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Rechtliche Voraussetzungen für den Zugang zu Dokumenten im Archiv

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Krzysztof Persak

Rechtliche Voraussetzungen für den Zugang zu Dokumenten im Archiv

des Instituts für Nationales Gedenken

Im Betracht des in Polen geltenden Archivrechts hat das Archiv des „Instituts für natio- nales Gedenken - Kommission für die Untersuchung von Verbrechen gegen das Polni- sche Volk" [IPN] einen Sonderstatus unter den staatlichen Archiven. Einen vergleichba- ren Status haben die Archive des Sejm, des Senats, der Präsidentenkanzlei, das Zentrale Militärarchiv und das Archiv des Außenministeriums. Das heißt, diese Archive gehören nicht zum einheitlichen Verbund der Staatsarchive, die dem leitenden Direktor der Staatsarchive unterstehen (und durch ihn dem Minister für Kultur und Nationales Erbe), sondern sind unmittelbar dem jeweils zuständigen Minister wie dem Verteidi- gungsminister, dem Außenminister bzw. den entsprechenden staatlichen lnstitutioneni also dem Präsidenten, dem Sejmmarschall oder dem Senat zugeordnet. Nach dieserrl Prinzip untersteht das Archiv des Instituts für Nationales Gedenken dem Vorsitzenden des Instituts (ernannt vom Parlament), der in seiner Amtsführung von anderen staatli- chen Organen unabhängig ist.

Die allgemein gültigen Grundsätze über den Zugang zu Dokumenten in staatlichen Archiven (auch zu den Sonderarchiven) regelt das Gesetz über den nationalen Archivbe- stand und die Archive.1 Gemäß dessen Bestimmungen sind die Archivmaterialien 30 Jahre nach ihrer Entstehung kostenlos einzelnen Organisationen und Personen für wis- senschaftliche, kulturelle, technische sowie wirtschaftliche Zwecke zugänglich zu ma- chen, soweit nicht schutzwürdige Interessen des Staates oder einzelner Personen dem entgegenstehen (Art. 16 u. Art. 17). 2 Die dort geregelten Vorschriften sind die allgemei-

Gesetz vom 14. Juli 1983 über den nationalen Archivbestand und die Archive (Dz.U.

1983, nr 38, poz. 173 z p6iniejszymi zmianarni [veröff. in: Gesetzblatt von 1983, Nr. 83, Posit. 173 sowie spätere Änderungen)).

2 Das Gesetz über die nationalen Archivbestände und die Archive sieht auch die Möglichkeit eines schnelleren Zugangs der Archivmaterialien im Falle von begründeten Forderungen von Wissenschaft und Kultur vor, „ wenn keine schutzwürdigen Interessen des Staates oder von Privatpersonen berührt werden." (Art. 17, Abs. 2). Diese Frage ist bis ins Einzelne durch eine Verordnung des Ministers für Kultur und Nationales Erbe vom 13. Dezember 2000 (veröff. im Dz. U. 2001, Nr. 13, pos. 116 [Gesetzblatt 2001, Nr. 13, Posit. 116)) ge- regelt. Sie legt u.a. fest, daß „zu Archivmaterialien, die bis Ende 1989 im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Partei und sonstiger politischer Organisationen entstanden sind, in jedem Fall für die Erfordernisse von Wissenschaft und Kultur Zugang zu gewähren ist.

1, Abs. 2). Das bedeutet in der Praxis die Aufhebung der dreißigjährigenArchivsperrfriJr für derartige Dokumente. Dies gilt auch für die Akten der Polnischen Vereinigten Arbeitet- partei [PZPR].

Die Überlieferung der Diktaturen. Beiträge zum Umgang mit Archiven der Geheimpolizieien in Polen und Deutschland nach 1989, Hg. Agnès Bensussan,

Dorota Dakowska, Nicolas Beaupré, Essen: Klartext Verlag, 2004.

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ne, rechtliche Grundlage für den Zugang zu Dokumenten in allen polnischen Archiven.

Gemäß der Verfassung der Republik Polen (Artikel 37), steht das Zugangsrecht zu den Archiven gleichermaßen polnischen wie ausländischen Bürgern zu, soweit das Gesetz keine diesbezüglichen Einschränkungen vorsieht. In der Praxis kommt es sehr selten vor, daß der Zugang zu Archivmaterialien in staatlichen Archiven versagt wird. In solchen Fällen geht es in der Regel um die Geheimhaltung von Staatsgeheimnissen oder die Wahrung der Privatsphäre derjenigen Personen, auf die sich diese Dokumente beziehen.

