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Die Kunst der Renaissance in Italien und im Norden

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D i e

K u n s t der Renaissance

in I ta lie n unci im H o rd e n

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Die Erylliräische Sibylle

a u s M ic h e la n g e lo s D e c k e n g e m ä ld e n in d e r S ix tin is c h e n K a p e lle (n a c h O r ig in a la u fn a h m e )

(6)

GRUNDRISS

D ER

KUNSTGESCHICHTE

V O N

W ILHELM LÜBKE

D reizehnte A u flage vollständig neu bearbeitet

von

Professor Dr. Max Semrau

P riv a td o z e n t d e r K u n stg e sc h ic h te an d e r U n iv e rs itä t B reslau

III.

D I E K U N S T D E K K E N A I S S A N O E

IN IT A L IEN U N D IM N O R D E N

E SS L IN G E N A . N .

P A U L N E F F V E R L A G (MAX SCH REIBER) 1 9 0 7

(7)

w/.

/

D I E

KUNST DER RENAISSANCE

IN ITALIEN UND IM NORDEN

V O N

W ILHELM LÜBKE

V ollständig neu bearbeitet

v on

Professor Dr. Max Semran

P riv a td o z e n t d er K u n stg esc h ich te a n d e r U n iv e rs itä t B re sla u

Mit 5 farbigen Tafeln, 3 H rffögravüreniuhd 488 Abbildungen im T ext [POLITECHNIKI)

L v i s v o L

E SSL IN G E N A. N.

P A U L N E F F VER LA G (MAX SCHREIBER) I9 0 7

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V o r w o r t

D ie Neugestaltung der beiden ersten Bände des ,Grundrisses1 konnte sich wenigstens in der allgemeinen Gliederung des Stoffes noch an das ursprüngliche W erk Lübkes anlelmen; bei dem vorliegenden dritten Bande war auch in dieser Hinsicht ein freieres Verfahren geboten, u. a. schon aus dem Grunde, weil der Barockstil, welchen die früheren Ausgaben in die Darstellung der Renaissancearchitektur mit einbezogen hatten, bei der jetzt angenommenen Einteilung für den abschließenden vierten Band aufzu­

sparen blieb. Aber auch sonst drängte die Überfülle des Stoffes, welchen die Forschung für den hier behandelten wichtigen Zeitraum herbeigeschafft und gesichtet hat, stetig über die enggezogenen früheren Grenzen hinaus, so daß diese vielfach anders abgesteckt werden mußten. E s war mein eifrigstes Bestreben, der Darstellung den Vorzug der knappen Übersichtlich­

keit zu wahren; trotzdem ist der Band fast auf den doppelten Umfang der entsprechenden Teile der 11. A uflage angewachsen. Daß die Haupt­

meister der italienischen wie der deutschen Renaissance dabei ausführlicher behandelt sind, wird hoffentlich gerechtfertigt erscheinen.

Der Abschnitt über italienische Malerei des 15. Jahrhunderts (S. 152 bis 225) ist von Herrn Dr. C o n r a d B u c h w a l d in B r e s l a u bearbeitet uud von mir redigiert worden.

Bezüglich der gerade in diesem Baude zahlreich gegebenen Literatur­

nachweise dai’f wohl bemerkt werden, daß sie auf Vollständigkeit selbst­

verständlich keinen Anspruch machen, sondern nur dem eindringlichere Belehrung Suchenden einen Fingerzeig geben wollen. Überhaupt als ein Buch zum Lesen und Lernen, aber nicht als Bilderbuch und noch weniger als Sammlung aphoristischer Essais möchte der neue ,Lübke‘ aufgenommen werden.

* *

*

Die 13. A uflage folgt der zwölften so rasch nach, daß wesentliche Änderungen nicht geboten erscheinen. Doch sind T ext und Anmerkungen sorgfältig durchgesehen und, wo es nötig war, verbessert resp. ergänzt worden.

Max Semrau

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Erstes Kapitel: D i e G r u n d l a g e n d e r R e n a i s s a n c e i n I t a l i e n u n d i m N o r d e n S. l

Zweites Kapitel: D i e A r c h i t e k t u r d e r R e n a i s s a n c e

Italien S. 15 — Frankreich S. 64 — Spanien und Portugal S. 71 — England S. 75 — Die Niederlande, Dänemark und Skandinavien S. 77 — Deutschland und die öst­

lichen Länder S. 81

Drittes Kapitel : D i e b i l d e n d e K u n s t I t a l i e n s i m 15. J a h r h u n d o r t 1. Die Bildnerei S. 116 — 2. Die Malerei S. 152

Viertes Kapitel: D i e b i l d e n d e K u n s t I t a l i e n s i m 16. J a h r h u n d e r t I. Die Bildnerei S. 226 — 2. Die Malerei: A. Lionardo da Vinci und seine Schule S. 243 — B. Die Florentiner Malerei S. 254 — C. Michelangelo und seine Nachahmer S. 256 — D. Raffael und seine Schule S. 267 — E. Die toskanische Malerei S. 287 -—

F. Die oberitalienische Malerei S. 293 — G. Correggio und seine Nachfolger S. 296 — II. Die venezianische Malerei S. 302 — 3. Das Kunsthandwerk S. 331

Fünftes Kapitel: D i e b i l d e n d e K u n s t a u ß e r h a l b I t a l i e n s i m 15. u n d 16. J a h r h u n d e r t S. 335

Die Niederlande S. 338 — Frankreich S. 382 — Spanien und Portugal S. 390 — Deutschland S. 394: 1. Die Malerei S. 399 — 2. Die Bildnerei S. 487 — 3. Das Kunsthandwerk S. 524

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ERSTES KAPITEL

Die G ru n d la g en der R enaissance in Ita lie n u n d im N o rd e n

W enn die Kunstgeschichte, wie alle Geschichte, das Verständnis der Gegen­

wart durch die Kenntnis der Vergangenheit zum Endzweck h a t, so beansprucht die Epoche der R e n a i s s a n c e k u n s t sicherlich unser ganz besonderesinteresse.

Denn in ihr liegen die W urzeln alles Kunstschaffens der Gegenwart. Von dem M ittelalter trennt uns eine weite K luft, nicht bloß zeitlich, sondern auch der Gesinnung nach. W ir können ihm unser Interesse und unsere Liebe zuwenden, aber wir fühlen uns als Kinder einer anderen Zeit. Doch wie die Renaissance­

menschen des 15. und 16. Jahrhunderts dachten und em pfanden, das vermögen wir zum guten Teil noch selbst nachzudenken und nachzuempfinden, ihnen fühlen wir uns trotz allem, was dazwischen liegt, innerlich verwandt. Ist es doch gerade dieser Gegensatz gegen das Mittelalter, welcher der Epoche ihren Namen gegeben hat. Frühere B etrachter meinten ihn vorzugsweise aus der W iedererw eckung der Antike in W issenschaft, Literatur und K unst erklären zu m üssen und sprachen in diesem Sinne von einer „W iedergeburt“ ( , R i n a s c i m e n t o ‘, R e n a i s s a n c e “).

Man faßt heute den Begriff gewöhnlich tiefer und versteht ihn von dem W ieder­

aufleben des Ideals menschlicher, persönlicher Freiheit und B ildung, das seinen Ausdruck dann allerdings vornehmlich in der B egeisterung für die Formen an­

tiken Lebens und antiker K unst fand. Das M ittelalter kannte dieses Ideal nur in beschränktem Grade. Denn auch nachdem die Form en des geistlich-ritterlichen Feudalstaates zerbrochen waren und die neue Gesellschaftsklasse des städtischen B ü r g e r t u m s in dem m ittelalterlichen Leben den ersten Platz einzunehmen be­

gann, blieb dieses noch eng um schlossen von den Schranken, welche die V ergangen­

heit aufgerichtet hatte. Nicht bloß die kirchliche Lehre und Tradition begehrte A chtung, auch die völlig durchgeführte korporative Organisation des ganzen Lebens; kein Mensch, auch der Künstler nicht, bedeutete etwas für sich, sondern jeder nur als Glied seiner Zunft, seiner Gilde. Die Scholastik schlug das Denken in Fesseln und richtete es auf fest bestim m te Ziele, die Fülle der Gefühle nahm , nachdem der Minne- und Frauendienst der R itterzeit versunken w ar, fast aus­

schließlich die Kirche m it ihrem poetisch verklärten Marien- und Heiligenkult in Beschlag.

