. Eine Grundlage für die vergleichende Untersuchung bilden dem GeWiss-Korpus entnommene muttersprachliche und nichtmuttersprachliche Texte. Genauer gesagt sind es 90 verschriftlichte Prüfungsgespräche von drei Pro- bandengruppen jeweils mit einer Dauer von ca. 5 Minuten, vgl. die Tabelle unten:

Tab. 1: Metadaten2

Gruppe 1 Gruppe 2 Gruppe 3

Anzahl 30 30 30

Kommunikationssprache Deutsch2 Polnisch Deutsch

L1 Polnisch Polnisch Deutsch

Rolle Prüfl ing Prüfl ing Prüfl ing

Alter 19 –26 Jahre 20 – 41 Jahre 21–28 Jahre

Die mündlichen Daten wurden nach den Konventionen von GAT 2 (vgl. dazu Selting et al. 2009) transkribiert und die Transkriptionen wurden mit der Software EXMARaLDA3 durchgeführt. Unten befi ndet sich die Liste der in den Beispielen verwendeten GAT 2-Transkriptionskonventionen:

Ein- und Ausatmen

°h / h° hörbares Ein- bzw. Ausatmen von ca. 0.2–0.5 Sek. Dauer

°hh / hh° hörbares Ein- bzw. Ausatmen von ca. 0.5–0.8 Sek. Dauer

°hhh / hhh° hörbares Ein- bzw. Ausatmen von ca. 0.8–1.0 Sek. Dauer

2 Einschätzung der Sprachkompetenz durch die Prüfer auf Grundlage der GeR (Gemeinsamer euro- päischer Referenzrahmen für Sprachen)-Niveaustufen: B2.

3 Abrufbar unter: http://www.exmaralda.org/.

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Pausen

(.) Mikropause, geschätzt, bis ca. 0.2 Sek. Dauer (0.4) gemessene Pause von ca. 0.4 Sek. Dauer Verzögerungssignale

dt. äh, ähm, öh poln. yyy

Rezeptionssignale dt. hm, ja, nein, nee

ʔhmʔhm redupliziertes Signal mit Glottalverschlüssen poln. mmm Zustimmung, Verneinung oder neutral Dehnung

: :: ::: je nach Länge der Dehnung, z.B.: so: oder so::, un::d, etc.

Glottalverschluss

ʔ Abbruch durch Glottalverschluss bzw. Ansatz mit Glottalverschluss

Nonverbale Handlungen und Ereignisse dt. ((lacht)) ((schnalzt)) ((hustet)) poln. ((śmieje się)) ((cmoka)) ((kaszle)) Verständlichkeit

dt. ((unverständlich)) unverständliche Passage poln. ((niezrozumiałe))

dt. (solche) vermuteter Wortlaut, nicht sicher rekonstruierbar poln. (jakiś)

3. Untersuchungsergebnisse

3.1. Reparatursignale im Allgemeinen

Bevor die Signale im Einzelnen vorgestellt werden, sollen sie zunächst einmal im Allgemeinen zur Veranschaulichung präsentiert werden. Es werden fünf Hauptklassen von Reparatursignalen im gesamten Untersuchungsmaterial un- terschieden4:

4 Beispiele dazu siehe in Kap. 3.2.

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A. Pausen

B. lexikalische Einheiten C. Metatextuelles D. Schmatzen

E. stockendes Sprechen

3.2. Reparatursignale im Einzelnen

Im Einzelnen stellt sich die Klassifi zierung der Reparatursignale wie folgt dar:

Pausen

Betrachtet man die Pausen aus kommunikativ-funktionaler Sicht, sind sie im Prinzip als gesprächsorganisierende Erscheinungen aufzufassen, die die Rede un- terbrechen und hinauszögern, um so dem Sprecher Zeit zum Refl ektieren und evtl.

Reorganisieren der sprachlichen Strukturen zu geben. Darüber hinaus signalisie- ren sie den Willen, die Sprecherrolle zu behalten oder weisen auf Probleme im Planungs- und Formulierungsprozess hin.5 Alles in allem haben sie die Funktion, Planungszeit zu gewinnen (vgl. Zifonun et al. 1997:240) und hinterlassen somit in Äußerungen Spuren der Gedankenbildung (vgl. Schwitalla 2006:35), wie z.B.

kann eben ein ähm (0.2) is eben einer dieser aushandlungsprozesse. Wegen der in der Textorganisation erfüllten Funktionen werden sie „Verzögerungsphänomene“

bzw. „Verzögerungssignale“ genannt. Es werden drei Typen von Pausen im un- tersuchten Datenmaterial festgestellt: gefüllte Pausen, leere Pausen und Leere- Gefüllte-Pausen-Kombination.

