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Die Ceremonie der Haarschur bei den Slaven und Germanen

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Academic year: 2022

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(1)

II n

B E I DEN

SLAYEN DND GERMANEN.

KEAKAU,

U N i y E R S I T A T S - B U C H D l l U C K K R E I Ge b c liii ft,ale i t e r A . M. K o s t e r k i e w i c z .

1896.

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DIE

C E R E M O N I E D E R H A A R S C H U R

BEI DEN

SLAVEN UND GERMANEN.

f S W f t M T W I

w ł l B U O T E K i P O L S O T

WE W I E M

K R A K A U .

U N I V E R S I T A T S - B U C H D R U C K B R E I G escliaftsleiter A M. K o sterk ie w icz.

1896.

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d e r A k a d e m ie d e r W i s s e n s c k a f te n in K ra k a u . Mai 1896.

3 1 . — K . P o t k a ń s k i . Postrzyźyny u Słowian i Germanów. (D ie C erem o­

nie d e r H a a r s c h u r b el d en S la r e n u n d O erm aneń).

Das erste Capitel seiner A bhandlung widm et der Ver- fasser der bei den slaviselien V5lkern tiblich gewesenen Ce­

remonie der H aarschur. D ie alteste E rw ahnung dieser Sitte findet sich in der polnischen Chronik des Gallus im X II.

Jalirliunderte. D er heidnische Polanenhcrzog Popiel veran- staltet anlasslich der K opfschur seiner Sohne ein Fest. Ebenso trifft P iast — der kiinftige B egriinder der D ynastie — Vor- bereitungen zur bevorstehenden Schur seines Sohnes Ziemowit.

D er K nabe w ird von zwei frem den Ankom m lingen, der Le- gende nacli Engeln, geschoren. Aus den tiber die H aarschu r Mieszko’s, des spater getauften Polenherzogs iiberlieferten Nach- richten sowie aus der In schrift a u f dem D enkm al Boleslaus’

des Grossen k an n m an schliessen, dass diese H aarschurcere- monie sieben Jah re nach der G eburt des Kindes stattgefunden habe. Die Quellen erwahnen iiberdies, dass bei dieser Cere­

monie dem K inde zugleich ein Name gegeben, beziehnungs- weise geandert wurde. W as die F rag e anlangt, w er die H a ar­

schur vorzunehm en pflegte, glaubt der Verf. antw orten zu miissen, dass es gewohnlich der V ater war, obzwar es auch andere Personen sein konnten, wie z. B. die H aarschur Zie- mowits beweist, welche frem de Ankom m linge, die wohl von den E ltern dazu eingeladen wurden, vollzogen haben. Die diesbeztiglichen N achrichten reichen bis ins IX ., (wenn nicht gar V III) und ins X . Jh. und finden sich bei Chronisten des X II. und X III. Jh. Auch die Inschrift a u f dem G rabdenkm ale Boleslaus des Grossen, wenngleich erst im X V . Jh. eingetra-

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gen, k an n nacli des Verfassers M einung schon aus dem X II.

Jh. herruhren. E in and eres, der Zeitfolge nach das zweite historische Zeugnis von der H aarschur ist die altslavische Legende von dem heiligen Venceslaus, die, wie es scheint, aus dem X . Jah rh . herriihrt. Zwei Texte dieser Legende er- wilhnen, dass der Bohmenherzog Y ratislaus (V ater des heiligen Venceslaus) ais die Zeit der feierlichen H aarsch ur kam , den Bischof, einlud, der dem K naben au f den A ltarstufen das H aar schor und ihm den Segen ertheilte. Es heisst, dass sich an dieser H aarschur auch die der Ceremonie beiwohnenden F ursten, wie es scbeint bohmische Stam mfiirsten betheiligt ha- ben. D ann begann der K nabe, wie es in der Legende weiter heisst, zu wachsen und w urde h ierau f dem L ehrer ubergeben.

I n welchem L ebensalter diese Ceremonie stattfand, dariiber sagt die Legende n ic h ts; aus der letzten Stelle der Be- schreibung konte m an jedoch schliessen, dass der ju n g ę H er­

zog damals noch ein recht ju nges K ind gewesen sein mag. Den bohmischen Thron b at er im achtzebnten Lebensjahre bestiegen.

U eber die H aarsch u r bei den russischen Volkern besitzen w ir ahnliche N achrichten aus dem X II. J a h rh u n d e rt; sie be- ziehen sich auch a u f ju n g ę regierende F ursten. Aus diesen N achrichten geht hervor, dass die sacrale H aarschur im zwei- te n , dritten oder vierten Lebensjahre des K indes stattfand.

Die Sitte, den ju n g en Herzog bei dieser Gelegenheit aufs P ferd zu setzen, glaubt der Yerfasser m it der, wie es scheint, norm annischen Sitte der WafFenverleihung bei den Russen in Y erbindung bringen zu miissen.

Indes, nicht n u r aus der G eschichte k an n m an iiber diese interessante Ceremonie B elehrung schopfen; es haben sich auch uberaus zahlreiche Spuren dieser Sitte in dem Yolks- aberglauben der Slaven erhalten. In Polen herrscht z. B. der A berglaube, dass dem K inde vor A blau f des ersten oder des siebenten Jahres das H a ar nicht geschoren werden diirfe.

In Bohmen w erden die H aare bis zum siebenten Jah re des K in­

des nicht geschoren. Das h at darin seinen G rund, weil m an

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glaubt, dass sonst das K ind sterben miisste, oder wenigstcns nicbt leicht das Spreoben erlernen wiirde.

