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Wochenschrift des Architekten Vereins zu Berlin. Jg 7, Nr 23, 23a

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Academic year: 2022

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tlERflUSGEGEBEN!^ V f REINE S

i E rscheint Sonnabends u. M ittw ochs. — B ezugspreis halbjäbrl. 4 Mark, postfrei 6,30 Mark, einzelne Nummern von gew öhn. Um fange 30 Pf.,-stärkere entspr. teurer ^

^ D er A nzeigen preis für die 4 g esp a lten e P e titz eile b eträ g t 60 Pf., für B eh örd en -A n zeigen und für F a m ilien -A n zeig en 80 Ff. — Nachlaß auf 'Wiederholungen ^

N u m m e r 23 Berlin, Sonnabend den 8. J u n i 1912 VII. Jahrgang *

Zu b e zieh en durch a lle B u c h h a n d lu n g e n , P o stä m ter und d ie G e s c h ä ftsste lle C a r l H e y m a n n s V e r l a g in B erlin W. 8, M auerstr. 43.44

A l l o R e c h t e V o r b e h a lte n

Nochmals: Der Bauanwalt

vom Baurat Redlich. Neukölln*'!

M eine früheren A u sfü h ru n g e n zu d er B ezeichnung „ B a u ­ a n w a lt“ sind, wie ich erfahren habe, n ic h t ü berall so aufgefaßt w orden, wie ich sie aufgefaßt w issen w ollte, und sollen die n ac h ­ stehenden Zeilen, die gleich zeitig einige kaum w esentliche A enderungen en th alten , zu n äh e rer A u fk läru n g dienen. Ich g in g von der U eberzeugung aus, daß es bei dem sich im m er m ehr und m ehr zuspitzenden und wohl auch kau m noch aufzuhaltenden In teressen k a m p f der verschiedenen G ruppen von A rc h ite k te n und In g en ieu ren A ufgabe der am w eitesten vorgebildeten T echniker sein m üsse, in e rs te r L in ie und re c h tz e itig die In teressen d er­

je n ig en K ollegen w ahrzunehm en, welche die (zw eite) A b sch lu ß ­ p rü fu n g fü r den höheren S ta a ts d ie n s t im B aufach a b g e le g t haben, aber sich n ic h t im S ta a ts- oder K o m m unaldienst befinden.

W ir w issen, daß, tro tzd em der T ite l „ R e g ie ru n g sb a u m e iste r“

s ta a tlic h g e s c h ü tz t is t, es im freien V erk eh r ganz allgem ein üblich gew orden ist, L eu te als B a u m e iste r zu bezeichnen, die n ic h ts w eiter sind als B au u n te rn e h m er, se lb st ohne h an d w e rk s­

m äßige, geschw eige denn m it einer höh eren te chnischen V or­

bildung. E s k an n dabei für den gew öhnlichen V erk eh r auch g le ich g ü ltig bleiben, ob sich dieselben se lb st als B a u m e iste r be­

zeichnen. A u s den vielen j e t z t au f der T ag eso rd n u n g stehenden Z w an g sv e rsteig e ru n g e n i s t es ja ohne w eiteres ersichtlich, w as für L e u te oft im G rundbuch und in den g eric h tlic h en oder son­

stig e n öffentlichen A nkünd ig u n g en als B au m eister bezeichnet sind, sich bezeichnen lassen oder sich bezeichnen. A n d erseits is t be­

k a n n t, daß im K önigreich S achsen auch T echniker, die etw a kaum die S chulung und K en n tn isse eines M aurer- und Z im m erm eisters nachzuw eisen brauchen, das R ech t zu r F ü h ru n g des T ite ls „B au ­ m e is te r“ erlangen können. D en E lte rn der K ollegen, w elche die zw eite S ta a tsp rü fu n g abg eleg t haben, is t es oft se h r schw er gew orden, ih ren Sohn bis z u r A b sch lu ß p rü fu n g zu erh alten . W ozu haben die K ollegen der V o rb e re itu n g zu dieser P rü fu n g und der P rü fu n g se lb st sich unterzogen, wenn es n ic h t ihre A b sic h t w ar, für den ihnen bevorstehenden K am pf um die E x iste n z nach außen hin in d urchaus einw andfreier und u n a n ta s t­

b a re r W eise als solche T echniker gekennzeichnet zu sein, welche ü ber dasselbe K önnen und W issen verfügen, das von den höheren B aubeam ten im S ta a ts - und K om m unaldienst v e rla n g t w ird?

A b er se lb st w enn sie sich m it der B ezeichnung „ A rc h ite k t“

oder „ In g e n ie u r“ begnügen w ollten, so m üßten sie le id er die E rfa h ru n g m achen, daß auch für diese B ezeichnungen auf dem M a rk te des L ebens keine S ch ran k en bestehen, und daß diese im gew öhnlichen V erk eh r bald auch für solche T echniker A n ­ w endung gefunden h a tte n , die n u r ü b er ein hand w erk sm äß ig es K önnen verfü g ten . E ine se h r zutreffende B e s tä tig u n g g ib t die

*) W ochensch rift des A .V .B . Nr. 5, 4. Februar 1911, S e ite 17.

n achstehende, der N r. 259 des laufenden J a h rg a n g s der

„V ossischen Z e itu n g “ entnom m ene und auch in ändern T a g e s­

b lä tte rn en th alten e N otiz:

B e z e i c h n u n g „ A r c h i t e k t “. In oinem P ro zesse zw ischen einer B au g ew erk sin n u n g und einem B a u u n te rn e h m er wegen U n te rla ssu n g d er B ezeichnung als A rc h ite k t h a t die H a n ­ d e l s k a m m e r au f A n frag e eines G erichts, u n te r w elchen V o r­

au ssetz u n g en nach den A nsch au u n g en des V erkehrslebens die B ezeichnung A rc h ite k t für einen B a u u n te rn e h m e r üblich und zu lässig ist, der keine akadem ische B ild u n g h a t, n achstehendes G u tach ten e r s ta tte t: „N ach den A n sch au u n g en des V erk eh rs k a n n s i c h j e d e r A r c h i t e k t n e n n e n , der sich m it E n t­

w ürfen und zeichnerischen A rb e ite n b esch ä ftig t, die in irg en d einer W eise m it dem B augew erbe im Z usam m enhang ste h en ; im V erkehrsleben w ird beispielsw eise von A rc h ite k te n für I n n e n a u s s ta ttu n g , von M ö b e larch itek ten , G a rte n arch itek te n und von A rc h ite k te n schlechtw eg gesprochen, ohne daß h ie r­

bei an eine besondere k ü n stlerisc h e B e fähigung g e d a c h t w ird, die w ohl auch kaum , da die A nsich ten über K u n s t und k ü n stlerisc h e A rb e ite n auseinandergehen, A n h a ltsp u n k te fü r die B e re ch tig u n g , sich A rc h ite k t zu nennen, abgeben kann.

Im V erkehrsleben e rw a rte t m an vielm ehr von einem A rc h i­

te k te n , daß er E n tw ü rfe und S kizzen se lb stä n d ig an z u fertig e n verm ag, ohne daß es, wie beispielsw eise bei M aurer- und Z im m erm eistern, au f den N achw eis einer besonderen V orbil­

du n g ankom m t. W ir w eisen schließlich au f die b ish er ergeb­

nislosen un d teilw eise auch in A rc h ite k ten k re isen auf W id e r­

sp ru ch stoßenden B estreb u n g en des B undes D e u tsc h e r A rc h i­

te k te n hin, eine g esetzliche R eg lu n g des T ite ls „ A rc h ite k t“

d ahingehend herbeizuführen, daß n u r derjenige sich A rc h ito k t nennen darf, der lediglich zeichnerische A rb e ite n fü r B a u te n , A u s s ta ttu n g e n usw . gegen E n tg e lt liefert, ohne die B a u ­ a rb e iten g le ich z eitig se lb st a u sz u fü h re n .“

U n te r den v o rsteh en d gekennzeichneten V erh ältn isse n w ird es wohl als b e re c h tig t angesehen w erden m üssen, daß die in F ra g e kom m enden F ach v e rb än d e in e rste r L in ie es sich a n g e ­ legen lassen sein sollten, sich d er K ollegen re c h tz e itig a n z u ­ nehm en, w elehe den B ew eis fü r g rö ß tes W issen und K önnen e rb ra c h t haben un d sieh als P riv a ta rc h ite k te n oder P r iv a t­

in genieure se lb stä n d ig das täg lich e B ro t verdienen m üssen, ohne B a u u n te rn e h m er oder B a u au sfü h ren d e r zu sein, welche also gew isserm aßen die A n w älte ih re r A u ftra g g e b e r sein wollen.

