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Deutsche Volksbildung, Jg. 5. Februar 1930, H. 3.

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Academic year: 2022

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deuHEbe Volksbildung

HannsvonGumppenbergzum Geöächtnis

Zum-AsMk«J Februariyzo

Zweimonatsschrist,herausgegeben

vom

BayerischenVolksbildungsverband Merlag

von

R.Oldenbourg

s

München

undBerlin

JährlichM.z.— EinzelheftM.o.75

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Bayerischer VolksbildungH-Verband, gegk.1906

DemLandesverband für freie VolksbildunginBayernangeschlossen.

Geschäftsstelle: München,Neuhauserstr. 51X0(Altc Akad.), Fernruf93982.

Postfcherkkonto4330.

Ehrenvorsitzender: Geheimrat Prof.Dr.Georg Kerschensteiner.

1.Vorsitzende: Staatsminister a.D.Dr.ErnstMüller (Meiningen)und General- intendant Clemens Frh.v.Franckenstein, Bayer. Staatstheater.

Stellv.Vorsitzende: Univ.-Prof. Dr.Alexanderv.Müller undFabrikbesitzerDr.

Robert Riemerschmid, München.

Gefchäftssiihrender Vorstandsmi: Die Vors. und Oberlandesgerichtspräsident Hahn,Nürnberg,jur. Beirat,Univ.-Prof.Dr.Kaup,Bürgermeisteri. R.Dr.Mainer, Bankdirektor Reuschel, Schatzmeister, HauptlehrerRiegel, Schristführer, Oberregie-

ZinægsgtErh.v.Stengel, OberlehrerDr.Strehler, Bayr.Lehrerverein,Hauptlehrer

. . al.

Abteilungen: 1.VolkstümlicheTKunstpflege; Münchener Opernbühne:

HauptlehrerWahl, Vors.derLandesstellefür VolksbildungdesBayr.Lehrervereins, Harlachingerstr. 38; Tel.42567;Postscheckkonto23077.

.- 2.Volkstümliche Buchpflege: DieHauptlehrerEll, Scherlund Dr.Prestel, (Südd.Lehrerbücherei,Rosental7,Tel.20869; Prof. Junkert, Pasing.

Z.Körperliche undstaatsbürgerliche Erziehung: Grafv.Luxburg, Dr.Ger- traud Wolf, M.d.L., Oberstudienrat Dr.Kemmer, München, Gabelsbergerstr 41, Dr.DoraRohlfs, Sportärztin.

4.Bildende Kunst;Wanderkunstausstellungen:Oberlehrer Freytag,München Winthirschule. LichtbilderundLehrfilme:OberlehrerBuckler.

5.Volkstümliche Heimatpflege: Dr.OttoMainer, München, Leopoldstr.27.

Arbeitsgcmeinschaften bestehen a)mitderGemeinschaft»Freundederbildenden Kunst 1928«;b) fürdasWanderbüchereiwesen mit derBeratungsstelle fürVolks- büchereienanderBayr.Staatsbibliothek, München,Ludwigstr. 23, o) fürdiePflege des

Kultur- und Spielfilms mitderBayer.Landesfilmbühne, München, Franz-

Joseph-Str.41,Tel.36 04 26.Leiter:Dr.Joh. Eckardt,cl)fürWanderlehrgänge mit derVolkshochschule München (DirektorBohl).

Prcfsebeirat:Hauptschriftleiter BüchnerundDr.Mündler,Prof. P.N.Coßmann, dieSchriftleiter P. Ehlers, C.Freund, K.Frieß, L. Lade,Hans Mater, A.Noelte, Chicago,Dr.O. v.Pander, KarlRabe, W. v.Schramm,H·Stahl, Dr.W.Zentner.

Großer Votstandsrat: BürgermeisterDr.Bauer, Landsberg;Ministerialrat Dr.