Die durch diese Vorschriften bestehenden Einschränkungen - festgelegt in den Bestim- mungen über Geheiminformationen3 sowie personenbezogene Daten4- gelten auch für die Unterlagen im Archiv des IPN. Bei der Arbeit dieses Instituts kommt aJlerdings die Regel der 30jährigen Sperrfrist für den Zugang zu Archivunterlagen nicht zur Anwen- dung.

Das Archiv des IPN sammelt Dokumente, die in den Jahren 1939-1989 von den polnischen (kommunistischen) Sicherheitsorganen des Staates, aber auch von den Ge- heimdiensten des Dritten Reichs und der Sowjetunion erstellt wurden. Der Archivbe- stand besteht also vor allem aus Polizeiunterlagen. Unter Berücksichtigung dieser Be- sonderheit enthält das Gesetz über das IPN5 vor allem Einzelheiten über das Verfahren . der Zugänglichmachung der Dokumente und legt zusätzliche Schutzbestimmungen für die dort befindlichen Geheiminformationen und Personendaten fest. Die Vorschriften des Gesetzes über das IPN folgen dem Grundsatz /ex specialis derogat legi generali und ha- ben deshalb Vorrang vor den allgemeinen gesetzlichen Vorschriften über den nationalen Archivbestand und Archive, über den Schutz von Personendaten sowie die Wahrung von geheimzuhaltenden Informationen. In einigen Punkten ist das IPN-Gesetz rigider als die erwähnten, allgemeingültigen Vorschriften, in anderen wiederum erlaubt es libe- ralere Lösungswege. So findet z. B. der Grundsatz einer 30jährigen Sperrfrist für den Zugang zu Archivmaterialien in Bezug auf das IPN-Archiv keine Anwendung, da jage- rade die Erforschung der Tätigkeit der staatlichen Sicherheitsorgane im Zeitraum von 1939-1989 zu den Aufgaben des Instituts gehört.

Das Gesetz über das Institut für Nationales Gedenken sieht zwei grundsätzliche Ver- fahren beim Zugang zu den Dokumenten vor, die vom Ziel der Nutzung und von der Person abhängen, deren sie zugänglich gemacht werden sollen. Die erste betrifft soge- nannte „Geschädigte", d.h. „Personen, über die die Organe der Staatssicherheit absicht- lich gezielte Informationen, möglicherweise auch auf verdeckte Art und Weise, gesam-

3 Gesetz vom 22.1.1999 über den Schutz von Geheiminformationen (Dz. U. 1999, poz. 95 z p6iniejszymi zmianami) [Gesetzblatt 1999, Nr. 11, Posit. 9 5, mit späteren Änderudgen]).

4 Gesetz vom 29.8.1997 über den Schutz von Personendaten (Dz. U. 1997, nr 133, poz. 883 z p6iniejszymi zmianami [Gesetzbl. 1997, Nr. 133, Posit. 883, mit späteren Änderun- gen)).

5 Gesetz vom 18.12.1998 über das Institut für Nationales Gedenken - Kommission für die Untersuchung von Verbrechen gegendas polnische Volk (Dz.U. 1998, nr 155, poz. 1016z p6iniejszymi zmianami [Gesetzbl. 1998, Nr. 155, Posit. 1016 mit späteren Änderungen]).

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melt haben." Die zweite Vorgehensweise für den Zugang zu den Akten gilt für alle übri- gen Personen mit wissenschaftlichen, publizistischen oder sonstigen Interessen.

1. Zugang von „Geschädigten" zu den sie betreffenden Unterlagen

Jedermann hat das Recht, an das IPN die Frage zu stellen, ob er „Geschädigter" sei und gegebenenfalls einen Antrag auf Zugang zu den ihn betreffenden Dokumenten zu stel- len. Das Gesetz sieht jedoch vor, daß jemand, der von den Sicherheitsorganen des Staa- tes überwacht wurde und später Funktionär oder Mitarbeiter der Sonderdienste wurde, nicht als „Geschädigter" anzusehen ist. Ehemalige Funktionäre und Mitarbeiter der Sonderdienste können lediglich Informationen darüber anfordern, welche Dokumente sich im Archiv des IPN befinden. Darüber hinaus kann er Kopien von Dienstzeugnissen sowie Kopien von dienstlichen Beurteilungen verlangen (Art. 6, 30, 35).