F ü r diese K ollegen, u n d n u r für sie, h a lte ich es fü r an g e­

m essen, daß m an ihnen die B ezeichnung „ B a u a n w a lt“ verleihe und schütze in ähn lich er W eise, wie die B ezeichnung „R ec h ts­

a n w a lt“ g e s c h ü tz t ist. S elb stv erstä n d lich i s t es n ic h t nötig, daß jed er, der die zw eite S ta a tsp rü fu n g abgelegt h a t, sofort

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W ochenschrift des A rchitekten-V ereins zu Berlin Sonnabend, 8. Ju n i 1912 nach dieser ohne w eiteres das R e ch t haben soll, die zu

sch ü tzen d e B ezeichnung „ B a u a n w a lt“ zu führen. Ich gehe be­

züglich der E rla n g u n g dieser B ezeichnung davon aus, daß nach d er A b leg u n g der zw eiten S ta a tsp rü fu n g , derjenige, der B a u ­ a n w a lt w erden wolle, verp flich tet sein m üsse, e r s t eine Z eitlan g bei einem B a u an w a lte zu arbeiten, aber b e re c h tig t sein solle, diesen zu v e rtre te n . N ach der noch n äh e r festzusetzenden F r is t soll ihm das R ech t zustelm , bei einer B e zirk sreg ieru n g oder bei der zu bildenden B a u an w altsk am m er den A n tra g auf E rn e n n u n g und E in tra g u n g in die L iste der B au an w älte zu stellen, w orauf dem A n tr a g e zu entsprechen w äre, w enn n ic h t besondere noch n ä h e r zu bezeichnende H indernisse im W eg e stehen.

E s k an n dabei fü r die betreffenden K ollegen g le ich g ü ltig sein, ob sie vo r der E rn e n n u n g zum B a u a n w a lt die B ezeich­

nu n g R eg ieru n g sb au m eister oder B a u assesso r a. D. führen dürfen. N ich t g le ich g ü ltig k an n es ab e r fü r sie sein, w elches Maß von V orrechten ihn en gegenüber den übrigen P riv a ta re h i- te k te n und P riv a tin g e n ie u re n einzuräum en w äre. O hne Zweifel könn ten diesen K ollegen alle die V o rrec h te b ew illigt w erden, die für dio M itglieder der b ea b sic h tig t gew esenen A rc h ite k te n ­ kam m ern e rs tre b t w orden sind. Je d en falls b rau c h ten ihro B au­

entw ürfe seitens d er Baupolizei n ic h t einer besonderen s ta ti­

schen P rü fu n g u nterzogen w erden, d afür m üßten die K ollegen aber dio volle V e ra n tw o rtu n g in sta tisc h e r H in sic h t für die von ihnen zu le itenden B a u te n übernehm en und g eh a lte n sein, die­

selben V o rsch riften zu befolgen, die fü r die P rü fu n g der B a u ­ entw ürfe se ite n s der B aupolizeibeam ten zu beachten sind, wie es im A u sla n d schon der F all ist. A uf w eitere E rö rte ru n g e n bezüglich der einzuräum ondon V o rrech te und der zu ü b er­

nehm enden P flichten b ra u c h t w ohl j e t z t noch n ic h t n äh e r oin- g eg an g en w erden. H aben die betreffenden K ollegen sich e rst innerhalb des V erbandes D e u tsc h e r A rc h ite k te n - u n d In genieur- V ereine m it H ilfe desselben zu einer O rganisation, w elche den V o rzu g einer gew ißen H o m o g en ität der einzelnen G lieder b esitz t, zusam m engeschlossen, so sollte es ihnen n ic h t schw er fallen, ih ren S tan d herauszuheben und sich die S tellu n g zu erringen, au f die sie b ere ch tig ten A nsp ru ch erhoben dürfen. Die H ebung ih res S tandes w ird auch der gesam ten höheren T ech n ik ersch aft zu g u te kommen. Sache des V erbandes w äre es daher, au f A n tra g diese B estreb u n g en in e rste r L in ie zu fördern. D ie A n träg o dazu m üßten von den betreffenden K ollegen ausgehen.

I s t e r s t ein K ollege ein g ro ß er K ü n stle r gew orden, so be­

d a rf er keines T ite ls, also auch keines T ite lsc h u tze s, wie es seit a lte rs h e r bei M alern und B ild h au ern der F a ll is t.

Die Gartenstadt in Theorie und Praxis

v on R e g ie r u n g s b a u m e is te r W entscher

W e r den A nzeig en teil einer großen T ag e sze itu n g d u rch ­ m u ste rt, findet an b estim m ter S telle zahlreiche In se ra te von T errain - und B au g esellsch aften , welche „ G a rte n stä d te “ in den v ersch ied en sten S tad ie n der E n tw ic k lu n g dem L ie b h ab er a n ­ preisen. Affichen an den L itfa ß sä u le n und g ew a ltig e P la k a te an den B rü stu n g s g e lä n d e rn der O m nibusverdecko laden z u r B e­

sic h tig u n g der G a rte n s ta d t ein; in den W a g e n der V o ro rtz ü g e findet m an ih r m e h r oder m inder k ü n stlerisc h es K onterfei.

„ G a rte n s ta d t“ is t augenblicklich die P aro le aller, die sich oin behagliches H eim w ünschen, fernab von dem brau sen d en L eben d er W e lts ta d t. „ G a rte n s tä d te “ bei u n d um B erlin, nach allen S trich e n der W indrose.

D as le b h afte In te re sse des P u b lik u m s fü r die G a rte n s ta d t­

bew egung i s t bei ihrem außero rd en tlich verlockenden G rund­

gedanken v e rstä n d lic h : die A uffassung, daß es sich außerhalb des B ereichs g ro ß s tä d tis c h e r M ietskasernen, se lb st der v ornehm ­ ste n A ufm achung, ebenso bequem, jedenfalls aber g esu n d h eit­

lich viel b esser w ohnen lä ß t als innerhalb, diese A u ffassu n g be­

g in n t an scheinend s te ts w eitere K reise zu ziehen. E ine kleine U n te rh a ltu n g ü b er dieses in te re ssa n te T hem a m ag d aher m anchem F re u n d e dieser H efte n ic h t d urchaus unw illkom m en sein.

U m M iß v e rstän d n isse auszuschließen, die sich le ich t ein­

zustellen pflegen, w enn die eigentliche B e d eu tu n g des z u r V er­

h a n d lu n g steh en d en G egenstandes u n te r den T eilnehm ern an d er B e sp rech u n g n ic h t g enügend g e k lä rt ist, m uß der B egriff

„ G a rte n s ta d t“ m it einigen W o rte n definiert w erden. V orw eg sei bem erkt, daß diese D efinition sich m it der gew öhnlichen B e d eu tu n g des W o rte s n ic h t in allen S tü ck e n deckt. D ennoch soll sie v e rs u c h t w erden, um einige F olg eru n g en d ara n knüpfen

zu können. , *

*

Die „ G a rte n s ta d t“ im eigentlichen Sinne is t eine S ta d t in oder m it G ä rte n ; und zw ar m üssen, da der Ton auf „ G a rte n “ lie g t, diese G ärte n einen erheblichen Teil der ganzen A nlage bilden. W a s G ärte n sind, b ra u c h t n ic h t e r s t e rlä u te rt zu w orden; dagegen w ird es zw eckm äßig sein, bei dem B egriff

„ S ta d t“ einen A ugenblick zu verw eilen, so v erstä n d lic h er auch an sich fü r jeden ist. (W e r zw ischen den Zeilen lesen will, w ird den Z w eck dieser kleinen U ebung ohne w eitere E r­

lä u te ru n g verstehen.)

U n te r „ S ta d t“ v e rs te h t m an die V erein ig u n g einer g rö ß eren A nzah l von m enschlichen N iederlassungen — W ohn- und W i r t­

schaftsgebäuden — zu einem politischen und w irtsch aftlich en G anzen. Im R ahm en dieser B e tra c h tu n g soll n u r das w ir t­

schaftliche M om ent b e rü c k sic h tig t w erden. D em nach is t „ G a rte n ­ s ta d t“ die V erein ig u n g von W ohn- und W irtsc h a ftsg e b ä u d e n in m itte n von G ä rte n zu einem K om plex. D ie übliche R eihen­

b eb au u n g der ü b rig en S tä d te , bei der H aus an H a u s stö ß t, w ird h ie r d urch die sogenannte offene B auw eise e rse tz t. Von diesem S ta n d p u n k t aus b e tra c h te t, is t die G a rte n s ta d t eine u r ­ a lte E in ric h tu n g , die u rsp rü n g lich e F orm je d e r stä d tisc h en N iederlassung. D ie A c k e rstä d te u n se re r V orfahren, au s denen

: sich die m odernen R e ih e n städ te e r s t allm ählich entw ickelt haben, sind G a rte n s tä d te in diesem Sinne. A uch in dem mo­

dernen. J e d e r B ü rg e r is t h ie r der eigne H e rr im eignen H aus, das von dem des N achbarn d urch einen G arten g e tre n n t wird.