Bauerschmidt; RundfunkintendantDr.v.Boeckmann; Reg.-Schulrat Bogenstätter;

Staatsminister a.D.Dr.v.Brettreich, Rotes Kreuz;Oberstudiendirektor Bürger, Ludwigshafen,M. d.L.; Prof. Büttner; DirektorA.Element (Südd. Konzertdirektion);

MinisterialidrektorDr.Das ch;Stadtrat Deisenberger, B.Sängerbund; Regierungs- direktor Eymann, Beamtenbund; Stadtrat Fiehler; Geh. JustizratProf. Franken- burger; Prof.Dr. v.Frauenholz; L.Frühauf,D.H.V;. Prof. Oscar Graf; Dipl.- Jng.Groll, Lindau; Dr.v.Halt; GeheimratHammerschmidt, D.Sängerbund;

Landtagsvizepräsident Hartmann; Dr.M.Hartig, päpstl. Hausprälat; Staatstheater- direktor K.Heydel; OberstudienratDr.Hilpert, M.d.L.; Geh-K.Rat Kammerecker;

Reichsbahnpräsidentv.Käß,Direktor A.KlingMch.Volksbildungsverein,Studienrat Knörl,Eichstätt;DekanLangenfaß; Prof.Dr.Leisewitz;Sanitätsrat Dr.Luncken- bein, Ansbach;SchulratMeyerhöfer, Fränk. Sängerbund,Nürnberg; Oberstudien- direktorP fla nz,Augsburg, Schw.Sängerbund: Ministerialrat Pöv e rlei n; Generaldirektor Dr.Riedner, DeutscherSprachverein; Geh.K.-Rat Rückl; Prof. Dr.Rothenbücher, AbtSchachleiter; HauptlehrerScherbauer; Oberregierungsrat Schultheiß; Ober- postdirektion;Oberlehrerin Späth,ErlangenzRedakteur Städele, M. d.L.; Buchhändler. Steinicke; Dr.Stieve, deutscher GesandterinRiga;Dr.Stingl, Reichsministera.D.;

Stadtrat NikolausStolz, Landesgewerberat; Direktor KarlThiemig; DirektorThoma, Landgemeinden;OberlehrerDaniel Winkle, Augsburg; Frh.v.Witzleben, V.D.A.;

Prof. Wüchner, Turnerbund; Oberstudienrat Dr. Wührer; Stadtschulrat Weigl, Limberg;Stadtrat KarlWeiß, München; PräsidentDr.Zahn;MinisterialratDr.Ziegler.

(FortfetzungS.22.) 2

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Deutsche Volksbildung

NachrichtenblattdesBagerischenMolkebilbungsverbanbes

Schriftleitung: Dr.KurtTrampler,München, Galeriestr.löJIILFernruf:29292.

5.Zaljrgang z.Heft

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FebruarIyzo

Hanns von Gumppenberg.

VonDr.Karl Hei-ele.

Hanns von Gumppenberg isteiner von den Prominenten inder

»Literatur-Revolution« der neunzigerJahre gewesen. Als er anfing, sich schöpferifchzubetätigen,war aufdemGebiete desDramas derKlassizismus Herrder Situation. Die klassische Form war bisindiekleinstenDetails analysiertund damit nachderAuffassungderZünftigendasGeheimnisder dramatischenWirkung restlos enthüllt.Man brauchtenur alleden Großen abgeguckten Finessen aufdieeigenenArbeiten anzuwenden. Wahre Monstra

an Seichtheitnnd Oberslächlichkeitwurden indieWelt gesetzt,Stückevon einer unglaublichen inhaltlichenDürftigkeit; Formspielereien wurden als welterschütternde Ereignisse ausposaunt. Eine ganze Generation war bei dieser Produktionsteril geworden. Dakamderjunge Nachwuchs,und der lehnteesab,ölige Perioden zudrechseln,gereimte Phrasen zuschmieden und sichininhaltlosem Pathos zuerschöpfen.ErsahdasIdeal inder naturechten ErfassungderMenschenund inderfrischen Abschilderungblut- warmen Lebens. Jndiesem Bestreben liegt zweifelloseingesundes Gegen- gewicht.Nurhatdiejunge Dichtergenerationüber dasZiel hinausgeschossen und das WesendesNaturalismus verkannt. Erkann nie Kunstprinzip sein, so brauchbareralsKunftmittel ist,weiler,beivorsichtigem Gebrauch, die Lebensechtheit erhöhtund die Wirkungdramatischer Vorgänge auf derBühne unterstützt. Theaterbleibt immer Theater,und auch photogra- phischeNaturtreue kann daraus nicht wirklichesLebenmachen. Gumppen- berg hatdasschonimBeginnederganzen Bewegungerkannt. Jnseinen Dramen finden sich naturalistische Züge schon ehederBegriffzum Schlag- wort gewordenwar. Aber aus seinerGegenstellungzudemverknöcherten Formalismus der Klassizistenund seiner ebenso schroffenAblehnungdes Naturalismus als Kunstprinzipergabsich für ihnzwangsläufigeineIso- lierungnachbeiden Seiten; den einen galter alsKetzer,denandern als Renegat. Unddieshatihm, ebensowie seine Abkehrvon jederMode der Folgezeit,denWegzuden Bühnenbedeutend erschwert.