Aber für im m er ließ sich der Mensch weder in seinem V erhältnis zu Gott noch zur N atur das M ittleramt der Kirche gefallen. Die Lehre des hl. F ranz von Assisi ist in Italien, die Bestrebungen der Mystiker sind im Norden das erste An-

L iib k c , Kunstgeschichte Renaissance 13. Aufl. 1

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Zeichen des erwachenden Strebens nach P e r s ö n l i c h k e i t : w enigstens zu dem Heiligsten und Höchsten verlangte der Mensch in ein unm ittelbares, individuell gefärbtes Verhältnis zu tre te n ; in der H ingabe seines Selbst suchte er das tiefste Glück zu gewinnen. — Es ist kein Z ufall, daß eng dam it die Einkehr in die N a t u r verknüpft war. Auch die N atur ist Gotteswerk, und die Freude an ihrer Schönheit, welche das M ittelalter oft genug als Lockung des Teufels verdam m t h a tte , läßt sich in Dichtung und K unst schon seit dem 13. Jahrhundert nicht m ehr zurückdrängen. Sie lebt in den Liedern der M innesänger wie in den W erken der jungen Gotik, welche plötzlich beginnt, sta tt der abgegriffenen Form en einer seit tausend Jahren fortgeerbten Ornamentik heim isches Laubw erk und treulich beobachtete Tierformen im Schm uck architektonischer Glieder zu verwenden. Und ein reger Natursinn gibt auch den höchsten Schöpfungen der bildenden Kunst, den Gemälden Giottos und den W erken der französisch-deutschen Kirchenplastik im 13. Jahrhundert ihre bleibende Bedeutung.

Im Laufe des 14. und 15. Jahrhunderts wurde die Kenntnis der N atur er­

weitert und vertieft durch die beginnenden wissenschaftlichen S tudien, durch Reisen und Entdeckungen. In der F äh ig k eit, die Schönheiten der W elt nach­

empfindend zu genießen und zu schildern, steht Francesco Petrarca allen voran, der erste Mensch, der um des reinen N aturgenusses willen einen hohen B erg — den Mont Ventoux bei Avignon — bestieg; er h a t im 15. Jahrhundert einen w ür­

digen Nachfolger in dem leidenschaftlichen Naturfreunde und feinen Beobachter Äneas Sylvias, dem späteren P ap st Pius II. Die großen Errungenschaften, welche dieses Z eitalter der Menschheit überhaupt brachte, die Erfindung der B uchdrucker­

kunst und die Entdeckung eines neuen Erdteils trugen an ihrem Teil dazu bei, durch Erw eiterung des W eltbildes dem Geiste der Forscher wie der P hantasie der Künstler neue Reiche zu erschließen.

Die B eobachtung und treue W iedergabe von N atur und Lehen errang auf dem Gebiet der K unst einen ersten Sieg in der F l a n d r i s c h e n Malerschule des 15. Jahrhunderts. Die Brüder van E yck und ihre Nachfolger wußten m it neuen technischen Mitteln und auf Grund liebevollsten Studium s die Menschen und die Dinge so getreu darzustellen, daß sie noch heute der größten Bewunderung sicher sind. Und doch blieb dieser glänzende Aufschwung des Realism us ohne tiefere und nachhaltige Folgen für die g e s a m t e Kunstgeschichte, weil ihm jener U ntergrund fehlte, au f dem zu etwa gleicher Zeit sich das i t a l i e n i s c h e K unst­

leben machtvoll zu vorbildlicher Bedeutung erhob: eine kräftige n a t i o n a l e E n t­

w icklung und in Verbindung dam it die Gestaltung i n d i v i d u e l l e r Persönlich­

keiten — oder, wie wir es seit Jakob B u rc k h a rd tx) auszudrücken gew ohnt sind:

die Entdeckung des M e n s c h e n . Daß diese „E ntdeckung“ sich zuerst und vor­

nehmlich in Italien vollzog, m acht d i e s e s Land zum A usgangspunkte der Renais­

sance und auf zwei Jahrhunderte hinaus zum F ührer des künstlerischen Lebens in Europa.

Aus den furchtbaren K äm pfen, welche das ganze M ittelalter hindurch die Halbinsel erschütterten, und aus dem tiefen Verfall aller geistigen K ultur be­

gannen seit dem 13. Jahrhundert sich die Anfänge eines nationalen Lebens zu erheben nicht sowohl au f dem Gebiet des Staates, wie au f dem der Gesellschaft, der Dichtung und der Kunst. Denn die einigenden Momente lagen vor allem in dem Besitz jen er großen geistigen Persönlichkeiten, m it denen das ausgehende Mittelalter Italien beschenkt hatte. Dante leuchtete allen voran nicht bloß als der große Dichter, sondern auch als der große Patriot und Schöpfer einer italienischen Schriftsprache und dam it der Möglichkeit einer nationalen Literatur. E r ist zu-

!) J. Burckhardt, Die K ultur der Renaissance in Italien. 7. Aufl. Leipzig 1899.

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in Italien 3 gleich der erste Typus eines Renaissancemenschen insofern, als sein ganzes Schaffen als der A usdruck einer stark en , edlen Persönlichkeit, seine Dichtung als ein poetisches Selbstbekenntnis erscheint. Derselbe individuelle Zug tritt in Männern wie F ranz von A ssisi und Giotto hervor. Es lag aber auch in der ge­

sam ten G estaltung des politisch-sozialen Lebens in Italien diese Richtung auf die Ausbildung kräftiger Individualitäten unter Befreiung von den Schranken m ittel­

alterlicher Denk- und Empfindungsweise begründet. Gegen die Macht der Kirche bildeten die kräftig aufstrebenden S t a d t r e p u b l i k e n , welche seit den Kreuz­

zügen durch den Handel mit dem Orient, dann durch blühende Gewerbetätigkeit

Fig. 1 Der Dom von Florenz

große Reichtüm er gew annen, ein m ächtiges Gegengewicht. Sie hinderten das Aufkommen größerer Feudalherrschaften und gew ährten, ungeachtet des nim m er endenden Zanks und H aders der Parteien, dem Bürger die Möglichkeit, sich nach Maßgabe seiner Kräfte zu entwickeln und das Leben nach eigener Einsicht zu gestalten. Innerhalb ihrer Mauern vollzog sich auf Grund des wachsenden all­

gemeinen W ohlstandes rascher und w irksam er als sonst wohl ein Ausgleich der Stände, der auch das eigentliche Volk nicht unem pfänglich ließ für den Reiz der Schönheit. In der Höhe des allgemeinen K ultum iveaus, insbesondere auch durch T ak t und Feinheit der S itte, edlen Anstand des Benehmens und Pflege geistiger Bildung stand Italien bereits am A usgang des M ittelalters den m eisten Ländern Europas voran.

Aber das eigentliche Lebensideal, das für die Entw icklung m aßgebend w urde, lieferte den Italienern des 14. und 15. Jahrhunderts die A n t i k e . Das

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Gedächtnis des römischen A ltertum s, obwohl m eist zu dämonistischen Fabeleien entstellt, w ar auch das ganze M ittelalter hindurch in Italien niem als völlig aus­

gestorben; m it dem E rstarken des nationalen Bewußtseins gew ann es erneute Kraft und Bedeutung. Gern fühlten sich die B ürger und M achthaber der ver­

schiedenen Stadtrepubliken als Nachkommen der alten R öm er, aber auch vor den Augen der Dichter und Gelehrten tauchte die E rinnerung an das längst da­

hingeschwundene Cäsarenreich als das Ideal einer W elt voll Schönheit und Frei­

heit und innerer Vollendung empor. W ie selbst die scholastische Philosophie,

Fig. 2 Inneres von S. Spirito zu Florenz

wenn auch nur im rein formalen S inne, auf Aristoteles zurückgegriffen hatte, so nahm en schon im 12. Jahrhundert die Juristen der neu gegründeten Rechtsschule von Bologna das römische Recht wieder auf, und in der Politik dieser Zeit spielt das Traum bild einer röm ischen Republik seine Rolle. Mit vollem E rn st setzten die klassischen Studien im 14. Jahrhundert m it Petrarca (1304— 74), Boccaccio (1313—73) u. a. ein. Sie sind die Begründer der großen geistigen Bew egung des H u m a n i s m u s , der dem Z eitalter der Renaissance seine wissenschaftlichen Grund­

lagen geliefert hat. Mit jugendlicher B egeisterung drängten sich die ausgezeich­

netsten Köpfe zum Studium der klassischen L iteratu r, forschten in den Biblio­

theken der Klöster nach den vergessenen W erken der Griechen und Römer und erörterten in ihren Schriften und in gelehrten G esellschaften, wie sie nach dem Vorbilde der Platonischen Akademie gegründet w u rd en , ihre kostbaren Funde.

B egründet wurde die V erbreitung griechischer Literatur und Philosophie durch den U m stand, daß die Eroberung Konstantinopels durch die Türken (1453) viele

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in Italien 5 gelehrte Griechen veranlaßte, nach Italien auszuw andern, wo sie nam entlich in Florenz und Rom in den hum anistischen Kreisen willige Aufnahme fanden. Ge­

nährt von solchen Studien, begann eine neu e, von den Ideen griechischer Philo­

sophen, nam entlich P latons, vielfach durchtränkte Auffassung des Lehens und der W elt sich auszubreiten, welche den Zwang m ittelalterlicher Scholastik und Dogm atik aufhob. Selbst die Kirche vermochte sich dem neu eindringenden Geiste der Freiheit nicht zu verschließen, die Pforten des V atikans öffneten sich

Fig. 3 Altarwand der S akristei von S. Lorenzo zu Florenz

vor dem Humanismus, und der S tatthalter Christi wetteiferte m it den weltlichen Fürsten und Herren in der schützenden Pflege des w ieder erwachten heidnischen Altertums.

