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Die Kunst des XIX. Jahrhunderts und der Gegenwart : Die historischen stile. Teil 1

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DIE KUNST DES-XIX. JA HRH U N D ER TS

UND DER G E G E N W A R T /I .T E I L

(3)
(4)

■ K V f p o l it e c h n ik i)

X

(5)

Bauernmädchen vor der Kapelle von Karl Spitzweg

Original im Besitz des Herrn Eugen Spitzweg, München

Paul Neff Verlag (Max Schreiber), Eßlingen a. N.

(6)

GRUNDRISS

DER

KUNSTGESCHICHTE

V O N

WILHELM LÜBKE

Siebzehnte Auflage

Y.

DIE KUNST DES XIX. JAHRHUNDERTS UND DER G E G E N W A R T / I . TEIL

von

Friedrich Haack

E S S L I N G E N

a.

N.

P A U L N E F F V E R L A G ( M A X S C H R E I B E R )

1 9 2 2

(7)

V v fj

M l

h

DIE KUNST

DES

XIX. JAHRHUNDERTS

UND DER GEGENWART

I. TEIL

DIE H ISTO R ISC H EN STILE

V O N

D r . F R I E D R I C H H A A C K

ao. Professor fiir Kunstgeschichte an der Universität Erlangen

Sechste, verm ehrte lind verbesserte A u flage

E S S L I N G E N A. N.

P A U L N E F F V E R L A G ( M A X S C H R E I B E R )

1 9 2 2

(8)

Alle R echte, b esonders d a s der Ü b ersetzu n g , Vorbehalten

Druck von Greiner & Pfeiffer, Stuttgart

(9)

V o r w o r f

W ilhelm L übke h atte in seinem Grundriß der K unstgeschichte dem 19. Jahrhundert keine ein zige Abbildung und nur 30 T extseiten widmen können. S elb st davon habe ich nur sehr w en ig und zum eist N ebensäch­

liches herübergenommen, da sich die A uffassung gerade von jenem Z eit­

raum inzw ischen w esen tlich verändert hat. Mir schw ebte als Ideal nicht lexikographische V ollstän d igk eit vor, sondern eine w irkliche E r z ä h l u n g von den H aupttaten und H aupthelden der K unstgeschichte des 19. Jahr­

hunderts. F ern er suchte icli T e x t und A bbildungen zu einem organischen Ganzen zu verbinden, indem ich die einzelnen K ünstler gerade an den ab­

gebildeten K unstw erken zu charakterisieren und diese deshalb auch m ög­

lich st nah bei dem dazu gehörigen T ex t anzuordnen bestrebt war.

G leichsam w ie von selb st habe ich das S ch w ergew ich t au f die M alerei g eleg t, als au f diejenige K unst, in der sich der Genius des 19. Jahrhun­

derts besonders klar, m annigfaltig und bedeutend ausgesprochen hat. Von den einzelnen V ölkern aber habe ich w e it über die gesch ich tlich e G erechtig­

k eit hinaus das deutsche ausführlich behandelt, is t das Buch ja doch für D eu tsch e bestim m t und lernen diese am ehesten deutsche K unstw erke auch im Original kennen — verm ögen diese am ehesten m it deutschen K unst­

w erken mitzufühlen und sich für deutsche K unstw erke zu b egeistern.

So schrieb ich bereits im Vorwort zur ersten A u fla g e im Spätsommer 1904. W a s damals persönliche N eigung war, den deutschen Gedanken b e­

sonders herauszuarbeiten, ist g egen w ärtig, im Z eitalter deutscher Not, g e ­ radezu Pflicht jedes deutschen Schriftstellers, auf welchem G ebiet er auch immer arbeiten möge.

A u f W unsch des Herrn V erlegers wurde in der vorliegenden sechsten A u fla g e das Buch in z w e i T eile zerlegt, auch wurden die Anm erkungen an den Schluß verw iesen. Ü ber 40 A bbildungen sind im vorliegenden T. T eile neu hinzugekomm en.

Im L iteratur-V erzeichnis und in den Anm erkungen ist die im T ex t b e­

n u tzte L iteratu r verzeichnet. Darüber hinaus wurde aber auch sonst noch manches Buch und manche Schrift nam haft gem acht, um es dem L eser be­

quem zu erm öglichen, jeglich en Orts Spezialstudien aufzunehmen. So wurde auch der vortreffliche „A lphabetische S ch riften n ach w eis“ des W oerm ann­

(10)

VIII

V orw ort

sehen Handbuches zu R ate gezogen. D aß kein e V ollstän d igk eit der L ite ­ ratur-Angaben erzielt wurde, ist selbstverständlich, w ie überhaupt ein der­

a rtig zusammen fassen des Buch auch bei erneuten A u flagen vom V erfasser immer nur in jeder H in sich t als „V ersuch“ b etrach tet wird.

F ü r das M itlesen der Korrekturen meinem einstigen Schüler, Herrn Dr. Erich M üller-Erlangen, herzlichen D ank! —

E r l a n g e n , vor W eihnacht 1921.

F r i e d r i c h H a a c k

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I n h a l t

E in le itu n g . S. 1

E rstes K a p ite l: K l a s s i z i s m u s 1. E in leitu n g S. 13

2. M alerei und zeichnende Künste: D e u t s c h l a n d S. 23 (Carstens, Koch, Rott- mann, Genelii); E n g l a n d S. 36 (Flaxman); F r a n k r e i c h S. 36 (David, Ingres) 3. IJild iierei: I t a l i e n S. 16 (Canova); D ä n e m a r k S. 50 (Thorwaldsen); D e u t s c h ­

l a n d S. 56 (Schadow, Rauch)

4. B aukunst: D e u t s c h l a n d S. 71 (Schinkel, Klenze); d ie ü b r i g e n L ä n d e r S. 88 5. D as K unstgew orbo S. 90

Z w eites K a p ite l: R o m a n t i k 1. E in leitu n g S. 92

2. M alerei und zeichn en d e K ünste: D e u t s c h l a n d S. 97 (Die Nazarener, Cor­

nelius, Wilhelm Kaulbacb, Schwind, Spitzweg, Ludwig Richter, Die Düsseldorfer, Retliel); F r a n k r e i c h S. 166; E n g l a n d S. 166 (Dyce. Blake, Brown. Hunt, Millais, Rossetti, Burne-Jones, Crane. Watts)

3. B aukunst S. 177

4. D ie übrigen K unstgattungen S. 184

D i e n a t u r a l i s t i s c h e U n t e r s t r ö m u n g i n d e r M a l e r e i w ä h r e n d d e r k l a s s i z i s t i s c h - r o m a n t i s c h e n E p o c h e S. 187; E n g l a n d S. 188 (Turner, Constable); F r a n k r e i c h S. 200; D e u t s c h l a n d S. 202 (Kriiger, Waidmüller, Runge, Friedrich, Blechen)

D r itte s K a p ite l: R e n a i s s a n c i s m u s 1. E in leitu n g S. 224

2. M alerei und zeichnende K ünste: F r a n k r e i c h S. 225 (Gericanlt, Delacroix, Delaroche, Meissonier); d ie ü b r i g e n V ö l k e r a u ß e r de n D e u t s c h e n S. 244;

E n g l a n d S. 244; I t a l i e n u n d S p a n i e n S. 245; B e l g i e n S. 248 (de Biefve, Gallait, Leys, Wiertz); d i e V i i l k e r d e u t s c h er Z u n g e S. 255 (Piloty, Makart, Max, Defregger, Vautier, Knaus, Lenbach, Diez, Wilhelm Busch; die Berliner:

Anton von Werner; die Soldaten- und Schlachtenmaler: I'aber du Faur — die Frankfurter Schule: Burger — Karlsruhe, Düsseldorf, die Schweizer Schule, die Wiener Schule — die Landschaft, die religiöse Malerei: Munkäcsy, von Gebhard — Anselm Feuerbach und Adolph Menzel)

3. B ild n erei S. 323. F r a n k r e i c h S. 324 (Rnde, Fremiet, Dubois); d ie ü b r i g e n L ä n d e r S.328; D e u t s c h l a n d u n d Ö s t e r r e i c h S. 331 (Begas und Tilgner) 4. B aukunst S. 340. D e u t s c h l a n d S. 341 (Semper, Gedon, W allot, Ludwig Iiöffmann,

die Brüder Seidl); d a s A u s l a n d S. 351 5. D as K unstgew orbe S. 352

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V e r z e i c h n i s d e r K u n s t b e i l a g e n