D och befinden sich innerhalb der S tad tm a u e rn n ic h t n u r die — m an w ürde h e u te sagen — „E igenheim e“ w ohlhabender B e­

sitze r, sondern auch kleine bescheidene H äuschen der H an d ­ w erk er u n d der G ew erbetreibenden, deren T ä tig k e it als die G ru ndbedingung jeg lic h en gem einschaftlichen L ebens d er B ü rg e r b e tra c h te t w erden m uß. J e d e r k an n in d i e s e r S ta d t seinem B eru f n ac h g eh e n ; er findet im kleinen U m kreise alles, w as er zum L e b e n su n te rh a lt b r a u c h t: er i s t zu H ause.

In diesem le tz te n P u n k te b e ru h t der H a u p tu n tersch ied der m odernen G a rte n sta d t gegen ih r V orbild. W ie die D inge augenblicklich liegen, is t i h r B ew ohner d o rt n ic h t im m er zu- H ause. O ft befindet er sich m ehr in Som m erw ohnung.

E s is t näm lich eine n ic h t in allen F ällen, w ohl aber in den m eisten, u n te r den B eg rü n d ern der m odernen G a rte n sta d t w eit v e rb re ite te A nnahm e, daß d u rch das V orhandensein von Ge­

schäften, in denen n am entlich L e b e n sm ittel bequem zu kaufen sind, das N iveau d er G a rte n s ta d t h era b g ed rü ck t, gew isserm aßen die E x k lu siv itä t und V orn eh m h eit b e e in trä c h tig t w erde. J e vornehm er eine G a rte n s ta d t is t — nach der m om entan g ü tig e n A u ffassu n g — desto w eniger G elegenheit haben ih re B ew ohner, den täg lic h en B edarf im O rte se lb st zu beschaffen; sie sind vielm ehr auf um stän d lich e W eg e in die G ro ß sta d t angew iesen, j So en tste h en allenfalls feudale V ille n k o lo n ie n , in denen A u to s 1 ebenso gew öhnlich sind, wie a n d e rw ä rts F u ß g än g er, niem als

| aber w irkliche G a r t e n s t ä d t e , die auch den w eniger B e m ittelten

; der V orzüge dieser A r t des W ohnens te ilh a ftig m achen. Im

| übrigen w ird die E rfa h ru n g lehren, ob diese E x k lu s iv itä ts ­ theorie n ic h t v ie lle ich t doch eine irrtü m lic h e is t und au f die L än g e der Z e it u n h altb ar. F ü r den A ugenblick m öchte m au eher annehm en, daß die G arte n sta d tb e w e g u n g , so se h r sie auch im F lu ß ist, an A u sd eh n u n g n u r dann gew innen w ird, w enn die leitenden P ersö n lich k eiten sich dazu entschließen, m it diesem V o ru rte il m öglichst bald und g rü n d lic h aufzuräum en.

E ine G a rte n s ta d t k an n n u r florieren, w enn der erw erbs- un d b e ru fstä tig e M itte lsta n d v e ra n la ß t w ird, sich d o rt anzu­

siedeln. F am ilien, die ein ru h ig es L eben führen wollen, g esell­

schaftlichen V erk eh r w enig suchen und die g ro ß städ tisc h en V er­

g n ü g u n g en ohne B edauern m issen können, w erden den H a u p t­

te il ih re r B e v ö lk e ru n g bilden. D aß sie im allgem einen n ic h t beabsichtigen, ih re m B e ru f d o rt nachzugehen, lä ß t sich m utm aßen.

W o h l aber wollen sie d o rt leben, und dazu g e h ö rt in e rste r L in ie die bequem e B eschaffung von L eb en sm itteln , auch fü r die j H au sfrau , w elche beim E in k a u f n u r ih re eignen F ü ß e als F o r t­

b ew e g u n g sm ittel z u r V erfü g u n g hat.

So sc h e in t die G a rte n sta d tfra g e in e r s te r L inie eine V er­

pflegungsfrage zu sein. D a m an von ih ren B ew ohnern n ic h t v erlangen kann, daß sie als L a n d w irte und V ieh zü ch ter ihre L eb e n sm ittel in eignem B etriebe hersteilen , so w ird m an ihnen

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Nr. 23. V II. Jah rg an g W ochenschrift des A rchitekten-V ereins zu Berlin

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g e s ta tte n m üssen, in diesem P u n k t ih re g ro ß städ tisc h en Ge- I w ohnheiten des E inkaufens im n äc h ste n L aden beizubehalten.

U n te r den bestehenden V erh ältn isse n m üssen aber, wie b ere its 1 an g e d eu tet, die m eisten G a rte n stä d te r ih ren gesam ten B edarf den h a u p tstä d tisc h e n W a re n h ä u se rn entnehm en, die in dieser H in sic h t g ro ß a rtig o rg a n isie rt sind und ihre G eschäftsw agen m eilenw eit in der U m gegend zirkulieren lassen. Sie brin g en ih ren K unden die g e rin g ste K leinigkeit g e rn in s H aus. Indessen, h a t das W a ren au to eine „ P a n n e “, so k an n es oben n ic h t r e c h t­

ze itig am B e stim m u n g so rt eintreffen. D ie verzw eifelte H a u s­

frau m uß sich w ohl oder übel zu einem B e so rg u n g sg an g in die n äc h ste O rtsc h a ft entschließen. U nd da k ann es le ich t ge­

schehen, daß der K aufm ann einer K undin, die sich n u r in der N ot an ihn w endet, es absch läg t, ih r von seinen S chätzen m it­

zuteilen, se lb st wenn er ü b er die gew ünschten V o rrä te verfü g t.

O ft g e n u g h a t er aber se lb st n ic h ts im H ause, denn er e rh ä lt seine W a re n vielleicht m it dem näm lichen G eschäftsauto. V er­

s a g t aber der K aufm ann, so lo h n t eine U m frage bei den o rts ­ an sässig en P ro d u z en te n kaum noch des V eruckes; denn diese pflegen die E rz eu g n isse ih res la n d w irtsch a ftlich e n und h äu s­

lichen B etriebes sc h leu n ig st in die S ta d t ab zu setzen : m an be­

kom m t n irg en d s so schlechtes Gem üse — w enn ü b e rh a u p t — wie in den kleinen S om m erdörfern um die G ro ß stad t.

D ah er kann der B ew ohner der G a rte n sta d t L äd en und G eschäfte der versch ied en sten A r t n ic h t m issen. D ie h err- lichsto S om m erluft m ach t au f den n u r gerin g en E indruck, der sie m it hun g rig em M agen genießen soll. D ie Schaffung einer gew issen K onkurrenz — w enn auch n u r in geringem U m ­ fange — erfo lg t von se lb st; sie b ra u c h t keinesw egs u n te rd rü c k t zu w erden, da die d am it verbundene P re isre g u lie ru n g für den K onsum enten n u r v o rte ilh a ft sein kann.

D erselbe H an g z u r V ornehm heit, der G eschäfte in der G a rte n s ta d t au ssch ließ t, lie g t auch in der vielfach zu beobach­

tenden Tendenz, n u r das E infam ilienhaus zuzulassen. D er G rundgedanke is t im R ahm en des G anzen allerdings n u r logisch, w enn spekulative B ew eggründe u n e rö rte rt bloiben sollen, die h ie r-u n d d o rt m itsp rech en : in e rs te r L in ie i s t die G a rte n sta d t fü r diejenigen bestim m t, die das eigne H au s im G arten je d e r ändern W ohnungsform vorziehen. Im m erhin m üssen auch solche L ie b h ab er m it ih ren oft se h r knappen M itteln rechnen.

G ru n d stü ck s- und B aukoston sind zu vorzinsen, se lb st bei dom se h r großen E ntgegenkom m en, das die G arte n stad tg ese llsc h aften h ie r s te ts zeigen. H inzu kom m en die K o sten für die täg lich en F a h rte n z u r S ta d t und die fa s t im m er übersehenen A ufw en­

dungen fü r den G arten. D er Raum v e rb ie te t es, auf diese w ichtigen F ra g e n n ä h e r einzugehen; m an d a rf aber annehm en, daß das eigne H au s einschließlich der angedeuteten N eben­

ausgaben einen M ietsaufw and von m indestens 1600 M ark j ä h r ­ lich erfordert. E s is t dabei klein und niedlich und m an w ohnt im V ergleich zu der b ish erig en S tad tw o h n u n g se h r beengt.

E ine solche E in e n g u n g is t aber n ic h t nach jed erm an n s Ge­

schm ack, und so m ancher v e rz ic h te t n u r au s diesem G rund auf die G a rte n sta d t.

E rh e b t die G a rte n sta d t das E infam ilienhaus z u r u n v errü ck ­ baren N orm , so schneidet sie sich d am it gew isserm aßen ins eigne F leisch. Sie m uß eine M eh rh eit von A nsiedlern abw eisen und a u f eine w ohlhabende M ind erh eit w arte n . Sie ü b ersie h t näm lich, daß der G r o ß s tä d te r fü r seine M iete auch leidlich g eräum ige Z im m er v e rla n g t un d sich m it engen R äum en für dasselbe Geld se lb st in der G a rte n s ta d t n ic h t begnügt.