F ü r die b i l d e n d e K u n s t wurde der allgemeine Umschwung des geistigen Lebens zunächst insofern bedeutsam , als sich ihr durch die B ekanntschaft m it antiker Geschichte, D ichtung und Mythologie neue Stoffgebiete eröffneten, der P hantasie reiche Anregungen geboten wurden. Auch, das Studium der antiken

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Fig. 4 Vorhalle der Cappella Pazzi zu Florenz

Kunst. Ein unendlich verfeinertes Empfinden für R aum w irkung und Harmonie der Proportionen dokum entiert sich fortan in den Schöpfungen der B aukunst. Aus der Fülle und Klarheit der antiken Schm uckm otive zogen alle Künste gleich­

m äßig reichen Gewinn. Aher m an darf diese E inw irkungen, so um gestaltend und befreiend sie hervortreten, doch nicht überschätzen. Das Verhältnis der Renaissance zum klassischen A ltertum blieb gerade in der Zeit ihrer ersten Blüte ein m ehr äußerliches und beruhte zum Teil a u f m ißverstandener Nachahm ung.

Kommt doch der wahre Geist der Antike, wie er sich in der griechischen K unst offenbart h a tte , dabei überhaupt nicht in Frage, sondern nu r ihr später Abglanz aus röm ischer Zeit. Die entscheidende T atsach e, welche uns hier wirklich den Beginn der m o d e r n e n Kunst sehen läß t, besteht vielm ehr in der Um wandlung Denkmäler selbst, das die Künstler bald m it großem Eifer pflegten, führte nam ent­

lich der A rchitektur und der Ornamentik eine Fülle von Ideen und Form en zu, deren Auftreten uns wohl zuerst und hauptsächlich von einem „ R e n a i s s a n c e ­ s t i l “ sprechen heißt. Vor dem Eindruck der gew altigen architektonischen Schöpfungen der römischen K aiserzeit, welche die Künstler zum Teil unter Mit­

hilfe der Gelehrten in ihrer Phantasie aus den Trüm m ern wieder erstehen ließen, denen sie m itunter seihst durch planm äßige A usgrabungen und Restaurationen nachgingen, sank das konstruktive System der G otik, das ja in Italien niemals recht festen Fuß gefaßt h a tte , schnell d a h in , und insbesondere die unsterbliche Schönheit des antiken Säulen- und des Kuppelbaus wurde ein Leitstern der neuen

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in Italien 7 des i n n e r e n Verhält­

nisses der Menschen, der Schaffenden wie der Ge­

nießenden, zum K unst­

werk, in der Begründung einer neuen K unstauf­

fassung.

Solange dieSchran- kenm ittelalterlicherW elt- anschauung bestanden, w ar auch die K unst im wesentlichen ein Aus­

druck des a l l g e m e i ­ n e n Gedankeninhalts der Zeit. Vornehmlich stand sie im Dienste der Kirche : ihr und ihren Heiligen zu Ehren wölbten sich die hohen D om e, zu wir­

kungsvoller Einprägung der christlichen Heilslehre schufen Malerei und Pla- stikihre W erke. D ieK unst war eine Art Gottesdienst;

die Persönlichkeit des Künstlers verschwand völlig hinter seinem W erke. — Hieran änderte sich in der Renaissance insofern n ichts, als auch je tz t noch die Kirche die vornehm ste A uftraggeberin der Künstler blieb ; die Mehrzahl der W erke wurde ü berhaupt im Hinblick auf kirchliche Zwecke geschaffen, selbst das der Persön­

lichkeit geweihte K unstw erk, das E hrendenkm al, löste sich erst allm ählich von dem Zusam m enhang m it der Kirche. Aber die K ünstler standen doch ihrem Stoffe freier gegenüber, sie stellten die alten heiligen Legenden, den Inhalt des christ­

lichen Bekenntnisses auf ihre eigene W eise dar, suchten aus sich selbst eine neue Beseelung, aus dem Studium der N atur eine neue Behandlungsweise. Der E r­

werb anatom ischer und perspektivischer K enntnisse, die schärfere Beobachtung der Licht- und Luftwirkungen und im Z usam m enhang dam it die Ausbildung des Kolorits bis in seine zartesten Nuancierungen sprengten von selbst den B ann der alten Tradition. Der Mensch und die W elt wurden ein Gegenstand ernsten und liebevollen Studium s; die W iederholung überkom m ener T y p en , der schem atische Idealism us schwanden dahin vor dem immer neuen Reiz der wirklichen Erschei­

nung, der unerschöpflichen M annigfaltigkeit des Lebens.

W enn so der Realismus die Kunst der Renaissance zur inneren und äußeren W a h r h e i t führte, so wies ihr die neu erschlossene Kenntnis der Antike den W eg zur S c h ö n h e i t . Die Herrlichkeit des m enschlichen L eibes, vor welcher die mönchisch beeinflußte Kunst des M ittelalters ihre Augen scheu verschlossen, enthüllte sich je tz t unter den Anregungen der A ntike; sie wurde in den guten Zeiten der Renaissance ernst und stre n g , als ein Spiegel der Seele, aufgefaßt, und erst die spätere Epoche sah die Ausartungen ins Üppige und Laszive. Aber nicht bloß in den Form en und F arb en , auch in der ganzen Auffassungs- und D arstellungsweise herrschte das ä s t h e t i s c h e Gesetz. Nicht um ihres religiösen Inhalts, sondern um ihrer Schönheit und menschlichen Bedeutsam keit willen wurden die alten und neuen Stoffe dargestellt ; die Freiheit der individuellen P h an ­ tasie, der künstlerischen Persönlichkeit stand über allem.

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Dieses Vorwiegen des Subjektivism us in der Renaissance brachte es mit sich, daß auch die Stellung der einzelnen Künste zueinander bedeutsam e Ver­

änderungen erfuhr. Die A r c h i t e k t u r sah die unbedingte H errscherstellung, welche sie das ganze M ittelalter hindurch innegehabt, eingeschränkt durch die

zum unm ittelbaren A usdruck individueller Em pfindung m ehr geeigneten K unst­

gattu n g en , insbesondere die M a l e r e i ; das T a f e l g e m ä l d e errang erst je tz t die ausschlaggebende B edeutung für das K unstleben, welche es seitdem innehat.

Die von Flandern aus verbreitete Technik der Ö l m a l e r e i eröffnete ihm ganz neue Ziele und W irkungen. Die gleichfalls dem Norden verdankte Erfindung neuer Techniken bildlicher D arstellung, des H o l z s c h n i t t s , des K u p f e r s t i c h s

Fig. 6 Palazzo Medici zu Florenz

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Fifr- 7 Bibliothek von S. Marco zu Florenz

risch erfaßten Raumbilde aus, dem die architektonischen Form en nicht als not­

w endiger Ausdruck organischen Lebens entw achsen, sondern das sie m ehr wie eine edle Hülle umkleiden. So geht der Z ug der Zeit auch hier d ah in , die M a l e r e i als die H auptkunst der m odernen Epoche zu konstituieren. Doch blieb in der besten Zeit der italienischen Renaissance, die etw a das Jahrhundert bis zum Tode Raffaels (1520) umfaßt, die durch eine lange Tradition künstlerischer Erziehung bedingte U n i v e r s a l i t ä t des Schaffens bestehen. Bauen, Bilden und Malen wurde noch im m er durchschnittlich in derselben W erk statt gelernt, und so konnte es geschehen, daß die drei H auptm eister — Lionardo, Michelangelo und Raffael — fast gleichm äßig a u f allen drei Gebieten der bildenden Kunst Bedeu­

tendes leisteten. Aber auch an geringeren Talenten erwies sich diese W erk statt­

erziehung als segensreich; die Vertrautheit mit den Anforderungen der P lastik in Italien

und der R a d i e r u n g , in Verbindung mit der Rolle, welche sie im kräftig auf­

blühenden B u c h g e w e r b e spielen, verstärkte das Übergewicht m alerischer Dar­

stellungsweise. Ihm vermochte sich auch die P l a s t i k nicht zu entziehen, welche niemals ganz die abgeklärte Ruhe und Stilgröße der Antike erreichte, aber durch individuelles Leben und charaktervolle Besonderheit der Erscheinung ihren Schöp­

fungen fesselnden Reiz verlieh. Das R e l i e f insbesondere geriet bald auf eine B ahn, wo es m it der Malerei auf ihrem eigensten Gebiet zu wetteifern schien, indem es durch V erkürzung und Perspektive in seinen Kompositionen die Exi­

stenz eines vertieften Raums vorzutäuschen sucht. Selbst die Architektur ver­

mochte sich diesen Lockungen der Schw esterkunst nicht zu entziehen. Auch sie geht — im Gegensatz zu der konstruktiven Strenge der Gotik — von dem male-

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und der A rchitektur gab auch dem Maler jenes bewundernswerte Raumgefühl, jene völlige Beherrschung m onum entaler A ufgaben, welche seitdem nur selten wieder erreicht worden ist. Alles in allem betrachtet darf uns also diese Epoche als eine goldene Zeit der K unst erscheinen, der nur etwa die Blüte der griechi­

schen Kunst zur Seite gestellt werden kann.