Am lebendigsten h at sieli diese Sitte bei den Siidslaven, in Bosnien. Serbien, der Herzegowina und in Montenegro erhal- ten. In diesen L andern ist bis heutzutage das a u f H aarsch ur der K in der beruhende Pathenverh&ltnis b ekan nt und w ird dort noch im mer so gehalten wie das Taufpathenyerhftltnis. D er herrschenden Sitte gemass bittet der V ater des Kindes jem an- den aus seiner V erw andtschaft oder aus seinem B ekannten- kreise, an dem K inde die H aarsch ur vorzunehmen, was dieser in der traditionellen W eise vornim m t. Eine solche Bitte kan n , wie behauptet wird, nicht abgeschlagen w erden (Krauss). Man k an n auch heim lich ohne W issen der E ltern dem K inde zum erstenm ale die H aare scheeren, w odurch m an ebenfalls in ein gewisses V erw andtschafts- oder B ruderschaftsverhaltnis m it dem K inde und dessen E ltern eintritt.

W as nun die F rag e anlangt, w ann bei den Siidslaven die H aarschu r vorgenommen zu werden pflegt, so lasst sich hieftir kein fester Term in angeben. In yerschiedenen Ge- genden pflegt diese Ceremonie zu yerschiedenen Zeiten vor- genommen zu werden. Das Sauglingsalter, das yierte, funfte, sechste und sogar siebente J a h r w erden in gleicher W eise erwahnt. A u f G rund der polnischen Quellen glaubt der Ver- fasser annehm en zu konnen, dass das siebente J a h r des K in ­ des der Z eitpunkt war, fur den die meiste W ahrscheinlichkeit s p ric h t; ein anderer Term in der H aarschur w are etwa das erste oder das zweite J a h r nach der G eburt des Kindes. Aus- nahmsweise w ird auch eine H aarschu r im siebzehnten und achtzehnten Lebensjahre erwahnt, und zw ar bei den Huzulen, den Bewohnern der sudostlichen K arpaten. D a jedoch diese V olkerschaft stark m it Rum anen gem ischt ist, so besteht der begriindete Zweifel, ob in diesem F alle von einer ursprtingli- chen slayischen Sitte die Rede sein konne und ob nicht yiel- m ehr an eine rum anische E ntlehnung zu denken sei.

Das zweite Capitel dieser A bhandlung ist der sacralen H aarschur bei den G erm anen gewidmet. B ekanntlich bestimmt

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das saliscłie Gesetz eine dreim al so grosse Busse (600 solicli) filr die Todtung eines K naben vor seinem zwolften Ja b re ; ebendasselbe Losegeld w urde filr die Todtung eines ungescho- renen K naben (puer crinitus) bezahlt. D araus k an n schon au f einen Zusam m enbang dieser beiden Gesetzesartikel gescblossen werden. E in solcher Zusam m enbang hat in der T bat bestan- den, was nacbgewiesen w erden k an n au f G rund der Texte 7— 9, welebe diese beiden V orscbriften in eine zusammefassen.

Die T heilung in zwei Paragrapbe, die w ir bei den ersten secbs Texten selien (worunter sich allerdings die zwei altesten befinden) beruht a u f einer m angelhaften von einer gewissen Ungeschickliclikeit zeugenden Redaction, keineswegs a u f einem wesentłichen zwischen diesen zwei Begriffen bestehenden U nter- schiede.

W tirde w irklich ein gewisser U nterschied zwischen diesen Begriffen bestehen, so ist anzunehmen, dass die A bschreiber keineswegs zwei verschiedene Bestimm ungen in einen P ara- graph hatten zusammenfassen diirfen. A u f G rund lnevon kan n nun behauptet w erden, dass bei den G erm anen auch die H aar­

schur ais Ceremonie bestanden habe und zw ar im zwolften Lebensjahre vorgenommen wurde. A u f die H aarsch ur bezieht sich auch eine Bestimm ung des salischen Gesetzes, der zufolge einem K inde ohne das W issen und gegen den W illen seiner E ltern das H aar nicht geschoren w erden darf. D araus k an n wieder gefolgert werden, dass die Yornahm e der H aarschur ein ausschliessliches Recht der Fam ilie, beziehungsweise des Vaters ais des Fam ilienoberhauptes, war. A usser dieser ersten H aarschur gab es noch eine spatere, die im 16— 18 Lebens­

jahre rorgenom m en wurde.

Iliefiir liegen folgende Beweise vor:

L ex rom ana curiensis spricht von einer feierlichen Schur des ersten Bartwuchses. W enn es sich hiebei um einen ju n g en Herzog handelte, hatten die U nterthanen die Pflicht, dem ju n g en Herzoge Geschenke darzubringen. A uch Tacitus be- richtet in seiner G erm ania (§ 31) von den ju n g en Chatten, dass sie nach E rreichung des Jiinglingsalters (ut prim um

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adoleverint), den B art und die H aare nicht scheren, bevor sie im K riege einen Feind erlegt Iiaben. Das w ar ein krie- gerisches, wie es scheint allgemein iibliches, Geliibde. Es braucht auch durchaus nicht angenommen zu werden, dass es keine erste H aarschur gegeben habe, sondern dass man die zweite abgew artet und bei dieser Gelegenheit beide au f einmal vorgenommen habe. A u f G rund der genannten Quel- len k an n vielm ehr behauptet werden, dass dort von zwei H aarschuren die Rede ist. D ie erste heisst c a p i l l a t o r i a e , die andere b a r b a t o r i a e , welche zwei verschiedene Namen zwei verschiedenen Ceremonien entsprechen. Bei der ersten handelt es sioh hauptsachlich nm das H aupthaar, bei der an- dern um den Bartwuchs, den auch zur Zeit Chlodewigs ein zw olfjahriger K nabe gewiss nicht haben konnte.

Mit der H aarschur konnte immer die W affenertheilung verbunden sein. D a ra u f weist schon Tacitus hin sowie die Sitte, bei der Adoption durch W affenertheilung den B art an- zuschneiden.

Die deutsche F olkloristik ■ erw ahnt das Nichtscheeren der K in der bis zum siebenten Jah re und zwar aus denselben Grtinden, welche bei den Slaven massgebend waren, dass nam- lich das K ind nicht gesund w are und sich nicht entwickeln konnte, wenn an dieser Sitte nicht festgehalten wiirde. Es ist dies jedoch n u r eine vereinzelte E rw ahnung, w ahrend die altesten Rechts- und G eschichtsdcnkm aler bei den Germ anen nur eine H aarschur zum erstenm ale im 12, zum zweitenmale im 16— 18 Lebensjahre kennen.

