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Zeichnungen von Franz von Stuck : zweiundfüngzig Tafeln mit Lichtdrucken nach des Meisters Originalen

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Academic year: 2022

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Breslau Sdpltdeöriicke J7/I8 Sul. Finale: llrsuiinerstr. 27/28

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ZEICH N UN GEN VON

FR A N Z V O N ST U C K

(4)

MEISTER

DER ZEICHNUNG

HERAUSGEGEBEN VON PROFESSOR DR. HANS W. SINGER

DRITTER BAND

FRA N Z VO N STU C K

A. SCHUMANN'S VERLAG /LEIPZIG

(5)

ZEICHNUNGEN VON FRANZ VON STUCK

ZWEIUNDFÜNFZIG TAFELN MIT LICHT=

O DRUCKEN NACH DES MEISTERS □ O RIGINALEN MIT EIN ER EINLEITUNG VON PROFESSOR DR. HANS W. SINGER

A. SCHUMANN'S VERLAG/LEIPZIG

(6)

A lle Rechte, insbefondere die Oberletzungs»

und Nachbildungsredite, V orbehalten Copyright 1912 by A . Schumanns Verlag, Leipzig

Buchdruck von Radelli 'S ) Hille, Leipzig Lichtdruck von Sinfel 'S ) C o., Leipzig Titelzeichnung des Einbands von Prof. Franz Hein

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Verzeichnis der Tafeln

Studie zu „D I E S P H IN X " — Blei, Kreide, Rötel und Deckweiß auf grauem Papier, 431 :335

Studie zu „ S T E R B E N D E A M A Z O N E " <Sammlung Wiegand, Bremen) — Rötel und Kohle, 4 0 2 :4 4 0 Studie zu „P H A N T A S T IS C H E J A G D " - Kohle, ca. 4 0 0 :3 2 0

Studie zur „ K R E U Z IG U N G " — Tufche und Kreide, ca. 3 5 0 :1 6 5 Studie zur „ K R E U Z IG U N G " - Blei, 3 4 8 :3 2 5

Studie zur „V E R S U C H U N G " — Rötel und Kreide, 4 3 5 :2 4 3 Studie zum „ R I N G E L T A N Z " - Blei, 5 0 4 :3 3 8

Studie zum „ R IN G E L T A N Z " - Blei, 503 : 335 Studie zum „R IN G E L T A N Z " - Blei, 3 3 0 :2 8 2 Studie zum „ R IN G E L T A N Z " — Blei, 49 9 :3 3 1 Studie zur „ M E D U S A " - Blei und Kreide, 5 0 5 :3 3 5 Studie zum „ I N F E R N O " — Rötel und Kreide, 4 8 1 :3 0 4 Studie zum „ I N F E R N O " — Blei und Dedtweiß, 3 3 0 :3 1 5

Studie zum „ I N F E R N O " — Feder auf rötlich-grauem Papier, 3 6 4 :3 9 0 Studie zum „ I N F E R N O " — Kohle und Deckweiß auf grauem Papier, 4 1 1 :3 6 9 Studie zum „ I N F E R N O " — Kohle auf rötlich-grauem Papier, 4 1 2 :3 1 6

Studie zum „ I N F E R N O " — Rötel und Kreide auf rötlich-grauem Papier, 4 4 0 :3 8 0 Studie zu „ R I V A L E N " — Kohle, 3 5 4 :3 0 9

Studie zu „ R I V A L E N " - Kohle, 3 9 3 :3 0 2 Studie zu „S I S y P H O S " — Rötel, 2 9 8 :2 1 7 Studie zur „ D I S S O N A N Z " - Blei, 5 0 2 :3 3 3

Studie zur „ D I S S O N A N Z " — Rötel und Deckweiß auf rötlich-grauem Papier, 6 1 6 :4 7 6 Studie zur „L IE B E S S C H A U K E L " - Blei, 4 2 9 :2 0 4

Studie zur „ L IE B E S S C H A U K E L " — Blei, 4 9 7 :3 3 4 Studie zur „ L IE B E S S C H A U K E L " — Blei, 3 8 1 :3 0 5

Studie zum „ B A C C H A N A L " — Rötel auf rötlich-grauem Papier, 580 : 437 Studie zum „ B A C C H A N A L " - Rötel und Kohle, 4 6 2 :3 7 3

Studie zum „ B A C C H A N A L " - Rötel, 5 0 4 :3 3 7 Studie zu „ P A N " — Blei und Kreide, 499:301

Studie zu „P L U T O " — Rötel, Kreide und Deckweiß auf rötlich-grauem Papier, 460:391

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31 Studie zum „ F R Ü H L IN G S Z U G " - Blei, 5 0 0 :3 3 5 32 Studie zum „F R Ü H L IN G S Z U G " — Blei, 5 0 3 :3 4 0 33 Studie zum „F R Ü H L IN G S Z U G " — Blei, 5 0 3 :3 3 0 34 Studie zum „ F R Ü H L IN G S Z U G " - Blei, 5 0 5 :3 2 7 35 Studie zu „G L Ü H W Ü R M C H E N " - Blei, ca. 5 1 0 :3 0 0 36 Studie zu „G L Ü H W Ü R M C H E N " - Blei, 499 : 330 37 Studie zu „ S C H E R Z O " - Blei, 5 0 5 :3 3 7

38 Studie zu „ S C H E R Z O " — Blei, 5 0 2 :3 3 8

39 Studie zur „V E R T R E IB U N G A U S D E M P A R A D IE S " - Rötel und Kreide, 5 2 3 :2 1 9 40 Studie zum „K E N T A U R E N R I T T " - Kohle, 50 2 :3 3 1

41 Studie zum „K E N T A U R E N R I T T " — Kohle und Deckweiß auf rötlich-grauem Papier, 5 9 5 :3 4 5 42 Studie zum „ K E N T A U R E N R I T T " — Rötel, Kreide und Deckweiß auf gelhllch-grauem Papier, 234 : 414 43 Studie zum „ K A M P F U M S W E IB " — Kreide auf grauem Papier, 5 3 9 :3 9 7