I t a l i e n ist das G eburtsland der Renaissance und des H um anism us; hier steht die Kunst demzufolge in inniger W echselw irkung m it der ganzen geistigen

Fig. 8 Palazzo Strozzi zu Florenz

Bewegung der Zeit, sie ist eine Ausdrucksform neben vielen anderen für das neue Lebensgefühl der Epoche. Die Aufnahme und W eiterbildung antiker K unst­

formen konnte nur hier, im alten Lande antiker Kultur, geschehen und hatte nur hier innere Berechtigung. Soweit sich also das W esen der Renaissance in der Anlehnung an die Antike ausdrückt, stehen alle n o r d i s c h e n Länder unter an­

deren Bedingungen. Sie empfingen sie nicht einmal als ererbtes G ut, sondern eher wie eine neue Mode, an deren E ntstehung sie nicht teilgenommen. Der Vorgang läßt sich auch nicht vergleichen mit der Einführung der römischen

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im Norden 11 Kunst in die nordischen B arbarenländer ein .Jahrtausend zuvor. Denn dam als handelte es sich um den Anfang aller Kultur, je tz t besaßen diese L änder eine reiche nationale K unsttätigkeit, die grade in dieser Epoche vielfach neue An-

Fig. 9 Fassade vom Palazzo Ruccellai zu Florenz

Sätze zu selbsteigener W eiterentw icklung aufweist. Den Realismus nam entlich brauchte die italienische Renaissance dem Norden nicht zu bringen, er h at ihn, wie nicht bloß das Beispiel der flandrischen Malerschule zeigt, völlig selbständig

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zu entwickeln vermocht. Das Verhältnis der Künstler zum H um anism us, der ja seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts auch im Norden eine S tätte fand, w ar hier stets

ein weit loseres, m ehr äußerliches;

von gelehrter Bil­

dung blieben die nordischen Renais­

sancem eister, mit wenigen A usnah­

men , noch weiter entfernt als ihre italienischen Kol­

legen. So fehlten denn so ziemlich alle Vorbedingun­

gen für die g l e i c h e E ntw icklung der V erhältnisse: die gelehrte Kultur, die der allgemeine politiscli- 11 wenigen F ü rste n , das Fig. 10 Grundriss von S. Andrea zu Mantua

nationale Bedeutung der neuen Stilform en, überhaupt soziale Aufschwung. Es fehlte, abgesehen von einig

Fig. 11 Hof des Palazzo Gondi zu Florenz

Geschlecht der Mäcene, es fehlte die begeisterte Teilnahme eines ganzen Volkes;

die Renaissance im Norden ist stets au f die Kreise der Fürstenhöfe und der reichen Patrizier beschränkt geblieben.

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iin Norden 13 So ist es vor allem

ein m erkw ürdiges Zeug­

nis für die Triebkraft des neuen Kunstgeistes, wenn wir sehen, wie im Laufe des IG. Jahrhunderts die i t a l i e n i s c h e n Formen der A rchitektur und Orna­

m entik auch in D eutsch­

land, Frankreich undE ng- land Aufnahme zu finden beginnen und allmählich im m er ausschließlicher den Geschmack beherr­

schen, ohne daß ihnen doch ein lebendiges inne­

res Verständnis entgegen- kommen konnte. Wie tief h a t die Kenntnis der W erke italienischer Maler a u f die gleichzeitigen deutschen Meister ein­

gewirkt, so daß wir uns selbst D ürer und Holbein ohne diese V oraussetzung nicht denken kö n n en ! Und dennoch vermochte die Quelle unsterblicher Schönheit, welche die italienische Renaissance wieder erschlossen, ein

gleich üppiges und freies W achstum der Kunst auf nordischem Boden nicht hervor­

zurufen. Der Grund hierfür lag sicherlich vor allem in den ungünstigen äußeren Umständen. Man muß nur die Aufgaben, welche ein kunstliebender und auf seinen N achruhm bedachter F ü rs t, wie Kaiser Maximilian I., dem größten deutschen Künstler seiner Zeit zu stellen vermochte, vergleichen m it den W erken, die Raffael für Julius II. ausführte, um an diesem e i n e n Beispiel den ganzen großen Kontrast zwischen den Lebensbedingungen der italienischen und der deutschen Renaissance­

kunst zu erm essen! Ähnlich stand es aber auch sonst; die m onum entalen Auf­

gaben blieben der nordischen Renaissance versagt, einmal, weil die äußeren Mittel fehlten und der ganze Zuschnitt des Lebens ein engerer, bescheidener war, so­

dann aber, weil viele der besten und größten Geister durch eine andere Aufgabe in A nspruch genommen w aren: die R e f o r m a t i o n .

Es liegt in der Eigenart der nordischen Völker begründet, daß sie den Inhalt über die Form, die W ahrheit über die Schönheit ste lle n : dieser C harakter­

zug ist der Entw icklung ihrer Kunst in dieser entscheidenden Epoche ebenso ver­

hängnisvoll geworden, wie er sie zu Trägern der großen Geistesbewegung ge­

m acht hat, die im eigentlichen Mutterlande der Kirche trotz m annigfacher An­

sätze niem als zur Entfaltung gelangen konnte. Die unerbittliche W ahrheitsliebe, die Richtung auf das G edankenhafte, au f das selbständige Ergrübeln des Inhalts h at die nordische, nam entlich die deutsche K unst der Renaissance gem ein m it den Lehren und Schriften der Reformatoren. Tiefe D urchdringung des Inhalts

Fig. 12 Fassado von Madonna di S. Biagio zu Montepulciano (Nach Laspoyrcs)

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althergebrachter D arstellungen m it der Fülle der Em pfindung, neue Stoffe und kühne W agnisse der künstlerischen P hantasie finden wir hier weit öfter als in den W erken der italienischen Meister, hinter denen diese Kompositionen an for­

m aler Vollendung dagegen oft zurückstehen. Am freiesten bewegen sich die nordischen Künstler deshalb zum eist in solchen W erken, deren Ausführung dem ersten E ntw urf am nächsten b leibt, in ihren K u p f e r s t i c h e n und H o l z ­ s c h n i t t e n : in d i e s e n , nicht in ihren Bauten, Skulpturen und Bildern ist die eigentliche Geschichte dieser K unstbew egung geschrieben. Und von hier aus geht auch eine sichtbare Rückw irkung zur italienischen K unst, deren Meistern wohl bewußt war, worin der W ert dieser unscheinbaren Blätter la g : hat doch selbst ein Raffael nicht verschm äht, die Kupferstiche und Holzschnitte Dürers in seinen Kompositionen zu benutzen!

W ie im einzelnen jedes Volk sich im Laufe der Entw icklung zu der neuen Kunst stellt, muß die folgende geschichtliche B etrachtung nachweisen. Da aber Italien dem modernen Geiste zuerst m it Entschiedenheit Bahn bricht und m it großen Schritten dem übrigen Europa vorangeht, so wird seiner K unst bei der Darstellung überall der erste Platz einzuräum en sein.

(25)

ZWEITES KAPITEL

Die A r c h ite k tu r der R enaissance

I t a l i e n 1)

Die A rchitektur der Renaissance war, wie wir gesehen haben, keine orga­

nische W eiterentw icklung der bisherigen Bauweise — wie etwa der gotische aus dem rom anischen B austil hervorging — sondern ein neuer A nfang, ja eine be­

w ußte Reaktion gegen die Gotik in Italien. Sie muß also aus den besonderen Ver­

hältnissen dieses Landes heraus erklärt und verstanden werden. Italien war — außer Südfrankreich etwa — das einzige Land, in welchem die D enkm äler der römi­

schen A rchitektur, trotz aller Zerstörungen, noch so zahlreich und so großartig vor den Augen der Lebenden standen, daß sich daraus eine fortwährende Ein­

w irkung auf die Bauweise selbst ergab. In der T at h a t die Kenntnis und An­

w endung gewisser architektonischer Form en des Altertums, wie der Säule, des Eierstabes, des Zahnschnittgesim ses u. a. niemals ganz aufgehört und ist vorüber­

gehend, in dem toskanisch-rom anischen Stil des 12. Jahrhunderts, schon m it so viel Freiheit gehandhabt worden, daß m an wohl berechtigt ist, von einer ,Proto- renaissance1 zu sprechen. Es war also etwas ganz N atürliches, daß bei dem W iederaufleben der antiken Idee im 15. Jahrhundert die A rchitekten ohne weiteres zu diesen Elem enten der antiken Form ensprache griffen und sie nun m it einem durch den Kontrast einer zweihundertjährigen Herrschaft der Gotik gesteigerten Empfinden für ihren eigentümlichen W ert zur Anwendung brachten. Die Bauten, welche ihnen die Vorbilder lieferten, lagen zum eist in Trüm m ern, es konnte sich also zunächst nur um Detailbildungen handeln, die man m ehr dekorativ ver­