Gumppenberg istinallerersterLinieDramatiker. Alssolchernimmt ereinemarkante Sonderstellungein«Seinen Dramen fehltdieBeziehung zur Zeit,dietemporäre Bedingtheit,die Aktualität imgrobäußerlichen

Sinne-. Erschöpft seine DramenstoffeausdenewigenMenschheitsproblemen, aus jenenFragenkomplexen, deren Bedeutung fürdieMenschenund ihre Beziehungenzueinanderimmer gleich groß ist.DieAktualität dieser Dich- tungenistzeitlos überzeitlichMan darfdabeiaber nichtan dramati-

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sierte Philosophiedenken,denn Probleme solcherArt sind notwendige BestandteiledesLebens,keinegeistbelasteten Fremdkörper darin,wenn sie demEinzelnenauch nichtimmer mitzwingenderDeutlichkeitinsBewußt- seintreten. DieKunstdesDichters besteht darin,dasProblem, dieHand- lung,deren Träger,denRahmenin denalles gestellt ist,zueiner überzeu- gendenuntrennbaren Einheitzuverschmelzen. Natürlichsindesnichtimmer Ewigkeitsfragen, die das Motiv bilden und neben der großangelegten Tragödie hat Gumppenberg auchunendlich feineLustspiele geschaffen;

Lustspieleimdeutschen Sinne,heitere Abwandlungen eines ernstenGrund- gedankens.

Oftsindes gewaltige Stoffkomplexe, deren Gliederung allein schon eine künstlerischeTat bedeutet. Die Polyphonie seiner Stimmführung ist manchmal unerhörtinderKlarheitund Leuchtkraftihres Gefüges,denn jedeStimme isteinselbständiger Organismus, eindramatischer Faktorvon eigener Farbeundeigenem Klang. DasisteineFolge bildhaftenSchauens schonin derKonzeption; jede Figur, jeder Vorgang verdichtet sichzueinem Bilde,dasdiePhantasiefesthältunddramatisch gestaltet.Ausdenmannig- fachsten Stoffgebieten hatderDichter geschöpft:aus demBuchderBücher (DieKönige, Simson, Der Messias),ausHomer (Odysseusauf Jthaka), aus demantiken Hellas,demMittelalter; ineinerseiner kolossalsten Schöp- fungen(Die Hugenotten) hater einblutigesKapitelder französischenGe- schichte aufgeschlagen. Altnürnberg gibtden Rahmen zudem köstlichen Lustspiel »Der Drache«.Derferne farbigeOrient ist Schauplatzeiner der tiefstenSchöpfungen Gumppenbergs, des dramatischen Gedichts »Alles und Nichts« und derTragikomödie »Die Einzige«;das Lustspiel »Der PinselYings« führtindas Märchenland China. DieDramen aus der deutschenGeschichte (König Konrad, König Heinrich,Otto der Große letzteres nicht vollendet) sindein monumentales Geschenkan diedeutsche Nation. Gumppenberg hatesverstanden, Geschichteausihren Repräsentanten herauswachsen zulassen.Das klassische Formprinzip hatden Dichternir- gendseingeengt; erhatesumgeschaffen, ausgebaut,wieesderjeweilige Zweck verlangte. Ein höchstdifferenziertes Sprachgefühltritt in diesen Schöpfungen zutage; fast jedesStückhatsprachlichein anderes Gewand.

DiejungeGeneration hatsichvor allem auchdieKleinbühne für ihre Zwecke dienstbar gemacht,das»Brettl«,dasinMünchenin denElf Scharf- richtern verkörpertwar. Für sie schrieb Gumppenberg seine»Überdramen«, diedurch SchlagfertigkeitundZielsicherheitder Satire ungeheures Auf- sehen erregten. Ein beispielloserErfolgwaren auchseine Parodien auf bekannte Lyriker, vereinigtim »Teutschen Dichterroß«, beschieden.Das Buch stehtin derdeutschenLiteratur einzigda. Eshat auf epischemGebiet nur eingleichwertiges Seitenstück,Fritz Mauthners »Nachfremden Mustern«.