Das dritte Capitel der A bhandlung ist Indien gewidmet.

Schon die G em einsam keit dieser Sitte bei zwei Abzweigun- gen des arischen Stammes k an n a u f die V erm uthung fiihren, dass sie eine gemeinsame Quelle haben, dass also diese Sitte eine ursprtinglich arische ist. Die In d e r haben in der T hat die Sitte der H aarschur bis au f den heutigen T ag bew ahrt.

Alle B tie h er, welche Hauscerem onien und sacrale Vor- schriften enthalten, sprechen von der Sitte der H aarschur, welche entweder im ersten oder im dritten, spatestens aber

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im siebenten L ebensjahre des K indes stattzufinden pflegte.

E inen festen Term in h at also die H aarsch u r bei den Indern nicht, es ware auch vergebliche Miihe einen solchen aufstellen zu wollen. W an n die Schur yorgenommen w urde, das hieng von dem in der betreffenden Fam ilie iiblichen B rauch sowie von der K astenzugehorigkeit des K indes ab. Eines von den Ceremonienbiichern erw ahnt dies ausdriicklich m it folgenden W o r te n : »Die Ceremonie der H aarschu r hat stattzufinden in einem Jah re nach der G eburt des K indes oder in drei Jahren; wenn das K ind der K riegerkaste angehort in fiinf Jah ren; ist es ein A ckerbauer in sieben Ja h re n «.

E s pflegte indes auch vorzukommen, dass die H aarschur bis zu dem Z eitpunkte aufgeschoben w urde, wo der K nabe die heiligen Bilcher (Yedas) zu lernen begann, in welchem F alle sie im siebenten, achten, j a sogar im elften und zwolf­

ten Lebensjahre, j e nach der K astenzugehorigkeit, gefeiert wurde. D as hiebei befolgte R itual ist sehr lang und compli- ciert. Die Hauptm om ente desselben sind die A nrufung der G otter In d ra, A gni und B rihaspati, ferner eine A nrufung des ehernen Messers ais des Zahnes des Vishnu, sowie die Beru- fung darauf, dass Sayitar die H aare des Soma und Y aruna beschnitten habe, endlich Auflegung a u f die H aare des K in ­

des des K uęagrases und schliesslich das H ineinw erfen der H aare in ein m it Stierkoth gefiilltes Gefass.

Dem K inde w erden so viel H aarstrange belassen ais V orfahren angefuhrt w erden m ussten bei der G rundung des heiligen Fam ilienherdes. Die Ceremonie nim m t in der Regel der Y ater des K indes vor, in seiner V ertretung k a n n sie auch ein B rahm ine yornehmen. Die zweite Schur findet im sech- zehnten Ja h re statt. Das R itual ist dem der ersten Schur ahnlich mit dem Unterschiede, dass jetzt nicht der Vater, sondern der Jiingling selbst sich H aare und B art beschneidet.

D as ist in K urze eine D arstellung der H aarschurcere- monie bei diesgn drei arischen Stammen. E s drang t sich jetzt die F rag e auf, welche B edeutung diese Sitte haben mochte.

D a muss nun zunachst die T hatsache auffallen, dass in

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Indien der Y ater die Sełiur yornahm , offenbar ais Priester, da er hierin von einem B rahm anen yertreten werden konnte.

Interessant ist aucłi der U m stand, dass in Ind ien die Adoption m ittels der H aarschur iiblich ist. N ach einigen indischen R echtstractaten (D attaka Mimasma) kann der Adop- tierte nicht in seiner eigenen Fam ilie geschoren werden, da er sonst.zw ei Y ater haben wurde.

Diese A nschauung ist zwar nicht ganz allgemein, sie w ird jedoch von den A nhangern der strengen Observanz getheilt.

Eine polnische Adoption erw ahnt der Chronist des X II. Jalir- hunderts Meister Vincentius. E r yertheidigt die H aarschur, wenn er auch selbst ihre heidnische H erk unft zugibt. E r be- hauptet, dass die Schur nichts anderes ais eine Adoption sei.

D er Gescliorene w ird zu einem V erw andten (nepos) des Schee- renden, die M utter w ird dagegen eine Adoptivschwester (soror adoptiva) desjenigen, der ihrem K inde die H aare abnimmt.

Die a u f der Schur beruhende G evatterschaft begrtindet bei den B alkanslaven auch eine V erw andtschaft oder wenigstens eine B ruderschaft mit den E ltern des Kindes.

Die germ anisehe Adoption durch Schur des Haupt- oder des B arthaares ist eine zu gut bekannte Thatsache, ais dass sie hier wiederholt werden miisste. Es gentigt zu erwah- nen, dass sie bestanden hat und einst sehr gebrauchlich war.

Aus der Zusam m enstellung der H aarschur m it der Adop­

tion geht nach des Verfassers M einung hervor, dass die H aar- schurceremonie eine Einverleibung des Kindes in den Fam ilien- verband bedeutete (wie z. B. in Indien), jedoch auch eine Entlassung aus dem Fam ilienverbande bedeuten und somit ein Symbol der Adoption sein konnte. Diese zwei verschiedenen Seiten der H aarschurcerem onie passen vollkommen zu einander und erganzen sich gegenseitig. U rsprtinglich diente bei allen diesen Stammen und dient auch wohl noch heute die H aar­

schur zur E infuhrung in die eigene Fam ilie. D araus ent- wickelte sich dann folgerichtig der Brauch, die H aarsch ur ais Symbol der Aufnalime in eine frem de Fam ilie gelten zu lassen.

Dies w ird noch durch die Thatsache erklart, dass m an sich

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die V aterschaft eines K indes aneignen konnte, wenn m an ołine W issen seiner E ltern an ihm die H aarschur vollzog\ Es ist dies eine E rscheinung der bekannten M aterialisierung und des Form alism us der urspriingliclien Rechtsbegriffe. Die zweite H aarschur — eine W iederholung der ersten — w ar ein Symbol der erlangten physischen Reife — wie dies k la r hervorgeht aus der germ anischen und indischen Sitte.