wendete, zum Teil selbst m it einer Hinneigung zum Bunten und Phantastischen, wie sie der lebhaft erregten Zeit eigen war. E rst genaueres Studium auf g e­

lehrter Grundlage ermöglichte eine strengere Anlehnung an die A ntike und eine G estaltung der Bauformen aus dem Organismus der Bauwerke heraus, unter Ver­

zichtleistung auf bloß dekorative W irkungen und u nter weiser B eschränkung der Zierformen auf das notwendige Maß. Schon hieraus ergeben sich für die Archi­

tek tu r die beiden Hauptepochen der F r ü h r e n a i s s a n c e im 15. Jahrhundert (Quattrocento) und der H o c h r e n a i s s a n c e im 16. Jahrhundert (Cinquecento), die dann m eist auch auf die anderen bildenden Künste übertragen werden. Die

r) J. Burckhardt, Geschichte der Renaissance in Italien. 4. Aull. Bearbeitet von II. H o l t z i n g e r . S tuttgart 1902. — Der Cicerone. 9. Aufl. Leipzig 1904. — E .M uentz, Histoire de l’art pendant la Renaissance. Italie. 3 Bde. Paris 1889—95. — A. Choisy, Histoire de l’arehitecture. II. Paris 1899. — A. Schuetz, Die Renaissance in Italien.

(Lichtdrucke.) 4 Bde. Hamburg 1882.

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Renaissaneearchitektur nim m t also etwa den um gekehrten Entw icklungsgang wie die voraufgehenden Stilepochen; auch in diesem Sinne darf sie in einen be­

stim m ten Gegensatz zu den organisch entwickelten Baustilen gestellt werden.

Fig. 13 Inneres von S. Francesco al Monte bei Florenz (N'aoti Schill gez. von Riess)

I. P e r i o d e : F r ü h r e n a i s s a n c e (XV. Ja h rh u n d e rt)1)

Das 15. Jahrhundert ist die Zeit jenes Ü bergangs, welcher zwischen den bisherigen baulichen Traditionen, die in ihren konstruktiven Grundlagen unver­

ändert blieben, und den antiken Form en zu verm itteln strebte. Beim K i r c h e n ­ b a u 2) geht m an gern auf die flachgedeckte, zuweilen auch auf die kreuz-

B R. Adamy, Architektonik der Frührenaissance. Hannover 1896.

2) P. Laspeyres, Die Kirchen der Renaissance in Mittelitalien. Berlin und S tutt­

gart 1882.

(27)

Brunelleschi 17 gewölbte Basilika zurück,

strebt indessen diese konstruktiven Systeme nach Kräften durch die antiken Gliederungen zu charakterisieren. Doch m acht sich das Verlangen nach weiten, schönen Raum bildungen, das be­

reits in der italienischen Gotik hervortrat, ins­

besondere durch die Vor­

liebe für großartige Kup­

pelbauten geltend, für deren A usführung die Re­

sultate der kühnen m ittel­

alterlichen Technik nicht verschm äht werden. Bei den Profanbauteu — die entsprechend dein Be­

dürfnis der Zeit nach p er­

sönlichem Ruhm in den Vordergrund treten — bleiben die Grundzüge der m ittelalterlichen F as­

sadenbildung gewahrt, nam entlich das ebenso konstruktiv zweckmäßige wie anm utige Prinzip der Fenstergliederung durch hineingestellte schlanke Säulen. Der H auptreiz

der neuen Bauweise liegt Fig. 14 Hol des Palazzo Venezia zu Rom (Nach Strack) im P a l a s t b a u , ■) der

sich aus dem m ittelalter­

lichen Burgenbau ebenso entwickelt, wie das höfisch prunkvolle, feingebildete fürstliche Leben dieser Epoche aus dem kriegerischen trotzigen, ritterlichen Da­

sein der früheren Zeit. Das Schm uckstück des Innenbaus sind die mit Arkaden, oft in mehreren Stockwerken, umzogenen Höfe.

Mit dem antiken Form enkanon w ar es noch ziemlich willkürlich bestellt.

Man ahm te zwar, was man von antiken Denkm älern zu sehen bekam , getreulich nach, jedoch m eist ohne klare Vorstellung von den zugrunde liegenden V erhält­

nissen, geschweige denn von den feineren Beziehungen der Glieder untereinander.

Um so unbefangener w altet oft ein liebenswürdig phantastischer Zug in dieser Dekoration, die an Frische, N aivität und Anmut ebenso hoch über den gleich­

zeitigen W erken der späten Gotik steht, wie die freie künstlerische Em pfindung über verzopfter H andw erkspraxis. D aher üben gerade die W erke dieser F rü h ­ renaissance zum eist jene unwiderstehliche Anziehungskraft aus, welche ein schönes Vorrecht begeisterter Jugend ist.

l) Palast-Architektur von Oberitalicn und Toskana. Genua, herausg. von E.. Rein­

hardt. Berlin 1882. — Toskana, herausg. von J . C. Raschdorff. 1883. — Venedig, herausg.

von 0. Raschdorff. 1894.

L ü b k e , Kunstgeschichte Renaissance.^JS —Aufl. 2

(28)

F l o r e n z , 1) seit langem eine S tätte der Kunst, ist auch die W iege der Frührenaissance. Die S tadt erlebte im 15. Jahrhundert einen glänzenden Auf­

schw ung nicht zum w enigsten durch die klu'ge Poli­

tik der M e d i c i , 2) die — eine Fam ilie von Bankiers und K aufleuten — durch ihren Reichtum und als Führer der Volkspartei, ohne eigentliches Am t und Titel, m it überlegenem Geist drei Generationen hin­

durch eine H errscherstellung zu behaupten wußten.

Aber nicht au f ihrer Politik beruht der Ruhm der Medici, sondern auf dem fürstlichen M äcenatentum, das sie über Kunst und W issenschaft ausübten;

Cosimo ( f 1464) und sein Enkel Lorenzo Magnifico ( f 1492) treten besonders hervor. Mit den bedeutend­

sten H um anisten und Künstlern standen sie in regem Verkehr; zu dem Kreise Cosimos gehörte auch der geniale Meister, den schon seine Zeitgenossen als den eigentlichen Schöpfer des neuen Stils der Archi­

tektur bezeichneten, Filippo Brunelleschi (1377—

1446).3)

Den größten R uhm bei seinen Landsleuten gewann Brunelleschi freilich durch ein W erk, das zunächst als Lösung eines bereits von früheren Zeiten gestellten Problem s bedeutsam ist: die Aus­

führung der Florentiner D o m k u p p e l (Fig. 1). Vor­

bereitet durch sorgfältige Studien der antiken B au­

werke in Rom w ährend eines längeren Aufenthaltes daselbst, unternahm er es seit 1420, auf dem acht­

eckigen U nterbau nebst Tam bour, den das vier­

zehnte Jahrhundert hinterlassen hatte, die gewaltige Kuppel zu wölben; 1434 wurde das W erk vollendet.

Es übertraf als konstruktive Leistung alle früheren B auten ähnlicher A rt und wurde dadurch in der iig. i-> Turm an s. S pinto in Rom e;n ^Lehrstück und Muster für die B aukunst

der Renaissance“, deren Vorliebe für den K uppelbau durch diese grandiose Schöpfung sicherlich m it hervorgerufen ist. Im einzelnen w ar Brunelleschi an zum Teil ungünstige B edingungen gebunden, nam entlich durch den vorhandenen Unterbau, der nu r eine Ausführung als ,KlostergewÖlbe‘, aus acht im spitzen Bogen aufsteigenden Gewölbefeldem, gestattete; auch die M angelhaftigkeit der Beleuchtung des Inneren durch die acht R undfenster des Tam bours ist nicht seine Schuld. Die G estaltung der Kuppel als doppelte Schale m it gleichem spitzbogigen Profil, aufsteigend von einem gem einsam en massiven Mauerring, das sorgfältig erdachte System der Verstrebungen der einzeluen ,Sporen1, R ippen und sphärischen Flächen untereinander, die A rt der Ausführung ohne Lehrgerüst, die Idee der konstruktiv wie ästhetisch gleich wichtigen ,Laterne1 0 H. Davidsohn, Geschichte von Florenz. Berlin 1896. — K . Brandt, Die Renais­

sance in Florenz und Rom. Leipzig 1900.

2) Ed. Heyck, Die Mediceer. Bielefeld und Leipzig 1897.

3) D ie A r c h i t e k t u r d e r R e n a i s s a n c e i n T o s k a n a , nach den Meistern geordnet. Dargestellt von der Gesellschaft San Giorgio . . . München 1885 ff. (Monographien m it neuen Aufnahmen und Lichtdrucken.) — C. von Fabriczy, Filippo Brunelleschi. Stutt­

g art 1892.

(29)

Brunelleschi 19 als Bekrönung des Ganzen — die nach seinem Modell erst 1467 vollendet wurde — sind dagegen Brunelleschis eigenstes Verdienst.