44 Studie zu „ERINNyEN" — Rötel, 3 8 5 :2 6 6

45 Studie zu „ A M A Z O N E U N D K E N T A U R " - Blei, 4 9 9 :3 3 2

46 Studie zu „ S C H W Ü L E N A C H T " — Rötel und Deckweiß auf rötlich-grauem Papier, 6 0 8 :3 3 7 47 Studie zu „ S C H W Ü L E N A C H T " - Blei, 50 5 :3 3 1

48 Studie zur „ S U S A N N A " — Blei, 4 8 6 :3 2 8

49 Studie zur „ S A L O M E " — Rötel und Deckweiß, 2 3 9 :2 8 4 50 Studie zur ,-S A L O M B " - Rötel, ca. 6 0 0 :3 0 0

51 Studie: L I E G E N D E N A C K T E F R A U - Blei, 2 1 6 :2 8 4

52 Studie: H A L B A K T E I N E S L Ä C H E L N D E N M A N N E S - Blei und Kreide, ca. 4 0 0 :3 0 0

Die Originalzeichnungen zu den Nummern 2, 26, 27 und 29 befinden Geh im Befitz der Kunfthalle zu Bremen.

Die übrigen Originale hatte der Künftler felbft die Güte uns zum Zwecke der Viedergabe zur Verfügung zu (teilen.

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D a s Land der modernen Malerfüriten par excellence iit England. In den Fachzeitlehriften, wie zum Beifpiel The Studio, wird zwar von mancher Seite neuerdings darüber geklagt, daß man für A lte Meiiter, ja felhit für alte Stühle und Vafen die horrendelten Summen anlege, während der lebende Künltler fehen könne, wo er bleibe. A ber das itimmt nicht fo recht. Namendich wenn einmal der Wohlanltändigkeitsltempel der K önig*

liehen Akademie au f einen modilchen Künftler gedrückt worden iit, fo pflegen und hegen ihn die Engländer. Solche Meiiter wie A lm a Tadema, auch Leighton oder Burne*Jones, um nur drei zu nennen, haben ungeheure Preife für ihre Bilder erhalten, und von befcheidenen Anfängen find fie zu einer Haushaltungsführung gelangt, die, äußerlich genommen, mit jener irgendeines Börfenbarons wetteifern konnte. N ahm fie fich trotzdem etwas anders aus in fo einem Fall wie dem von Burne*Jones, fo lag es nur an dem angeborenen Charakter des Menlchen — nicht am M angel an Mitteln.

Ich glaube, daß es feiblt in Paris nicht derartige „Malerfüriten" gibt.

D ie großen, auch pekuniär großen Erfolge haben fich zweifellos auch dort eingekeilt. A ber es ifi immerhin ein Land, das mit Francs rechnet, gegen*

über den Pfunden Sterling in London. Und auch der gefelllchaftliche Künltler hat in Paris immer noch eine Neigung zur Ungebundenheit, zur

„Boheme", die feinem engliichen Kollegen abgeht, und der er andere auf Repräfentation gerichtete Rückfichten opfert.

Noch weniger möchte man es glauben, daß es in Deutfchland ein Künltler lediglich dank feiner Hände Arbeit zu einem derartigen Erfolg bringen könnte, daß es ihm belchieden wäre, das Anfehen eines folchen Malerfüriten zu gewinnen. Ein Beifpiel möchte ich aber doch anführen dürfen. M an wird vielleicht zunächlt glauben, ich denke an Lenbach.

A ber er ifi mir nicht typifch genug. Denn einerfeits hatte er auch eine gewifle Laxheit, die ihn nicht recht zum würdigen Vertreter der Repräfen*

tation feines Standes werden ließ. Andrerfeits aber hapert es mit „feiner Hände A rbeit". Lenbach verdankt feinen Erfolg zur Hälfte poiitilchen Gefichtspunkten: hätte ihn fodann der Zufall nicht als „Klalfiker" au f die

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deutfche Kunltbühne gefpielt, wer weiß, ob er, rein mit feinen Bildern, auf foviei Gegenliebe beim Publikum geltoßen wäre.

Die „Karriere", um das ichöne W ort zu gebrauchen, von Franz Stuck aber ilt unter uns beifpiellos. Wenn man die kurze Spanne Zeit überfieht, die den armen, in der Mühle zu Tettenweis in Oberbayern geborenen Jungen zum glücklichen Befitzer jener prachtvollen V illa auf der äußeren Prinzregentenltraße in München werden ließ, fo wird man unmittelbar an englilche Verhältnilfe gemahnt.

Ich weiß, es ilt in gewiffen Kreifen verpönt, Geldfragen inZufammen- hang mit Kunftfragen zu bringen, und man erachtet jeden, der folchen Maßltab herbeibringt, als noch unverltändiger als jene, die die Kühlt mit dem Metermaß abwerten wollen. A ber ich fehe nicht ein, welchen Zweck es hat, in unfrer fo nüchternen Zeit um die rein materiellen Gefichtspunkte mit einer übelangebrachten Scheu herumzugehen, wie die K atze um den Brei. Ich möchte ganz klipp und klar behaupten, der ungeheure, auch äußere Erfolg, den Stuck fich mit feiner Kunlt errungen hat, birgt auch in diefem Fall den Beweis ihres inneren W ertes in fich. In diefem Fall, wohl- gemerkt, denn, mag man über fein Lebenswerk urteilen wie man will, man mag es für unzeitgemäß betrachten, man mag überhaupt keine Stellung dazu finden können, eins wird Feind wie Freund zugeben mülfen, er hat nie um die Gunfi des Publikums gebuhlt. Stuck ilt nie füßlich gewefen, er war nie fentimental. E r hat nie dem faden, billigen Realismus gefröhnt, der die photographifche Treue — dasjenige, w as dem ganz ungebildeten Publikum über alles geht — auf Kofien einer freien, geiltvollen Technik befolgt. E r hat nie den unerlaubten Appell an den Patriotismus oder an die Frömmigkeit oder an das Mitleid mit der A rm ut und dem Elend er­

hoben. E r hat nie die modifchen Strömungen mitgemacht oder durch Be- arbeitung von fenfationellen Vorwürfen eine captatio benevolentiae an- gefirebt. Im Gegenteil, fein Stoffkreis ilt ein folcher, daß er von vornherein fich vor die ichwierige A ufgabe fiellte, die Vorurteile eines großen Bruche teils des Publikums, nämlich der Prüden, zu befiegen. Die Popularität, die er errungen hat, hat er gewiffermaßen trotz bedeutender Hindemiffe er­

rungen, dank lediglich und rein feiner Künltlerfchaft.