Im Todesfall eines Betroffenen gehen dessen Rechte laut gesetzlicher Bestimmung auf seine nächsten Verwandten über. Das Recht auf Antragstellung haben auch Auslän- der unter der Voraussetzung, daß der Staat, dessen Bürger sie sind, in dieser Frage Ge- genseitigkeit zusichert. Die Anträge der Betroffenen müssen persönlich beim IPN oder einem seiner zehn regionalen Außenstellen gestellt werden. Bei Personen mit ständigem Wohnsitz im Ausland werden die Anträge beim zuständigen polnischen Konsulat ger stellt. Bis Ende 2002 wurden insgesamt 12.500 solcher Anträge eingereicht, von denen 1.600 bearbeitet und erledigt werden konnten. Bei etwa einem Drittel der Fälle hat sich erwiesen, daß die antragstellende Person kein „ Geschädigter" im Sinne des Gesetzes war.

Die „Geschädigten" haben das Recht, Kopien der sie betreffenden Unterlagen anzu- fordern. In den Kopien sind die persönlichen Angaben zu anderen Betroffenen oder sonstigen Personen anonymisiert (geschwärzt). AufVerlangen des „ Geschädigten" müs- sen ihm jedoch Namen und persönliche Daten der betreffenden Funktionäre der Si- cherheitsbehörden, der geheimen Mitarbeiter und anderer Personen, die Informationen über ihn gesammelt oder ihn denunziert haben, mitgeteilt werden, soweit diese eindeu- tig festgestellt werden können (Art. 31 u. 32).

Die „Geschädigten" sind nicht berechtigt, den Inhalt der sie betreffenden Doku- mente zu ändern. Sie dürfen jedoch eigene Ergänzungen, Richtigstellungen, Aktualisie- rungen, Erklärungen sowie andere Dokumente oder deren Kopien hinzufügen. Sie kön- nen ebenfalls die Rückgabe von Gegenständen fordern, die sich im Archiv des IPN be:

finden, wenn sie zum Zeitpunkt ihres Verlustes ihr Eigentum waren oder sich in ihrem Besitz befanden (z.B. Gegenstände, die bei Durchsuchungen beschlagnahmt wurden).

Das Gesetz über das IPN gewährt den „ Geschädigten" in bezug aufihre persönlichen Daten besonderen Schutz, soweit diese in den Unterlagen vorkommen. Der „Geschä- digte" hat das Recht, eine Anonymisierung (Schwärzung) der ihn betreffenden Daten zu verlangen. Diese Berechtigung ist jedoch nicht unbegrenzt und der Vorsitzende des In- stituts kann von einer solchenAnonymisierung absehen, wenn die Daten für die wissen- schaftliche Forschung von Wichtigkeit sind, wenn eine bevollmächtigte Institution der Öffentlichen Staatsgewalt um deren Weitergabe nachsucht oder auch, wenn eine andere

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Person ein berechtigtes Interesse an der Nutzung dieser Daten nachweisen kann (Art.

34). Das IPN-Gesetz sieht vor, daß sich „Geschädigte" mit einer solchen Forderung erst sieben Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, d.h. nicht vor dem 18. Januar 2006, an das Institut wenden können. Bis heute ist es noch nicht vorgekommen, daß ein „Geschädig- ter" von dieser Berechtigung Gebrauch gemacht hätte.