Seite Bauernmädchen vor der Kapelle von K a r l S p i t z w e g ... litelbild Ruhendes Mädchen (Marmor) von G o t t f r i e d S c h a d o w ... 60/61 Familienbild des Künstlers von F r i e d r i c h O v e r h e c k , um 1823 ... 100/101 Die drei Einsiedler von M o r i t z v o n S c h w i n d ... 130/131 Gandschaft von J o h n C o n s t a b l e ... 192/193 Der „Fighting Téméraire“ von W i l l i a m T u r n e r ... 191/195 Algerische Frauen in ihrem Gemach von E u g è n e D e l a c r o i x ... 232/233 Bismarck-Pastelle von F r a n z v o n L e n b a c h ... 274/27!) Kinderbildnis von F. A. v o n K a u l b a c h ... 278/279 Mittagsruhe bei der Ernte von T h e o d o r S c h i i z ... 292/293 Aufziehendes Gewitter von E d u a r d S c h l e i c h ... 294/29i>

Sturm in der Oampngna von O s w a l d A c h e n b a c h . ... 296/297 Weibliches Bildnis (Nana) von A n s e l m F e u e r b a c h ... 510/311 Studieukopf eines ältlichen Mannes mit weißem Vollbart und vollem Kopfhaar

von A d o l f v o n M e n z e l ... 322/323

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E i n l e i t u n g

So w enig die K leider ü b e r den W e rt eines M enschen, so w enig entscheiden im le tz te n G rande die völkischen oder zeitlich en M erkm ale, die je d e m K un stw erk g leich sam wie ein um gew orfenes G ew and anhaften, ü b er sein en eig en tlich en inneren W e rt. D ieser b le ib t allez eit allein von den rein k ü n stle risc h e n E ig e n sch a fte n und V orzügen a b h ä n g ig . D ag e g en is t es in volks- wie in zeitpsy ch o lo g isch er H insicht reizvoll zu beobachten, wie N atio n a litä t un d E poche die K unst in ih ren äußeren E rsch ein u n g sfo rm en zu allen Z eiten beeinflußt u n d v e rä n d e rt haben. In diesem S inne k an n m an, wie von dem „S til“ eines V olkes, so auch von dem S til einer E poche, von dem S til eines J a h rh u n d e rts sp rech en . B e sitz t das 19. J a h rh u n d e rt au ch einen solchen au sg esp ro ch e n en Z eitstil, gleich sam einen Ja h rh u n d e rts til? —

E s ist im m er eine m ißliche S ache, den P ro p h e ten spielen zu w ollen, in ­ d essen d a rf m a n die B e h au p tu n g w agen, daß die K u n stg e sc h ic h tsc h re ib e r sp ä te re r Ja h rh u n d e rte, w enn sie a u f die g esam te V erg an g e n h eit zu rü c k b lick e n , schw erlich m it dem A n fan g des 19. J a h rh u n d e rts einen H a u p te in sc h n itt a n setz en dürften, vielm ehr m it dem B eginn je n e r n ic h t n u r k u n stg e sc h ic h tlic h , sondern a u f allen g eistig e n G ebieten des L ebens w ich tig en B e w eg u n g , für die w ir h e u te noch k einen b esseren N am en als die „M oderne“ besitzen. D em e n tsp rec h en d soll auch die vorliegende D a rste llu n g d er K u n st des 19. J a h rh u n d e rts un d der G egenw art d e rg e sta lt in zw ei B ände z e rle g t w erden, daß der zw eite m it der M oderne b eginnt.

Die E n tste h u n g dieser m odernen B ew eg u n g ersc h ein t u n s g e g e n w ä rtig sogar so b ed e u tsa m , daß sie sich in n erh alb u n se re r christlich-germ anischen K ulturepoche ü b e rh a u p t n u r m it dem B eginn der R e n aissan c e v erg le ich e n lä ß t.

D as g esam te M ittelalter b e sitz t einen a u s g esp ro ch e n einheitlichen S til und lä ß t eine ste tig au fste ig e n d e E n tw ic k lu n g k la r erkennen. A us den B austeinen, die A lte rtu m und M orgenland g eliefert, h ab e n sich die ch ristlic h -g e rm an isc h en V ölker im M ittelalter eine K u n st au fg e ric h te t, die ih r in n e rste s S eh n en u n d F ühlen, ih re christlich-religiöse G ru n d stim m u n g in id e ale r V e rk lä ru n g v erk ö rp ert. Man d a r f diese S tim m u n g beileibe n ic h t als eine rein kath o lisch e auffassen, denn der P ro te sta n tism u s w ar darin g le ich sam im V erborgenen e n th alten . In der m itte l­

alterlich en K unst erscheinen die V orzüge beid er B e k en n tn isse : die h e ite re F eie rlich ­ k e it u n d der P h an ta sie re ic h tu m des einen m it der In n erlic h k eit u n d G efühlsw ärm e des an d eren zu einer höh eren E in h e it verschm olzen. D ie A ntik e w a r F o rm e n k u n st gew esen u n d die R e n aissan ce so llte w ieder F o rm e n k u n st w erden, d as M ilteialter h a t d ag eg en eine A u sd ru ck sk u n st im h ö ch sten S inne h erv o rg eb rac h t. G erade die In n ig k eit des seelischen E m pfindens is t es, die u ns d a s m itte la lte rlic h e K un stw erk u n g e a c h te t etw a ig e r te c h n isc h e r S ch w äch en von H erzen lieben lä ß t. U nd w ie B ild­

w erk u n d M alw erk, so au ch un d so e rs t re c h t is t d as m itte la lte rlic h e B auw erk, s e lb st der m ittelalterlic h e P ro fan b a u von G efühl erfü llt. Man m a g in D eu tsch lan d oder in F ra n k re ic h , in E ngland, j a so g a r in Italien re ise n , den stim m u n g sv o llsten E in d ru ck ru fe n allem al die m ittelalterlic h en B au w erk e in u n s herv o r. Als die g e ­ sa m te K u n ste n tw ick lu n g des christlichen M ilteialte rs ih ren H ö h ep u n k t e rre ic h t h a tte

H a a c k , D ie K u n st des 19. Jahrhu nderts. I. 6. Aufl. 1

(14)

2 Einleitung

u n d d a s in F ra n k re ic h ersonnene, ab e r e rst a u f deutschem B oden bis in alle K on­

seq u en zen — n am e n tlic h bezüglich der T u rm b ild u n g ! — d u rch g e fü h rte W u n d e rw e rk der gotisch en B auw eise voll au sg ereift w ar, b rac h die R e n aissan c e herein.

D as M ittelalter h a tte n a c h dem H im m el g e s tre b t u n d die E rd e v erach tet, den Leib k a s te it un d die w eltlichen F re u d e n v era b sch e u t — w e n ig sten s in der T heorie, w en n auch in W irk lic h k e it d aneben eine derb e L iebes- u n d L eb e n slu st h e rrsc h te . A ber diese L u s t g a lt als S ünde, d ere n m an sich sch äm te. Die Ideale w aren re in g e istig e r A rt un d la g e n im Je n se its. D agegen is t n u n fü r die R e n aissan ce nichts so b ezeichnend wie ih re g ren z e n lo se F re u d e am D iesseits. Die M enschheit fühlte sich w ie von einem J a h rh u n d e rte w äh ren d e n dum pfen D ru ck befreit, m an w ag te endlich tie f au fzu atm en , sich seines L ebens w ieder voll und rein zu er­

freu en . Man d ac h te n ic h t m e h r vorzu g sw eise an den H im m el, so n d e rn m a n su c h te sich a u f dieser u n se re r alte n E rd e w ohnlich u n d b eh a g lic h ein zu rich ten . Man w ollte sich dieses L eb en s erfreuen, n ic h t etw a bloß in derbem G enuß, obgleich au c h der sich erlich k ein e g erin g e Rolle spielte, sondern vor allem in k ü n stle risc h e r S ch ö n ­ heit. D ie R enaissance-M enschen sin d k ü n stle risc h e G enießer im ed elsten S inne des W o rte s gew esen. N eben den g roßen K ü n stlern h a b e n d am als a u c h die feinsinnigen N achem pfinder un d die b eg e isterten K u n stfö rd erer g eleb t. Is t j a doch d as W o rt R en aissan ce im S inne einer W ied e rg e b u rt des g e sa m te n g eistig e n L ebens zu v er­

ste h en , das n ac h d am a lig e r A u ffassu n g d as g a n z e M ittelalter hindurch n u r in einem einzigen g roßen T odesschlafe d an ied e rg e leg e n . Als G eg en b ew eg u n g g eg e n das je n se its g e ric h te te M ittelalter schloß sich die R e n aissan c e an das gleich falls dies­

se itsfre u d ig e A ltertu m an. An S telle der go tisch en L o trec h te t r a t w iederum die a n tik e W a g rech te, an S telle der m itte la lte rlic h e n S c h la n k h e it u n d ask etisch e n H a g e r­

k e it die behagliche F ülle und n atü rlic h e R u n d u n g , an S telle d er H ä rte u n d E ck ig ­ k eit die w eich g esch w u n g en e K urve, an S telle des a b g e z irk e lte n M aßw erkes d as freihändig entw orfene und stilisie rte O rnam ent. E s w ar n u r n a tü rlic h , daß die an der A ntike o rien tierte B ew eg u n g z u e rs t in Ita lie n a u ftra t, im L an d e der an tik en Ü berreste, im L an d e der an tik e n Ü berlieferung, die se lb st im tie fste n M ittelalter niem als völlig erlo sch en w ar, in d er H eim at d er m it den a n tik e n M enschen w ah l­

verw an d ten oder g a r von ih n e n a b stam m en d e n R om anen, die g era d e d am als ihre hö ch ste k u ltu re lle H öhe e rre ic h t h atten . J e tz t w an d e lte der K ü n stle r a u f der S onnen­

h öhe des G lückes, e r w ar im stan d e zu sa g e n un d a u sz u d rü c k e n , w as er w ollte.