Diefe Popularität können wir um fo mehr bewundern, wenn wir be­

denken, daß fie nicht nur fo ichnell erreicht wurde, fondern daß Stuck auch keineswegs zu jenen glücklichen Naturen gehörte, die von allem A nfang an gewiffermaßen fertig find.

E s gibt eine reizende Gelchichte von Bierbaum, „K ak tu s" geheißen, über einen Maler, der „knollborltig und faltig" war und daher diefen Spitz-

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namen erhalten hatte. Diefes heran wachfende Genie geht künftlerifch zu­

grunde an dem traurigen Umftand, daß er in die moderne Zeit hinein­

geboren wurde, in der das „Entwicklungstempo" ein fo unheimlich ichnelles ift. E r malte anfangs „Oberbayerifche Bauernmädchen in einer Dorf­

kirche", in welchem W erk ein bißchen Defregger mit einer Prife M ax und einem Pfiff Leibi gemilcht war. Seine Kameraden waren zur Zeit aber ichon Pleinairifien — und hänfelten ihn. Erft fträubte er fich,* dann wurde er wütend,- endlich, nur um ihnen zu beweifen, „daß da gar nichts bei fei, daß das jeder könne", fuhr er nach Holland und kam nach einem Jahr als

•— ausgefprochener Pleinairift wieder.

Seine Freunde aber höhnten wieder: fie hatten fich mittlerweile „weiter­

entwickelt" und fchauten als unechte „G lasgow B oys" mitleidig auf den Freilichtmaier herab. Kaktus war erft fprachlos: dann verbiß er feinen Grimm, verfchwand wieder auf ein Jahr und kehrte nun ebenfalls als Nachahmer der Schottländer wieder.

E s war wieder zu fpät! D ie Freunde waren mittlerweile Pointilliften geworden. Und fo folgte ihnen der gute Kaktus nach und nach durch den Impreflionismus, Neoidealismus, Symbolismus und wie die ichönen Schlager alle heißen. Daß er immer um ein Jahr zu fpät kam, ift Bier­

baums witzige Satire. Eigentlich trifft fie die vielen „Freunde" in der E r ­ zählung, jene Münchener M aler — und nicht zu wenige gab es von diefer Sorte —, die fich in einen derartigen Ablöfungstaumel geftürzt hatten, noch mehr als den Kaktus felbft. Ihr direktes Gegenbeifpiel, kann man Tagen, war von jeher Stuck. E s haben nicht nur keine von den vielen

„ismen", die fich in der Gunft der Malercliquen gejagt haben, auf ihn ab­

gefärbt, er hat überhaupt völlig abfeits der Modelchwankungen geichaffen/

fo fehr abfeits, daß es uns ichwer geworden ift, ihm jederzeit gerecht zu werden, zum Beifpiel, wenn er fich gerade in einem Stadium der Entwick­

lung befand, das uns fcheinbar wie eine Anlehnung anmutete, weil wir es noch nicht richtig überfehen konnten.

Stuck hat als Zeichner angefangen. E r war zu Beginn der achtziger Jahre einer der Hauptmitarbeiter der Fliegenden Blätter. Sodann hat er auch anfpruchsvollere Arbeiten fchon damals unternommen, Bilder, die wohl in der ichnelleren Federzeichnungstechnik durchgeführt find, fich aber, was geiftige Durcharbeitung anbelangt, nicht vor dem Vergleich mit Öl­

gemälden fcheuen,- ich meine die Allegorien und Embleme für Gerladi und Schenk.

Eine urwüchfige Freude an derbem, lautlachendem Humor gibt bereits diefen Werken ihre N o te: fonft aber tragen fie nicht allzuviel Perfönliches

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an (ich. E s offenbart lieh in ihnen der geborene Karikaturenzeichner/ einer, der, wenn er dabei geblieben wäre, fich wohl zu dem entwickelt haben dürfte, w as in Paris fich einer befonderen Beliebtheit erfreut. D ort preift man den Zeichner, der fich in derartig extravaganten Bockfprüngen ergeht, daß die Verbindung mit der N atur nachgerade ganz aufgelöft wird.

Stuck iß nun nicht offiziell bei der Karikatur geblieben, und da feine frühe Zeichnungskunft meift mit Althergebrachtem jongliert, fomit eine ftarke, eigenartige Kraft noch nicht klar an den T ag treten läßt, fo könnten wir bald mit ihr fertig werden. A ber es iß dennoch etwas an ihr, was man nicht unbeachtet liegenlalfen darf und was uns fchon einen Fingerzeig au f den fpäteren Meifter gibt. Stuck war nicht nur bereits in diefer Früh- zeit ein äußerft gewandter, fondern ein äußerft ficherer Zeichner. M an fieht es feinen Blättern an, daß fie auf den feiten Pfeilern eines vortreff­

lichen Gedächtnilfes ftehen, auch wenn fie nichts Übernatürliches bringen.

Nixen, Meerweiber, Faune, Kentauren und anderes Fabelvolk kann ja der Künftler nicht einfach abzeichnen. Daß Stuck aber auch nicht feine gewöhnlichften Menfchen „einfach abgezeichnet" oder abgemalt hat, wird einem fofort klar, wenn man fieht, mit welcher Freiheit er fie wiedergibt, wie er in Geberde und Mimik ftets das trifft, w as er will, ohne daß man die Spuren eines Kam pfes mit dem Objekt merkt. Zweifellos find alle diefe Arbeiten überwiegend aus dem K o p f entworfen. A lfo fchon zu Beginn feines Auftretens zeigt fich Stuck unabhängig von der M ode, denn gerade zu A nfang der achtziger Jahre begann jene Münchener Strömung des fklavifchen Naturalism us, der die Künftler glücklich fo weit gebracht hatte, daß fie nicht die kleinfte Kompofition ichaffen konnten, ohne für jede Figur, für jeden A rm und jedes Bein, womöglich für jeden Finger das geduldig lange fitzende Modell vor A ugen zu haben. Stuck hingegen hat fich durch forgfame Stu d ien fein künftlerifches Gedächtnis dermaßen ge- fchult, daß er, als es endlich zur Schöpfung von W e rk e n kam, bis zu einem hohem G rade vom Modell unabhängig war

D a s heißt einfach, wenn man es fich richtig überlegt, er habe fich, praktilch genommen, gegenüber der N atu r feine Selbftändigkeit bewahrt.