M it dem B au von Z w e ifa m ilie n h ä u se rn w ürde m an zweifel­

los n u r g u te E rfa h ru n g e n m achen. W enn auch die einzelne W o h n u n g h ie r n ic h t im m er billig er w ird als im Einfam ilien- hauso, so w ird sio für denselben P re is s te ts geräu m ig er. A n sich is t die E rr ic h tu n g von M ietsw ohnungen für die E n tw ic k ­ lu n g dor G a rte n sta d t n u r von Vorteil. D enn viele, die eine sp ä te re A nsiedlung b ea b sic h tig e n , w ollen v o rh er G elegenheit haben, sich se lb st ein U rte il ü b er das F ü r un d W id er zu bilden.

D azu b rauchen sie die M ietsw ohnung in der G a rte n sta d t. E n d ­ lich f ü h rt die N otw endigkeit, L äden einzurichten, ganz von se lb st zum B au von kleinen Z w eifam ilienhäusern.

D ie V erb in d u n g der G a rte n s ta d t m it der G ro ß sta d t schallt im allgem einen die E isenbahn, die V oro rtb ah n , da die B oden­

preise ih re A n lag e in einer E n tfe rn u n g bedingen, für welche

die so n stig en V erk eh rsm ittel, vornehm lich die S traß en b ah n , n ic h t m ehr ausreichon. Bei den täg lich en W egen zu r A rb e its ­ s tä tte in der G ro ß sta d t w ird der G a rte n stä d te r die L a g e seines H a u se s m öglichst naho am B ahnhofe jeder ändern vorziehen;

denn b ere its ein W e g von n u r zehn M inuten durch den Schnee des W in terab en d oder das R e g en w e tter des N ovem bertages als Z u g ab e zu einer E ise n b a h n fa h rt von d re iv iertelstü n d ig e r D au er w ird unangenehm em pfunden. D ie G a rte n sta d t m ach t sich diese allgem eine A bneigung vo r w eiten W egen zu n u tze : sio v e rk a u ft die G ru n d stü ck e in der N ähe des B ahnhofs te u re r als die im w eitern U m kreis. U nd so allgem ein h a t sich dieses V erfah ren ein g eb ü rg ert, daß es fü r se lb stv e rstän d lich g ilt und niem and die F ra g o aufw irft, ob eine Gemeinde, die e r s t w erden will, n ic h t vielleich t besser tä te , sich in diesem P u n k te von en tg eg en g esetzten U eberlegungen le ite n zu lassen. W e r den W e g zum B ahnhofe zu F u ß machen m uß ohne andere F o r t­

bew egungsm ittel, k ann ein abgelegenes G ru n d stü ck n ic h t g e ­ brauchen. E r is t auf die N ähe des B ahnhofs angew iesen oder muß verzichten. A ußerdem g e h ö rt er zu der überw iegenden j M ehrheit der w eniger B e g ü te rte n . S ollte man ihm die A bsicht, in der G a rte n s ta d t a n sässig zu w erden, dadurch verleiden, daß ' m an eine d urchaus nötige B equem lichkeit gew isserm aßen be­

ste u e rt? (Denn in der nun geforderten P re iserh ö h u n g des G ru n d stü ck s lie g t eine A r t S teuer.) L e ic h t kann aus dem be­

g e iste rte n F re u n d ein ebenso h eftig er G egner w erden.

E s w äre also re iflic h zu überlegen, ob an dem P rin zip , die G ru n d stü ck sp reise nach der E n tfe rn u n g vom V erk eh rs­

ze n tru m zu staffeln, u n b ed in g t festg e h a lte n w erden m uß. D a man aber das en tg eg en g esetzte V erfahren n ic h t g u t einführen kann, so e rg ib t sich als le tz te K onsequenz dieser G edanken- reiho das folgende p rak tisch e R e su lta t. D ie G a rte n s ta d t no r­

m ie rt w ährend der erste n .Tahre einen E i n h e i t s p r e i s fü r B auland in ihrem gesam ten G ebiete. D ieser E in h e itsp reis w äre d u rc h sc h n ittlic h au s den S elbstkosten zu berechnen, die fü r den A n k a u f des ganzen T e rra in s aufgew endet wmrden. W ie lange das P rin z ip des E in h eitsp reises g elten soll, w ird sich im kon k reten F alle le ic h t feststellen lassen. Im Z usam m enhänge d am it w ird es ferner bei der A u fstellu n g des B ebauungsplans zw eckm äßig sein, in der N ähe des V erk e h rsm itte lp u n k ts n u r kleinere P arzellen : vorzusehen, größere dagegen an die P erip h erie zu verlegen.

M it solchen G rundsätzen s te u e rt die G a rte n sta d t u n m itte l­

b a r a u f ih r einziges und eigentliches Ziel zu : die m äßig be­

g ü te rte n K reise des b ü rgerlichen M ittelstan d e s zu gew innen.

Sie b ra u c h t n ic h t au f den M illionär zu w arten , der alle W ege im eignen A u to m a ch t und E n tfern u n g en d aher n ic h t kennt.

D ie große M enge w ird es, w enn m an so sa g en darf, auch h ier bringen. D er E n tsc h lu ß , die B equem lichkeiten g ro ß stä d tisc h e n L ebens m it den im m erhin prim itiv en E in ric h tu n g e n d er w er­

denden G a rte n sta d t zu v ertau sch en , w ird in jedem F a lle se h r re iflic h überleg t. E n tfern u n g en spielen dabei eine g roße Rolle.

W ird dem u nentschlossenen L ieb h ab er zu g em u tet, sich an den äu ß e rste n G renzen der G a rte n s ta d t anzusiedeln, in der idylli­

schen E in sa m k eit der K iefern und D rah tzäu n o , so n im m t er noch in le tz te r S tu n d e von seinem V orhaben A b stan d . D er H inw eis, daß der W eg, der h eu te zehn M inuten d au e rt, im n äc h ste n Som m er j v ielleicht schon eine kleine halbe S tu n d e beanspruchen k ö n n te (weil I näm lich der B odenpreis schneller s te ig t als die M itte l des A nsied­

lers), daß also schnelle E n tsc h eid u n g g u t tä te , v e rfä n g t selten. W er e r s t lange ü b erle g t, is t auch fü r die g u te Sache verloren. Man komme dah er d er P sy ch e des A nsiedlers entgegen, m an bedenke, daß kein G a rte n stä d te r vom S ch ien en stran g e zu r G ro ß stad t völlig un ab h än g ig ist, w eder im B erufe noch in d er L eben sfü h ru n g .

Die n äc h ste n a tü rlic h e F olge einer solchen B odenpolitik w äre die k o n ze n trierte B ebauung der P arze llen um den V er­

k e h rsm itte lp u n k t, den Bahnhof. K eine V e rstre u u n g der A n ­ siedler ü b er das ganze G ebiet der G a rte n sta d t: ein Z u sta n d , den k ein er der B e te ilig te n w ünschen kann. Niem and h a t m ehr V eran lassu n g , in der ä u ß e rsten T hule zu hausen, wo die G rund- stü e k sp re ise g e rin g e r sin d ; je d e r h a t die gleichen Chancen, und w er z u e rst kom m t „ m a h lt“ zu e rst. G eschäfte, in denen v o r­

läufig die n ö tig sten L eb e n sm ittel zu haben sind, w erden sogleich ein g erich tet; die G a rte n sta d t m uß den K a u fle u te n im A nfang in lib e ra ls te r W eise entgeg en k o m m en , etwra durch M ieterlaß.

Sie und die A nsied ler ziehen sich g eg e n se itig an ; um den K ern k r is ta llis ie r t sich die M asse le ic h t herum . J e d e r neue A n ­ köm m ling findet eine w e ite r entw ickelte K u ltu r als d er V or­

g ä n g e r; einer s a g t es dem ändern, und der Z u zu g der B e­

w ohner w ird n ic h t ausbleiben. A llm ählich erscheinen reichere, 2 3*

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W ochenschrift des A rchitekten-V ereins za B erlin Sonnabend, 8. J u n i 1912 anspruchsvollere A nsiedler, da sie eine G a rte n s ta d t dieser A rt

u n te r so n st gleichen B edingungen einer bloßen V illenkolonie vorziehen. W enn die G a rte n sta d t von je t z t ab m it dem E in ­ h eitsp reis b ric h t und das B a u la n d nach dem üblichen Staffel­

sy stem abgibt, w ird niem and d ara n A n sto ß nehm en; denn sie b ie te t ih ren B ew ohnern w esentlich m ehr als n u r frische L u ft und W a ld e sru h e . (T atsächlich w erden so die entleg en eren P a r ­ zellen te u re r v e rk a u ft als die dem V erk eh rsz en tru m n ä h e re n ; ein V erfahren, das zw ar von den üblichen G epflogenheiten ab­

w eicht, sich aber aus den V erh ältn isse n ganz n a tü rlic h ergibt.)