N un w are die E infiihrung des K indes in die Fam ilie einigerm assen naher zu bestimmen. E s ist dies keineswegs eine blosse A nerkennung des Kindes. Die Slaven und Ger- m anen haben eine Menge von B rauchen bew ahrt und die H indus haben eine Ceremonie die nach der G eburt des K indes vollzogen w ird, die sogenannte „Ceremonie des Lebens und des V erstandes“ durch welche die A nerkennung des K in­

des seitens des V aters ausgesprochen w ird. Das sind alles ursprtlngliche dem ganzen Stamme eigenthiimliche Brauche.

Solche Brauche wie z. B. dass der Name des Neugeborenen geheim gehalten w ird, die A rt und W eise der D arreichung der ersten N ahrung, der B rauch, die Lippen des Kindes mit einem goldenen Ringe oder mit Honig zu bestreichen u. dgl.

finden sich bei den H indus yollstandig wieder, w ahrend sich bei den Slaven und G erm anen n u r noch Reste der alten B rauche erhalten haben. Diese B rauche fanden gleich nach des Kindes G eburt ihre A nw endung und sollten das K ind vor der Aussetzung schiitzen. D ie H aarsch ur fand dagegen erst spater statt.

Die Aufnahm e in die Fam ilie, die also keineswegs eine blosse A nerkennung des K indes ist, bedeutet daher vor Allem die E infiihrung des K indes in die Religion der Fam ilie, dereń P riester der V ater war. D am it hangt dann zusammen der Begriff der physischen und moralischen Aufziehung. Die Ceremonien- biicher der H indus besagen, dass das K ind vor der Zalm- periode zur E rftillung der religiosen Ceremonien nicht ver- pflichtet ist, ein anderes Mai wieder, bevor es dem L ehrer tibergeben oder mit der S chnur um giirtet w ird oder endlich vor der Aufnahm e der ersten festen N ahrung. E in bestim mter

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Term in lasst sieli hieftir nicht angeben; es ist die Rede von einem Jah re, von fdnf, eilf, fiinfzehn Jahren. W ie es scheint, muss m an auch bei den heutigen H indus eine allmfthlige Ein- flihrung annehmen, w oraufeinige Bestim m ungen der Ceremonien- biicher binweisen. U nter diesen Term inen ist besonders einer von B edeutung: die H aarbeschneidung.

Stirbt ein K ind vor dieser Ceremonie, so ist es nach dem Tode durch eine N acht u n re in ; stirbt es dagegen nach der H aarbeschneidung, so dauert die U nreinheit drei Nachte, ebenso wenn das K ind stirbt, bevor es dem L eh rer tiber- antw ortet wurde. E in Zusam m enhang zwischen diesen beiden Terminen lasst sich leicht nachweisen, da es moglich war, die Vornahm e der Haarschurcerem onie bis zu der Zeit aufzuschie- ben, wo das K ind den U nterricht begann. U brigens weist schon die indische Adoption au f einen Zusam m enhang der H a a r­

schur m it der E infiihrung in die Fam ilienreligion liin. Nach der Yornahm e der H aarschurcerem onie w ar nam lich eine Adoption aus dem G runde nicht mOglicli, da sonst das K ind an zwei Hausreligionen theilnehm en w urde, was unmoglich w ar, da es m it dem Zwecke der Adoption, sich einen Nachfolger, der den Vorfahren Opfer bringen konnte, zu sichern, im W iderspruch stand.

U rspriinglich hat es keine U nterw eisung in den Vedas gegeben, da der Bram anism us noch nicht entw ickelt war. Die H aarschurcerem onie ist dagegen alter, obgleich sie in den Rig- Vedas nicht erw ahnt wird. Es geht dies aus ihrer allgemeinen V erbreitung bei anderen arischen Viilkern hervor. Es weist auch d arau f hin die auffallende Analogie zwischen dem in- dischen H aarbeschneidungsrituale und yerschiedenen aber- glaubischen Brftuchen der Slaven und Germ anen, wie z. B.

der bei den B alkanslayen erhaltene B rauch, die H aare nach der Schur a u f ein Diingerfeld zu w erfen (Medaković), der Glaube, dass das K ind nicht g u t und schnell reden lernen wiirde und die A nrufung des B rihaspati, der bei den H indus der Gott der Rede ist und endlich das Gras Kuęa. H ieher gehort auch die Bem erkung des Meisters Yincentius, dass bei

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der H aarschur Ziemowits aus seinen H aaren H alm e gefallen seien. D as alles sind Beweise dafiir, dass nicht n u r die H aar- schurcerem onie an sich, sondern auch ein Theil des hiebei in A nw endung kom m enden R ituals ein altes arisches' E rbe ist und sich in alter Zeit in irgend einem gem einsamen U rsitze des arischen Stammes herausgebildet hat.

H ierau f untersucht der V erfasser die F rage, in welche Lebenszeit des K indes diese urspriingliche H aarbeschneidung wohl gefallen sei. Es gibt zwei solche wichtigere m it physio- logischen V eranderungen zusam m enhangende Zeitpunkte in dem Leben des K in d e s: die erste Zahnperiode in der Zeit vom siebenten Lebensm onat bis ungefahr zu anderthalb Jah ren und ferner der Zahnw echsel im siebenten Lebensjahre. Die Rigyedas enthalten Gebete fiir die Zeit, wo die K inder die ersten Zahnchen bekommem. A uch die L ithauer begelien feier- lich das E rscheinen der ersten Zahnchen und selbst bei nicht arischen Volkern findet sich diese Sitte. E s ist dies ein w ichtiger A ugenblick im Leben des K indes, verbunden mit K rankheiten, welche die M enschen au f einer niedrigen Cultur- stufe fiir ein W e rk der bosen Geister halten, die zu dieser Zeit das K ind heimsuchen.