N ach J a h rh u n d e rte n a n g e sp a n n te ste n k ü n stle risc h e n R in g en s g ab es keine S chw ierig­

k e it m e h r: W ollen und K önnen, S to ff un d F o rm g in g e n re stlo s in e in an d e r auf.

A lle T eile u n d sä m tlich e E in zelheiten, so schön u n d b ed e u te n d sie au c h an sich sein m ochten, o rd n ete n sich frei u n d zw anglos in d as g ro ß e G anze der k ü n stle ri­

sc h en G esam tkom position ein u n d b ild e te n d am it eine in sich vollendete H arm onie.

V ollendung u n d A b g ek lä rth eit, R uhe bei aller B e w e g u n g : das w a re n die K en n ­ zeichen des k la ssisc h e n S tils. D ieser H ö h ep u n k t der ita lie n isc h en K u n st v er­

k ö rp e rt sich vom florentinisch-röm ischen, ze ic h n erisc h -fo rm ale n S ta n d p u n k t au s in Raffael, vom ven ezian isch -m alerisch en in T izian , w äh ren d L ionardo d a Vinci die K u n st e rst a u f diese hohe E n tw ic k lu n g sstu fe em p o rg eh o b en h a tte u n d M ichel­

angelo b ere its als der V ater des B a ro c k stils a n g e sp ro ch e n w ird.

Von Italien au s v erb reitete sich die R e n aissan c e ü b era llh in . D iesseits der A lpen e rla n g te sie niem als den gesch lo ssen en C h a ra k te r des o rg an isch g ew achsenen K u n ststils wie in Italien, oder w ie er e rst re c h t d e r n o rd isch en G otik eigen g e ­ w esen w ar. V ielm ehr v erm isch te sic h die n eu h ere in b re c h e n d e R e n aissan ce m it d e r a lt einheim ischen G otik zu einem h ö ch st m e rk w ü rd ig en u n d m a lerisc h en M isch­

stil, in dem d as ec h t g erm a n isc h e B edürfnis nach individueller S e lb stb e tä tig u n g den w eitesten S p ielra u m fand u n d unen d lich e R eize m a n n ig fa ltig ste r G estaltu n g h erv o rb ra ch te . In D eu tsch la n d sp ie lt u n se r g rö ß ter b ild e n d er K ünstler, A lbrecht

(15)

Renaissance, Barock und Rokoko

3

D ürer, en tw ick lu n g sg esch ich tlich eine ähnliche Rolle wie L ionardo d a Vinci in Italien, w äh ren d sich in dem S chaffen H ans H olbeins d. J. un d P e te r F lö tn ers eine A rt u n d ein S tü c k raffaelischer H o ch ren a issa n ce v erk ö rp erte, sow eit solche der d eu tsch e n K u n st ü b e rh a u p t b esch ied en w ar.

W ie m itten im S o m m er oder gar, w enn d er S om m er k a u m begonnen h a t, zu Z eiten herb stlich e S tü rm e durchs L an d b rau se n , w ie d e r M ensch a u f der H öhe seines L ebens bisw eilen von G edanken un d E m pfin d u n g en h e im g e s u c h t w ird, von denen m an g la u b en sollte, sie m ü ß ten dem A lter V orbehalten sein, so m a ch te n sich schon m itten a u f der H öhe der eben em p o rg eb lü h ten R e n a issa n c e k u n st A nsätze zürn B arock b em erk b ar. D er B arock ist n ic h t eine von d er R e n aissan c e g ru n d ­ verschiedene K u n strich tu n g , wie diese g ru n d v ersch ied en vom M ittelalter w ar, viel­

m e h r n u r eine T o c h te r oder a n d e rs g e s a g t: eine S p ie la rt der R e n aissan c e, eine A b­

w an d lu n g dieses S tils in s M ächtige un d G ew altige, B ew egte u n d L eidenschaftliche, einseitig G esteig erte un d zugleich ins M alerische. Die schöne H arm onie der R enais­

san ce w ird einem k rä ftig e re n A usd ru ck g eo p fe rt. An S telle des E in k la n g es zw ischen dem G anzen und seinen einzelnen T eilen tre te n die E in zelh eiten an B e d eu tu n g z u rü c k zu g u n s te n einer u m so stä rk e re n B eto n u n g der H au p tsac h e. An die S telle der feierlichen m itte la lte rlic h e n L o trech te un d d e r ru h ig e n W a g rech te d er R enais­

sa n ce tr itt die D iagonale, die L inie der B ew egung, d e r L eid en sch aft, des m alerischen E indrucks. Jeg lich e K om position w ird w en ig er vom S ta n d p u n k t d er lin e aren und form alen, als von dem der m alerisch en W irk u n g a u s entw orfen. A u f das Z eitalter der g roßen K ü n stler fo lgt d a s Z e ita lte r der g ro ß en M aler. W a r Italien n u r m ehr eine N achblüte vergönnt, so erw uchsen aus dem ju n g frä u lic h e n B oden S p an ien s die V elasquez und M urillo, in den N iederlanden a b e r die R ubens u n d R e m b ran d t.

U nd wie so oft der E n k el dem G roßvater m e h r als dem V ate r äh n e lt, wie in der G eschichte B ew egung und G eg en b ew eg u n g abw echseln, so is t die B a ro c k k u n st A u sd ru c k sk u n st gew esen, un d es sp ie g e lt sich in ih r bei den k a th o lisc h en V ölkern, bei denen sie am k rä ftig ste n B oden g ew ann, die k ath o lisc h e G eg en refo rm atio n w ider. R u b en s is t g e ra d e z u als g e w a ltig e r V o rk ä m p fer der k a th o lisc h en G egen­

refo rm atio n a u f dem G ebiete d er bildenden K unst zu b etra c h te n , w äh ren d in Rem - b ra n d ts biblischen S chöpfungen au sg e sp ro c h e n p ro te sta n tisc h e s E m pfinden m it­

k lin g t. D urch un d d u rch w eltlich, F orm en-, n ic h t A u sd ru ck sk u n st is t d agegen w iederum das R okoko, ein E rz e u g n is fran zö sisch en G eistes, eine S te ig e ru n g der R e n aissan ce u n d des B arockstils nach d er S eite des K u rv en reich tu m s, an d e rerseits eine A b w andlung der h arm o n isch e n R e n aissan c e u n d des sch w eren B arocks ins L eichte un d Zierliche, L u ftig e un d D uftige, w eiblich A nm utige, ein w en ig S p iele­

rische. E in o rn a m e n ta l d ek o ra tiv er G ru n d z u g k en n z eich n e t diesen S til.

Die K unst des 19. Ja h rh u n d e rts g e h t n u n in allen ih re n R ich tu n g e n , m it einziger A u sn ah m e der m odernen, a u f die v e rg a n g e n e n K u n stw eisen z u rü c k , und z w ar u n g leich w en ig er au fs M ittelalter denn a u f die A ntike, die von der A ntike a b g e le ite te R enaissance u n d d e re n v ersch ied en e A bw an d lu n g en . D ie M oderne a b e r w a g t es zu m erste n m a l, ü b er die R e n aissan ce, d a s M ittelalter u n d die A ntike h in a u s zu denken, g ru n d sä tz lic h g a n z davon ab z u se h en u n d sich eine n e u e K u n st a u s E igenem , a u s den B e d ü rfn issen , a u s d e r se lb stä n d ig e n B e o b ac h tu n g d er N atu r u n d a u s der freisch ö p ferisch en E in b ild u n g sk ra ft h e ra u s zu bilden.