Weitergehende Befugnisse zugunsten der „Geschädigten" gibt es in bezug auf eine enger gefaßte Kategorie ihrer persönlichen Daten, nämlich derjenigen, die geheim- dienstlich im Zuge von operativen Tätigkeiten der Staatssicherheitsorgane gewonnen wurden. Auch wenn diese Daten aufWunsch der Betroffenen nicht der im vorigen Ab- schnitt beschriebenen Anonymisierung unterliegen, kann man durch einen Vorbehalt sichern, daß sie für einen bestimmten Zeitraum- nicht über 90 Jahre vom Datum ihrer Erhebung an - der wissenschaftlichen Forschung verschlossen bleiben. Der „ Geschädig- te" kann jedoch seine Einwilligung zum Zugang zu diesen Daten bestimmten Personen, Institutionen oder zur allgemeinen Nutzung geben. Diese Erlaubnis des „Geschädig- ten" ist jedoch nicht unbeschränkt und muß in bestimmten Fällen vor Forschungsinter- essen zurückstehen. Die Personendaten, die auf geheimdienstliche Weise im Zuge von operativen-erkennungsdienstlichen Aktivitäten der Staatssicherheitsorgane gewonnen wurden, können also auch dann Forschungsthema sein, wenn sie sich auf öffentliche Auftritte oder Betätigung der Betroffenen beziehen. Im Falle eines Vorbehalts in bezug auf solcherart Unterlagen eines „Geschädigten" können der Forschung zumindest Foto- kopien mit geschwärzten Stellen zur Verfügung gestellt werden. Ein solch hier erwähn- ter Vorbehalt kann jederzeit von dem „Geschädigten" zurückgenommen werden bzw.

im Falle seines Todes von einer beauftragten Vertrauensperson (Art. 37).

2. Genehmigung des Aktenzugangs für wissenschaftliche und publizistische Zwecke

Das Gesetz über das IPN enthält einige wenige Sondervorschriften in bezug auf die Zu-

·gänglichmachung der Unterlagen für wissenschaftliche Forschungszwecke und publi- zistische Zwecke. Die Verfahrensweise beim Zugang zu den Unterlagen für Wissen- schaftler und andere interessierte Personen ist folglich den allgemeinen Nutzungsgrund- sätzen der anderen staatlichen Archive angenähert. Das Gesetz sieht lediglich vor, daß Unterlagen, die Daten über Betroffene oder dritte Personen enthalten, nur in be- schränktem Ausmaß und ohne die Rechte von Betroffenen zu verletzen, für wissen- schaftliche Forschungszwecke genutzt werden dürfen, insoweit der Vorsitzende des IPN seine Zustimmung erteilt hat (Art. 36). Jeder Wissenschaftler, der diese Art von Unterla- gen nutzen möchte, muß sich also an den Vorsitzenden des Instituts wenden, urrl dessen Zustimmung zu erhalten, wobei er angeben muß, wie er die in diesen Dokumenten ent- haltenen Personendaten zu nutzen beabsichtigt. Wie sich erweist, sind solche eventuel- len Nutzungsbeschränkungen in erster Linie dann möglich, wenn die Absicht besteht, die gewonnenen Daten in gezielt zusammengestellten Listen aufzuführen (Datenban- ken). Dies geschieht gemäß den allgemeinen, gesetzlichen Bestimmungen über den

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Schutz personenbezogener Daten. Es gibt jedoch keine Vorschriften, die eine Beschrän- kung des Archivzugangs unter thematischen Gesichtspunkten gestatten. Da man in der Praxis bei Beginn einer Forschungsarbeit nicht absehen kann, ob ein angefordertes Do- kument Personaldaten von „Geschädigten" und Dritten enthält, werden alle Wissen- schaftler (auf besonderen Formularen) um diese Zustimmung nachsuchen. Im Fall der Einsichtsgewährung in Dokumente für Wissenschaftszwecke sieht das Gesetz über das IPN keinerlei Beschränkungen für Ausländer vor. Das Gesetz legt hingegen fest, daß In- formationen, die für wissenschaftliche und publizistische Zwecke auf der Grundlage von IPN-Dokumenten gewonnen werden, nicht für andere Zwecke genutzt oder ande- ren Institutionen zugänglich gemacht werden dürfen (Art. 44).