Die mit dem Zahnen haufig yerbundenen Kram pfe werden im mer fiir ein W e rk des bosen Geistes gehalten, von welchem das K ind heimgesucht wird.

Nach den A nschauungen der prim itiven V olker werden, wie dies der V erfasser in einem der spateren Capitel naher asfiihrt, die Nagel, Zahne und H aare ais etwas Verwandtes zusammengefasst. Ubrigens konnte, auch von diesem Zusammen- hange abgesehen, ein Ablosungsopfer von den H aaren des Kindes dargebracht werden. E in solches H aaropfer ist bei den verschiedensten Volksstammen des E rdkreises ungem ein ver- breitet, so dass es auch hier leicht in A nw endung kom m en konnte. Mit dem Term ine von sieben Jah ren steht w ieder im Zusam m enhang der Zahnwechsel un d , was besonders inter­

essant ist, eine stślrkere Zunahm e des Gehirnes. In diese Zeit inochte eben die E infuhrung des Kindes in den Fam iliencultus

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fallen. D ieser Cultus beruhte a u f der den verstorbenen Ahnen dargebrachten V erehrung, denen m an urspriinglich diese A b­

losungsopfer brach te, und eben in diesen Cultus der Ahnen w urde der K nabe eingeftihrt.

Bei einigen slavischen Yolkern (den Kroaten) lassen sich auch Spuren nachweisen, dass a u f diese Zeit auch die Sitte fiel, dem K inde die N abelschnur abzuschneiden (Jagió), was durchaus nicht gegen das Hausopfer spricht, da j a sowohl die H aarschu r ais auch die N ebelschnurabschneidung zusammen erfolgen konnten. In diese Zeit fallt bei den P arsen, also bei A riern, die sogenannte No-zudfeier. Nach dem Zend-Avesta w urde sie sieben Jah re und dre': Monate nach der G eburt des Kindes begangen, also zu einer Zeit, wo das K ind, wie das heilige Buch sagt, das Bć5se von dem Guten zu entscheiden lernt. Die E rfah ru n g belehrte somit, dass in diese Zeit ein w ichtiger Moment der geistigen E ntw ickelung des Kindes M it. Diese parsische F eier bestand in einem R einigungsbade sowie in dem U m binden einer heiligen Schnur, worin sie der bram anischen Initiation ahnlich ist.

Die Rom er kannten auch den Term in von sieben Jahren ais das E nde des K indesalters (infantia). Die nordischen Y olker k annten ihn auch ais den Abschluss der physischen H eranziehung. So lassen sich nam lich die V orschriften iiber die bis zu diesem Term ine yerpflichtende V erantw ortlichkeit der E ltern im Falle der Nichtbeaufsichtigung des Kindes er- klaren. U brigens lassen sich auch bei den Slaven Spuren des Glaubens nachweisen, dass bis zum siebenten Jah re das K ind den Einfliissen des Zaubers m ehr ausgesetzt gewesen sei. Ein ungetauft verstorbenes K ind unterliegt, nach den weissrus- sischen und polnischen A berglauben, n u r bis zum siebenten Jah re der Gewalt des bosen Geistes, nach dem siebenten Jah re bittet es schon selbst Jem anden um die Taufe. Mit dieser Be- w ahrung des K indes vor dem Einflusse des Zaubers hangt zusammen die Namengebung, beziehungsweise die A nderung oder B ekanntm achung des Namens. Yon diesen zwei Term inen hat sich bei den H indus sowie bei einigen slavischen Y olkern

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der einjahrige Term in erhalten, aus dem sieli dann der zwei- und dreijahrige Term in etw ickelt hat. D er Zusam m enhang ist hier schon offenbar loser geworden, indem m an die urspriing- liche Sitte nicht m ehr verstand. Bei denselben V olkern besteht auch der siebenjahrige Term in, der nach des Verfassers Meinung urspriinglich und m ehr principiell ist, so dass ein- zelne indische Geschlechter und einige slavische Stamme bei

demselben beharrten.

Zwei gleichbedeutende und analoge Ceremonien flossen somit in eine zusammen, indem sich entw eder die H aarschur in dem ersten K indesalter erhielt, in welchem Falle die spa- tere unterblieb, oder um gekehrt, die spRtere bew ahrt w urde, withrend die erste ausser U bung kam .

Aus demselben salischen Gesetze geht hervor, dass die germ anische, genauer gesagt die frankische H aarschur, mit dem ersten M iindigkeitstermine zusammenfiel. Von dieser Zeit an, das heisst vom zwolften Jah re angefangen, gilt das ftir den Erw achsenen festgesetzte Losegeld, nicht der dreifache Betrag wie vordem. D er K nabe ist nun auch vor dem Ge- richte verantw ortlich und erhalt zugleich alles, was ihm bei der Schur gegeben w urde, ais Eigenthum .

Die F rage, wie dieser zwolfjahrige m it der ersten Mtin- digkeit verbundene germ anische Term in m it dem sieben- jahrigen Term ine in E inklang zu bringen ware, beantw ortet

nun der Y erfasser in folgender W e is e :

E s ist durchaus nicht nothig, das sacrale Abschneiden der H aare im zwolften Jah re a u f den siebenjahrigen Termin zurtickzufuhren, obgleich auch hier der schon vom Verfasser erw ahnte aberglaubische B rauch des deutschen Volkes ais Angriffspunkt dienen konnte, der h ier jedoch tibergangen werden soli. Die historischen Quellen, welche den zwolfjahrigen Term in erwahnen, sind sehr alt und spiegeln sehr entlegene Y erhaltnisse ab. Die Feier, mit der im siebenten Jah re das Aufziehen des Kindes begangen wurde, konnte sehr wohl zum A usgangspunkt fiir die A nschauung dienen, dass die H aar- schur mit dem ersten M iindigkeitsterm ine yerkntipft sei. Ein

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principieller Gegensatz zwischen cłiesen zwei Begriffen besteht niclit und k an n nicht bestehen. D er zwolfjahrige Term in ist eben der Term in der ersten M llndigkeit bei vielen arischen Yolkern, — tibrigens konnte auch die H aarschur in Indien bis zum zwolften Jah re aufgeschoben werden, nam lich zu dem Zeitpunkt, wo der K nabe dem L ehrer iiberantw ortet w urde.