UneingeschränkteZustimmung hat Gumppenberg alsLyriker gefunden.

Diebeiden Sammlungen »Ausmeinem lyrischen Tagebuch«und »Schauen undSinnen« (1906 und1912)gehörenzumBedeutendsten,wasanmoderner Lyrik vorliegt. Esentsprichtvollkommen derEigenartdes Dichters,daß diese Gedichtezum großenTeil dem Gebiet derGedankenlyrikangehören- Eine ganz abgeklärte Kunst offenbart sichinihnen.

Aufdiephilosophischen Schriften Gumppenbergs kannich hiernicht näher eingehen (KritikdeswirklichSeienden, Grundlagen der wissenschaft- 4

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lichen Philosophie, Philosophieund Okkultismus). Dernachfolgende Prosa- beitragistderAutobiographiedesDichters entnommen, diein den nächsten Monaten in Buchform erscheinen wird. Dieseistein durchgreifender Beitrag zur Geschichtedes deutschen Geisteslebens. Gumppenberg ist ja selbstmitten drin gestanden. Zugleich isteseinBekenntnisbuch ergreifender Art. Das Kämpfenund Ringenschildertes,um das Werk durchzusetzen gegenüberdem wahnsinnigenModegötzenkultderZeit, Umdas Werkist es demDichterzutun, nichtum die eigene Person. Undsoist ihmdas Leben zum ununterbrochenen Opfergang geworden.

M Besonders muß Gumppenbergs als Übersetzer gedachtwerden. Ms solcher ister eineganz einzigartige Erscheinung. Was von ihm auf diesem Gebiete vorliegt,dassind meisterhafte Nachdichtungen,dievollkommen ver- gessen lassen, daßman nichtdasOriginalinHänden hält.Die »Schwedische Lyrik« (vergriffen)unddas»Bellmannbrevier« habenbeiihrem Erscheinen auchimAuslande starkesAufsehenerregt. Auch Björnfons Legenden, Verlaine,undneuerdings auch zweiwertvolle englischeRomane hater in dieser Weise zugänglich gemacht.

Eine ganze Reihevon GumppenbergfchenDichtungen hat auchnam- hasteMusikerzum Schaffen angeregt. Jcherwähnedas deshalb, weil gerade MünchnerKomponisten solche Gumppenberg-Vertonungen geliefert haben: RichardMors (Oper»DieMinnekönigin«, Lyrik), August Reuß (Oper »Herzog Philipps Brautfahrt«, Lyrik), Adolf Vogl (Oper »DieVer- dammten«, Lyrik), Richard Weinh öppel, WilhelmMüller (Lyrik).

Gumppenberg istkeinUnbekannter, wenn auchdie meisten Menschen nur Teilgebiete seines Schaffenskennen und erstauntseinmögen, einenso umfassenden Geistmit einem soweitverzweigten Lebenswerk vor sichzu sehen. Erist aucheinDichtervon ausgesprochennationalerEigenart, nicht bloßweilerdeutsche Geschichtezuneuem Leben weckt, sondernweil seine ganzePersönlichkeitdieGrundzüge deutschen Wesensansichträgt:großzügig, weitschauendund tiefschürfend. Jch schließemit den Worten Ferdinand Gregorisüberunseren Dichter:»Vielleicht ist dieser Freiherr aus demalten bayerischen Adelsgeschlechte heutederdeutschefteunter dendeutschen Dich- tern,obschonernichtan einerkleinen Heimatscholleklebt dieUnfähigkeit,

um Anerkennung zubuhlen,derDrang zuschaffen, auchwenn dieWelt sich nichtdarum kümmert—.esstimmt so rechtzu demBilde,dasvomdeut- schen Künstlerinder Geschichtelebt.«

DIE II·

q-

VonGumppenberg sind erschienenbeiG.D.W.Callwey, München: »Das Teutsche Dichterroß«,13.u.14.Aufl» geb-6M-»Aus Meinem SyrischenTagebuch«, geb. 2,50M. »König Konrad I.«, geschichtliches Schauspiel, geh. 1,50M. »König Heinrich I.«, gesch.Schauspiel,geh. 1,50 »DieEiuzige«,Tragikomödie,geh. 1,50M.