Mit der M oderne b eg in n t also eine völlig n eu e E n tw ic k lu n g . W ohin diese fü h re n k a n n u n d sc hließlich führen w ird, v erm ögen w ir g e g e n w ä rtig n och n ic h t zu erm essen. W ohl a b e r erk e n n en w ir b ere its k la r u n d d eu tlic h den sc h arfe n E in ­ sc h n itt, der m it d er M oderne ein setzt. A n d ererse its b ildet d as 19. J a h rh u n d e rt au c h fü r u n se re V orstellu n g g e g e n w ä rtig n och ein von a lle r V e rg an g e n h eit g ru n d ­ v ersch ied en es G anzes, eben w en ig e r n ac h seinen k ü n stle risc h e n S chö p fu n g en , als vielm ehr n a c h dem politisch-sozialen u n d allgem ein k u ltu re lle n U n terg ru n d , aus

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4 E inleitung

dem sich die K u n st en tw ick elt hat. W ie d as Ja h rh u n d e rt selb er, so w a r auch sein e K u n st g edankenvoll, em p fin d u n g stie f u n d vor allem u nendlich n u an cen reich . An p sychologischem G eh alt und In te re s se s te llt sie d e r K u n st k ein er an d eren P erio d e nach. A ber sie w ar n ic h t ebenso g e s ta ltu n g sk rä ftig w ie em pfindungsselig, n ic h t ebenso form en g ro ß w ie g edankenvoll, n ic h t ebenso a b g e k lä rt w ie m an n ig faltig . D as 19. Ja h rh u n d e rt is t eben — alles in allem gen o m m en — keine E poche d er K unst, so n d e rn eine solche der p o litisch en u n d sozialen B ew eg u n g en , eine E poche der G eschichts- u n d der N atu rw issen sch aft, eine E poche der L ite ra tu r u n d d er Musik gew esen. D abei em pfand m an die g an z e Z eit h in d u rch bis a u f den h eu tig e n T a g ein inniges V erlan g en n a c h der bildenden K u n st, g e ra d e z u einen K u n sth u n g e r, w enn sich auch bisw eilen die A nzeichen einer Ü b e rsä ttig u n g erk en n en lassen , ohne daß m an je m a ls so re c h t von H erzen s a tt g ew o rd en w äre.

D ie große p olitisch-soziale R e g sa m k e it des 19. J a h rh u n d e rts b e ru h t im l e t z t e n G r u n d e a u f d er fra n zö sisch e n R evolution und deren U rsachen. Je n e R evolution h a tte sich m it ih re r g än z lic h en U m g e sta ltu n g alles vorher D agew esenen, m it ih re r U m w ertu n g alle r W e rte n ic h t a u f die P o litik un d die sozialen V erh ält­

n isse allein b esch rän k t, so n d e rn a u f alle G ebiete des g eistig e n L ebens erstre c k t, so au c h a u f die bildende K unst. D ie fra n zö sisch e R evolution is t sc h u ld daran , daß es der K u n st s e ith e r a n ein er sich eren Ü berlieferung fehlt. D ieser M angel ab e r u n te rsc h eid et, w ie k a u m ein a n d e res Moment, die K u n st des 19. J a h rh u n d e rts von der K u n st sä m tlic h e r frü h e re n Ja h rh u n d e rte . D ieser M angel h a t ih r au c h wie so n st n ic h ts zum F lu c h g ere ich t. E r m a c h t sich ü b e ra ll un d in je d e r B ezieh u n g g elten d : b eim ' P u b lik u m w ie bei den K ü n stlern , in te c h n isc h e r w ie in stofflicher H insicht.

Im A nfang des 19. Ja h rh u n d e rts w ar die K u n st d e ra rtig von G edanken überladen, daß sie k a u m m e h r eine „freie“ K u n st d arste llte, v ielm eh r bloß noch eine Illu stra tio n d er P hilo so p h ie u n d der L ite ra tu r. Im A nfang des 20. J a h rh u n d e rts lä u ft die K u n st G efah r, sich zu ü b e rfe in e m u n d zu v erz ärteln , sich im te ch n isch en E x ­ p erim en tie ren oder in „ S e n sa tio n e n “ u n d S ensationellen für K u n stk e n n e r und Ä sth eten zu v erlieren u n d zu verflüchtigen. E s feh lt ih r g a r zu oft d as Große, das E r­

hebende, d as u n m itte lb a r u n d ohne W id ersta n d d a s g a n z e Volk m it sich F o rtreiß en d e.

A uch sin d w ir viel zu z e rk lü fte t n a c h S itte n u n d G ebräuchen, E m p fin d u n g en und Idealen, als daß eine u n d dieselbe K u n st u n s alle b eg e iste rn könnte. Vor allem feh lt es u n s an d er E in h e itlic h k eit d e r religiösen Ü berzeu g u n g . In frü h eren , k ü n stle ­ risch g lü c k lic h e re n Z eiten h a t die g em ein sam e relig iö se W e lta n sc h a u u n g d as H a u p t­

m o tiv aller b ild en d en K u n st ab g e g eb e n . Die K irche, w elche die W e lt b eh e rrsc h te,

— die K irche w ü n sch te K irchen. So bild ete q u a lita tiv w ie q u a n tita tiv die k i r c h ­ l i c h e B a u k u n st bis z u r R e fo rm a tio n den H a u p tb e sta n d te il alle r A rc h ite k tu r, w äh re n d das K u n sth a n d w e rk d is K u ltg e g e n stä n d e v e rfe rtig te u n d die der N a tu r fre i nach sch affen d en K ü n ste die K irch en m it Bild- un d M alw erken au ssch m ü c k te n , die w ieder un d im m er w ieder C hristus, M aria und die „lieben H eiligen“ d arste lle n . Um den G egen stan d h a tte n sic h w eder B a u m e iste r, B ild h au er, Maler, n och die g ro ß e M asse der B e sch a u er viel zu sorgen, sondern es k a m diesen w ie je n e n a u f die A u flassu n g , die k ü n stlerisc h e B e h an d lu n g und G e sta ltu n g des G eg en stan d es an. Mit d er R eform ation w ard die A u sd eh n u n g d er k irch lich e n K u n st w enigstens bei den p ro te sta n tisc h gew ordenen V ölkern w ese n tlic h e in g esc h rä n k t. Z u g le ich tr a t m it der R eform ation die R e n aissan c e auf. W ä h re n d je n e die R e lig io sitä t z u v erin n e r­

lichen stre b te , s u c h te diese im G egenteil die R e lig io n ih re r h errsc h e n d e n S tellu n g im G eistesleben d er M enschheit zu en tsetzen . N eben d er kirch lich en K u n st w u ch s je tz t eine w eltliche L u x u sk u n st em por, die v orab den oberen, geb ild eten und w ohlhaben­

d en S ch ich ten der m en sch lich en G esellschaft z u g u te kam . Die fran zö sisch e R evolution v e rse tz te a b e r w ie d e r k irchlichen, so au c h d er v o rnehm lich für die höheren S tä n d e a u sg e ü b te n L u x u sk u n st den T odesstoß. D ag e g en tra te n infolge der U m ­

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Das Fehlen der künstlerischen Ü berlieferung im 19. Jahrh u n d ert 5 g e s ta ltu n g aller L eb en sv erh ältn isse g e ra d e z u eine U nzahl n eu e r A ufgaben hervor.

W e n n es sich bei einem R a th a u sb a u im 15. J a h rh u n d e rt d aru m g e h a n d e lt h a tte , einen großen S a a l h e rz u ste lle n , in dem eben b e ra te n u n d an festlich en T ag en gesch m a u st, g eju b elt un d g e ta n z t w urde, w äh ren d d a ru n te r in sc h a u rig e n V erließen unglückliche G efangene sch m ac h teten , so k am es fü r den B a u m e iste r des 19. J a h r ­ h u n d e rts d a ra u f an, dem unendlich k o m p lizie rten V e rw a ltu n g sa p p a ra t ein er W e lt­

s ta d t m it einer U nzah l von B u rea u s zu g e n ü g e n un d diese alle dennoch u n te r e in D ach und h in te r die g ew ü n sch te m o n um entale F a ssa d e zu b rin g en . Man denke fern er an die A nforderungen d er G erechtigkeitspflege, der L an d e sv erte id ig u n g , der W issen sch a ft, der V olksbildung, der V olksw ohlfahrt, m a n denke an G erichtsgebäude, G efängnisse, B a d ea n sta lte n , K asernen, M useen, T h ea ter, B ahnhöfe, M arkthallen, K aufhäuser. Also eine große A nzahl von B auproblem en, w elche frü h e re J a h r ­ h u n d erte k a u m oder ü b e rh a u p t g a r n ich t g e k a n n t h a lte n . U nd ebenso s te h t es um die fre i bildenden K ünste. D as g an z e G ebiet d er G eschichte, der S age, d er V olks­

k u n d e w ird in den B ereich d er D arste llu n g einbezogen, un d ü b e r dem F e rn ste n w ird das N ächste n ic h t vergessen. N eben h isto risch e n , m ythologischen, eth n o ­ g ra p h isc h e n m eh ren sich die S itten b ild er, die B ildnisse, die L an d sch aften . In allen v o rau sg e g an g e n en Z eiten zu sam m engenom m en is t nich t so V ersch ied e n artig e s g e ­ bau t, gem eißelt, g em alt, rad ie rt, g ez e ic h n e t w orden, wie in dem einen 19. J a h r ­ h u n d e rt allein. D ieser R eich tu m an V orw ürfen h a t a b e r dem J a h rh u n d e rt nich t zum S egen g ere ich t. Die u n le u g b a r vo rh an d en e B e d eu tu n g des d arz u stellen d e n u n d d arg e stellte n G eg en stan d es w ard ü b ertrie b en . E s erg a b sich eine H ast, ein S uchen n a c h im m er n euen Stoffen. S ta tt den rohen S to ff zu sich em porzuziehen, stie g d er K ü n stler von seiner H öhe h in u n te r und e rn ie d rig te sich zum S klav en se in es G egen stan d es.