Es hangt dies, wie es scheint, zusamm en m it dem Umlegen der Schnur, urspriinglich des Schamgiirtels, aus dem der Ver- fasser die spater unter den K leidern getragenen rituellen Schnure herleitet. D en U bergang von einer Sitte zur anderen kan n m an noch beobacliten bei den Bewohnern der A ndam a- nischen Inseln, zum Theil auch bei den W eddas a u f Ceylon.

Einige V olker (Indonesier) pflegen eben in diesem (dem zwolften) Jah re den K naben m it einem solchen Giirtel um- zugtirten unter gleichzeitiger Namengebung. Die H inaus- schiebung der H aarschur vom siebenten bis zum zwolften Jah re konnte somit sehr friih erfolgen u nter dem Einflusse des Begriffes der Scham haftigkeit, so frtih dass sie zu den al- teren B rauchen der arischen V olker gezahlt w erden diirfen.

E s bleibt noch die B artschur. Diese konnte sich, wie der Verfasser glaubt, unter dem Einflusse der alteren H aar­

schur ausbilden. D er spater erscheinende B art m usste ebenso wie das H aupthaar den G ottern gewidmet werden, — wie wir dies bei den liom ern sehen. Die Sitte der B artschur konnte sich auch herausbilden unter dem Einflusse der A nschauung, das B arthaar nicht zu scheeren ais ein K riegsgeliibde oder endlich unter dem Einflusse des M iindigkeitsbegriffes, m it dem sich wieder die physisclie Reife verbindet. Das M ittelglied konnte hier gerade die germanische im zwolften Jah re statt- findende H aarschur sein. A u f diesen parallel laufenden W egen hat sich ohne Zweifel die B artschur bei den arischen Volkern ausgebildet. Es kan n hier allgemein die Rede sein von Volkern dieses Stammes. Ausser den Germ anen und In d ern (die sla- vische Schur ist unsicher) kannten sie ebenfalls in dieser Be- deutung die Griechen und auch die Romer. Die sogenannten Trojaspiele der K naben, die in Rom gefeiert w urden, sind,

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welche m it der Besehneidung des H aupt- und B arthaares ver- bunden war. Ebenso w ar den K elten die H aarsch ur bekannt ais Symbol der Grossjahrigke.it. Nach Vornahm e der feier- lichen H aarschur erhielt da der K nabe das Recht, an dem Stammesvermogen theilzunehm en.

E s lasst sich nicht nachweisen, ob in dem heidnischen Polen sowie bei den russischen V olkerschaften im X II. Jah r- liundert die H aarschur der M adehen tiblich war, dagegen be- zieht sich die H aarschur bei den Siidslaven, so wie der sla- vische Volksglaube, auch a u f das weibliche Geschlecht. Die Germ anen pflegten den M adehen bis zu ihrer Y erheiratung die H aare stehen zu lassen, w orauf das longobardische Recht direct hinweist. Die H indus endlich begehen auch die H aar­

schur der Madehen, jedoch ohne Gebete und ohne A nrufung der Gotter. Die H aarschu r der F rau e n hieng davon ab, ob sie dem religiosen V erbande ihrer Fam ilie oder erst dem ihres Mannes an g e h o rten ; sie k a n n ubrigens m it dem Begriffe der U nterw erfung unter die Gewalt des Mannes im Zusammen- hange stehen. U brigens glaubt der Verfasser nicht, dass hiebei der Moment der Entstellung eine Rolle gespielt habe, da j a auch nach ihrer V erheiratung bei yerschiedenen arischen V olkern die F rauen lange H aare tragen durften, die sie nur zu bedecken pflegten.

D en zweiten Theil seiner A bhandlung widm et der Yer- fasser der H aarsym bolik in ihrem Verhaltnis zur H aarschur.

D ie T h atsac h e, dass kurze H aare ais eine Beeintrachti- gung gelten, lange dagegen eine ehrenyolle Auszeichnung sind, ist sehr wohl bekannt. Es gentigt an die H aare der Meroyinger, der heidnischen Sueyenftirsten, der yandalischen und ostgotischen Konige zu erinnern. F reie tru gen lange un- beschnittene H aare, wogegen die Sclaven sich das H aar kurz schneiden mussten. D ie hohen Strafen, die in slavischen (ser- bischen und russischen) und m anchen germ anischen Gesetzen fiir die Beschadigung der H aare bestim m t waren, beweisen zur Geniige, dass es sich hiebei nicht um blosse B eschadigung

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des Leibes handelte, sondern yielm ehr — wie w ir beute sagen wiirden — um eine Ehrenbeleidigung. Aus diesem G runde unterlag noch im X II I. Jahrh underte in einigen Gegenden D eutscblands das Abscbneiden der H aare einer gerichtlichen Strafe, und im X II. Jahrhunderte hat in U ngarn eine ahn- liche Sitte bestanden, wo sie eine slayische oder eine fran- kische E ntlehnung war. D as Beschneiden der H aare konnte auch das Ergebenheitsverhaltnis bezeichnen. In Polen z. B.

herrschte im X V . und X V I. Jahrhund erte die Sitte, dass den Gerichtsboten von den W ojewoden ais ihren Vorgesetzten die H aare beschnitten w urden, was eben das Untergebenen- verhaltnis ausdrucken soli t e ; ebenso bedeutete bei den Kelten tonsuratus soviel ais nativus, dh. H origer. E s ist leicht zu begreifen, dass die Adoption durch H aarabschneideń sich mit dieser ganzer Symbolik gut vereinigen lasse. D riickt j a die Adoption doch auch eine U nterw erfung aus, die aus dem Be- griff der viiterlichen Gewalt hervorgeht, der sich eben der Adoptierte unterw erfen musste. Dieses Y erhaltnis konnte dann allgem einer gefasst werden, so dass die H aarbeschneidung auch ein weniger inniges Verh;iltnis, j a auch ein gewohnlicher F reundschaftsverhaltnis sym bolisieren konnte. Schw ieriger ein- zusehen ist der Zusam m enliang der H aarsch ur selbst m it der Symbolik, da ja der sieben- und besonders der zwolfjahrige K nabe, der vom V ater durch die H aarschur dem Religions- yerbande einverleibt w urde, eben dadurch bis zu einem ge- wissen G rade der vaterlichen Gewalt entzogen, somit gewisser- massen m tindig wurde.