* *

W ir können nu n m eh r eine A r t T ypus der G a rte n sta d t kon­

stru ie re n . N icht d e n T ypus — es w ird andere, bessere geben — , im m erhin aber einen, der die B edürfnisse und A n ­ sprüche ih re r B ew ohner g ebührend b erü c k sich tig t, ihnen die erw ünschte A bgeschlossenheit un d Z u rückgezogenheit erm ög­

lich t, ohne dabei in die P rä te n tio n zu verfallen, au s einem B u en retiro des g u t bürgerlichen P u b lik u m s ¡eine V illenkolonie von g ew ollter V o rnehm heit zu m achen; ein V orhaben, das m it dem eigentlichen W esen der G a rte n sta d t w enig gem ein h a t.

Skizzieren w ir den B ebauungsplan, w enn auch n u r in ganz flüchtigen Z ügen. D er B ahnhof b ild e t das n atü rlic h e V erk eh rszen tru m . Um ih n herum gru p p ieren sich B aublocks, die für M ietsw ohnungen und G eschäfte d er nö tig en A r t Vor­

behalten bleiben. Z w eifam ilienhäuser, teils m it zwei W ochnungen über- und nebeneinander, te ils m it W ohnungen im oberen und L äd en im u n te re n G eschosse. M an w ürde vielleich t G ruppen von je zwei H äu se rn dieser A r t bilden, die m it den B rand- m auorn Zusam m enstößen. Je d e G ruppe is t von der ändern d urch einen unbebauten S tre ifen g e tre n n t, den sogenannten B auw ich. W ir b e tre te n das fü r E infam ilienhäuser bestim m te T errain . Z u n ä c h st kleinere G run d stü ck e fü r bescheidene A n ­ sprüche: keines davon g rößer als 5 0 —75 Q u a d ra tru te n im D u rc h sch n itt. U nd nu n e r s t die großen und grö ß eren P a r ­ zellen, die schließlich ganze B aublocks um fassen, die G arte n ­ s ta d t gegen die A ußen w elt abschließon und boi ih re r räum lichen A usd eh n u n g b ere its als kleine L an d sitz e g elten können. Die A nlag e um sch ließ t den B ahnhof in drei k o n zentrischen R ingen, die d urch H a u p tv e rk e h rsstra ß e n voneinander g e tre n n t sin d ; durch g eeig n ete F ü h ru n g der übrig en V erk eh rs- und W o h n ­ stra ß e n w ird von jedem P u n k t ein bequem er W e g zum V er­

k eh rsz en tru m goschaffen.

D aß eine G a rte n s ta d t nach diesem Schem a d u rch a u s m ög­

lich ist, w ird der unbefangene K ritik e r kaum b estre ite n . E r b ra u c h t sie n ic h t einm al U to p ia zu nennen. A bän d eru n g en des P ro g ram m s w erden dem besonderen F alle gem äß v o r­

genom m en. N u r die G rundlagen m üssen erhalton bleiben: die G a rte n sta d t i s t eine w irkliche S ta d t, wenn auch n u r im kloinen, keine V illenkolonie. D urch E in fü h ru n g eines einheitlichen B odenpreises w ird die so n st sp ru n g h afte B e b au u n g von v o rn ­ herein in die g ew ünschte k o n z e n trie rte (auch konzentrische)

F orm geleitet. * ,

*

E in Teil der g ep lan ten G a rte n s ta d t soll für die A u fste llu n g von Som m erhäusern in A u ssic h t genom m en w erden. V er­

schiedene M öglichkeiten b ie ten sich: D ie G a rte n s ta d t b a u t die H äuschen se lb st und v erp a c h te t oder v e rk a u ft sie m it den kleinen G ä rte n ; vielleich t v e rk a u ft oder v e rp a c h te t sie auch n u r das B auland. In jedem F a ll ü bernim m t sie aber die U eberw achung und In s ta n d h a ltu n g der über W in ter le erste h en ­ den H äuschen. D a m it w ären die beiden H au p tsch w ie rig k e ite n au s dom W ege g erä u m t, welche die S om m erhausfrage m it sich b rin g t: die U eb e rw in teru n g und der Z w ang, je d en Som m er in derselben Gegond verb rin g en zu m üssen, falls man keinen M ieter für das Som m erhaus findet und n ic h t in der L a g e is t, es u n b e n u tz t le erste h en zu lassen. D ie G a rte n s ta d t en th e b t

dieser S orgen. » *

*

D er N am e „ G a rte n s ta d t“ is t neueren U rsp ru n g s, die Sache selbst, nam entlich in d er F orm , w ie sie den m odernen G ründungen vorschw eben sollte, n ic h t m ohr so gan z neu. U m B erlin sind es die alte n w estlichen V o ro rte Zehlendorf, L ichterfelde, S te g ­ litz oder wie sie so n st heißen, die sich m it F u g und R echt G a rte n stä d te nennen dürfen. W a s die neuen A nlag en in m ü h e­

voller A rb e it e r s t w erden erreichen m üssen, is t h ier in aller

S tille und A bgeschiedenheit z u r Reife gediehen; n ic h t zu letz t auch der G arten. E in e r re ih t sich an den ändern, eine w irk ­ liche G a rte n sta d t, die m aßlose Boden- und B a uspekulation leider schon ü berall zu v ern ic h ten droht.

D ie neuen G a rte n stä d te h a t der k ü n stlich g e ste ig e rte B odenpreis w eit über die P erip h erie der W e lts ta d t h in a u s­

g ed rä n g t. W o g e s te rn noch die schw eigende E in sa m k eit schw ärzlicher K iefernw älder h e rrsc h te , w inden sich h eu te sau b ere S tra ß en (die abends wohl etw as h eller b eleu ch tet sein könnten), lagern P lä tz e in g ä rtn e risch e m Schm ucke. F re u n d ­ liche H ä u se r und H äuschen sind allenthalben v e rs tre u t. K rä fti­

gend und w ohltuend is t der stre n g e H a rz d u ft im m ittäg lich e n S onnenschein; u n d w er das G rün das L aubw aldes n ic h t verm ißt, findet h ie r bald G elegenheit, die vom B erufsleben zerm ürbten N erven w ieder zu kräftig en . Tief is t die R uhe des Nadolholzes, die n u r selten die lu stig e S tim m e eines V ogels u n te rb ric h t. A ber auch drückend die som m erliche S chw üle und etw as eintönig das d ü ste re G ra u g rü n d er K iefer. V ergeblich su c h t der B lick das p räc h tig e F arbenspiel des sich h erb stlich verfärbenden L au b es.

So su c h t und findet der eine dieses, d er andere je n e s in der freien N a tu r; w er aber seinen stä n d ig e n A u fe n th a lt in der G a rte n s ta d t nehm en w ill, d arf n ic h t n u r N a tu rsc h w ä rm er sein.

E r m uß seine V o rb ereitu n g en m it prak tisch em B lick u n d g roßer U m sic h t treffen. U m sic h tig e r als der S tä d te r, dem lange be­

stehende E in ric h tu n g e n die gew ohnte B equem lichkeit verbürgen.

E r so llte sich an einem stü rm isch e n R egenabend ü b er die B e­

schaffenheit der S tra ß en in seiner G a rte n s ta d t inform ieren, n ic h t n u r bei einem S paziergange durch den strah len d en Som m erm orgen; er so llte sich eingehend m it der B ew ässeru n g un d B ele u ch tu n g beschäftigen, zu erfahren suchen, ob die G a rte n sta d t L ic h t und W a sse r in eigner Regie h a t oder von einer N achbargem einde bezieht. D enn h ie ra u s können, selb st im tie fsten F ried en , betrübliche V erw icklungen erw achsen, die den G a rte n stä d te r in die n ic h t e rw a rte te N o tw endigkeit bringen, nach B ru n n en und P etroleum lam pe än g stlic h U m schau zu halten . D as sind te chnische E inzelheiten, m e in t der L e se r;

allerdings, doch w ird der fröhliche G a rte n stä d te r bisw eilen ge­

zw ungen, sich m it ihnen m ehr zu befassen, als ihm lieb ist.

Von der besonderen W ic h tig k e it einer bequem en V er­

pflegung is t in den erste n A b sc h n itte n dieser B e tra c h tu n g des langen un d b reiten gesprochen w o rd e n ; w er hiervon noch n ic h t ü b erz eu g t ist, frage die H au sfrau . V ielleicht g e lin g t es ih r, seine H a rtn ä c k ig k e it zu überw inden. In dieser H in sic h t w ird eine G a rte n s ta d t den V orzug verdienen, die sich — um es k u rz zu sagen — an eine b e re its k u ltiv ie rte N achbarschaft anschließt. O ft rühm en sich die G a rte n stä d te d er bei ihnen h errschenden F re ih e it von K om m unalabgaben; e rn st und be­

d äc h tig m uß man frag en : wie lange noch?