G enau dasfelbe aber zeigte fich, als er mit Malereien vor die Öffentlichkeit trat. — Im Jahre 1889 ftellte er im Münchener Glaspalaft den „Wächter des Paradiefes" aus. E s war gewilTermaßen fein erftes Bild und wurde gleich mit einem Preife bedacht. D as Jahr zuvor war in München die große Schlacht geichlagen worden — in jener berühmten Ausheilung, in der Uhdes „Heilige N acht" und „Abendmahl" erfchienen — ,die der „M oderne"

den Sieg über die „A lten" gelaufen hatte. N och lange dauerten die Schar*

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mützel fort, bis endlich die „Alten“ völlig vertrieben worden waren,* aber der entlcheidende Schlag für Deutfchland, derfelbe, der die fpäteren Se=

zeffionen einleitete, war doch 1888 geführt worden. Stuck war damals einer der „Jungen“ und wehrte fich nicht etwa gegen das Mitfchwimmen im Strom. A ber es iff doch äußerft charakteriffilch, wie er ficfi zu der frifchen Bewegung itellte. E r gab den Atelierton auf, verzichtete au f alle aka- demifch klaffilchen Allüren und malte in ausgefprochener Freilichttechnik.

Damit hörte es aber auf. M it feiner Seele war er doch wo anders. S o hatte er keinen Bauernjungen oder Feldarbeiter oder Alltagsburfchen gefchaffen.

Geiftig wendete er fich von dem Naturalism us ab und fchuf eben diefen Paradiefeswächter, eine Geffalt, wie lie Menichenaugen nie fehen konnten und nie gefehen haben: daneben eine ebenfo überfinnliche Innocentia.

Wenn wir von einigen wenigen Landfchaften abfehen, fo kann man fagen, daß Stuck eigentlich nie wieder etwas gemalt hat, das auch nur bis zu dem Grade, wie diefe beiden Bilder, den Theorien und dem Ausfehen der naturaliffilchen Periode nahekam. E r merkte wohl fofort den inneren Zwiefpalt, der in eben diefen Gemälden liegt, und befand fich nun in der zweifellos unliebfamen Lage, mit dem Alten fertig zu fein, ohne noch den richtigen Anfihluß an das N eu e gefunden zu haben. D ie innere A n~

fchauung war das ffärkere Element in ihm, ohne indelfen ein fo großes Übergewicht zu befitzen, daß dabei der fich feiner felbft bewußte, zielfichere Künftler gleich zuffande kam. Zunächff fchloß er fich in faltender Weife an Böcklin an.

S o erlchien es uns wenigffens damals, obwohl man fich heute fragen kann, ob das nicht in der T at eine Täufchung war, und wir geblendet waren, fo daß wir die Flucht vor dem Tagesrealismus fällchlicherweife als Anlehnung an Böcklin auffaßten. U m von der Armeleut^ und Frei=

lichtmalerei wegzukommen, nahm Stuck bei Kentauren und Sphinxen die Zuflucht. Denen waren wir bei dem großen Bafeler Meifter off genug begegnet, und da hatte man die Verbindung fchnell konffatiert: denn im allgemeinen find die Menfchen nur zu glücklich, wenn fie das N eu e recht bald etikettieren können.

Jedenfalls haben feine Fachgenoflen in jenen Tagen dem Stuck diefes Fierausfallen aus der Linie fehr verübelt. M an erblickte in ihm einen Abtrünnigen, einen Rückfälligen, einen Antinationalen. D a s damalige Deutlchland war ganz dem Naturalism us mit Leib und Seele überant^

wortet. Der Idealismus, felbff derjenige, der fich nur auf das rein Stoffliche erffreckt, galt für transalpin. W ie ftark aber diefe Strömung war, kann man fich leicht wieder ins Gedächtnis rufen. Böcklin gegenüber wohl

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nicht, aber Stuck gegenüber hat man Fabelwefen in der Kunft fo lange als Unfinn erklären zu dürfen geglaubt, bis fich ein Kentaur oder ein Faun einmal au f einer heutigen Stadtftraße zeigen würde! M it folchem Gerede hat man Stuck abtun wollen!

Stuck ift nun fehr allmählich zu dem geworden, w as er heute ift: eine ab®

gerundete, ganz eigenartige Perfönlichkeit. E r macht es uns gewilfermaßen leicht, ihm durch die verfchiedenen Epochen feiner Entwicklung zu folgen, da es ihm beliebt, immer wieder diefelben Vorwürfe zu behandeln, und wir z. B. an den drei und mehr Fällungen feiner „Rivalen" oder „Kentauren®

ritte" den Stuck der frühen mit jenem der mittleren und fpäten Periode ver®

gleichen können.

Sein Überlchuß an Lebenskraft trieb ihm den Fabelftoffkreis in die Arm e. D ie Welt der Gegenwart, befonders jene von etwa 1885 bis 1900, die lieh darin gefällt, das Nüchterne und Verftandesgemäße zu betonen, kam diefer Geftaltungsfreude nicht entgegen. Stucks zeichnerilche Schulung trat nun ein, um ihn davor zu bewahren, mit feiner äußerlich unrealen Stoffwelt eine innerliche unwahre Kunft zu treiben. N ach und nach führt ihn diefes Stoffinterefle ganz hinüber zum Heidentum, zur griechifchen Antike. Immer mehr in eine A rt Gegenfatz zum Realismus eingelebt, konnte fich feine ganze Malerei nur in der Richtung einer großzügigen Dekoration entfalten.