Im m erhin haben andere Bauten dieses Meisters für die Genesis des neuen Stils größere Bedeutung. In welcher W eise er, wo ein ganz selbständiges Ver­

fahren möglich war, den Kirchenbau auffaßte, zeigt die 1421 begonnene schöne Kirche S. L o r e n z o zu Florenz. Es ist eine Neubelebung der flachgedeckten römischen Säulenbasilika in den edelsten Verhältnissen und großartigster R aum ­ entwicklung. Die Säulen, m it feinstem Geschmack der antik-korinthischen Ord­

nung nachgebildet, erhalten wieder das käm pferartige Gebälkstück, das die Archi­

volten um so schlanker erscheinen läßt. Die Seitenschiffe sind gewölbt und zwischen einer Pilasterordnung von niedrigeren Kapellennischen begleitet; über der Vierung erhebt sich eine bescheidene Kuppel. In verwandtem Sinne ist die 1436 begonnene Basilika S. S p i r i t o (Fig. 2) nach seinen Plänen vollendet worden, deren Innerem die Herum führung der Seitenschiffe um Querbau und Chor schöne perspektivische W irkungen verleiht. Von noch größerer W irkung au f die Archi­

tektur der Zeit wurden die beiden kleinen Zentralbauten der S a k r i s t e i von S. L o r e n z o (Fig. 3) (1428 vollendet) und der K a p e l l e P a z z i im Hofe von S. Croce. Hier gibt dem Inneren der vorherrschende Rundbogen den C harakter weicher Anm ut und gliedert in ruhiger W ürde die Flächen, denen Donatello u. a.

ihren plastischen Schm uck schufen. Die Vorhalle der Pazzikapelle (Fig. 4) m it einem Tonnengewölbe auf korinthischen Säulen, das in der lü tte durch eine kleine Kuppel über eingespannten Querbogen unterbrochen wird, ist ein nicht minder anm utiges W erk.

Vielleicht noch glücklicher w ar Brunelleschi im Profanbau, denn er stellte im P a l a z z o P i t t i (Fig. 5) für den florentinischen P alaststil ein Muster auf, das an m ajestätischer W irkung nie wieder erreicht worden ist. Der Aufbau aus mächtigen, nur an den Rändern behauenen Steinquadern („R ustica“), den bereits die m ittelalterlichen Bauten, wie der

Palazzo Vecchio zeigen, ist hier mit gewaltigem E rnst zu künstlerischer W irkung gebracht. Auf der Höhe des stark ansteigenden Terrains erhob sich der P alast, ursprünglich beschränkt auf eine Breite von sieben Fenstern — die niedrigen Seitenflügel sind An­

bauten des 17. Jahrhunderts — wie von Gigantenhänden getürm t, die wenigen großen Einzelformen in allen drei Stockwerken gleichm äßig wie­

derholend; nur die Behandlung der R ustikaquader ist in den beiden obe­

ren Geschossen, die auch an Höhe um ein Geringes hinter dem E rd­

geschoß Zurückbleiben, etwas weniger derb und m assig. Drei mächtige Tore, die sich im Erdgeschoß öffnen, die gleichm äßigen hohen Fenster­

reihen der oberen Geschosse nehmen aber dem Bau das Festungsartige und geben ihm den, wTenn auch

stl engen und großaitigen, so doch Fi^. 16 Säulenkapitell aus dem Hof des Palastes einladenden C harakter eines Palastes. von Urbino

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Fig. 17 Portinarikapelle an S. Eustorgio zu Mailand (Xach Paravicini)

Nicht jedem Bauherren mochte aber dieser E rnst der Auffassung so Zusagen, wie dem ehrgeizigen und hochstrebenden Luca Pitti, und auch Brunelleschi selbst h at ihn in seinem P a l a z z o P a z z i (später Quaratesi), der etwa 1445 begonnen, erst gegen 1470, wahrscheinlich durch Giuliano da Majano vollendet wurde, m it

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Florentiuischer Palastbau 21 Bewußtsein ins Zierliche gemildert. Die R ustika ist hier au f das Erdgeschoß beschränkt und weniger derb gehalten, um m it den in P utzbau ausgeführten oberen Stockwerken zu harmonieren. Den gleichen Sinn für edle Schlichtheit bezeugt seine schöne S ä u l e n h a l l e am Spedale degli Innocenti (dem Findel- hause) au f P iazza dell’ A nnunziata, das früheste von manchen ähnlichen W erken, welche die öffentlichen Plätze von Florenz so m onum ental gestalten — und die anspruchslose B a d i a (Abtei) von F i es o l e , m ag sie nun von ihm selbst oder einem seiner Nachfolger ausgeführt sein.

Fig. 18 Klosterliot aus der Certosa bei Pavia

W as Brunelleschi m it schöpferischer Genialität begonnen, setzte Michelozzo di Dartolommeo (1396— 1472) mit Verstand und Geschick fort. E r gab in dem für Cosirno Medici — jedenfalls erst nach 1434 — erbauten stattlichen P a l a z z o (jetzt R i c c a r d i ) (Fig. 6) der R ustika und den Stockwerkshöhen noch feinere Ab­

stufungen und schloß den Aufbau durch ein m ächtiges H auptgesim s w irkungs­

voll ab. Der Hof m it seinen schönen Kompositasäulen, die durch elegante Bogen verbunden sind, ist das Vorbild zahlreicher Hallenhöfe im 15. Jahrhundert; Miche­

lozzo selbst bildete den vorderen Hof des P a l a z z o V e c c h i o (1454) ähnlich.

Seine Villen- und Klosterbauten wissen m it bescheidenen Mitteln sehr anmutige, freundlich-em ste W irkungen zu erzielen, als Beispiel sei der schöne dreischiffige B i b l i o t h e k s a a l des Klosters S. Marco (1441 vollendet) genannt (Fig. 7).

Der von diesen Meistern ausgebildete Stil des Florentiner Palastbaus blieb im allgem einen das ganze 15. Jahrhundert hindurch für größere und kleinere Bauten m aßgebend und wurde auch in den anderen Städten Toskanas angenommen.

(32)

So sind in S i e n a die P aläste Spannocchi, Nerucci und Piccolomini zu nennen, letztere wohl nach Plänen des Florentiners Bernardo Rossellini (1409—64-), dem auch die interessante Neuanlage einer ganzen S tadt verdankt wird. Durch ihn nämlich wollte P a p st Pius II. seinen Geburtsort Corsignano nach einheitlichem Plan zur „Piusstadt" P i e n z a um gestalten lassen, und die edle B augruppe des Doms, des Bischofshofes und Palazzo Piccolomini legen davon noch heute Zeugnis ab.

Fig. 19 Fenster an der Fassade der Certosa bei P aria

Seinen künstlerischen H öhepunkt erreichte der florentmische R ustikabau im P a l a z z o S t r o z z i , angeblich von Bencdetto da Majano 1489 begonnen und zur einen Hälfte 1504 vollendet (Fig. 8). Die Quadern sind hier rundlich behauen (Spiegelquadem), von geringerem Umfange und gleichm äßiger geschichtet als im Palazzo Pitti, so daß der trotzige E rnst gem ildert erscheint. Die glücklichen Verhältnisse der Stockwerkshöhen und Fenster, der Abschluß durch das wegen seiner Schönheit berühm te Kranzgesim s (von Simone Cronaca) m achen diesen Bau zum vollendetsten Typus des künstlerisch durchgebildeten Steinhauses.

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Leo B attista Alberti 23 Eine m ehr schulgemiiße, in strengerer Konsequenz durchgeführte Aufnahme der antiken Form en vertritt der aus vornehmer Patrizierfam ilie stam m ende, viel­

seitig gebildete Leo B attista Alberti (1402— 72), der durch seine Bauten wie durch seine Schriften1) nachhaltig auf die Zeitgenossen eingewirkt hat. Im ganzen ist er m ehr feinfühliger Theoretiker als praktischer Künstler, wie er denn die Aus­

führung seiner Pläne m eist anderen überließ. Die Harmonie der Verhältnisse, der m usikalische Zusam m enklang

des Bauwerks in seinen einzelnen Gliedern und m it der Um gebung stehen ihm überall voran. Diese For­

derung aber sieht er am schönsten erfüllt durch die antiken A rchitektur­

formen, insbesondere die Säule. So gliedert er in der Fassade des P a ­ l a z z o R u c e l l a i (Fig. 9), den nach seinen Ideen Bernardo Ros- sellino (1446— 51) ausführte, die Stockwerke durch antike Pilaster unter wohlberechneter Dämpfung der R ustika zu einer Quaderfläche, so gestaltete er die Fassaden der Kirchen S. F r a n c e s c o z u R i m i n i (1446—55) und S. A n d r e a zu M a n t u a nach dem Vorbilde antiker Tempelfronten und Triumphbögen.