* *

*

D ie h eu tig en G a rte n stä d te sind durchw eg P riv a tu n te r­

nehm ungen irgenw elcher T errain - oder B augesellschaften. Man d arf annehm en, daß die B e g rü n d e r n ic h t ausschließlich die F ö rd e ru n g der V o lk sg esu n d h eit bei ih re r A rb e it im A uge haben. D as an gelegte K apital soll sich auch verzinsen. D aß m an m öglichst v o rte ilh a ft abschneiden will, i s t begreiflich.

N u r d a rf dieses B estreb en n ic h t zu M aßregeln führen, die w eder der G a rte n s ta d t noch ih ren B ew ohnern n ützen. N am ent­

lich aber je n e r n ic h t; denn diese können sich se h r le ic h t vor E n ttä u sc h u n g e n h ü te n : sie siedeln sieh einfach n ic h t an, son­

dern bleiben vorläufig noch, wo sie gerad e sind. E s hieße die A nforderungen der W irk lic h k e it verkennen, w ollte m an aus der G a rte n sta d t d u rch au s eine vornehm e V illenkolonie machen (eine A r t G runew ald im kleinen), um reiche L e u te anzulocken, die u n te r sich sein wollen, un d um dadurch v o rteilh afte B oden­

geschäfte zu m achen. Das P ublikum , w elches für P ro je k te dieser A r t zu gew innen w äre, is t, sow eit B erliner V erh ältn isse in F ra g e kom m en, b ere its v e rs o rg t: sein G ebiet e rs tre c k t sich vom G runew ald w e stw ä rts nach W annsee. Gleich und gleich g e se llt sich auch h ie r n u r zu g ern , und so is t es n ic h t w a h r­

scheinlich, daß der reiche M ann sich in einem ändern V o ro rt anbauen w ird. A usnahm en, die m an h ie r und d o rt beobachtet, b e s tä tig e n die Regel. E ine G a rte n s ta d t v or den T oren B e rlin s kann n u r bestehen, w enn sie ih re A nsiedler u n te r dem bürg erlich en M ittelstän d e su c h t un d dessen B edürfnissen sow eit als m öglich entgegenkom m t. D ie E n tw ic k lu n g w ird den Beweis liefern.

F tlr die S chriftleitung v eran tw o rtlich : B a u ra t M. G u t h in B erlin W . 67, BOlowstr. 35

C arl Heym anns V erlag in B erlin W. 8, h lau erstr. 43/44 — G edruckt von Ju liu s Sittenfeld, Hofbuchdrucker., Berlin W. 8, M auerstr. 43 44 Nr. 23

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W o c h e n s c h r i f t d e s A r c h i t e k t e n -V e r e i n s z u B e r l i n

H E R A U S G E G E B E N VOM V E R E IN E

N u m m e r 2 3 a B e r l i n , M i t t w o c h , 12. J u n i 1912 V I I . J a h r g a n g

A lla R ä ch te v o ro e na lten

Entw urf zu Leitsätzen für eine Organisation der selbständigen Privatarchitekten im Yerbando Deutscher Architekten- und Ingenieur-Yereine, aufgestellt vom Architekten-Verein zu Berlin

V o rb e m o r k u n g

D e r V erein sv o rstan d i s t von der V erban d sleitu n g d urch S chreiben vom 7. M ai 1912 gebeten, eine S tellu n g n ah m e des V ereins zu dem G edanken der O rg an isatio n der P riv a ta rc h ite k te n im V erbände herbeizuführen. Die vom V orstan d e des V erbandes zu r B esprechung g e stellten allgem einen S ätze la u ten nach den M itteilungen des V erbandes, H eft N r. 57, I. Teil, S eite 329, folgenderm aßen:

I. „D as V orhandensein zah lreich er k ü n stle risc h , technisch und w irtsch a ftlic h n ic h t einw andfreier E lem ente, die sich als A rc h ite k te n bezeichnen, lä ß t cs für die akadem isch gebildeten und w irklich k ü n stle risc h tä tig e n H och b au er als geboten e r­

scheinen, sich zu r A bw ehr des vielfach schädlichen E influsses der sich u n b e re c h tig t A rc h ite k te n nennenden K reise zusaram en- zuschließen. “

II. „Die G rundlagen der das E rg e b n is eines solchen Z u­

sam m enschlusses bildenden K ö rp ersch aft w erden in e rs te r L inie w irtsch a ftlic h e sein; cs i s t aber jedenfalls anzu streb en , für den Z usam m enschluß die denkbar freieste F orm zu finden und m ög­

lic h st allen b u rea u k ra tisc h en B a lla st, w ie er den b ish er au s­

g e a rb eite te n V orschlägen zu r B ild u n g von A rch itek ten k am m ern an h a ftete , zu verm eiden.“

I II . „Im In te re s se n ic h t n u r der P riv a ta rc h ite k te n , sondern des g esam ten S tan d e s der T echniker is t es zw eckm äßig, die so geschaffene K ö rp ersch aft, falls sic sich n ic h t aus den b ereits bestehenden V ereinen dos V erbandes ohne w eiteres h e ra u s­

bildet, dem V erbände anzugliedern. S ie w ürde also nach dem V orbiido dor V erein ig u n g B e rlin er A rc h ite k te n und des V ereins D eu tsch e r A rc h ite k te n und In g en ie u re au den preußischen B a u ­ gew erkschulen zu dem V erbände in gleichem V erh ä ltn is stehen, w ie seine je tz ig e n Einzelvereine.

D ie ganze. K ö rp e rsch a ft w ird in O rtsg ru p p e n zu zerlegen sein, deren V e r tr e tu n g auf der A b g eordnotenversam m lung des V erbandes von einer M indestm itg lied erzah l a b h ä n g ig zu m achen sein w ü rd e .“

IV. „D ie B estim m ungen über die M itgliedschaft m üßten, um dem G edanken R echnung zu tra g e n , der zu r Schaffung der neuen O rg a n isa tio n fü h rt, alle E lem ente ausschlioßen, dio den A nforderungen n ic h t entsprechen, die an einen ,A rc h ite k te n 1 im S inne des akadem isch g eb ild eten , k ü n stle risc h se lb stä n d ig schaffenden T ech n ik ers zu stellen sind. Die M itgliedschaft be­

d in g t, wie u n te r I I I an g e d eu tet, die Z u g eh ö rig k e it zum V er­

bände D eu tsch e r A rc h ite k te n und In g e n ie u re .“

V. „E s is t zu w ünschen, daß den M itgliedern, dio sich durch ihre Z u g eh ö rig k e it zu dieser K ö rp ersch aft als einw andfreie A rc h ite k ten nach außen, also den B ehörden wie dom P ublikum gegenüber, ausw eisen, gew isse E rleic h te ru n g e n bei der B e h an d ­ lu n g ih re r E n tw ü rfe und B a u te n d urch die B aupolizei usw . cin- g e rä u m j w erden. A u ch könnten die B ehörden ih r K om m unal­

a u fsic h tsre c h t im In te re sse v o rzugsw eiser H eran z ieh u n g solcher A rc h ite k te n zu sta a tlic h e n und kom m unalen B a u au sfü h ru n g en g elten d m a ch e n .“

V I. „Die M itg lie d sch a ft v erpflichtet zu r A n erk en n u n g der vom V erbände herausgegebenen G eb ü hrenordnung als G rund­

lage fü r H o n o rarforderungen, ferner zu r B e o b ac h tu n g d er W e tt- b ew e rb sg ru u d sä tze und der B estim m ungen ü b er L eistu n g en zu B auzw ecken und auch so n st dazu, die A rb e ite n des V erbandes so w eitgehend w ie m öglich zu benutzen und ihnen in der O effentliehkeit z u r A n erk en n u n g zu v erhelfen.“

D or A usschuß der V erb andsabgeordneten des A .V .B ., der sich in seinen S itzungen vom 22. M ai und 3. J u n i eingehend m it der A ngelegenheit befaßt iiat, h a t dem V erein sv o rstan d e die nachstehenden L e its ä tz e ü b erreic h t und b e a n tra g t, diese dem V erein in d e r S i t z u n g v o m 17. J u n i zur A nnahm e zu em pfehlen und sie dann dem V erb an d sv o rstan d als K u n dgebung des B e rlin er A rc h ite k te n -V e re in s zuzusenden.

L e i t s ä t z e : 1. D e r A r c h i t e k t e n - V e r e i n z u B e r l i n v e r s t e h t u n t e r A r c h i t e k t d e n B a u k ü n s t l e r , d e r e n t w e d e r e i n e a b g e ­ s c h l o s s e n e a k a d e m i s c h e B i l d u n g i m H o c h b a u b e s i t z t o d e r d e n N a c h w e i s e i n e r ü b e r d a s h a n d w e r k s m ä ß i g e K ö n n e n h i n a u s r a g e n d e n k ü n s t l e r i s c h e n B e f ä h i g u n g i n d e r B a u k u n s t e r b r ä c h t h a t . O b d i e s e r B a u k ü n s t l e r d i e T ä t i g k e i t d o s A r c h i t e k t e n i n b e a m t e t e r o d e r f r e i e r S t e l l u n g a u s i i b t , i s t g l e i c h g ü l t i g .