N och u n g leich schlim m ere F o lg en zog der M angel einer sicheren tech n isch en Ü b erlie fe ru n g nach sich. D er an g e h en d e K ü n stler frü h e re r Z eiten le rn te in der W e rk s ta tt seines M eisters. D iesen su c h te er zu erreich en u n d w enn m öglich zu ü b e r­

treffen. Von diesem su c h te er zu erw erben, w as seiner eig en en S o n d e ra rt g em ä ß w ar.

Und w enn er au c h eine W a n d e rfa h rt n ac h Italien u n te rn a h m , so verm o ch te er doch g a r le ich t den Stoff, d er d a se lb st n eu h in z u tra t, sich zu eig en zu m ach en . D er S toff w a r n ic h t so ü b erw ältig en d , n ic h t so v e rsc h ied e n artig un d vor allem n ic h t so zerklüftet, daß er den K ünstler darin b eh in d ert h ä tte , eine ab g e ru n d e te , in sich geschlossene P ersö n lic h k eit zu w erden un d zu bleiben. Die g e sa m te K unst 'a b e r entw ickelte sich organisch w ie ein G ew ächs. D ah er d as S elb stv erstä n d lich e , S ichere, in sich se lb st R uhende, das S e lb sth errlich e a lte r B ilder u n d B a u te n . W ie an d e rs leider im 19. J a h rh u n d e rt u n d in d e r G eg en w art! — J e tz t w ä c h st d e r a n g e h e n d e K ü n stle r n ich t m e h r in der b eh ag lich b ild sam e n L u ft ein er M e islerw erk stätte auf, sondern er b ez ie h t eine K u n sta k ad e m ie oder ab er, w enn er B a u m e iste r w erden w ill, eine te ch n isch e H ochschule. H ier e rh ä lt er U n terrich t von v ersch ied en en L ehrern, von denen je d e r a n d e rs leh rt, denkt, em pfindet, sie h t. So w ird d as in der E n t­

w icklung begriffene G ehirn von allem A nfang an z e rstre u t, b e u n ru h ig t und g e­

p ein ig t. U nd das g e h t im Z e ita lte r der P re sse, des V erk eh rs u n d der F re iz ü g ig k e it d a s g a n z e L eben hin d u rch so fort. In K u n sta u sste llu n g e n , in M useen, a u f Reisen, in K u n stz eitsch riften : ü b era ll sieht d er K ü n stle r N eues, A nderes, ein an d er W id e r­

sprechendes. W a h rlich , d a g e h ö rt die K raft eines G enies u n d eines C h a ra k te rs z u ­ g leich dazu, um solchen ü b e rm ä c h tig a u f den E in z eln e n e in stü rm e n d e n E inflüssen g e g e n ü b e r sich se lb st tre u zu bleiben. D ah er d a s S ch w an k en d e u n d S chw ächliche, U nsichere u n d T asten d e , U nau sg eg lich en e u n d Z w iesp ä ltig e bei der ü b erw ieg en d en M ehrzahl der K u n stw erk e des 19. J a h rh u n d e rts. — In d ie ser seiner b ek lag e n sw erten H altlo sig k e it h a t d as 19. J a h rh u n d e rt A nschluß an k ü n stle risc h k rä ftig e re Z eiten g esu ch t, ja , m an k a n n g e ra d ezu b eh a u p te n , daß sich in der K u n st dieses einen

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6 Einleitung

J a h rh u n d e rts die g an z e eu ropäische K u n stg e sc h ic h te vom k la ssisc h en A lte rtu m bis zu m R okoko w iderspiegelt, bis au c h die K u n st des 19. Ja h rh u n d e rts m ü n d ig w urde un d sich eine eigene S p ra c h e erfand, um ih re n G efü h lsg e h alt in F o rm en und F a rb e n a u s z u d rü c k e n : h ie R etro sp ek tiv e — hie M oderne! —

D en S eg en d e r b e stä n d ig e n Ü b erlie fe ru n g e n tb e h rte n ab e r n ic h t n u r die K ü n stler selber, so n d ern au c h die vielen K u n stb e tra c h te r u n d -beurteiler, sowie die w enigen K u n stb e steller u n d K äufer. B is z u r R efo rm atio n s- u n d R e n aissan c e­

z e it h a tte die K irchlichkeit, die fa st d er g e s a m te n K unst eigen w ar, ein ver­

einigendes B and um K ü n stle r u n d Volk g e s c h lu n g e n . W a s K ü n stle rh a n d erschuf, w ar n ic h t n u r au s der K ü nstlerseele, so n d ern au c h a u s dem H erze n des g an z en Volkes geflossen. U nd auch d as hohe, im einzelnen K un stw erk g esa m m e lte te ch n isch e Können w u ß te der A ngehörige des g ed ieg en en H an d w erk e rsta n d e s, der ein g u t T eil von den b esten K räften d er d am alig en m en sch lich en G esellsch aft um faß te, se h r w ohl zu w ü rd ig en . Als sich d a n n m it d er R e n aissan c eb e w e g u n g n eb e n der k irch lich e n eine L u x u sk u n st entw ickelte, d a erb te sich ein sic h erer G eschm ack in den v erh ä ltn ism äß ig w enigen fü rstlic h e n u n d ad lig en F am ilien , die allein a ls K u n stk ä u fe r in B e tra c h t k am en, von G esch lech t zu G eschlecht fort. Mit der fra n zö sisch e n R evolution tr a t n u n n eben die F ü rs te n als K u n stb e steller der S ta a t, n eben den A dligen als K u n stk ä u fe r d er B a n k ie r u n d d er G ro ßkaufm ann, an S telle des V olkes als K u n slb e tra c h te r das g ro ß stä d tisc h e P u b lik u m . D er S ta a t is t ein A b stra k tu m , un d als solches k a lt u n d u n p ersö n lich . E r w ird als A u ftra g g e b e r d urch K om m issionen v erk ö rp ert, von denen im m er ein M itglied dem an d eren im W e g e is t oder sich a u f das an d e re verläß t.

D am it h ä n g t es zu sam m en , daß die S ta a ts b a u te n d es 19. Ja h rh u n d e rts ih re r ü b e r­

w iegenden M ehrheit n a c h einen so u n sa g b a r k ü h le n E in d ru c k h ervorrufen. Man v e r­

gleiche e tw a in ein er belieb ig en S ta d t ein en S ta a ts b a u des 19. m it einem F ü rste n b a u des 18. Ja h rh u n d e rts, um d a ra n den U n tersc h ied der Z eiten zu erm essen. Die zu R eich tu m g e la n g te n E in zelp ersö n lich k eiten a b e r h a tte n ih r g an z es L eben h in te r den B üchern z u g e b rach t, k a lk u lie rt u n d sp e k u lie rt, u n d w ollten sc hließlich als K u n st­

m äzene glänzen, ohne G efühl u n d G eschm ack fü r die K u n st zu besitzen . Sie v er­

w ech selten K unst m it P ra c h t, u n d so e n tsta n d je n e en tsetzlic h e P ro tz erei, eines der g räß lich ste n Übel, an denen die k ü n stle risc h e K u ltu r des 19. J a h rh u n d e rts g e k ra n k t h at. Die P ro tz e re i tr a t n a m e n tlic h im K u n stg ew erb e u n d in der B a u k u n st z u tag e . D er „ K u n stw a rt“ h a t g e le g e n tlic h d a ra u f au fm e rk sam g em ac h t, daß die „B ahnhof­

s tr a ß e “ m it ih rer fro stig en u n d g e s u c h te n M onum entalität, w ie sie fa s t ü b era ll in d eu t­