In den vom IPN für Forschungszwecke zur Verfügung gestellten Unterlagen werden von Amts wegen keine Personendaten geschwärzt, mit Ausnahme der Vorbehalte, die die „Geschädigten" selbst, wie erwähnt, geltend machen. Der Schutz von personenbe- zogenen Daten ist also repressiver und nicht präventiver Art und die Wissenschaftler tra- gen selbst die Verantwortung, wie sie diese Daten nutzen. Wissenschaftler haben folg- lich leichteren Zugang zu den Akten als die „Geschädigten" selbst. Es scheint, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß die letztere Personengruppe ausschließlich an Informationen interessiert ist, die sie selbst betreffen, während man dem Wissenschaft- ler Dokumente ohne Schwärzung der Namen zugänglich machen kann. Man muß aller- dings bemerken, daß das geltende Recht über den Personendatenschutz eine liberalere Nutzung solcher Daten für wissenschaftliche Zwecke vorsieht als z. B. für kommerzielle Zwecke. Nach der Auslegung durch das Amt des Datenschutzbeauftragten für Perso- nendaten unterliegen etwa Pressepublikationen oder Monographien, die Personend1- ten enthalten, nicht den vom Gesetz vorgesehenen Ausführungsbestimmungen, wenb sie diese Personendaten lediglich in ungeordneter Form bringen (dies gilt etwa für die Mehrzahl historischer Arbeiten). Hier werden eben diese Daten nicht gezielt für Daten- banken zusammengestellt. Die persönlichen Daten von bereits verstorbenen Personen unterliegen dem Datenschutz nicht.

Außerdem könnte der Zugang zu den gesammelten Dokumenten beim IPN, in ge- ringerem Umfang gleichfalls bei anderen staatlichen Archiven, auch aus Gründen des erforderlichen Schutzes von Staatsgeheimnissen eingeschränkt werden. Ein nicht unbe- trächtlicher Teil der von den kommunistischen Sicherheitsorganen erstellten Doku- mente wurde exzessiv mit Geheimhaltungsklauseln versehen. Im 1999 neu geschaffe- nen Gesetz über den Schutz von Geheiminformationen, gemäß der nun erforderlichen Anpassung des Rechtsstandes an die Anforderungen, die sich aus dem Beitritt Polens zur NATO ergeben, wurde folgende Lösung in bezug auf bereits vorhandene Dokumente gefunden: Dokumente, die nach dem 10. Mai 1990 - Zeitpunkt der Auflösung der kommunistischen Sicherheitsdienste und der Bürgermiliz sowie Errichtung des Amtes für Staatsschutz und der Polizei an Stelle vorheriger Einrichtungen - entstanden waren, behielten ihre bisherige Geheimhaltungsstufe. Für Dokumente, die vor diesem Datum entstanden waren, wie die Dokumente, die jetzt dem IPN übergeben werden müssen, sah das Gesetz vor, daß ihre Urheber resp. Rechtsnachfolger im Laufe von drei Jahren iiberprüftwerden sollen um festzustellen, ob die Geheimhaltungsklauseln in den erstell-

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ten Unterlagen weiterhin aufrecht erhalten werden müssen. Dieser Termin ist am 10.

März 2002 abgelaufen und ab diesem Datum verloren die Dokumente, die noch nicht geprüft worden waren, gemäß Gesetz ihren Geheimhaltungsvorbehalt. Dies betraf ei- nen großen Teil derjenigen Dokumente, die sich im Archiv des IPN befinden, da sie vor Abgabe an das Institut noch nicht durchgesehen worden waren.

Von dieser sozusagen automatischen Auflösung des Geheimhaltungsstatus schloß das Gesetz über den Schutz von Geheiminformationen jedoch solche Dokumente aus, welche Informationen enthielten, die gemäß den Vorschriften für immer und ewig auf- zubewahren sind. Das sind Daten zur Identifizierung von Personen, die im Zuge ihrer Zusammenarbeit für operativ-erkennungsdienstliche Aktivitäten den Sicherheitsorga- nen, den Sonderdiensten und anderen staatlichen Institutionen, die gesetzlich dazu be- rechtigt waren, Unterstützung gewährt haben (Art. 86, Abs. 3 in Verbindung mit Art.