D i e b e a b s i c h t i g t e O r g a n i s a t i o n s o l l s i c h n u r a u f s o l c h e A r c h i t e k t e n b e z i e h e n , d i e i n i h r e m B e r u f e k ü n s t l e r i s c h , t e c h n i s c h , w i r t s c h a f t l i c h u n d g e s c h ä f t ­ l i c h s e l b s t ä n d i g s i n d , a l s o a u f d i e s e l b s t ä n d i g e n P r i v a t a r c h i t e k t o n .

2. D i e s e l b s t ä n d i g e n P r i v a t a r c h i t e k t e n w o l l e n s i c h f e s t e r o r g a n i s i e r e n , u m e n e r g i s c h e r d e n K a m p f g e g e n d a s P f u s c h e r t u m u n d g e g e n d i e k ü n s t l e r i s c h , t e c h ­ n i s c h u n d w i r t s c h a f t l i c h n i c h t e i n w a n d f r e i e n , s i c h u n ­ b e r e c h t i g t A r c h i t e k t e n n e n n e n d e n E l e m e n t e f ü h r e n z u k ö n n e n . D e r A r c h i t e k t e n - V e r e i n b i l l i g t d i e s e n Z w e c k d e r O r g a n i s a t i o n u n d i s t b e r e i t , i h r Z u s t a n d e ­ k o m m e n t a t k r ä f t i g z u f ö r d e r n .

3. D i e M i t g l i e d s c h a f t i n d i e s e r n e u z u s c h a f f e n d e n O r g a n i s a t i o n v e r p f l i c h t e t z u e i n e r e i n w a n d f r e i e n G e ­ s c h ä f t s g e b a r u n g s o w i e z u r B e o b a c h t u n g d e r v o m V e r b a n d a u f g e s t e l l t e n G e b ü h r e n o r d n u n g , d e r W e t t ­ b e w e r b s g r u n d s ä t z e u n d d e r B e s t i m m u n g e n ü b e r d i e z i v i l r e c h t l i c h e V e r a n t w o r t l i c h k e i t .

4. I m S t a n d e s i n t e r e s s e l i e g t e s , d a f ü r z u s o r g e n , d a ß d u r c h d i e s e O r g a n i s a t i o n d e r s e l b s t ä n d i g e n P r i v a t ­ a r c h i t e k t e n n i c h t e i n e w e i t e r e Z e r s p l i t t e r u n g d o r B a u k ü n s t l e r e i n t r i t t ; e s i s t z u b e g r ü ß e n , w e n n b e i d o r S c h a f f u n g d e r O r g a n i s a t i o n d e r V e r s u c h g e m a c h t w i r d , d i e T r e n n u n g z u b e s e i t i g e n , d i e d u r c h d a s N e b e n e i n a n d e r b e s t e h e n d e s V e r b a n d e s D e u t s c h e r A r c h i t e k t e n - u n d I n g e n i e u r - V e r e i n e u n d a n d e r e r j e t z t s e l b s t ä n d i g e r A r c h i t e k t e n g r u p p e n v o r h a n d e n i s t . U m e i n e n Z u s a m m e n s c h l u ß a l l e r d i e s e r G r u p p e n i m V e r b a n d a n z u b a h n e n , w i r d e i n e V e r ä n d e r u n g d o r O r g a n i s a t i o n d e s V e r b a n d e s e r f o r d e r l i c h w e r d e n , d i e e i n e V e r t r e t u n g d e r e i n z e l n e n I n t e r e s s e n g r u p p e n i m V e r b a n d e r m ö g l i c h t .

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W ochenschrift des A rchitekten-V ereins zn B erlin — A nzeigenteil M ittwoch, 12. J u n i 1912

Anträge auf Erlaß eines W olmungsgesotzos

A u s den Beratungen dos H auses der A bgeordneten — 28. S itzu n g am 2. März 1912 (F o rtsetzu n g aus

P r ä s i d e n t Dr. Frhr. v. E r f f a : Zur Begründung des A ntrags der A bgeordneten Frank, L inz und Dr. W uerm oling und G enossen auf Drucksache 138 hat das W o r t der A n tragsteller, der A bgeordnete Dr. W uorm eling.

Dr. W u o r m e l i n g , A n tragsteller (Zentr.): M eine H erren, der Herr A bgeordnete v. Z edlitz hat schon m it Rocht auf einen U n ter­

schied zw ischen den beiden A nträgen, die Ihnen hier vorliegen, auf­

merksam gem acht. U nser A ntrag schließ t sich w örtlich dom Antrag an, der im vorigen Jahre von A ngehörigen der vier größten Parteien g e s te llt und von der großen M ehrheit des H auses angenom m en ist.

Er nenn t ausdrücklich auch die Industriegegenden, während dor g e g en ­ w ärtige A ntrag der Freikonservativen die lu d u striegegen d en nicht be­

sonders erwähnt und nur von den unter großstäd tisch en V erhältnissen lebenden M enschenm assen spricht. W en n man diesen A n trag lie st ohne die Ausführungen, die H err von Zedlitz oben m achte, so braucht man daraus nicht zu entnehm en, daß er die Indu striegegend en aus­

schließen w ill; denn auch in In d u striegegen d on , die nicht gerade Großstädte sind, kann es W ohn un gsverh ältnisse nach A rt dor groß­

städ tischen geben. A lso insofern is t kein w esentlicher U n terschied zw ischen beiden Anträgen. W ir leg ten W e r t darauf, den A ntrag g e ­ rade in dor Form zu stellen , in der er im vorigen Jahro hier ange­

nom m en worden ist, dam it die großen Parteien, dio sich für denselben A ntrag schon in der vorjährigen S essio n erklärt hatten, m it dom G e­

w icht ihrer Partoien auch diesm al für ihn eintreten m öchten. E in be­

sonderer Grund für uns, gerade diesen A ntrag zu wiederholen, war noch der, w eil dio Herren Freikonservativen ihrem A n trage noch eine zw eite Num m er beigofügt haben, in der sie eine U n tersu ch u n g über g eeig n ete Maßnahmen zur Schaffung städtisch en R ealkredits wünschen.

J e tz t haben sie ja wieder zunächst eine Trennung der beiden Nummern für dio B eratung beantragt. G egen eine solche U ntersuchung haben w ir an sich nichts. Aber wir glauben, die W ohnungsfrage bietet schon im übrigen gen u g Schw ierigkeiten im einzelnen, und es gen ü gt, wenn wir zunächst nur die allgem eine F rage dos W o h n u n g sg esetzes b eto n en ; denn auch hier g ilt der S a t z : In der B eschränkung z eig t sich erst dor M eister. W ir glaubten uns demnach an das halten zu sollen, was das H aus in seiner großen M ehrheit im vorigen Jahro fe stg ele g t hat.

Im übrigen bin ich m it Herrn v .Z ed litz der A nsich t, daß die beiden A n träge durchaus g eeig n et sind, von derselben M ehrheit angenom m en zu werden.

Mit R ü ck sich t auf die G esch äftslage des H au ses glauhe ich, mich einer ausführlichen Begründung unseres A ntrags enthalten zu können, um so mehr, als er sachlich ja in der H auptsache m it dom freikonser­

vativen A ntrag überoinstim m t und Horr v. Z edlitz uns seinen A n trag eben m it gew ohnter G ew andtheit kurz und schön begründet hat.

(Sehr richtig! bei den Freikonservativen.) A ber auch, wenn Herr v. Z edlitz den A ntrag nicht so schön begründet hätte, würde ich eine lange Begründung nicht für nö tig halten; als ich mir vornahm, den A n trag nicht ausführlich zu begründen, wußte ich ja noch nicht, daß Herr v. Z edlitz es so g u t machen würde (H eiterkeit), obwohl ich es natürlich bei ihm verm uten konnte. Ich halte es aber auch sachlich nicht für notw endig, einen solchen A ntrag hier ausführlich zu be­

gründen, nachdem er im vorigen Jahro hier im Hause m it großer M ehrheit angenom m en worden ist, und da die F rage der W oh n u n gs­

fürsorge und ihrer R eglung durch G esetz offenkundig nach einer bal­

digen L ösu ng gew isserm aßen schreit. Im R eich stage lie g t eine A n ­ zahl von A nträgen vor, die sogar ein R eich sw oh nu ugsgesetz verlangen, und auch in Z eitungen und L iteratur wird die W ohnungsfarge und die N otw en d igk eit eines gesetzlich en E ingreifens fo rtg ese tzt m it Nachdruck behandelt. A lso : daß die W ohn un gsfrage, zum al in den Großstädten, zur Lösung reif ist, is t wirklich so allgem ein bekannt, daß der A ntrag in dieser H in sich t keinor näheren Begründung bedarf.