»Herzog Philipps Brautfahrt«,Opekulustspleh geh« I,50 M. »Der Pinfel Yings«, Komödie, geh. 1,50 M.;beiBaumert ör- Ronge, Großenhaini. Sa.: »Allesund Nichts«-,Dichtungin12Bildern,geh. 2,50 M·, »Der ersteHofnakr«, Schauspiel, geh.

2M.;bei Ed.Bloch,Berlin: »Die Verdammten«,Schauspielin 1Akt,lM.,»Münch- hausens Antwort«, KomödieinlAkt,1M«;beiAlb.Laugen, München: »Bellman- Bkeviek«(Übeksetzungenderberühmtesten Lieder des»schwedischenAnakreon«),geh.

3,50 M.; beiGebr. Paetel, Berlin: »Philofophieund Okkultismus«,4.—6.Aufl., kart.1,70M.

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«Literatur-Reoolution inMünchen

VonHanns v.Gumppenberg.

Schon1885 hattedie Begründungder Münchener Zeitschrift »Die Gesellschaft« durchDr.Michael Georg Conrad, den kampffrohenfrön- kifchen Bauernfohn, eineBewegungeingeleitet, diemitdemgleichzeitigen Berliner Vorstoßdie literarifchcevolutionären Ziele gemeinsam hatte, sich abervon allemAnbeginn wesentlich vielseitiger gestaltete.Währendin Berlin nachdemmehr idealiftischenundallgemeinenAuftakt,dendieBrüder Hart gegeben hatten, Bleibtreu, Holz, Schlafund Eugen Wolff, etwas später auchGerhart Hauptmann undseine Anhänger für Stoffund Formderge- forderten neuen Dichtungeinganz bestimmtes, streng-naturalistisches Pro- gramm aufftellten, wollten die erheblich weitherzigeren MünchenerRevo- lutionäre überhauptalles Kraftvolle,Eigenwüchsigleund Echtewillkommen heißen,dasdemaltersschwachenEpigonen-KlassizismusdenGaraus machen könnte.

Da Paul HeyseinMüncheneine literaturpäpstliche Stellung ge- wonnen hatte, richtete sichdiegrimmige Polemikder»Gefellschaft«vorallem gegen ihn,demman alsdemFührerundbezeichnendstenVertreter desbe- kämpften Epigonentums einen fchwächlichen Formalismus vorwarf. Wie derKampfdesConrad’schen Kreises sich nicht bloßgegen herrschende literarisch-künstlerischeDogmen wandte, sondern auch aufs ethischeGebiet übergriff, so galterauch sonstimGegensatzzudermehrnur literarischen Berliner Bewegung,überhaupt allem,was einem kraftvollen Kulturfort- fchritt hemmendimWege stand.DiefeVerallgemeinerung hatte sich nicht nur aus derPersönlichkeitConrads ergeben, dessen Kämpfertrieb sich nicht auf äfthetischeStreitpunkte beschränkte,auchdiebesonderen MünchenerVer- hältnissewirkten dazumit-?i

Il- si-

ZuConrads Anhängern zählte auchder Schriftstellerund Redakteur Julius Schaumberger, eingebotenerMünchener,aberwieConrad durch längeren Aufenthalt inParis mit den neuen Ideen erfüllt,und Georg Schaumberg, dererst Schauspieler gewesen,dann zudramatischerundIhri- fcher Produktion übergegangenundRedakteur ander1889neu gegründeten

»Münchener Stadtzeitung« gewordenwar. Ichlernte zunächst,imOktober 1889,den trotzseinesPariser Spitzbarts münchnerifch gebliebenen,warm- herzigenundstetshilfsbereiten Schaumberger kennen,der geradedieHer- ausgabe eines modernen Kampfblattes mitdemTitel »Münchener Kuns« vorbereitete; alsich ihmmeine Sorge die Suchenach journalistischer Arbeit anvertraute, stellteermirnicht bloßdie Mitarbeit anseinemeigenen neuen UnternehmeninAussicht,erempfahl mich auchsogleichan Schaum- berg. Dieser hieß mich aufs freundlichsteund humorvollstealsjournalisti- schenRekruten willkommen undmeinte, ich sollealsStilprobe derJahres- zeit angemessen eine Herbstplaudereifürdas Feuilleton der ,,Stadt- zeitung« schreiben,dann werde er schon sehen,wieer mich unterbringen könne. Immer nur inmeine eigenenIdeen und Entwürfe vergraben, hatte ichvom Aufbaueines Feuilletons kaumeine blasse Ahnung; ichfrug daher Schaumbergganznaiv, welchen Inhaltdenndiegewünschte Plauderei 6