schen S tä d te n w ied e rk eh rt, den G eist des b e s c h rä n k te n a rc h itek to n isc h en P ro tz e n - tu m e s au fs p r ä g n a n te s te w id ersp ieg elt. A n die S telle des V o lk es a b e r t r a t d as g ro ß ­ stä d tisc h e P u b lik u m . V on allen E rsc h e in u n g e n des 19. Ja h rh u n d e rts is t v ielleicht keine für die euro p äisch e M enschheit so v erh än g n isv o ll gew o rd en , w ie die d u rch den v ielg ep riesen en A ufschw ung d er In d u strie erfolgte L andflucht, d as F lu te n d er B evölke­

ru n g vom L ande in die S ta d t, a u s der k leinen S ta d t in die große. Man n im m t g e g e n ­ w ä rtig z. B. in k leinen sü d d e u tsch e n S tä d te n oft m it S ta u n e n u n d m it W e h m u t zugleich w ahr, w elche K u ltu r in ih n e n frü h e r g e h e rrsc h t h ab e n m uß u n d w ie diese K ultur sich v erflüchtigt h a t. Alles, alles zog n ac h den g ro ß en S tä d te n , un d so h ab e n diese im 19. Ja h rh u n d e rt ein Ü bergew icht e rla n g t, wie sie es in früheren E p o ch en n iem als b esessen h atten . In den G ro ß städ te n a b e r ist ein P u b lik u m h era n ­ g ew achsen, sc h la g fe rtig , w itzig, von g esu n d em M enschenverstand, von schneller A u ffassu n g sg ab e , ab e r im le tz te n G runde dennoch p h a n ta sie a rm un d u n k ü n stlerisc h , w eil es von K indesbeinen an d a s stä n d ig e u n d in n ig e M itleben m it d er N atu r e n t­

b e h rt h a tte . Mit diesem P u b lik u m m u ß te n sich n u n die K ü n stler a u se in a n d e r­

setzen . D ieses P u b lik u m sp ra c h als K u n stb e tra c h te r u n d K u n stk ritik e r ein g e ­ w ich tig es W ö rtlein m it in d er K u n stg e sc h ic h te des 19. Ja h rh u n d e rts. E s g a b n ichts, w as dieses P u b lik u m u n d die K ü n stle r m itein a n d er verband. J e d e r T eil bildete

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K unst und K unstbeurteilung 7 eine W e lt für sich. Dem P u b lik u m w ard der K ü n stle r um so u n v erstä n d lic h e r und unleidlicher, je tiefer, feiner und e ig e n a rtig e r er w ar. W a s es aber n ic h t verstan d , w as es n ic h t nachzuem pfinden verm ochte, das w ar ihm eben n ich ts, d as w ar nichts.

D ie v ernichtende M acht im a b sp re ch e n d en U rteil des P u b lik u m s h ab e n die Millet und R odin, die F e u e rb a c h u n d B ücklin m it S c h au d e rn erfah ren m üssen. U nd n u r den seichteren, äuß erlich glän zen d en P ersö n lich k eiten w a r es v ergönnt, die M assen im S tu rm e m it sich fortzureißen, den D avid und D elaroche, K au lb ach u n d M akart.

W a s W u n d e r daher, w enn sich in K ü n stle rh e rzen d u m p fer G roll und tiefe V erac h tu n g ein n iste ten , w enn die K ü n stler das P u b lik u m b e sten falls sittlic h un d k ü n stlerisc h zu h eben suchten, z u m e is t ab e r sc h lec h th in v era c h te te n un d sich den W a h lsp ru c h : l ’a r t po u r l ’a r t bildeten! — Gewiß trifft d as v e rstä n d n islo se P u b lik u m der grö ß ere T eil der S ch u ld a n dem M ißverständnis, w elches d a s g a n z e Ja h rh u n d e rt h in d u rch zw ischen ihm u n d den K ü n stle rn b esta n d e n hat, a b e r so g an z u n sc h u ld ig sin d die le tz te re n d ara n au c h n ich t gew esen. In d essen lechzte u n d se h n te sich der einsich tig ere T eil d er L aien n ac h einem v ertie fte n V erstä n d n is der K unst. S ta tt a b e r d en dazu g e ­ e ig n e tste n W e g einzuschlagen un d sich se lb st k ü n stlerisc h , w enn au ch n u r n a c h A rt der D ile tta n te n zu b etätig en , zog es d as b eq u e m e re M ittel vor, sich au s G edrucktem über K unst zu belehren. N un is t im 19. J a h rh u n d e rt u n en d lich viel ü b e r K u n st g e ­ sch rieb en w orden, u n d au c h dieser U m sta n d is t fü r die E poche bezeichnend. A ller­

dings h aben b ereits frühere Z eiten die b io g rap h isch e wie au c h die th e o re tisieren d e K u n stsc h riftstellerei g ek a n n t, w as sie a b e r in s g e s a m t g esch rieb e n h ab en , is t ein N ichts im V ergleich m it d er unen d lich en F ü lle, w elche d as sch reib selig e 19. J a h r ­ h u n d e rt w ie a u f sä m tlich en a n d e ren so au c h a u f un se re m G ebiete h e rv o rg e b ra c h t hat. D ieses Ja h rh u n d e rts S ch rifttu m von der K u n st g lie d e rt sich nu n in zw ei H a u p t­

g ru p p e n : in die k leinere des von K ü n stlern und in die bei w eitem g rö ß ere des von N ich tk ü n stle rn G eschriebenen. E s lie g t a u f der H and, daß, w enn ein K ü n stle r ü b er K u n st schreibt, er vor d em T h e o re tik e r den u n sc h ä tz b a re n V orteil der g e n a u e n und grü n d lich en K enntnis des H an d w erk s au s eig en er A u sü b u n g voraus h a t. W a s im m er ein K ü n stle r über K u n st veröffentlicht h ab e n m ag, is t d a h e r le h rreich un d n a c h p rü fe n s­

w ert. A ber es w ill n a c h g e p rü ft sein, d enn der K ü n stle r pflegt m it seinen literarisc h en A rbeiten sein eigenes k ü n stle risc h e s Schaffen zu e rk lä re n u n d zu re c h tfe rtig en . Man d a rf d ah e r b eileibe n ic h t n a c h des einen K ünstlers W o rten die W e rk e eines b eliebigen a n d e ren b e u r te ile n ! — So is t im Laufe des 19. J a h rh u n d e rts eine w eitv erzw eig te, von K ü n stle rn v erfaß te K u n stlite ra tu r en tsta n d e n , die w eit a u sein a n d er g eh en d e U rteile d er einzelnen K ü n stle r ü b e r ein an d e r en th ält. J a , g era d e z u V erd am m u n g su rteile ü b er so n st allg em ein a n e rk a n n te G rößen von se ite n anderer. Man trifft w ohl das R ichtige, w enn m a n b e h a u p te t, daß je d e r K ü n stle r den an d e ren um so h öher sc h ätz t, je m e h r bei ihm g e ra d e d i e E ig e n sch a fte n u n d V o rzü g e en tw ick elt sind, die er se lb st als die a u s sch la g g eb e n d en b e tra c h te t, d aß er d a g e g e n an d e re Q u alitäten , die ihm p ersö n lich n ic h t w ichtig erscheinen u n d m ö g e n sie noch so a u s g e p r ä g t sein, voll­

kom m en ü b ersieh t. So d ü rfte z. B. ein b eliebiger Im p re ssio n ist vom E nde d es 19. J a h r ­ h u n d e rts ein G em älde um so h ö h er e in g e sc h ä tz t haben, je fein er d a rin ein N atu r­

ein d ru c k irg en d w e lch e r A rt n ac h F a rb e n u n d L ic h tw erten w ied e rg e g e b e n ist, w äh ren d er fü r das Id ea lk o lo rit u n d die p ersö n lich e S c h ö p fe rk ra ft eines B öcklin völlig blind sein konnte. A n d ererseits h a t B öcklin h a r t u n d ein seitig ü b er einen M aler allererste n R an g es w ie L eibi a b g e u rte ilt. Man e rk e n n t d ara u s, daß ein K ü n stle r desh alb , w eil er K ünstler ist, noch kein v o llkom m ener K u n stsc h rifts te lle r zu sein b rau ch t. Es pflegt ih m die G abe der o b jektiven B e u rte ilu n g u n d des g esch ic h tlic h en D enkens g em einhin ab zu g eh en . W ä h re n d a n d e re rse its dem th e o re tisc h e n K u n stsc h riftsteller, der von d er W isse n sc h a ft h erkom m t, das k ü n stle risc h e N achem pfinden u n d noch m e h r die rich tig e E in sc h ätz u n g d er te ch n isch en S eite der K u n st zu schaffen m ach t.