Diefe künßlerilche Sehnfucht, fein W erk durchaus als Schmuck wirken zu lallen, offenbart lieh in den früheren Bildern begreiflicherweife in weniger abgeklärter Weife als in den fpäteren. E r verzichtete zunächft in faft auf®

fälliger Weife au f die Landlchaft und gab dem wenigen Beiwerk, das er anbrachte, ftark ftilifierte Formen. D ie Figuren felber wurden größer, und der griechilch werdende, immer mehr plaftilch fühlende Künftler geftaltete lie monumentaler. Seine Werke follten nicht etwas bleiben, das innerhalb des Rahmens zu genießen fei, fondern etwas werden, das beftimmte Wohn®

räume ichmücken könne: folglich arbeitete er architektonilch gegliederte Kompolitionen aus. D ie Farbe verfolgt nicht nur den Zweck, die Gegen®

ftände voneinander zu fcheiden oder fie in Licht, in Luft und in den Raum zu fetzen, fondern fie foll in fich felbft eine Zierde bilden, fo daß ein Bild im geeigneten Raum unter Umftänden fchon eine Schönheit fpendende Farben®

Wirkung hervorbringt, auch ehe der Betrachter die Einzelheiten der D ar- ftellung und der Formengebung erkennt.

D a s find im allgemeinen noch heute die Richtlchnuren der Stuckfthen Malerei. N u r wo er am A nfang die Abfichten, die er unbewußt ver®

folgte, noch betonen mußte durch mehr oder minder deutliche Hinweife,

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ift er heute feiner Meifterichaft fo ficher, daß er alles ohne jede ieifefte A b - fichtliihkeit geben kann: die künftlerifche, wirkungsvolle Dekoration kommt ficher zuftande.

E s ift auch intereffant, zu verfolgen, wie gleichfalls Stucks religiöfe Bilder ihrem Wefen nach große, fchöne Dekorationen find. Bei der Kreuzigung und der Pieta wird das Thema nicht etwa als Empfindung im Sinne Uhdes oder Gebhardts oder Steinhaufens angelchnitten, fondern nur als malerilcher Ausdruck. Nicht einmal wirklich bei der Kreuzigung, ganz und gar nicht hei der Pieta, wird der Verfuch gemacht, durch irgend»

welchen realiftifchen oder auch nur neuen Zug das Graufige in der Situation uns eindringlicher zu machen oder es irgendwie in die N äh e des Standes unferer eigenen Erfahrungen zu bringen. Für Stuck gilt die Norm ,, die die alte Kunft fefrgefetzt hat. E r fordert uns nur auf, zu fehen, wie er fich innerhalb deren Grenzen mit dem Problem malerilch abgefunden habe. Die Pieta weilt ja deutliche Anklänge an Holbein auf. A ber auch die Kreuzigung trägt nirgends einen äußerlichen Stempel des 19. Jahr»

hunderts aufgedrückt, und man kann fich wohl denken, daß fie ein um­

gewarnter Betrachter fpäterer Zeitalter recht gut in eine andere Epoche und in eine andere Schule verfetzen könnte als die, in die fie wirklich gehört.

N u n gar bei dem „Sündenfair begnügte fich Stuck mit der Kompofition, die Dürer, nach ihm die Kleinmeifier, oft genug verwendet hat. E r fucht in alte Behälter neuen W ein zu gießen, und nur die rein malerifche, deko»

rative Löfung interelfiert ihn.

Von folchen Parallelbildem — Vorbilder kann man fie gar nicht nennen — trennt Stucks Werk aber immer etwas — etwas, w as fich bei ihm überall und von allem A nfang findet, und das ich feinen Humor nennen möchte. E s ift diefer Humor nicht etwa bloß gleichbedeutend mit einfacher Lachluft oder witzigem Einfall. E r ift das Ausleben einer überfprudelnden Kraft, die den Künftler dazu zwingt, das Leben, die Realitäten der W elt nicht allzu emft zu nehmen, vielmehr immer mehr oder minder mit ihnen zu fpielen. W er es auch ift, ob Mann, ob Frau, ob Kind, die Menfchen fowohl wie die Fabelwefen, alle die Gehalten des Meifters Icheinen bewußt darzuftellen, was fie vorftellen. Sie teilen nichts von einer perfönlichen Einzelfeele mit,* fie vertreten nur Chargen. Dam it ift anders gefagt, daß fie gar nicht einmal an unfer Gefühl appellieren, fondern an unferen äfthetilchen Sinn. A lfo auch fie tragen dazu bei, die Kunft Stucks zu einem einheitlichen Kreis abzulchließen, und auch ihrerfeits kennzeichnen fie diefe Kunft als ein Trachten nach höchftem Schmuck. E s ift, als ob die Stucklchen Geftalten felbft Freude darüber empfänden, daß

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fie uns diefes und jenes fo fchön vorführen, und fie icheinen alle mitein=

ander nur bewußt an der A rt ihrer Vorführung InterelTe zu haben, nicht fo fehr an dem Inhalt.

Andere Künftler, die fich über das „Allzumenlchliche" aufgehalten haben, find bald zu bitteren Satirikern oder gar zu Zynikern geworden.

D as trifft gerade für dekorativ begabte Künltler zu, z.B. R ops und G o y a.

E s ift eine Ironie des Schickfals, daß derjenige, der fich anmaßt, über das Leben zu lachen, bald dazu gelangt, über fein eigenes Lacken zu weinen.

Stuck ift es leicht gekommen, fich vor diefer Entwicklung ~ die doch im Grunde genommen fowenig befriedigt und nichts zum Glücke beiträgt —■

zu bewahren, infolge des AnfchlulTes, den feine ganze Kunft an die Antike gewonnen hat. Der „Liebestolle Kentaur" löft ein heiteres Lachen aus, dem fich — hätte der Künftler fich an reales Menfchentum gehalten — ganz andere, unangenehme Empfindungen beigemilcht hätten. Der K am pf der Gelchlechter, bei dem das eine zum Verfolger wird, das andere höhnend Schnippchen ichlägt, verliert den leidigen Beigeichmack, wenn es durch ein Kentaurenpärchen <in dem Bild „Verfolgung") verkörpert wird. Seichtem ebenfo wie allzu ichwülem Liebesgetändel wird die peinliche Spitze ab­

gebrochen, fobald wir es nur mit Nymphen und Faunen <„Sonnenunter«

gang", „Neckerei", „Scherzender Kentaur") nicht mit Gefialten, die uns an die Wirklichkeit gemahnen, zu tun haben. Und felblt reine Sottifen, wie der „Zauberwald", laifen fich, mit diefem Mantel behängen, in die Kunlt einführen. Freilich auch nur eben wieder von einem wie Meifier Stuck, dem die Antike nur ein Schönheit entfaltender Mantel ifi, und der fich nicht etwa, archäologilch gebildet, in fie vertieft, um uns womöglich belehren zu wollen.