Der m ehr ästhetisierende C harakter seines Schaffens drückt sich darin aus, daß er hier, und in der reich inkrustierten Fassade von S. M a r i a N o v e l l a zu Florenz (1470) dem

Gebäude eine dekorative Schauwand vorsetzt ohne inneren Zusam m enhang m it der Architektur. Daß er aber auch für die Raum bildung neue große Aufgaben stellte, zeigt das — allerdings erst nach Albertis Tode ausgeführte — I n n e r e von S. A ndrea,2) das zum erstenmal Kuppel- und Langhausbau zu organischer Verbindung bringt (Fig. 10). Durch Reduktion der Seitenschiffe auf Kapellen­

reihen ist das Langhaus ein einheitlicher, von m ächtigem Tonnengewölbe über­

deckter Raum geworden, der von einem ebenso gestalteten Querhaus durch­

schnitten wird; über der Vierung erhebt sich die Kuppel. Diese m ajestätische R aum gestaltung w irkt vorbildlich fort in der späteren Kirchenarchitektur.

Bedeutsam e Ansätze zu neuer Entw icklung enthält auch die T ätigkeit der letzten Generation florentinischer Architekten, die bis ins 16. Jahrhundert hinein­

reicht. Die Ausgestaltung des Zentralbaus auf der von Brunelleschi gelegten Grundlage förderte vor allem das Brüderpaar Sangallo *) durch reizvolle Grundriß­

bildung, wie sie zuerst Giuliano da Sangallo (1445— 1516) in seiner S a k r i s t e i von S. S p i r i t o versuchte, und durch elegantere Konstruktion der Kuppel. Die M a d o n n a d e l l e C a r c e r i zu P r a t o (1485—91) ist das Meisterwerk des Giu­

liano, die M a d o n n a d i S. B i a g i o zu M o n t e p u l c i a n o (1518—37) dasjenige

1) Deila Pittura. Arte edificatoria (s. Opere volgari di L. B. Alberti ed. Bonucci.

Firenze 1843 und Qaellenschr. für Kunstgesch. Bd. XI).

2) E. Ritscher, Die Kirche S. Andrea zu Mantua. Berlin 1899.

3) G. Clausse, Les San Gallo. Paris 1900.

Fig. 20 Grundriss der Sakristei von S. Maria presso S. Sátiro zu Mailand

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des Antonio da Sangallo (1455— 1534) auf die­

sem Gebiete. Beidemal steigt die Kuppel über einem griechischen Kreuz empor, dessen kurze Arme mit Tonnengewöl­

ben bedeckt sind; ein dazwischen geschobener Tam bour g ib t ihr Höhe und Leichtigkeit. An der Kirche Giulianos gehört das Detail, wie der schöne B alustradenum gang im Innern des Tam bours und die blau-weißen T erra­

kottenfriese noch der hei­

teren Frührenaissance an, ja die Kapitelle der W and- P ilaster zeigen selbst jene überzierliche gold­

schm iedartige Feinheit der D urchführung, welche auch die Säulen in dem Hofe von Giulianos P a ­ l a z z o G o n d i (Fig. 11), einem der m alerisch reiz­

vollsten in Florenz, cha­

rakterisiert. Die Formen- sprache an der Madonna di S. Biagio (Fig. 12) ist dagegen bereits von dem strengeren E rnst der Hochrenaissance durch­

drungen. Die Anord­

nung zweier freistehen­

der Glockentürme in den vorderen W inkeln des kreuzförm igen Grund­

risses — nur einer davon ist ausgeführt — unter­

stützt hier wesentlich den Eindruck der frei und leicht aufstrebenden Kup- Fig. 21 Durchschnitt der Sakristei von S. Maria peL Bedeutend durch ihre

n r e s so S . S n tir o 7.11 M m lnnd *

presso S. Satiro zu Mailand ,

R aum gestaltung und die weise Sparsam keit des Schmuckes ist auch Antonios Kirche d e l F A n n u n z i a t a zu A r e z z o , ein drei- schiffiger Pfeilerhau m it lauter Tonnen- und Kuppelgewölben. Die sehr um fang­

reiche T ätigkeit und der Einfluß der Brüder Sangallo erstreckte sich über ganz Mittelitalien bis nach Rom, wo Giuliano im Dienste Pauls II. und seiner Nach­

folger tätig war. Insbesondere geht au f ihre Anregungen zurück die interessante

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Die Brüder San Gallo Kuppelkirche M a d o n n a

d e l l ’ U m i l t ü zu P i - s t oj a von dem sonst wenig bekannten Ven­

tura Vitoni (1442 bis 1522), ein achteckiger Bau m it einer sehr fein komponierten Vorhalle.

Nebensolchen Schöp­

fungen, welche die Idee des Kuppelbaues bereits der Vollendung nahe- gebracht zeigen, erfuhr nun aber auch die schlichteste aller For­

men des Langhaus­

baues, die Franziskaner­

kirche m it offenem D ach stu h l, gegen das Ende der üorentinischen Renaissance noch eine monumentale Ausgestal­

tung : Simone Cronaca, der Meister des H aupt­

gesim ses am Palazzo Strozzi und anderer P a ­ lastbauten, schuf in die­

sem Sinne S. F r a n ­ c e s c o a l M o n t e bei

Florenz, „das schöne Fig. 22 S. Maria delle Grazie zu Mailand L andm ädchen“ , wie

Michelangelo sie benannt

haben soll (Fig. 13). Nur auf der Schönheit der fein abgewogenen Verhältnisse beruht der freundlich-ernste Eindruck des Innern; die völlig schm ucklosen Bogen, Pilasterstellungen und Fensterum rahm ungen sprechen bereits die Sprache der Hochrenaissance.

Schon früh wurde der Baustil der Renaissance über die Grenzen Toskanas h inau sg etrag en , zum eist durch florentinisehe Meister. In R 0 m !) konnte P apst Nikolaus V. (1447—53) von seinen großartigen Bauplänen, wobei ihm L. B. Alberti und Bernardo Rossellino zur Seite standen, nur weniges ausführen, das seitdem auch verschwunden ist. So ist der unter seinem Pontifikat wenigstens begonnene P a l a z z o V e n e z i a das erste Renaissancebauw erk in Rom, bedeutend nam entlich durch die schöne Halle um den — unvollendeten — größeren Hof: sie ist das erste Beispiel eines Pfeilerbaues m it Vorgesetzten Halbsäulen, offenbar nach dem Muster des Kolosseums (Fig. 14). Dem Künstler dieses gewaltigen Palastes, Giacomo da Pietrasanta, gehört auch die Kirche S. A g o s t i n o (1479—83), gleichfalls m it Halb­

säulenordnungen im Innern, wie auch bei S. M a r i a d e l P o p o l o (lois 1477).

Ein Bau Sixtus’ IV., der die architektonisch ganz schlichte K a p e l l e des päpst-

!) E. Steinmann, Rom in der Renaissance. Leipzig 1899. — P. Letarouilly, Les édifices de Rome moderne. Paris 1840. — H. Strack, Die Bauwerke Roms. Berlin 1891.

(Lichtdrucke.) — 0. Hamack, Rom (Moderner Cicerone). S tu ttg art 1903.

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liehen Palastes durch Giovanni de’ B o ld aus Florenz errichten ließ, ist auch das H o s p i t a l von S. S p i r i t o (1473—82) m it seinem schönen Campanile (Fig. 15).

In N e a p e l tritt die Renaissance gleichfalls schon früh in dem 1455— 70 errichteten T r i u m p h b o g e n A l f o n s ’ I. auf, dem W erke eines Mailänders, Pietro

di Martino, und wird dann hauptsächlich durch den Florentiner Giuliano da Majano vertreten, der (seit 1485) die schöne P o r t a C a p u a n a errichtete. Die um diese Zeit gebauten P aläste zeigen m eist den florentinischen R ustikastil. E igenartiger sind die Bauten des Giovanni Donadio aus Mormano in Kalabrien, aber erst 1513 schuf ein Neapolitaner, Gabriele d’Agnolo, den Palazzo G r a v i n a , einst von be­

deutender und schöner Anlage, je tz t durch einen Umbau stark entstellt.

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Luciano da Laurana 27 Den tiefsten Eindruck von den W erken nicht-florentinischer Architekten m achte schon auf die Zeitgenossen der Bau des herzoglichen Palastes in U r b i n o J), von dem Illyrier Luciano da Laurana ( f 1479). Er g alt ihnen als Muster eines fürstlichen W ohnsitzes durch Bequemlichkeit und vornehme Pracht. Die Schwierig­

keiten des unregelm äßigen und abschüssigen Terrains und des Anschlusses an einen älteren Bau sind von dem A rchitekten, der etwa von 1467 an hier tätig

Fig. 24 Fassade der Scuola di S. Rocco zu Venedig

w ar, m eisterhaft überwunden. Ist schon die F assade nach dem Vorhof durch eigenartigen R hythm us in der Verteilung der Portale und Fenster ausgezeichnet, so steht der innere Arkadenhof durch die vornehmen Verhältnisse und klassisch reinen Detailformen (Fig. 16) bereits den W erken der Hochrenaissance nahe. Im Vergleich zu der derben Fülle der florentinischen Frührenaissance herrscht hier eine sichtbare Z urückhaltung; ruhige, fein abgewogene F lächen, begrenzt durch

l) F. Arnold, Der herzogl. P alast von Urbino. Leipzig 1857. — Th. Ilofmann, Bauten des Herzogs Federigo da Montefeltro, als Erstwerke der Hochrenaissance. (Elber­

feld 1905.)