Man lese d az u die d ra stisc h e n A u sein an d ersetzu n g en G ottfried K ellers im G rünen

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8 E inleitung

H einrich n a c h 1). Die beso n d eren S ch w ie rig k e ite n d e r K u n stw isse n sc h aft b estehen eben ih re r e ig e n a rtig e n D o p p eln a tu r en tsp re c h e n d darin, k ü n stlerisc h n a c h z u ­ em pfinden u n d das ric h tig N ac h em p fu n d en e w isse n sch a ftlic h zu v era rb e ite n . F ü r die K u n stg e sch ic h te des 19. J a h rh u n d e rts u n d b eso n d ers d er G eg en w art b esteh t die w eitere S ch w ierig k eit, daß es noch n ic h t im m er m öglich ist, die g eb ü h re n d e E n t­

fern u n g g eg e n ü b er den G eg e n stä n d en zu gew innen, a u s d er diese allein ric h tig b e u r­

te ilt w erden können. Ü b erd ies is t die F ülle d er E rsch e in u n g en a u f allen G ebieten eine g era d e z u unerm eß lich e u n d d a ru m n o tw en d ig verw irrende. W e r w ollte sich da v erb ü rg en , daß er g e ra d e die b e d e u te n d sten h era u szu fin d en v e r m ö c h te ? ! — M an sie h t den W ald vor la u te r B äum en n icht.

Bei der K u n stsc h riftstellerei d er T h eo retik er, die im L aufe des 19. J a h rh u n d e rts noch u n g le ich u m fa n g re ic h e r als d iejenige d er K ü n stle r s e lb s t g ew esen ist, h a t m an w ieder zw isch en der T ä tig k e it der Jo u rn a liste n , die sic h zu m e ist a u f die n eu a u f­

ta u c h e n d e n S ch öpfungen des T a g e s b e s c h rä n k t, un d der eigen tlich en W isse n sc h a ft der K u n stg e sch ic h te zu u n te rsc h eid en , w elche sich die E rfo rsc h u n g d er a lte n K u n st zu m Z iel g e s e tz t h a t u n d n u r g eleg e n tlic h a u f d as 19. J a h rh u n d e rt ü b erg reift. D iese W isse n s c h a ft d er K u n stg e sch ic h te h a t ein d reifach es Ziel vor A u g e n : ein m al je d e s K u n stw erk , sei es B auw erk, B ild w erk oder M alw erk, ö rtlich un d zeitlich zu b e­

stim m en u n d es w om öglich sein em S ch ö p fer zu z u sc h re ib en , a n d e re rse its d as „ W e rk “ je d e s einzelnen K ünstlers rein lich h e ra u sz u ste lle n un d alle irrtü m lic h en Z uw eisungen d a ra u s zu streich en , den E n tw ic k lu n g sg a n g je d e s einzelnen K ü n stle rs festz u ste lle n , die E inflüsse, die er erfah ren u n d a u s g e ü b t h a t, a u fz u sp ü re n , je d e n K ü n stle r un d sein W e rk in den S ch u lz u sam m en h a n g , in den er h in eingehört, wie ü b e rh a u p t in das große G anze der g e s a m te n K u n stg e sch ic h te ein zu g lied e rn . W a s h ie r m it ein p a a r d ürren W orten g e s a g t ist, s te llt in W a h rh e it eine schier u n ersc h ö p flic h e A ufgabe vor, w elche die K rä fte des E inzelnen w eit ü b e rste ig t, w eshalb a u c h die v ersc h ie­

d enen S ta a te n w ie F ra n k re ic h , P re u ß e n , B a y ern usw . b e stim m te K om m issionen zu r In v en ta risatio n der L a n d e sk u n std e n k m ä le r e in g e se tz t haben, a u f d eren allgem einer G ru n d lag e d an n die ein g eh en d e E in z elfo rsch u n g w e ite r ged eih t. D iese F o rsc h u n g m uß, um den A n sp ru ch a u f w ah re W isse n s c h a ftlic h k e it erh eb en zu können, z u ­ g leich archivalisch u n d s tilk ritis c h sein. G erade n a c h der stilk ritisc h e n R ich tu n g h in ist se h r viel g e le is te t w orden. M änner w ie Morelli, W a a g e n , Bode, B ayers- d orfer, W ilh elm S ch m id t, h ab e n sich a u f dem sc h w ierig en G ebiete der K enner­

s c h a ft hohen R uhm erw orben. Die F e s ts te llu n g des M aterials b ild e t g ew isser­

m a ß en die W u rz el, au s w elcher d er B a u m d e r K u n stw isse n sc h a ft h e ra u sw ä ch st, der sich w eiter vor allem in die ä s th e tisc h e u n d die k u ltu rg e sc h ic h tlic h -p sy c h o ­ logische B e tra c h tu n g verzw eigt. D ie sp ra c h lic h e A nalyse des eigentlich k ü n s t­

le risch e n G ehaltes d er K u n stw erk e w urde fü r die neu ere Z eit z u e rs t von dem B erlin er P ro fe sso r K u g ler b ed e u tsa m g ep fle g t u n d g in g von ihm a u f den u n ­ g leich b e rü h m te re n u n d in d er T a t a u c h b e d e u te n d eren Ja k o b B u rc k h a rd t, den V erfa sse r des „C icerone“ , ü b er, d u rch den sie in d er S chw eiz u n d besonders in B asel heim isch w urde. N ach B u rc k h a rd t h ab e n W ölfflin, d e r z. B. ü b e r „Die k lassisch e K u n st“ Italien s ein k la ssisc h es B uch g esch rieb e n h at, u n d H einrich A lfred S ch m id g ez eig t, w ieviel ein L aie einem a n d e re n d urch W o rte in D ingen d er K u n st zu s a g e n v erm ag . So b a h n te sich allm ä h lic h ein etw as tie feres K u n st­

v erstä n d n is in den b re ite re n S ch ic h ten des P u b lik u m s an. D as d ritte Z iel der K u n stg e sch ic h te b e ste h t darin , d en Z u sa m m e n h a n g zw isch e n dem einzelnen K u n st­

w e rk wie dem g e sa m te n „ W e rk “ eines K ü n stle rs m it seinem Innenleben, seiner g an z e n P ersö n lic h k eit — den Z u sam m e n h a n g je d e r einzelnen K u n stric h tu n g m it der S eele d e r Z eit u n d des L an d es, w elche die K u n stric h tu n g h erv o rg e b ra c h t

*) Anmerkungen, Literaturangaben, Verweise, wie gelegentlich auch Aufzählung von Schülern und Nachfolgern berühmter Künstler siehe am Schluß des Bandes.

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Die K unstw issenschaft und ihre S ichtungen 9 h ab en , — den Z u sam m en h a n g zw ischen d er K u n st und den ü b rig en Ä ußerungen des m enschlichen G eistes, w ie D ichtkunst, M usik, R eligion, P hilosophie, W issen ­ schaft, R echtsvorstellungen, S itte n und G ebräuchen — den Z u sa m m e n h a n g zw ischen der K u n st und aller ü b rig en K u ltu r zu erkennen. Die k u ltu rg e sch ic h tlich e B e trac h tu n g sw eise le h rt die bildende K u n st als A usfluß d er g e sa m te n K u ltu r­

b ew eg u n g d er M enschheit zu e rfasse n . D iese B e trac h tu n g sw eise is t insofern ech t w issenschaftlich, als sie Z u sa m m e n h ä n g e e rk e n n en lehrt, sie le n k t den B lick in die W eite, a b e r ih re V e rtre te r laufen Gefahr, von ihrem eig en tlich en T h e m a a b ­ z u irren , n ic h t von d er K unst zu sprechen, so n d e rn u m die K u n st h eru m zu reden.

D aher w a r au c h diese g an z e R ich tu n g , e in st von S ch n aase, W ilhelm H einrich Riehl u n d n am en tlich von H erm an G rim m g lä n z e n d v ertreten , um die W en d e vom 19.