Dreizehn Jahre ifi es her, daß Bierbaum in der Velhagen 'S ) Klafing=»

ichen Monographienferie feinen Band über Stuck eridheinen ließ. K aum eine Seite ifi darin fo interelfant als Ausdruck der Zeit wie jene, die zu wiederholen ich mir nicht verfagen kann. Bierbaum fdhreibt: „W ir werden fehen, daß Stuck, wie es feinem künfilerilchen Wefen zwingend entfpricht, geradezu von einer Leidenfchaft für das fchöne Nackte erfüllt ifi. A u d i darin ifi er unmodern. Während das Hauptgebiet der modernen Malerei die Landfchaft und die Stimmung ifi, lockt ihn vornehmlich der nackte Menich und delfen Bewegung.

Schon in Heinfes Ardinghello ifi die Prophezeiung ausgefprochen, daß der modernen Kunfi nur eine Möglichkeit bleibe, die antike zu übertreffen/

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nämlich durch die Entdeckung der Landichaft — von dem, w as wir , Stimmung' nennen, ift noch nicht die Rede. In der Darftellung des Menfchen fei von den Griechen bereits das Höchlte geieiftet, und der mo=

derne Künftler fei überhaupt nicht imftande, diefe Höhe wieder zu ge=

winnen. Schon aus dem äußerlichen Grunde: weil er keine Gelegenheit habe, nackte Körper zu fehen, denen die Nacktheit anfteht.

Darin liegt eine große Wahrheit und wohl auch der Grund, warum felbft unfere Bildhauer den nackten Menfchen nicht mehr als den natürlichen Hauptvorwurf ihrer Kunft behandeln. Denn es ift klar: das Studium des Aktmodells ilt nur ein Notbehelf. E s fehlt die Möglichkeit, das Nackte in freier, natürlicher Bewegung und an Körpern zu ftudieren, die fich nackt natürlich zu bewegen wilTen, die durch Bewegung in frifcher Luit und durch Leibesübung ohne Kleiderbeengung die Schönheit des Nackten in fich entwickelt haben. W as hilft es, A kte ins Freie zu ftellen, Mädchen, die ohne Korfett, Männer, die ohne Stiefel kaum gehen können, und deren ganze Körperentwicklung von Jugend au f an freier Entfaltung verhindert worden ift? Ein wirklich ichöner Körper gehört ichon unter günftigeren Bedingungen zu den größten Seltenheiten — und der moderne Künftler hat nur die A usw ahl zwilchen einer belchränkten Anzahl von berufsmäßigen oder aus Gefälligkeit ftehenden Modellen. Der Grieche dagegen fah in feinen Bädern und Gymnafien und öffentlichen Spielen die Blüte der Jugend feines Volkes nackt und in der mannigfachften, fchönßen Bewegung.

Welchen anderen A usw eg gibt es da für den modernen Künftler, der fich ans Nackte wagt, als das Studium der Alten? N u r die M aler von Salonnuditäten können delfen entbehren, und diefe können es um fo mehr, als fie andere Ziele haben, als Künftler vom Schlage Stucks. Sie geben den ausgezogenen modernen Menlchen, diefer will die Schönheit des nackten Leibes aufftellen als höchftes äfthetifches Ideal, und es genügt ihm dazu nicht ichon der A kt für fich, fondern es foll der bewegte nackte Menfch fein.

Ohne Anlehnung an die Antike ift dies nicht möglich, und daraus entfpringt wohl der ,archaiftifche' Eindruck, den manche von Stucklchen Arbeiten diefer A rt empfangen. Doch ift es unrecht, diefe A rt archaiftilch zu nennen.

M an darf fie griechifch heißen — und das ift dann freilich das höchlte Lob, das man ihr fpenden kann.“

Der ganze Palfus Bierbaums (teilt eine Forderung, die wohl noch nicht erfüllt worden ift, und die vielleicht überhaupt nie glattweg erfüllt werden kann, der wir aber heute, wenngleich noch nicht einmal fünfzehn Jahre ver- ftrichen find, doch merkwürdig viel näher gekommen find.

D ie fogenannte Wefpentaille ift bei uns in Deutichland glücklicherweife

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fo gut wie verfchwunden. A u d i die Frauen, die das Korfett nicht aufgeben zu können glauben, idinüren fidi nidit mehr ein. D ie Anzahl der „Leib­

chen", die überhaupt ein fogenanntes Schnüren, dank ihrer Konltruktion, gar nicht zulafien, iit hart daran, das alte Korfett zu verdrängen. Der un=

geheure Aufidiwung, den alle Arten von Sport, auch bei den Mädchen, genommen haben, trägt feinen Teil dazu bei, diefe erfreuliche Entwicklung zu begünltigen, und wir fehen einer Zeit entgegen — hoffentlich iit fie nicht bloß eine vorübergehende —, in der der weibliche fowohl wie der männliche Körper nicht mehr von der Kleidung gequält und verdorben wird, fo daß der ichöne Körper nicht mehr in dem M aße zu einer Seltenheit gehören wird. Natürlich wird dies auf die Kunft und ihre Jünger günltig rückwirken.