Die gefüllte Pause in der Funktion von Verzögerung ist das am häufi gsten eingesetzte Reparatursignal. In der mündlichen Kommunikation wird der Spre- cher nämlich mehrmals – wie die Sprachdaten zeigen6 – dazu gebracht, seine Entscheidung zur gewählten kommunikativen Strategie zu revidieren. In diesem Sinne wird die begonnene Konstruktion (aus welchen Gründen auch immer) ab- gebrochen und in einer anderen Form formuliert. Da die Reparatur wie angedeutet infolge der Änderung des Formulierungsplanes zu bestehen beginnt, braucht der Sprecher die Zeit, den Vorgang zu refl ektieren, z.B. und äh sie sagt dass ähm °h alle (.) sprachen aus ähm ((schmatzt)) also ähm einen würzel haben. Die Verzö- gerungspause hat hier die Funktion, die Rede hinauszuzögern und das Rederecht zu behalten. Sie kann an beliebiger Stelle innerhalb eines Turns vorkommen, d.h.

nicht nur an Phrasengrenzen, und vor allem dort, wo die Erwartung besteht, dass noch etwas kommt (vgl. Zifonun/Hoffmann/Strecker et al. 1997:245), z.B. jest program (0.3) yyy uczący wymowy (0.3) polskiej gdzie są yyy to jest (2.6) yyy

5 Mehr zu den Funktionen von Pausen im Sprechprozess siehe Kowal 1991, Zifonun/Hoffmann/

Strecker et al. 1997 und Rogoziński/Zarzeczny 2011.

6 Im gesamten Untersuchungsmaterial wurden 876 Reparaturen erkannt.

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(0.4) cudak i tambor. Somit können die gefüllten Pausen als Symptome eines nachdenklichen Sprechens oder als Signale für den Hörer bei der Regelung des Sprecherwechsels interpretiert werden (mehr dazu siehe Kowal 1991:135ff.).

Die leere Pause dient generell auch dazu, die Rede zu verzögern bzw. zu seg- mentieren. Im angeführten Beispiel handelt es sich um eine Hinzufügung: on pis- ze o fi lmie i generalnie king pisze o (0.3) typach grozy (0.2) i przedstawia (0.2) i o horrorach generalnie. Bei solchen nicht-gefüllten Pausen innerhalb des Redebei- trags ist auffällig, dass sie in der Regel von relativ kurzer Dauer (2–3 Sek.) sind.

Eine längere Pause könnte vom Hörer als Abbruch betrachtet werden. Im Gegen- satz zu den gefüllten Pausen scheint bei den leeren Pausen die Gefahr größer zu sein, dass die Sprecherrolle vom Gegenüber übernommen wird. Wie das Beispiel unten zeigt, kann eine allzu lange nicht-gefüllte Pause dazu führen, das Rederecht zu verlieren, was in der Prüfungssituation unerwünschte Folgen mit sich bringen kann, z.B. Prüfer: woran erkenne ich äh dass ein zeichen zweiklassig ist und äh

°h ein anderes einklassig, Prüfl ing: also zum beispiel °h (0.3) ʔ (.) ʔ ein (0.3) ähm (.) ((schmatzt)) ((unverständlich))(0.9) ʔ (.) ʔ (0.8), Prüfer: °hh gut lassen wir das.

lexikalische Einheiten

Zu dieser Gruppe gehören: dt. also, oder, aber, okay, noch mal und poln. (to) znaczy, czy, nie wiem.