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maßvoll profilierte Gesimse, bestimmen den Eindruck; auf R ustika ist ganz ver­

zich tet, als Schm uck des Frieses genügt eine Inschrift in m onum entalen Buch­

staben. — Die Spuren dieses bedeutenden Künstlers lassen sich noch in anderen B auw erken, wie dem Palazzo Prefettizio zu P e s a r o (begonnen vor 1465) und dem P alast in G u b b i o (1474-—80) verfolgen, seine dauernde Einw irkung auf die Geschichte der K unst beruht aber darauf, daß er der Lehrer des eigentlichen Begründers der Hochrenaissance w ar, des Donato d’A ngelo, genannt Bramante (1444— 1514).

W enn die Jugend Bram antes, der in einem Dorfe bei Urbino geboren war, offenbar u nter dem Eindruck des dortigen großen P alastbaues sta n d , so h a t er

Fig. 25 Palazzo Vendramin-Calergi za Venedig

dann die erste Zeit seines selbständigen Schaffens (bis 1499) in M a i l a n d 1) ver­

le b t, wohin ihn vielleicht derselbe H errscher aus dem Geschlechte der Sforza, Ludovico Moro, berief, der auch dem zweiten Schöpfer der Hochrenaissance, Lionardo da Vinci, hier eine S tätte bereitete. B ram ante hat der Frührenaissance in Mailand und in der ganzen L o m b ard ei2) so tief den Stem pel seines Geistes eingeprägt, daß sie fast von ihm geschaffen erscheint. Doch w aren schon vor ihm andere R enaissancem eister hier tä tig , wie Michelozzo, dessen P o r t i n a r i ­ k a p e l l e an S. Eustorgio ein höchst bezeichnendes Denkm al des lombardischen 1) C. Romussi, Milano ne’ suoi monumenti. 2. Aufl. Milano 1893. — A . Gosche, Mailand. Leipzig 1904. — P. Schubving, Mailand. S tu ttg art 1905 (Moderner Cicerone).

2) A. G. Meyer, Oberitalienische Frührenaissanee. Bauten und Bildwerke der Lom­

bardei. 2 Bde. Berlin 1897—1900.

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Lombardei 29 Ü b e r g a n g s s t i l s ist. Im alteinheimischen Backsteinbau ausgeführt, klingt sie im Innern wie im Äußern (Fig. 17) vernehmlich an die Pazzikapelle und die Sakri­

stei von S. Lorenzo zu Florenz an. Eine ähnliche Ü bergangsstellung nim m t der reiche Terrakottabau des O s p e d a l e m a g g i o r e zu M ailand, 14-56 von dem Florentiner Antonio Filarete begonnen, ein und derjenige Teil der C e r t o s a von P a v i a , welcher in diesen Jahrzehnten (1453—81) nach m ehr als halbhundert­

jähriger U nterbrechung des Baus unter der Leitung des Guiniforte Solari ent­

s ta n d .') Es sind dies die beiden schönen K l o s t e r h ö f e (Fig. 18), deren zierliche

Fig. 26 Loggia del Consiglio zu Yerona

Rundbogenarkaden m it dem reichen T errakottaschm uck, m it Halbfiguren in den Medaillons, Putten und Rankenfriesen in den Archivolten bereits reinen Renais­

sancegeist verraten, w ährend derselbe Baum eister in der A rchitektur des Quer­

schiffes und Chors, sowie der in drei Galerien abgestuften Kuppel (vgl. Fig. 18) sich an den älteren lom bardischen Übergangsstil anschließt. Das am meisten charakteristische W erk der lombardischen Frührenaissance ist die F a s s a d e der C e r t o s a , wie sie nach mehrfachen Abänderungen des Entwurfs 1491—96 durch Giovan Antonio Omodeo, später (1500— 1507) durch Benedetto Briosco mit zahl-

*) L. Beltrami, La Certosa <li Pavia. Milano, o. J. (Lichtdrucktafeln.)

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reichen Gehilfen ausgeführt wurde. Hier ist weißer Marmor das hauptsächlichste Material in V erbindung m it farbigen Inkrustationen (Fig. 19). Eine verschw ende­

rische Fülle von S tatuen in Nischen, Reliefs, Medaillons, kandelaberartigen F enster­

säulen, Festons, W appen usw. ist über das ganze untere Stockw erk ausgegossen;

im oberen beschränkt sich der Flächenschm uck weislich au f M armorinkrustation, so daß die architektonische Grundform, die sich dem lom bardisch-m ittelalterlichen Typus der Kirchenwand anschließt, hier wenigstens klar hervortritt. Immerhin bleibt es die geschw ätzigste aller Kirchenfassaden, seltsam genug für den schweig­

sam sten aller Orden ausgeführt. Das m onum entale H auptportal und die reinere Architektur der oberen Fassade stehen vielleicht schon unter dem Einfluß B ra- mantes, dessen überlegene Kunst gegen Ende des Jahrhunderts die ganze lom ­ bardische Architektur beherrschte.

Fig. 27 Loggia dcl Consiglio zu Padua

In Bramantes eigenem Schaffen tritt von allem Anfang die Idee des Z e n t r a l ­ b a u s 0 hervor, der er später a u f der Höhe seiner K unst in den Plänen zur P eters­

kirche glänzendsten Ausdruck geben sollte. So schuf er als sein frühestes W erk in M a i l a n d (etwa seit 1480) die (jetzige) Sakristei an der Kirche S. M a r i a p r e s s o S. S a t i r o au f achteckigem Grundriß (Fig. 20), der durch tiefe, diagonal gestellte Nischen sich dem Viereck annähert; flache Blendnischen dazwischen lösen die W andflächen auf. Im oberen Geschoß, über einem b reiten, reich m it Bildwerk gezierten Friese, zieht sich ein U m gang herum , der zwischen den Pfei­

lern sich m it je zwei Rundbögen nach dem Innern zu öffnet (Fig. 21). Die acht­

teilige Kuppel m it großen R undfenstem und schlanker Laterne läßt ein reich-

r) BC- Strack, Zentralkirchenbauten des XV. und XVI. Jahrhunderts in Oheritalien.

Berlin 1882 (S.-A. aus Zeitsehr. f. Bauwesen 1877 ff.). — Vgl. auch H. Strack, Ziegel­

bauwerke des Mittelalters und der Renaissance iu Italien. . Berlin 1889.

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Bramante

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liebes Licht au f die so m annigfach belebten Flächen und Gliederungen fallen ; zu der höchst luftigen und wohltuenden Raum w irkung gesellt sich eine Dekoration von vollendeter Schönheit. Auch die Südfront der Kirche m it ihrer architek­

tonisch vornehmen Form ensprache ist wohl Bram ante zuzuschreiben. Ähnlich ist die Anlage der kleinen Klosterkirche G a n e p a n o v a zu P a v i a (1492); in größeren Dimensionen wölbte er über einem weiten Viereck m it kurzen, halbrund geschlossenen Querarmen die Kuppel des Chorbaus von S. M a r i a d e l l e G r a z i e in M a i l a n d (1492—99), die nach außen ein zeltartiger Polygonbau um gibt (Fig. 22). Die Gliederung und Dekoration der unteren Teile, die allein Bram ante ausführte, ist auch hier von entzückender Feinheit. Das Beispiel einer monu­

m entalen Kirchenfassade von grandioser Einfachheit stellte er vielleicht noch selbst in A b b i a t e G r a s so hin, aber auch sonst ist bis zum Schlüsse des Jah r­

hunderts kaum ein B au­

w erk von B edeutung in Mailand und der west­

lichen Lombardei entstan­

den, dem nicht der echt architektonische Sinn, das feine Empfinden für Maß Verhältnisse, die Fülle der dekorativen Phantasie Bram antes zugute ge­

kom m en wäre. So rief das Vorbild von S. Maria delle Grazie das schöne Santuario della Madonna bei C r e m a (1493) und die Incoronata tin L o d i (1488) von Giovanni Bat­

tagio hervor, und auch das Oktogon der Vierung am Dom zu P a v i a , die Madonnenkirchen zu B u s t o A r s i z i o und S a r o n n o , sowie San Magno z u L e g n a n o sind Denkm äler des lom bar­

dischen „Stile Braman- tesco“. Die A uflösung des U nterbaues in Nischen, des Oberbaues in Arka­

den m it U m g an g , die zeltförmige Überdachung der Kuppel, die Feinheit der Gliederung und Deko­

ration bilden ihre gemein­

sam en Eigenschaften. An dem neuen Ideal r a u m ­ b i l d e n d e r K unst, das sich hier gestaltete, hatte sowohl das Studium antik­

altchristlicher Bauwerke Fig. 28 Portal der Kirche Corpus Dcmini za Bologna

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