A ber auch in unferem Gefühl, dem menlchlichen Körper gegenüber, zeigt fich endlich und glücklicherweife eine Wendung zum Belferen. M öge fie auch nicht etwa bloß eine vorübergehende fein! A lles Gefpött, alles Schimpfen au f fallche Prüderie nützt nichts. D ie größte Stütze der Sitte fowie der Älthetik iit die Gewohnheit. E s iit zweifellos ein großer Schritt in der Richtung zur VerbelTerung unferer fogenannten M oral, daß man jetzt überall die Hefte der „L 'E tu d e A cadem ique" für wenige Pfennige kaufen kann, daß es daneben viele andere, auch deutfche Werke gibt, in denen nackte Menlchen photographifch abgebildet werden, daßVanfelows „Schön- heit" und andere ähnliche Veröffentlichungen den Kultus der Nacktheit ver­

breiten helfen, und daß alle miteinander folche Publikationen wie „L e nu au Salon" vertreiben. Denn nicht die wahre Nacktheit, fondern die Be­

kleidung und die Halbbekleidetheit wirkt in finnlicher Weife verführerilch.

Weilt doch fchon K ant mit Recht darauf hin, daß die Urmenlchen die Be­

kleidung wahrfcheinlich angenommen haben, nur um die gefchlechtlichen Reize zu verftärken.

Derartige Begebungen haben auch endlich den Erfolg gehabt, daß wir unfere geradezu lächerliche Prüderie abzulegen beginnen und die „A k te"

von Anders Zorn oder E . R. W eiss, den „Hörfelberg" von Slevogt und dergleichen au f unferen Ausheilungen gelalfen anlchauen, bei denen uns die N atur ohne jedwede konventionelle Lüge vorgeführt wird. Selblt fo durch­

aus populäre Zeitlchriften wie „D ie Kunft für A lle" bringt diefe Bilder, w as vor 15 Jahren noch unmöglich gewefen wäre. Und unfere neuen be­

rühmten Tänzerinnen zeigen ihre Kunlt nur „in einen Schauer von Rofen- blättern gehüllt",- allerdings vorläufig noch in gefchloffenen Gefellfchaften.

Betörte, belchränkte Geiffer wetteifern ja immer noch gegen die öffentliche Vorführung. Wenn fie fich nur einmal klar werden könnten, wie kindifch, albern diefes prüde Vogelftraußfpiel vor dem Nackten fei, und wie fie gerade

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gegen die Befeftigung der Sittlichkeitsmoral, die fie zu ichützen wähnen, vergehen.

Keiner hat mehr dazu beigetragen, einem verltändigen Standpunkt in diefer Frage zum Sieg zu verhelfen, als M ax Klinger. N ie iit die Wichtig­

keit der Frage für die Kunlt belfer dargelegt, die einzig würdige Auffalfung ernfthafter vertreten worden, als in den Schlußfeiten feiner Schrift „Malerei und Zeichnung", die man dem Publikum immer und immer wieder vor­

führen muß. D a heißt es:

„D er Kern und Mittelpunkt aller Kunlt, an den fick alle Beziehungen knüpfen, von dem fich die Künfte in der weiteften Entwicklung loslöfen, bleibt der Menfch und der menlchliche Körper.

E s iit die Darftellung des menfchlichen Körpers, die allein die Grund­

lage einer gefunden Stilbildung geben kann. A lles was künftlerifch ge- fchaffen wird, in Plaftik wie Kunftgewerbe, in Malerei wie Baukunfi, hat in jedem Teil engften Bezug zum menfchlichen Körper. — W ie kann ich ein Nebending charakteriftifch vereinfacht darftellen, wenn ick die Haupt­

fache, auf die es Bezug hat, nicht charakteriftilch zu formen weiß. Wer eine Hand nicht zu bilden weiß, wird auch keine Handhabe darftellen können, ausgenommen, er fiiehlt fie anderswoher. — D a s Studium und die D ar- ßellung des Nackten find das A und das O jeden Stiles.

Und hier iit die Frage, ob die Prüderie die Schneiderei, oder diefe jene großgezogen hat. Denn es kann für jeden, der dem Höchften zu Leihenden, dem menfchlichen Körper, aufrichtig gegenübertritt, keine Frage fein, daß der ganze integere Körper ohne Lappen, ohne Fetzen die wichtigfie Vor­

bedingung einer künftlerifchen Körperentwicklung iit. E s foll damit nicht gefagt fein, daß ohne Sinn und Verband, ohne Wahl und Notwendigkeit das Nackte überall beim H aar herbeigezogen werden mülTe. A ber daß es da, wo es logifch notwendig iit, ohne fallche Scham, ohne drückende Rück- ficht auf gewollte und gefuchte Blödigkeit ganz und voll gegeben werden darf, muß gefordert werden.

Z u welchen Verirrungen und Inkonfequenzen die laufende Auffalfung führt, iit für den unbefangen Beobachtenden überralchend und demütigend.

— U ns werden von Jugend auf die Größe und Schönheit der antiken und mittelalterlichen Kunfi als Ideale aufgeftellt, wir bewundern in Deutlchland glücklicherweife auch unverftümmelt in unferen Mufeen deren Werke, dennoch wird durch die Verpönung der Darftellung und Ausheilung des Nackten in unferen Werken das energilche Studium völlig lahmgelegt. ~ Entweder find die gerühmten Meifter falfche Ideale, oder wir find nicht reif genug, ihre Schüler zu fein. N u r die Möglichkeit, das ganz und groß

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Gefühlte auch voll äußern zu können, bewegt uns zum Studium, zur A u s«

führung.

E s ift weder eine lächerliche noch eine geringfügige Forderung, die Forderung des Nachten. — D ie fichere Aufhellung einer fthlanken und fthweren M afle au f doppelten, dreifach flexibeln Grundlagen wäre für die Mechanik ein fchwieriges Problem. Dasfelhe wird hei unferem Körper noch erfthwert durch den hochgelegenen Schwerpunkt und deflen in ziem«

lichem Spielraum fehr erleichterte Verlegbarkeit. Daß die fthwierigften Punkte der Konitruktion in den Verbindungen der Träger mit Getragenem liegen müflen, ift einleuchtend. S o fpiegelt fich jede wefentliche Veränderung der oberen an den unteren Teilen, die der Bewegung erft Sicherheit ver«

fthaffen. A lle die wichtigften Konftruktions« und Bewegungsfragen des menfthlichenKörpers finden ihreLöfung im Becken und zwilchen deflen her«

vorragenden Punkten. — D ie wunderbare Kompliziertheit des Mechanismus bietet unter ftheinbarer Einfachheit verborgen die fthönften Flächen« und Formenkombinationen. Von ihrer künftlerifchen Löfung ift die Darftellung der menfthlichen Geftalt überhaupt erft möglich. Gerade diefe Stellen, die für die Arbeit des Künftlers wie für das Verftändnis des Belchauers von höchfter Wichtigkeit find, deren Konitruktion den menfchlichen vom tierifchen Organismus unterfcheidet, deren vollendete Löfung dem Kunft«

werke Einheit und Klarheit verleiht, follen wir mit den unfinnigften Lappen verdecken.