Die Sprachdaten zeigen, dass also mehrere Funktionen in der Sprachpro- duktion hat und somit als ein universales Reparatursignal betrachtet werden darf:

Als Verzögerungssignal kann man mit also etwas Zeit für kurze Überlegungen gewinnen, z.B. also ähm (0.3) ((schmatzt)) äh (.) ich fi nde dass ähm ((schmatzt)) (0.9) also brief zum beispiel ist eine klassifi rizierung (.) klassifi zierung nach kom- munikationsorientierten °h (.) äh kriterie (.) kriterien, als Neustartsignal folgt es einem Abbruch, z.B. entsteanden is das aus der (.) also es gibt im prinzip drei verschiedene ähm entstehungsthe äh theorien, als Präzisierungssignal dient es dazu, die Äußerung zu ergänzen bzw. zu erweitern, z.B. tendenzen die bestanden (.) also sprachliche tendenzen. Oder erfüllt ebenfalls die Funktion eines Präzisie- rungssignals, indem es dem Konstruktionsabbruch folgt und die Reformulierung einleitet, z.B. weil ähm hm dieser hm dank fl exion ähm (.) können wir (0.3) oder (.) hm (0.5) verbessern d wir ähm eine wortschatz. Bei aber handelt es sich um ein Signal, das Neustartversuche ankündigt, z.B. aber (0.6) äh ʔ aber seel aber ihre seele war frei. In den angeführten Beispielen werden oder und aber zwischen einigen weiteren Verzögerungen platziert, was zusätzlich die Planungs- und For- mulierungsprozesse wiedergibt. In der Funktion eines absoluten Neustartsignals werden außerdem okay, z.B. also (.) dass öh (0.6) dass es das a: normalerweise (.) also das normale a: ha: als dehnungs (1.0) okay °h also das normale a: (0.8) ((schnalzt)) (.) öhm als langer (0.5) öhm (0.4) vokal wird realisiert) und noch mal verwendet, z.B. ja (0.7) ähm (0.9) also das ist erstmal ein (0.2) substansivisches (0.3) pronomen (.) ein ähm (0.5) also (0.5) demonstrativpronomen das äh (0.7)

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quasi (0.5) noch mal die ähm (0.2) ach so ja genau ein ähm vorausweisendes demonstrativpronomen).

Ein interessantes Beispiel für ein Reparatursignal in den polnischsprachigen Prüfungsgesprächen ist (to) znaczy (dt. ,das heißt‘), das gebraucht wird, um eine zu reparierende Konstruktion anzukündigen. Die Reparatur besteht hier in der Zurücknahme des bereits Gesagten, die sich aus der Änderung des Formulie- rungsvorhabens ergibt. Infolgedessen wird eine neue Konstruktion gebildet, die zwar inhaltlich an die vorherige anschließt, formal aber von dieser abweicht, z.B.

artysta jako pisarz jest też yyy determinowany swoim temperamentem powiedzmy czyli ºh (.) yyy i przedstawia ºh ludzi w taki spos yyy ludzi (1.0) ((mlaszcze)) ºh znaczy tematyka jego dzieł to ludzie z nizin społecznych. Weitere Reparatursignale sind czy (dt. ,oder‘) und nie wiem (dt. ,ich weiß nicht‘). Sie haben die Funktion, die Äußerung genauer zu bestimmen, z.B. ogólnie ta literatura odnosiła się yyy do (0.9) czy opisywała °h yyy życie osób yyy więzionych w łagrach, oder sie hi- nauszuzögern, z.B. nauka nie byłaby też nie wiem yyy zbliżaniem (.) celem nauki nie byłoby poszukiwanie prawdy.

Metatextuelles

Mit Metatextuellem ist die kommentierende Bezugnahme auf die eigene Textpro- duktion gemeint. Der Bezug hat zum Ziel, das Gesagte zu löschen und eine neue kommunikative Einheit zu bilden. Die Löschung kommt in Form von Verneinung, z.B. maria stuart war h° hm ausgedrückt dass äh (.) die freiheit bedeutet äh (0.6) hm (0.3) ((schmatzt)) °hh die freiheit heißt (0.7) nein (0.4) der mensch is äh dann frei, Entschuldigung, z.B. der gott äh äh der äh hm tschuldigung der herr oder Rechtfertigung vor, z.B. gut also die lesesozialisation meint (0.3) ähm (0.2) °hh (3.2) jetz hab ich meinen faden verloren kleinen augenblick ähm bezieht sich auf den erwerb.

In einigen Fällen schließt man direkt an das Gesagte an: Als Reaktion auf den Konstruktionsabbruch und den Versuch, neu anzufangen, wird in einem polnisch- sprachigen Prüfungsgespräch festgestellt, dass man zusammenhangslos spricht:

jejku jak mówię nieskładnie ((śmiech)) przepraszam. Dies, sowie die Tatsache, dass die Reparaturen in den Texten der muttersprachlichen Sprecher ebenfalls auftauchen, zeugen davon, dass die Sprachproduktion einer ständigen formalen und semantischen Kontrolle unterliegt.