Diese Schw ierigkeit ist indes nach des Verfassers An- sicht m ehr eine scheinbare ais eine w irkliche. Zunachst tiber- wog hier der U m stand, dass dies ein den G ottern darge- brachtes Opfer w a r; — es konnte somit hochstens davon die Rede sein, dass es sich hiebei lediglich um eine U nterw erfung unter den gottlichen W illen handelte.

Das Opfer hatte- urspriinglich neben der U nterw erfung auch eine andere Seite. D erjenige, der das Opfer darbrachte, pflegte nam lich in ein innigeres Y erhaltnis zu der Gottheit zu

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treten. D er G rundsatz: „do ut des“ w ar bei jedem Opfer massgebend. D erjenige, der ein Ablosungsopfer braelite. das heisst den G ottern etwas von sich opferte — in diesem Falle die H aare — erhielt dafiir etwas von den G ottern, er ent- fernte von sich ihren Zorn, dass heisst er tra t zu ihnen in ein innigeres V erhaltnis. Von dieser A nschauung fuhrt ein w eiterer S chritt zu der A nerkennung, dass ein Solcher iiber- haupt der Gottheit naher stehe ais andere, dass er von der M acht der G otter etwas fiir sich erlangt liabe. Einige V 5lker haben j a sogar die zu Opfer bestimmten K riegsgefangenen fttr eine heilige Sache erk lart (die M exikaner), wie dies auch noch heute der F ali ist.

Das aus Tacitus und Gregor von Tours bekannte ger­

m anische Kriegsgeliibde, sich die H aare nicht abzuschneiden, bevor m an einen F eind im Kriege getodtet (C h atten ; 6000 den Sueven Rache schworende Sachsen), be weist, dass diese Leute, die so die T apferkeit und W affengluck erflehten,. sich zw kr unter den Schutz des Kriegsgottes stellten, ihm jedoch dafiir naher sein mussten ais Andere. Das w ar fiir sie nicht entw iirdigend, da j a diese Sitte einen sacralen C harakter hatte.

E in Opfer in ahnlichem Sinne konnte auch die H aar­

schur sein. Man sieht auch daraus, dass sowohl das Stehen- lassen der H aare, um sie schneiden zu konnen, ais auch die A bschneidung derselben ein Opfer bedeutete. E s bildete sich die A nschauung heraus, dass sowohl derjenige, der die H aare schon den G ottern ais Opfer dargebracht, ais auch derjenige, der sich H aare belialten hat, um sie spater zu opfern, in ein innigeres V erhaltnis zu den G ottern getreten sei. Die all- m&hlige E ntw ickelung dieser A nschauung kan n m an noch am folgenden romischen A berglauben ziemlich gut e rk e n n e n : Z u r See w aren die H aare dem N eptun geweiht, sie durften jedoch nicht geschnitten w erden; erst beim A usbrechen eines Sturmes wurden sie von den Reisenden den G ottern dargebracht. Die a u f der See Reisenden liessen sich daher lange H aare stehen, um sie in einem wichtigen und gefahryollęn Augenblicke dem

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Meeresgotte opfern zu konnen. E ine entfernte Analogie hiezu konnten Beispiele aus einer hoheren religiosen Sphare liefern.

Die Tonsur der katholischen (auch der buddhistischen und agyp- tisehen) P riester ais Symbol der Gottergebenheit, k ann dasselbe bedeuten wie die langen H aare d er P riester der orientalischen K ir che, — was iibrigens der V erfasser n u r nebenbei bem erkt.

Das Stehenlassen der H aare konnte auch eine andere Quelle haben, — wie m an tiberhaupt in der Sociologie zur E rk laru n g einer gewissen E rscheinung keineswegs eine einzige U rsachen gruppe heranziehen soli. Die arischen G otter haben lange H aare, der Rig-Veda spricht von den goldenen H aaren der Sonne, In d ra und Sayistar sind goldhaarig, auch die H aare Apolls kannten, wie die G riechen sagten, keine Scheere. Mit der E ntstehung von Konigs- und Priestergeschlechtern kam unzweifelhaft auch das Moment auf, dass diese hervorragenden Geschlechter be- miiht waren, ihre H erkunft von den G ottern herzuleiten und somit nach ihrem Vorbilde sich das H aar stehen zu lassen.

Dem Beispiele der F iirsten und der P riester folgten dann auch Andere. D as lange H aupthaar w urde so allm ahlig das Symbol einer hohen A bstam m ung, spater des freien Standes.

Das Fehlen der H aare konnte dagegen wenn die H aarbeschnei- dung nicht etwa einen sacralen C harakter hatte, ais eine Beein- trachtigung, ais ein Zeichen der Sclaverei gelten (Vgl. was Ta- eitus von den Chatten sagt). D er V erfasser hat schon d arau f auf- m erksam gemacht, dass im indischen R ituale sich der V ater au f die H aarschur der G otter beruft, die daher auch eine symbolische H andlung sein konnte. D er prim itiye Mensch stellt sich zwar die Gotter so vor, wie er selbst ist, und iiber- trag t au f sie seine Begriffe, aber er unterliegt doch ihrer E inw irkung. Die Gotter bestehen fiir ihn in W irklich keit, sie sind ihm der ererbte Glaubenscomplex. Sie sind jedoch keines­

wegs eine blosse W iederholung des Menschen, sie sind viel- mehr deswegen Gotter, weil sie etwas von den Menschen Ver- schiedenes sind, indem sie entw eder m enschliche Eigenschaften in hoherer Potenz oder solche besitzen, die den Menschen abgehen. Das alles tru g dazu bei, dass der Mensch die Gotter

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der A starte u. a. m.), sich vielleicht anfanglich ganz ausserlich assimilierend.