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haben solle. »Aberlieber Herrv.Gumppenberg«, sprudelte er lachend hervor,»solche Sachen brauchen doch überhauptkeinen Inhalt zuhaben!

Fangen Sienur an,DieBlätter fallen«unddann schreibenSie,wasIhnen geradein dieFederkommt Ich befolgte diesenRatwörtlich,undobschon oder weilmirauch wirklich nichts Wesentliches »indieFeder kam«,wurde mein Probestückalstauglich befunden,undichkonnte mitStolzmeinerstes

Honorar inEmpfang nehmen. ·

Da man mittlerweile auchvon meinen musikalischenFähigkeitener- fahren hatte, wurde ichmitderständigen Konzertkritik desBlattes be- traut. Jchschrieb diese Referate mit aller hemmungslosen Hingabeeines Neulings,meine ganze LiebezurMusikkamdarin zurGeltungundließ mich meine Eindrückeso ungewöhnlich schwungvoll schildern, daßmeine Berichte baldeingewisses Aufsehen erregten. Inzwischenaberwar ich auchständiger Mitarbeiter der»Münchener Kunst« geworden. Auch für diese Zeitschrift wurde mirdasMusikreferatübertragen,undzwarhier auch fürdie Oper.

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Wie sichmeine Beziehungen zu Schaumberger und Schaumbergin den erstenWintermonaten schnellins Freund- und Kameradschaftlichege- steigert hatten, sowar ich nunmehr auchmit Eonrad undseinemengeren Kreis näherbekannt geworden: mit dem »Alten Wotan«,dem sechzigjährigen Obersta.D. und Max-Josefs-Ritter Heinrich v.Reder, derwie Heyse, Lingg, Hertzund Hopfen früherdem Kreisedes berühmten »Krokodils«

angehört hatteundmitseiner dichterischen Produktion nochin derRomantik deraltgermanischenVorzeit,derLandsknechts-, Spielmanns- und Zigeuner- lieder wurzelte, wenn er auchnun mitseinen scharfen zwölfzeiligen »Jeder- zeichnungen« realistisch-ironischere Töne anschlug.

Noch regelmäßigeraber verkehrten Schaumberg, Schaumberger und ichinjener Zeitmiteinem andern Kämpendermodernen Bewegung,der- damals aus Berlin kamund anMünchen sovielBehagenfand, daßerzu bleibenbeschloß.Eswar Otto Julius Bierbaum, derseine chinesischen Sprachstudienabgebrochen hatte,um ganz der freien Schriftstellerei zu lebenundsicham Sturm undDrangderliterarischenRevolution zubeteiligen.

Conrad selbst,der damals schonim vierundvierzigstenJahre stand, ließuns zwarin derjugendlichen Frische seines WesensdenAltersunterschied nichteigentlich fühlen,esverstand sichaber von selbst, daßwirJüngeren ihn mehralsSchüler respektierten,alsdaßwirineinintim-kameradschaft- liches Verhältniszuihm gekommenwären.

AuchFrank Wedekind, derdamals einen Knebelbart trugund viel älterund müder aussahals inspäteren Jahrzehnten, tauchte manchmal unter uns aus«Erhattebereits seine Kindertragödie»Frühlingserwachen«

geschrieben,dieunter denMünchnerModernen lebhaftund mitvielAner- kennungerörtert wurde;ineiner Weinstube,wo wiruns manchenAbend mitten unter denProfanen amTiroler Roten labten, grifferdesöfterenzur

»Klampfe«Undsanginhalb schnarkendem, halblarmoyant-näselndemTon seineParodie aufdieHeilsarmee. Jm übrigenblieberaberunsern regel- mäßigenZusammenkünftenfern,undnahm auchan denspäteren Kämpfen der organisierten Münchener »Moderne«keinen tätigenAnteil.