25, Abs. 2, Punkt 2). Das maßgebende Kriterium für die Entscheidung, ob die Daten zur Identifizierung von Mitarbeitern der kommunistischen Sonderdienste weiterhin ge- heim bleiben sollen, besteht also darin, ob eine bestimmte Dienststelle die gesetzliche Befugnis zur Ausübung operativ-erkennungsdienstlicher Aktivitäten besaß. Eine ge- naue Analyse der Gesetzgebung der Volksrepublik Polen macht deutlich, daß aus- schließlich der Sicherheitsdienst und die Bürgermiliz eine solche gesetzliche Befugnis besaßen und auch dies nur in der Zeit vom 19.Juli 1983 bis zum 10. Mai 1990. Die an- deren Sonderdienste führten vorher ihre operative Tätigkeit ohne eine solche gesetzliche Grundlage durch. Daraus ergibt sich, daß die Angaben, durch welche geheime Mitar- beiter der staatlichen Sicherheitsorgane im Kontext ihrer Arbeit nach dem 19. Juli 1983 identifiziert werden könnten, weiterhin Staatsgeheimnis bleiben, wohingegen solche Angaben, die der Identifikation von Personen dienen, welche mit der Bürgermiliz oder dem Sicherheitsdienst im Rahmen ihrer operativ-erkennungsdienstlichen Tätigkeit vor diesem Datum zusammengearbeitet haben, nicht mehr geschützt sind. Infolgedessen können Dokumente der Sicherheitsorgane, die vor 1983 erstellt wurden, offengelegt werden (soweit ihre Geheimhaltungsklauseln in Einzelfällen aus besonderem Anlaß nicht aufrecht erhalten werden sollen). Einige Unterlagen aus den letzten Jahren des kominunistischen Regimes können jedoch verschlossen bleiben, wenn sie Informatio- nen enthalten, die für immer geheim bleiben sollen. Diese Umstände erschweren die Nutzung solcher Dokumente für wissenschaftliche Zwecke, wenn sie diese nicht sogar völlig unmöglich machen. Sie können den Historikern allerdings in Fotokopie zugäng- lich gemacht werden, wobei Daten, aus denen eine Identifizierung der geheimen Mitar- beiter hervorgehen könnte, geschwärzt werden.

· Dieser uneinheitliche Rechtsstand macht eine ständige, sorgfältige Überprüfung al- ler Dossiers im Archiv des IPN notwendig, ehe sie wissenschaftlichen Forschungszwe- cken zugeführt werden können. Man will ausschließen, daß sie Dokumente enthalten, die für immer geheim bleiben sollen. Nach der Durchsicht werden die zu öffnenden Do- kumente mit dem Stempel „nicht geheim" versehen sowie der Angabe der gesetzlichen Vorschriften, aufGrund derer, die in diesen Dokumenten enthaltenden Informationen automatisch ihren Geheimhaltungsvorbehalt verlieren. Die Notwendigkeit einer sol- chen Prozedur verzögert leider den Prozeß der Zugänglichmachung der Dokumente be-

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trächtlich, aber realiter erweist sich der Umfang der Einschränkungen, die sich aus der notwendigen Wahrung des Staatsschutzes ergeben, als eher gering. In einem großen Teil der operativen Akten wurden ohnehin nur die Pseudonyme der geheimen Mitarbeite~

benutzt und solche Dokumente sind nicht geheim, auch wenn sie nach 1983 entstanden sind.

Man muß jedoch bemerken, daß die gesetzlichen Vorschriften über den Schutz von Geheiminformationen, welche die Aufhebung der persönlichen Daten zur Identifizie- rung von geheimen Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes und der Bürgermiliz nach 1983 verbieten, nicht in jedem Fall bindend sind. Diese Daten könn.en nämlich einem

„Geschädigten" auf sein Verlangen hin zugänglich gemacht werden und zwar auf der Grundlage des Gesetzes über das IPN {!ex specialis), welches das Institut nicht zur Ge- heimhaltung solcher Informationen verpflichtet. Unter diesem Aspekt ist ein „Geschä- digter" einem Wissenschaftler gegenüber bevorrechtigt. Das Recht eines Geschädigten, die Identität eines geheimen Mitarbeiters der Staatssicherheit zu erfahren, der ihn aus- spioniert hat, hat dem Schutz von Staatsgeheimnissen gegenüber den Vorrang.