Schmatzen

Auch das Schmatzen hat eine nicht zu unterschätzende Funktion im Gespräch.

Das Schmatzen ist Signal für Probleme in der Textproduktion bzw. für die Suche nach einem passenden Ausdruck. Dieses Reparatursignal manifestiert sich beim Planen und Entstehen der spontanen Rede. Wie das Beispiel unten zeigt, tritt das Schmatzen oft in Begleitung von mehreren Verzögerungsphänomenen auf, was den Eindruck von Problemen im Bereich der Textproduktion verstärkt, z.B. das

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heißt äh sie äh (0.4) bedeuten (.) äh (0.3) hm (1.7) hm ((schmatzt)) sie haben ((schmatzt)) ähnliche ((schmatzt)) °h nor (.) hm (0.3) ((schmatzt)) (0.8) die ganz gleiche bedeutung.

stockendes Sprechen

Zum stockenden Sprechen kommt es, wenn man auf Formulierungsprobleme stößt. In diesem Sinne ist auch stockendes Sprechen ein Signal für die Reparatur.

Dabei geht es keinesfalls um eine Sprachstörung, sondern um Problembehebungs- und Problembearbeitungsverfahren, die Spuren von (Re-)Formulierungsprozes- sen in Äußerungen hinterlassen. Die Gründe dafür können sehr vielfältig sein:

Stress, Zeitdruck, ein zu schnelles Sprechtempo, z.B. können (0.4) s äh können (0.3) sich äh können äh f äh die fehler erschei (0.4) erscheinen. Stockendes Sprechen ist im analysierten Material situationsabhängig und offenbar eine Folge der Prüfungsaufregung. Manchmal kommt es dabei zur mehrfachen Wiederher- stellung der begonnenen Äußerung, was sich durch die Wiederholung einzelner Laute oder Silben zeigt. Wie Majewska-Tworek (2011) pointiert formuliert, sei stockendes Sprechen „ein universelles Merkmal eines jeden Sprechers, selbst eines, der über eine hohe Sprachkompetenz verfügt“ (2011:123).7

4. Schlussfolgerungen

Ziel des Beitrags war der Versuch, die die Reparaturen einleitenden Signale im gesprochenen Deutsch und im gesprochenen Polnisch zusammenzustellen. Es hat sich herausgestellt, dass diese Signale eine komplexe übereinzelsprachliche Erscheinung sind. Was in diesem Zusammenhang auffällt, ist die Tatsache, dass sich muttersprachliche wie nichtmuttersprachliche Sprecher derselben Reparatur- strategien bedienen und dass muttersprachliche Sprecher genauso Anstrengungen unternehmen müssen (wovon das stockende Sprechen und die metatextuellen Äußerungen zeugen), um die Komplexität des Sprechprozesses zu meistern. Auch die Tatsache, dass die Textrezeption dabei nicht beeinträchtigt wurde (es sind kei- ne expliziten Reaktionen, z.B. in Form von Unterbrechungen, vonseiten der Hörer vorhanden), beweist, dass die Signale ein natürlicher Bestandteil der spontanen Rede sind und wichtige kommunikative Funktionen in der Textproduktion und -rezeption erfüllen: Erstens liefern sie dem Produzenten die im (Re-)Formulie- rungsprozess benötigte Zeit zu kurzen Überlegungen und (in den meisten Fällen) zur erwünschten Änderung der Textstruktur. Dem Rezipienten wiederum zeigen sie den Willen an, das Rederecht beizubehalten und in seiner Äußerung trotz der Probleme fortzufahren. Zweitens spielen sie eine große Rolle in der Textgestal- tung, indem sie den syntaktisch-semantischen Zusammenhang in der spontan

7 Mehr zum stockenden Sprechen im Polnischen siehe Majewska-Tworek (2014).

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entstehenden Äußerung gewährleisten. Drittens weisen sie auf Formulierungspro- bleme hin, indem sie Versprachlichungsprozesse wiedergeben. Die Häufung von Signalen in gesprochenen Texten sowie ihre funktionale Beschaffenheit bilden den Ausgangspunkt für die weitere korpusbasierte Beschäftigung mit den Merk- malen der mündlichen Kommunikation.

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