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Damals kamDetlev v.Liliencron zuuns nach München,einerEin- ladung Conrads,Reders undandrer folgend,diesich auchaus derKunde ergeben hatte, daßersichinschwerermaterieller Notlage befinde;man hatte erfolgreicheineHilfsaktion für ihn eingeleitet,undgedachte ihnnun inder Münchner Behaglichkeit völlig aufdenDamm zubringen.Wiralleschätzten undliebten inihmdiestärkstelyrische BegabungderModerne unddenpräch- tigen Schilderer feinerholfteinischen Heimat und seiner Kriegserlebnisse, dochkannte ihn nochkeiner von uns persönlich.Eine Deputation, bestehend ausEonrad, Reder, Bierbaum, Schaumberg undmir,erwartete ihn aufdem Zentralbahnhof,undwirdachten alle,einehoheimponierendeReckengestalt werde dem Zug entsteigen. Umso größerwar unser Erstaunen, alsein spärliches Männchen herausschlüpfte,unduns mitdünnem Stimmlein be- grüßte. Auch folgtederbefremdenden Wirkung seiner Körperlichkeitbald nochetwas anderes,was uns verwunderte. Sostellteersich unsermReder mithackenzusammenfchlagender Militärförmlichkeitals,,Hauptmann v.Lilien- cron« vor,so daßervom ,,altenWotan«erstzumenschlicherer Umgangsweise ermahntwerden mußte, auch gabersich durchaus nichtalsMann inbedräng- ter Lage, vielmehrtrat er wie einsorglosmnbekümmerter Grandseigneur aufund bedachteden Träger,derihm seine gestickte Reisetaschedie paar Schritte zum Wagen trug,leichthinmit einer verblüffend fürstlichenVer- gütung. Dazukamnochderherzlichunbedeutende Eindruck seinesteils banal-schnoddrigen,teils kindischanmutenden Geplauders,währendwirmit ihm,wieesverabredet war, zueinem Begrüßungsfrühschoppen nachdem Ratskeller fuhren. Allmählichlernten wirdann freilichdiemeisten seiner SchwächenundMängelalsnotwendige Voraussetzungen feiner Produktion verstehen,aber esdauerte eineWeile,biswiruns von derEnttäufchung erholt hatten...

Der engere Kreis der »Modernen«kam außerimHofbräuhause, woConrad undReder ihren Abendftammtisch hatten,inverschiedenenLo- kalenzusammen. Einmal verfiel ich darauf,dieFreunde undGenossenin grotesken Vierzeilern zu karikieren,mit einer ungeheuerlichen Grobheit, diesiemir abernicht übelnahmen. Einigevon diesen Zerrbildern sindmir nochimGedächtnis; sowurden z. B.Bierbaum (dessenlichtgrauemundweiß umbänderten Lyrikerhütchenwirden Namen ,,Frühlingswolke« beigelegt hatten)unddernervösemitdemGegenteilvon Korpulenzgesegnete Schaum- berger (derimmer aufderBeobachterjagdnachkleinen Besonderheitendes realen Lebens war) mitdenWorten begrüßt:

Bierbaum kommtherangelämmert UndSchaumbergernkrastentsästigt, Frühlingswolkenüberdämmert, Seh’ ich fieberhaftbeschäftigt, ZwischenTräumeln undGenießen Stimmungsmückchenmitdenlangen Butterig umherzufließen! Zitterfingern einzufangen.

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AnSonntagnachmittagen wanderten wirinjenemWinter mitVorliebe, um MeisterConrad geschartundseinen frischsprudelnden Bemerkungenund Ausführungen lauschend, aufderHöhedesrechten Jsarufers, wo man so schöndie Stadt überschaut,zum renommierten ,,Giesinger Weinbauern«, um uns dort einen gutenSchoppenzugönnen.Conrad erzählteuns dabei auchvieles von seinem früheren AufenthaltinParisundRom,undwenn er 8

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in derbehaglichen Wirtsstube,bei deranschaulichenunddramatisch lebhaften Wiedergabeseiner Abenteuer, demTemperament dieZügel schießen ließ, wurden auchallespießbbürgerlichenSonntagsgästedesLokalszuandächtig schweigsamen Zuhörern...