E s ist dem V erfasser nicht gelungen, die Bedeutung dieser H aarschur der arischen Gotter zu erklaren (am leich- testen liesse sich ein Zusam m enhang m it den Sonnenstrahlen herstellen), er glaubt jedoch, dass auch dieser U m stand zu erw ahnen w a r , da er auch d arau f einen Einfluss haben konnte, dass die indische H aarschur kein Symbol der De- m iithigung war.

Schon die Thatsache, dass bei den arischen V olkern die H aare eine so w ichtige Rolle spielten, fuhrt uns au f die Yer- muthimg, hierin eine m it andern Volkern gem einsame E r- scheinung zu sehen. D as weist hinw iederum d arau f hin, dass fur den prim itiven Menschen die H aare eine andere Bedeutung haben m ussten ais heute, was der Y erfasser zu beweisen sucht, indem er den D enkprocess bei einem W ilden, soweit dies m oglich ist, reproduciert. Die Ideenassociation geht bei diesem anders vor sich ais bei uns. E r operiert m ehr m it con- creten Vorstellungen, w eniger mit allgemeinen Begriffen, aus- serdem hat bei ihm jede Vorstellung einen stark er m ar- kierten Geftihlston ais bei uns. D am it hangt zusammen die Tendenz, die Vorstellungen zu m aterialisieren und Bilder und Symbole hervorzubringen, etwa wie des Lucretius Simulacra rerum, jedoch subiectiv aufgefasst, sowie eine grossere Bewe- glichkeit und W illkiir in Associationen, die oft au f G rund von ganz anderen gemeinsamen M erkmalen einer anderen Synthese und Elimination vor sich gehen. Diese Beweglichkeit beruht a u f der leichten A blosbarkeit von yerschiedenen Vor- stellungsgruppen, welche dadurch ihre U nabhangigkeit und sogar ein A rt Sonderleben erlangen.

W om it konnten nun a u f diese W eise die H aare asso- ciiert w erden? D er V erfasser glaubt a u f G rund von Steinens W e rk iiber die brasilianischen In d ian er sowie a u f G rund von anderen Quellen annehm en zu konnen, dass die H aare mit dem Lebensbegriff associiert wurden. Zunachst musste ihr von

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dem W achsthum des tibrigen Kiirpers verschiedenes W achs- tbum auffallen. Dasselbe lasst sich auch von den Nageln und zum Theile auch von den Zalinen sagen. Die Zalme wachsen zweimal und fallen dann aus, die H aare and ern ausserdem ibre F arb ę und erhalten sich nach dem Tode am langsten.

D as konnte den prim itiven Menschen veranlassen, in ihnen den Sitz der Seele zu sehen, —- vielmehr einer von den Seelen, da die Seele nicht sogleich ais einheitlich gedacht wurde. W egen dieser geheimnisvollen Eigenschaften konnten eben die H aare ein Ablosungsopfer bilden, indem so der Mensch einen Theil von sich hingab, statt sich ganz zu opfern.

Die vom K órper getrennten H aare verloren auch nicht die F ahigkeit ihres gewissen Sonderlebens. Deswegen dienen sie zum Zaubern. W er sie hatte, hatte zugleich einen Theil des betreffenden Menschen, dem er nun auch schaden k o n n te; er gewann eine gewisse M acht iiber ihn.

Zuletzt weist der V erfasser hin au f eine ganze Reihe von Brauchen, m ittels welcher das K ind oder der Jiingling in den Stammes- und O pferverband aufgenommen wird. Diese bei verschiedenen Yolkern verschiedenen B rauche konnen an und fiir sich verschiedener H erkunft sein, — sie konnen sogar urspriinglich etwas wesentlich anderes bedeutet haben, was d er V erfasser ganz unerortert lasst, da er sich begniigt, die Thatsache festzustellen, dass sie alle in einer gewissen Periode der sociologischen E ntw ickelung Symbole der Aufnahm e in den Stam mesverband, des Aufhorens des K indesalters und der physischen Reife wurden. Hiebei spielen die H aare eine liervorragende Rolle. Hiezu tru g wesentlich bei der Um stand, dass die H aare, ahnlich wie die Tatow ierung innerhalb eines Stammes das Geftihl der Zusam m engehorigkeit herausbilden konnten. Davon zeugen die yerschiedenen oft sehr compli- cierten Sitten, die H aare zu tragen.

In eine zweite Association konnten die H aare m it den Pflanzen treten, ferner mit Baumen, G rasern, Vogelfedern.

D er brasilianische In d ian er hat ein einziges, W o rt zur Bezeich- nung der H aare, Pflanzen und Federn. Die Sonnenstrahlen ver-

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gleicht er mit den rothen Papageifedern. A ber auch ohne Ver- m ittlung dieses M ittelgliedes k an n es zu einer Identificierung der Sonnenstrahlen m it den goldenen H aaren kommen, bei den rothhaarigen oder blonden A riern noch leichter ais bei an­

deren Racen. Diese A nschauung fuhrt die H aare in die My- thologie ein, und verleiht ihnen einen sacralen m it dem Pflanzencultus und m it den Sonnenm ythen verknupften Cha­

rakter.

Endlich fiigt noch der Verfasser hinzu, dass der Um- stand, w er die E infiihrung vornahm, von der A rt des Stammes- biindnisses abhangig war. Im Falle des Clanverhaltnisses nim mt der ganze Clan an der E infiihrung theil, bei m atriarchalisch organisierten Volkern der Onkel oder ein anderer Angeho- riger der Fam ilie der Mutter. Bei V olkern m it entwickeltem Agnatenverhftltnis nim m t diese Ceremonie der Y ater, friiher der P atriach, vor. So hat es sich bei den arischen Volkern yerhalten, welchen der V erfasser in erster Linie seine A rbeit widmet.

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