Meine Herren, ich spreche nich t allein von Berlin, auch nicht mal allein von Groß-Berlin, sondern von den G roßstädten im allgem einen.

V on den G roßstädten im allgem einen w issen wir, daß viele H undert­

tausende, ja M illionen von M enschen in M ietskasernen m it traurigen Hinterhäusern und dumpfen H öfen ohne S p ielp lätze für die Kinder zu­

sam m engepfercht sind. W ir w issen w eiter, daß in diesen M iets kasernen eino große A nzahl von M enschen, auch wieder H undert­

tausende, noch dazu in übervölkerten W oh n u n gen leben. Nun kann man ja den Bogrifl „U ebervölkerung“ scharf und m ilde nehm en und müßte dabei ja auch den Luftraum des Zimmors in B etracht ziehen.

W enn man abor auch im D u rchsch nitt ein Zimmer erst bei vier oder fünf Personen übervölkert nonnen w ill, so kann man doch sagen, daß Hunderttausende im deutschen V aterland in den G roßstädten in über­

völkerten W ohn un gen leben.

W elch e Gefahren sich daraus für die körperliche G esundheit, für die S ittlich k eit, für den Fam iliensinn und für das Fam ilienleben er­

geben, darüber brauche ich auch keine w eiteren A usführungen hier zu machen. V or einigen Tagen stand in der „Sozialen P ra x is“ ein recht lesensw erter A rtikel von dem bekannten und verdienten Professor Franko über die W ohnungsfrage. Professor Franke sa g t da — und das kann mau nur unterschreiben — : wohin man auch auf dem w eiten G e­

biete der Sozialreform blicke, stoß e man immer w ieder auf das Gründ­

übel der W ohnungsfrage. Das ist eben eine F rage, die m it den ver­

schiedensten S eiten der sozialen Reform und der B esserun g auf diesem

Nr. 22a Seite 302)

G ebiete in V erbindung steh t. Nehm en wir nur das G obiet der Tuber­

kulose — ich glaube, darauf hat Herr v. Z edlitz auch aufmerksam g e ­ macht — , das G ebiet der S äu glin gssterb lichk eit, des A lkoholm ißbrauchs, das G ebiet der Fürsorgeerziehung. W ir bekommen ja jährlich von dem Herrn M inister des Innern die B erichte Uber die F ü rsorgeerzieh ung; an der Hand dieser Berichte kann man verfolgen, daß die Zahl der F ürsorge­

z öglin ge verhältnism äßig zunim m t, je größer die S tad t ist, und abnimmt, je m ehr man sich den kleineren, ländlichen V erh ältn issen nähert.

A u ch hier wieder erw eist sich das Land als der Jungbrunnen und die G roßstadt als der gefährlich ste Boden. Ich glaube also, in dieser B e ­ ziehung brauchen w irklich keine A usführungen w eiter gem ach t zu werden.

Meine Herren, w enn wir zu der F rage S tellu n g nehm en w ollen, ob man ein allgem eines W oh n u n g sg esetz schaffen soll oder ein be­

sonderes W oh n u n gsgesetz für die G roßstädte und für die großstäd ti­

schen V erh ältnisse, die ich damit verbinden w ill, so m üssen wir uns aber klarmachen, daß es v iel richtiger ist, die F rage der W olm uugs- fürsorge für die großstäd tisch en V erh ältn isse besonders zu behandeln, w eil die F rage der W ohnungsfürsorgo in der G roßstadt und die der W ohnungsfürsorge in kleineren und gar in ländlichen Verhältnissen eine ganz w esentlich versch iedene ist. (Sehr richtig! im Zentrum) M eine Herren, das Großstadtproblom is t überhaupt ein ganz eig en ­ artiges; es hat sich in der neueren Z e it allm ählich so ausgew achsen, daß man wohl sagen darf, es erhebt dräuend sein H aupt im V ater­

land s. (Sehr richtig! im Zentrum) D ie F rage einer ordnungsm äßigen R egelu n g der V erh ältn isse unseror G roßstädte is t eine K ulturfrage ersten R anges für unser Vaterland überhaupt, und in den bedauer­

lichen und schw ierigen V erhältnissen der G roßstadt sp ielt gerade dio W ohnungsfrage eine der ersten R ollen. Meino Herren, wir können unsere G roßstädte — ich spreche durchaus n ich t von B erlin allein, sondern von unsern Großstädten im allgem einen — in dor E ntw ick­

lung, die sie zu nehmon drohen, nicht so w eiter sich entw ickeln lassen.

E s m üssen gesetzlich e Garantien geschaffen w erden, um dafür zu sorgen, daß die breiten M assen in den G roßstädten n ich t etw a bloß g u te K analisation, W asser und Gas und so n stig e m oderne, bequeme E inrichtungen im H ause haben, es gonü gen auch nicht breite Straßen, sondorn es muß dafür g e so r g t werden, daß diesen breiten M assen, diesen vielen M illionen unseres V olkes, die gesu n d h eitlich en und s it t ­ lichen Grundlagen ein es natürlichen normalen L ebens für sich und ihre Fam ilien gew ahrt bleiben. (Sohr richtig! im Zentrum) U nd zu diesen Fragen geh ört eben in der G roßstadt in erster L inie dio W o h ­ nungsfrage. M eine Herren, ich bin durchaus kein Feind der G roß­

städ te, im G egenteil, ich erkenne die glänzende E ntw icklung und die Sum m e von In telligen z, m it der in den G roßstädten g earb eitet wird, durchaus au; ich gebe zu, daß die G roßstädte in unserm deutschen und hier sp eziell in unserm preußischen V aterlando große A ufgaben zu lösen haben, daß sie auch in mancher B ezieh u n g , m einet­

w egen auch in vielen B ezieh u n gen , sich bestreben, diesen A ufgaben gerech t zu werden. Aber, meine Herren, man muß doch auf der ändern S e ite auch sagen, die Fürsorge der G roßstädte is t doch — obwohl dor A ufgabenkreis der Städ te hier nach den maßgebenden B e stim ­ m ungen an sich g ese tz lich ja nicht beschränkt is t — tatsächlich w eit mehr auf die äußere Kultur gerichtet, als darauf, dio gosunden und sittlich en Grundlagen des V o lk sleb en s bei den breiten M assen zu er­

halten. (Leider! — Sehr w ahr! im Zentrum.) B ei aller A nerkennung dor V erd ien ste und der F ortsch ritte in den G roßstädten muß ich doch sagen, daß, wenn die V erh ältnisse sich so woitorontwickeln, die G roßstädte sich zu einor Gefahr für unser V aterland entw ickeln können. (Sehr richtig! im Zentrum.) Man sa g te im A ltertum : lati- fundia perdidere Romam. M eine Herren, m it solcher Gefahr brauchen wir in diesem Um fange gew iß nicht zu rechnen. W en n sich aber dio V orhältnisso der G roßstädte so w eiteren tw ick elo, dann würde man v ielleich t einm al von unserm Vaterlande sagen können: die G roßstädte sind es g ew esen , die nnser V aterland zugrunde g erich tet haben, dio die breiten M assen des V olk es z er se tzt und ins Verderben gebracht haben. (Sehr richtig! im Zentrum .) D agegen V orsorge zu treffen, muß allerdings unser ernstes Bem ühen sein, unser ern stes Bem ühen gerade besonders auf dem Gebieto dor W ohn un gsfürsorge. Ich sagte vorher, daß wir dabei einen w esentlich en U n tersch ied zw ischen Groß­

stad t und dem übrigen Lande machen m üßten. Ich glaube das au s­

reichend durch diese A usführungen über die besonderen V erh ältn isse der G roßstadt begründet zu haben.

Nun kann man ja sagen und man s a g t gew iß auch in erheblichem Um fange m it R echt, daß die W ohnungsfrage auch in den G roßstädten zum großen T eil der T ätigk eit dor Gem einden und der In teressen ten ­ kreise zu überlassen sei und auch der P riv a ttä lig k eit dabei ein w eites F eld gegeb en sei. Das is t in g ew issen Grenzen richtig und soll auch nicht a u sgesch altet werden. A ber, m eine H erren, wir haben dio E n t­

w icklung der V erh ältn isse nun so lange m it angesehen, w ir haben gesehen, daß alle B em ühungen _ unseror G em eindeverw altungen und auch die unserer P olizeiverw altungen, die die Bauordnungen erlassen, doch im großen und ganzen es nicht verm ocht haben, den M ißständen in der W ohn un gsfrage in ausreichendem Maße entgegen zu treten . (Sehr richtig! im Zentrum.) W ir kom m en also an einer g esetzlich en R eglung nich t vorbei. (F o rtsetzu n g folgt)

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