Bei meiner Neigungzur schrankenlosen Freiheit der Stoffwahl und Formgebung hatte michdas Schlagwort,,Modernisierung«und ,,Naturali- sierung«derKunst gewiß nichtzum begeistertenParteigenossendesCon- radschenKreises gemacht;alle dogmatische Einengung desgegenständlich undformal Zulässigenwar mirdurchaus zuwider. Trotzdemfühlte ich mich allendiesen vorwärtsdrängenden Kräften innerlichverbunden und empfand esdurchausnaturgemäß,alsMitkämpferinihreReihenzutreten: schon, weilsiegegen dieselben Gegner vorstießen,deren jugendseindlicheundent- wicklunghemmende Macht icham eigenenLeibe erfahren hatte...

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Jm Dezember1890reiftendieBestrebungenderMünchener »Moderne«

einem tatkräftigen Auftreten entgegen. EineKampforganisation solltege- schaffen werden,dieinihren Vorstößengegen das Veraltete und inihrer Verkündigungdeslebensvoll Neuen von der breiteren Offentlichkeit Isar- athens nicht mehr vornehm ignoriertwerden könnte. Conrad wollte aus verschiedenen taktischenGründen nicht selbst diese Organisationins Leben rufen, sondern erst auf nachträglicheEinladung denVorsitz,derihmnatur- gemäß gebührte, übernehmen:undso gründetenwirJüngerendesengsten Kreises, Bierbaum, Schaumberg, Schaumberger und ich, nochim De- zember die»Gesellschaft für modernes Leben«,welche »die Pflege und Verbreitung modernen schöpferischenGeistes aufallen Gebieten: So- ziales Leben, Literatur, KunstundWissenschaft«alsihre Aufgabe bezeichnete und ihre.Ziele durch Veranstaltung von Vortragsabenden theoretischerund rezitatorischer Art, durch Errichtungeiner,,Freien Bühne«, durchSonder- ausstellungenvon Werken derbildenden Kunst,diefürdiemoderne Ent- wicklung bezeichnend wären,und durch Herausgabe einer besonderenZeit- schrift »Moderne Blätter« erreichenwollte.

AußerConrad und uns vieren wurden noch Rudolf Maison und Liliencron inden Vorstand gewählt.Dievon diesem Gesamtvorstand unterzeichnete Ankündigungund Beitrittseinladung derneuen Gesellschaft ging durchalle Blätter,ganzMünchen gerietinAufregung,dieAnhänger des Alten inKunstund Leben rüsteten sichzum grimmigen Widerstand, undalleserwartete mitSpannungdenerstenVortragsabend,deram 29.Ja- nuar 1891in denRäumen der»Jsarlust«aufderJnselanderMaximilians- brückeunsereWirksamkeit eröffnen sollte.

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Alsder große Tag gekommenwar,konnten Hunderte von Neugierigen keineEintrittskarten mehr erhalten, soüberwältigendwar der Zudrang.

Alserstersprach natürlichConradinseiner feurigenundbildkräftigenBe- redsamkeitüber dieZielederGesellschaft.Er wiesdarauf hin, daßman jetzt, amEnde desJahrhunderts, ganzallgemeinzu derErkenntnis gekommen sei, eskönneso nichtweiter gehen,esmüßtenBrückengebautwerden vomAlten ins Neue,von derAntike mitihrem»Epigonenschweif«indieModerne.

ParisundBerlinseienmit derGründungvonfreien Bereinigungenzudiesem 9

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tion noch von den ersten Jüngern her lebendig sein mußte, bei diesen gewiß nie in Vergessenheit kommenden Worten die irrige Auffassung sich bilden konnte, die

stabens zu betonen scheint. D a nun dieses W ort doch nicht aus einer noch früheren, zur Zeit der Bergpredigt bereits überwundenen Auffassung erklärt werden kann,

stätigt sie die scharfsinnigen Vermutungen über den Ursprung von L c I und 2, die in neuerer Zeit von verschiedenen Seiten geäussert worden sind. Mit Papias

— Magi enim apud illos (Perser) non malefici sed sapienles intelliguntur op. Diese ist unter dem Principat allgem einer geworden und zwar eben als dreimalige,

bau geweissagt haben. Diese W eissagung findet sich in unsrer jüdischen Sibylle III 97 ff. D er Schluss scheint sich aufzudrängen, dass hier eine Notiz über unsre

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