Dokumente, die weiterhin geheim bleiben-sei es auf Grund der Weitergeltung ihrer Geheimhaltungsklauseln oder weil sie Informationen enthalten, die für alle Zeiten als geheim zu bewerten sind-dürfen weder den Wissenschaftlern noch anderen interessier- ten Personen zugänglich gemacht werden. Sie können allerdings von der Staatsanwalt- schaft oder anderen gerichtlichen Institutionen genutzt werden, die im Besitz einer ent- sprechenden Vollmacht für die Nutzung von geheimen Informationen sind. Allerdings dürfen sie die in diesen Dokumenten befindlichen Informationen nicht in ihren Publi- kationen verwenden. Geheime Unterlagen sind auch den Mitarbeitern anderer staatli- cher Einrichtungen zugänglich, die eine entsprechende Berechtigung besitzen, etwa für dienstliche Zwecke, die u.a. mit der Ausführung des Überprüfungsgesetzes6 oder mit

dem Gesetz über die Kriegsveteranen zu tun haben. 1

Das Gesetz über das IPN sieht darüber hinaus eine besondere Art von Staatsgeheimi nissen vor, die einen Teil der Unterlagen im Archiv des Instituts betreffen. Der Präsident des Amtes für Staatsschutz (nach seiner Umbenennung 2001 der Präsident der Agentur für Innere Sicherheit) sowie der Verteidigungsminister können sich vorbehalten, daß für einen gewissen Zeitraum niemand außer bestimmten, von ihnen bevollmächtigten Ver- tretern Zugang zu diesen Unterlagen erhält, wenn dies für den Schutz des Staates gebo- ten scheint (Art. 39). Dokumente mit einem Vorbehalt dieser Art bilden eine gesonderte Geheimabteilung im Archiv des IPN und sind weder den „ Geschädigten" noch anderen Personen zugänglich, selbst nicht für Forschungszwecke. Institutsmitarbeitern, die nor- malerweise Einsicht in sonstige Geheimdokumente haben, ist hier der Zutritt verwehrt.

Da die Tatsache einer solchen Vorbehaltswahrung für Dokumente auf diese außerge- wöhnliche Art in sich bereits ein Staatsgeheimnis ist, kann man nicht mit Bestimmtheit

6 Anm. d. übers.: Das Gesetz über die Überprüfung, poln. lustracja, sieht eine genaue Prü- fung von Funktionsträgern in Bezug aufihre Tätigkeit während des kommunistischen Re- gimes der Volksrepublik Polen vor.

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sagen, wieviel Unterlagen oder welcher Art die Dokumente sind, für die dieser Vorbe- halt geltend gemacht wurde und noch wird. Es hat jedoch den Anschein, daß es sich hierbei um einen äußerst geringen Prozentsatz des Archivbestandes des IPN handelt.

Es zeigt sich, daß die grundsätzliche Schwierigkeit bei der Nutzung der Archivbe- stände des IPN für wissenschaftliche Zwecke nicht in den gesetzlichen Vorschriften liegt, die in Praxi sowieso von relativ geringer Bedeutung sind. Die Einschränkungen, mit denen der Historiker, der diese Materialien nutzen möchte, rechnen muß, ergeben sich vorwiegend aus den Grundsätzen seiner wissenschaftlichen Ethik und nicht aus ge- setzlichen Vorschriften. So betrifft z.B. der Datenschutz verstorbene Personen nicht mehr, was allerdings nicht heißen soll, der Wissenschaftler dürfe sein Wissen über die Verstorbenen mißbrauchen.

Das Hauptproblem beim Zugang zu den Akten ergibt sich aus ihrem Ordnungs- stand, (bzw. vielmehr aus ihrem ungeordnetem Zustand) sowie aus dem Mangel an ent- sprechenden Findmitteln. Die Archive der Sonderdienste - die zur Zeit vom IPN über- nommen werden - waren nicht für die Nutzung zu wissenschaftlichen Zwecken be- stimmt, sondern sollten ihnen vielmehr bei ihren operativen Tätigkeiten zur Verfügung stehen. Es fehlen daher klare archivarische Gliederungen, die den wissenschaftlichen Anforderungen der Archivare entsprechen würden. Es gibt keine Inventarlisten, die den Inhalt bestimmter Archiveinheiten beschreiben (des öfteren findet man unter einer Ar- chivsignatur mehrere, einige Dutzende oder sogar einige Hunderte von Dossiers). Ob- wohl die wissenschaftliche Bearbeitung dieses Bestandes gleichzeitig mit ihrer Übernah- me durch das IPN begann und nach und nach entsprechende Inventarkarteien jeweils schubweise in den Lesesaal des IPN-Archivs gelangen, wird die vollständige Zugäng- lichmachung dieses Aktenbestandes zweifellos noch jahrelange Arbeit erfordern.

Übersetzung aus dem Polnischen: Dr. Viktoria Pollmann

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