Betrachten wir die Werke der beiten Meifter, fo finden wir, befonders bei der Antike, fchlagende Beweife für das Gefagte. Sie waren Meifter des Gewandes, weil fie Meifter der Körperformen waren. W ie haben iie nun das Gew and im Verhältnis zum Körper behandelt? Ihre großartigften Schöpfungen tragen faft alle Gewänder oder Gewandftücke. Eine Anzahl Niobiden, Laokoon, Venus von M ilo, A pollo von Belvedere, Harmodios und Ariftogiton und Iphigenie mit Oreft in Neapel, um nur einige anzu«

führen. W ie tragen diefe nun das Gew and? E s läßt abfichtlich den Torfo unbedeckt. D ie Entwicklung feiner Formen entweder von einer Schulter zu den Knien, oder des ganzen Oberkörpers von der Mitte der Ober«

fthenkel ab, zeigt frei die ganze Körperfthönheit. D a s Gew and bedeckt nur folche Teile, die am Körper gedoppelt find, fo daß die wichtigften K on « ftruktionspunkte dem Befchauer keinen Zweifel über die Bewegung und die Löfung der Körperentwicklung lallen.

Der Schutz, der widerwärtig künftliche Lappen oder gar das unglaub«

liehe Feigenblatt, mit dem wir unfere, eben ihretwegen meift fchlecht kon«

zipierten, Körper bedecken müflen, zerreißen die Einheit in einen Torfo

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und in zwei einzelne Beine. E s gehört die ganze Inkonfequenz unferer geiftigen, künltlerilchen Erziehung dazu, folche armfelige Scheußlichkeit nicht als beleidigend zu fühlen.

Diefe Körperanfchauung ilt nicht die Folge des Stils, fondern umgekehrt, der Stil ilt die Folge der Anlchauung.

N u r am freigegebenen Körper entwickelt fich ein gefunder Kunftfinn.

Wollen wir diefen und gefunden Stil, fo mülTen wir gefunden Sinn genug haben, das Nackte nicht nur zu ertragen, fondern es fehen und fchätzen zu lernen. D ie wunderbare Einfachheit des menfchlichen Körpers duldet im Kunltwerk keine Künftelei,- fíe zwingt den Künftler zur Einfachheit, zum Aufgeben der kleinlichen Nebenfachen und bereitet den erfien Schritt zu einem eigenen Stil vor."

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STUDIE ZU „DIE SPÜIN*"

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STUDIE ZU „STERBENDE AMAZONE"

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STUDIE ZU „PHANTASTISCHE JAGD"

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STUDIE ZUR „KREUZIGUNG"

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STUDIE ZÜR „KREUZIGUNG"

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STVCK

STUDIE ZUR „VERSUCHUNG"

(28)

STUDIE ZUM „RINGELTANZ”

(29)

STUDIE ZUM „RINGELTANZ”

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STUDIE ZUM „RINGELTANZ"

(31)

STUDIE ZUR „MEDUSA"

(32)

STUDIE ZUM „INFERNO"

(33)

5TUDIE ZUM „INFERNO11

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STUDIE ZUM „INFERNO"

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STUDIE ZUM „INFERNO"

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STUDIE ZUM „INFERNO

1

(38)

STUDIE ZU „RIVALEN"

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(40)

STUDIE ZU „SI5 ?P H 0 S‘

(41)

STUDIE ZUR „DISSONANZ“

2

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(43)

FfcW Z.

STVcK

STUDIE ZUR „UEBESSCHAUKEL“

(44)

F R A N Z V a t J

crv<K

STUDIE ZUR „LIEBESSQHAUKEL'

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STUDIE ZUR „LIEBE55G1AUKEL'

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(46)

STUDIE ZUM „BACCHANAL"

(47)

£Tv<k

STUDIE ZUM „BACCHANAL'

2'

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MQC

STUDIE ZUM „BACCHANAL"

(49)

STUDIE ZU „PAN"

9

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Ä f e ^ B S

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4T\/(X.

STUDIE ZU „PLUTO

(51)

STUDIE ZUM „FRÜHLIN65ZUQ“

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(52)

STUDIE ZUM „FRÜHLING5ZUG"

(53)
(54)

STUDIE ZUM „FRÜHLINGSZUG“

3

(55)

Ff^NZ.

rrvc<

STUDIE ZU „GLÜHWÜRMCHEN"

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STUDIE ZU „GLÜHWÜRMCHEN

(57)

STUDIE ZU „SCHERZO'

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STUDIE ZU „SCHERZO“

(59)

S=?3A N 3~

■SrrycK

STUDIE ZUR „VERTREIBUNG AUS DEM PARADIES"

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STUDIE ZUM „KENTAURENRITT"

(61)

•STUDIE ZUM „KENTAURENRITT

4 1

(62)

r 2

gspfo*

STUDIE ZUM „KENTAURENRITT“

(63)

STUDIE ZUM „KAMPF UMS WEIB'

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(64)

STUDIE ZU „ERINNÿEN"

44

(65)

m m

STUDIE ZU „AMAZONE UND KENTAUR1

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(66)

STUDIE ZU „SCHWÜLE NACHT'

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(67)

STUDIE ZU „5G1W0LE NACHT" 4 7

(68)

+*fyV!A

crvcK

5TUDIE ZUR „5U5ANNA1

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(69)

lg

STUDIE ZUR „SftLOME“

49

(70)

STUDIE ZUR „SALOME"

(71)

STUDIE: LIEGENDE NACKTE FRAU

(72)

Fkyvrz

STUDIE: HALBAKT MANNES

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