zu m 20. J a h rh u n d e rt in M ißachtung g era ten . Die ästh etisch e B e trac h tu n g sw eise fü h rt d a g e g en in die T ie fe , sie su c h t in das V erstä n d n is des einzelnen K u n st­

w erks, wie der K u n st ü b e rh a u p t h in e in zu leu c h ten . S ie lä u ft ih re rse its G efahr, sich zu se h r zu sp ezialisieren , in ein seitig en F o rm a lism u s zu verfallen, den lebendigen Z u sam m en h a n g aller D inge u n te re in a n d e r au s den A ugen zu v erlieren u n d der E r­

k lä ru n g d er K unstw erke Z w ang a n z u tu n . D as S ch ärfste , w as d ag e g en g e s a g t w erden kann, h a t R ichard M uther im V orw ort zu seinem le tzten W erke, d er „G eschichte der M alerei“, v o rg eb rac h t. W e n n er d am it au c h w eit ü b e r d as Ziel h in a u sg esc h o sse n h at, so g e b ü h rt ihm doch das V erdienst, in einer Z eit ein se itig stilk ritisc h -fo rm aler B e trac h tu n g en die u n le u g b a re B e d eu tu n g der p sy ch o lo g isch -k u ltu rg esch ich tlich en R ic h tu n g m it W o rt un d T a t e rh ä rte t zu haben. W ie sich n u n die w a h rh a ft w issen­

sch aftlich e M aterialfeststellu n g e rst au s dem in n ig e n Z u sam m e n a rb e ite n der stil- k ritisc h e n un d a rc h iv alisch e n M ethode ergibt, so e n tste h t e rs t au s dem Z u sa m m e n ­ w irken d er k u ltu rg e sch ic h tlich -p sy ch o lo g isch e n und ästh etisch e n B e tra c h tu n g sw e ise d a s w ah re, a b e r schier u n e rre ic h b a re Ideal der ersc h ö p fe n d en u n d in ih re r A rt n eu ­ schöpferischen th e o re tisc h en K u n stb e tra c h tu n g . N atü rlich lie ß en sich noch w eitere R ich tu n g e n in n erh alb der K u n stw isse n sc h aft u n te rsc h eid en , wie die rein historische, die d o k u m en tarisch e. E benso k ö n n te m a n den o b en g e n an n ten noch m e h re re be­

deuten d e V ertreter dieser W isse n s c h a ft im 19. J a h rh u n d e rt an die S eite stellen, wie L übke, S p rin g e r, K arl Ju sti, K onrad L ange, R o b e rt V ischer, A u g u st S chm arsow , A dolf G oldschm idt, W ilhelm P in d e r u n d m a n ch e andere. E inen E h re n p la tz für die B a u ­ g e s c h ic h te n im m t d er in u n se re n T a g e n zw iefach au s d er H e im a t v ertrie b en e B alte und S tra ß b u rg e r P ro fesso r G eorg D ehio ein. W ä h re n d die K u n stg e sch ic h te im k u l­

tu rh isto risc h en wie im ästh etisch e n S inne h a u p tsä c h lic h von den H ochschullehrern, den S y ste m a tik e rn der W issen sch aft, a n g e b a u t w urde, h ä n g t die stilk ritisc h e R ich ­ tu n g a u fs e n g ste m it den M useen zu sam m en u n d w ird vornehm lich von ih ren V e rtre te rn gepflegt. Ihnen m uß es vor allem d a ra u f ankom m en, die ih rer O bhut an v e rtra u te n , w ie die ih n e n oft zu u n erm eß lich hohen P re ise n zum K au f a n ­ gebotenen einzelnen K u n stw erk e g en a u zu bestim m en, ec h t un d g e fä lsc h t h a a rsc h a rf a u sein a n d er zu h alten . M useen h a t es in frü h e re n Z eiten k a u m g egeben, im 19. Ja h rh u n d e rt sind sie allero rten un d aller A rten w ie P ilze a u s der E rde geschossen.

D ie sta a tlic h e n K u n stsa m m lu n g e n sin d beso n d ers in L ondon un d in n e rh a lb D eu tsch ­ la n d s in B erlin em porgeblüht, h ie r w ie d o rt d u rch die b ed e u te n d ste n G eldm ittel u n te rs tü tz t. S ie stellen dem S am m eltrieb , d er A rb e itsk ra ft, d er W issen sch a ftlich ­ k eit des 19. Ja h rh u n d e rts das g lä n z e n d ste Z eu g n is au s, ab e r a u f die in d er E n tw ick ­ lu n g b egriffene K u n st d er jew eilig en G eg en w art h ab e n sie le tz te n G rundes k au m g ü n s tig ein g ew irk t, indem sie d ere n J ü n g e r von d e r N atu r a b g e le n k t un d a u f die u n n ac h ah m lic h en M eisterw erke h ö c h ste r K u n st h in g e leitet, dabei d urch die er­

drückende F ülle e in an d e r w id ersp rec h en d e r V orbilder irre g e fü h r t h ab en . K u n st­

g esch ic h te wie K u n stsa m m lu n g e n sind als A usflüsse eines un d desselben h isto ­ risch en G eistes zu b etrach ten .

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E inleitung

D as 19. Ja h rh u n d e rt is t ein in em in en tem S inne h isto risch e s gew esen. Die eu ropäische M enschheit w ar von ein er g e ra d e z u v e rz eh ren d en S e h n su c h t erfü llt, zu sehen, zu w issen, zu erkennen, wie an d e re V ölker leben, wie frühere Z eiten gelebt, gew ohnt, sich g ek leid e t hab en . U nd z w a r blieb m a n bei d er bloßen E rk e n n tn is n ic h t steh en , so n d ern m a n v erse n k te sich m it einer w ah ren L e id e n sc h a ft darein u n d w ar von dem h eiß esten B egehren g e q u ä lt, w ie frem de V ölker u n d v e rg a n g e n e Z eiten zu denken, zu em pfinden un d sich zu kleiden. S eh r bezeichnend in d ie ser B eziehung sin d die K ostüm feste, a u f d enen m a n sich w en ig ste n s einen T a g o der eine tolle N acht h in d u rch als V enezianer des C inquecento o d er als R öm er d er K aiserze it verkleiden, g eb ä rd en un d e rlu stig e n d u rfte . N a tü rlic h w irk te dieser h isto risch e G eist auch a u f die K u n st ein. D as E u ro p a des 19. J a h rh u n d e rts h a t in den S tilen aller V ölker u n d a lle r Z eiten g e b a u t, g em eiß e lt, g e m a lt un d d ek o rie rt, es h a t alle großen E re ig n isse der W e ltg e sc h ic h te u n d alle in te re ssa n te n fre m d en V ölker im B ilde fest­

g e h a lte n , es h a t alle fernen u n d alle v erg a n g en en S chön h eitsw eiten n eu e rste h en lassen , a b e r es ist bei diesem B em ühen n ic h t d a z u g ek o m m en , eine eigene große, reiche, originale S ch ö n h eitsw elt zu schaffen. D as w a r der F lu ch , den der h isto ­ risc h e G eist d ie ses Z e ita lte rs in sich tr u g ! — U nd dieser F lu ch w a r ein doppelter.

D enn d em 19. J a h rh u n d e rt is t es d u rc h a u s n ic h t e tw a g elu n g en , je n e fern en oder lä n g s t v erk lu n g en en S ch ö n h eitsw elten in ih re r u rsp rü n g lich e n K ra ft u n d S ch ö n ­ h eit n e u h erv o rzu b rin g en . S einen h isto risch e n S ch ö p fu n g en k le b t die T h e a te r ­ sch m in k e an, h in te r der sich eine b lasse u n d faltig e H a u t v erb irg t.

E ndlich w ar d as 19. J a h rh u n d e rt ein J a h rh u n d e rt d er N a tu rw isse n sc h a ft un d der T ec h n ik , u n d au c h diese g e istig e n M ächte h a b e n einen b estim m en d en Einfluß a u f die bildende K unst a u s g e ü b t. D er n atu rw issen sc h aftlic h -ex p erim e n te lle G eist des Z eitalters w irk te insofern schädlich a u f eine g roße G ruppe von K ü n stle rn ein, als sie vor la u te r Ü bereifer, die N a tu r im einzelnen z u beob ach ten u n d w iederzugeben, n ic h t m ehr zu m freisch ö p ferisch en G estalten v o rd ra n g en . F e rn e r ließ die V erm e h ru n g u n d V erbilligung der p h o to m e ch a n isc h en N ac h b ild u n g e n d er K u n stw erk e w ohl deren allg em ein e in h a ltlich e u n d k o m positionelle K en n tn is zum B esitz alle r G ebildeten w erden, die e ig en tlich k ü n stle risc h e n Q u alitäten w urden d ab ei a b e r zu m großen T eil n ic h t m it w ied e rg eg eb e n . So e n ts ta n d eine falsch e oder w e n ig sten s h öchst oberflächliche V orstellu n g von d er K u n st. Die P h o to g ra p h ie h a t die K u n stb e tra c h tu n g in s U nerm essene erw eitert, sie h a t sie a b e r a u c h ebenso se h r verflacht. Man stelle sich vor, wie d er K u n stfre u n d vor h u n d e rt Ja h re n , n a c h E ck e rm an n s G esprächen m it G oethe z u u rteilen , je d e n n eu e n K upferstich, der ihm zu G esicht kam , g rü n d lic h d u rc h stu d ie rt u n d genossen, g le ich sam w ie einen g u te n alte n W e in z u e rs t vo r­

sic h tig p rü fen d g e k o s te t u n d d an n m it B e h a g e n a u s g e sc h lü rft h at, und m a n v e r­

gleich e dam it, w ie w ir g e g e n w ä rtig von B ild ein d rü c k en ü b e rs ä ttig t sind, die d an k der P h o to g ra p h ie ü b e ra ll un d von allen S e ite n a u f uns ein stü rm en , w ir m ögen u ns in den K unstladen, zu m B u c h h än d ler o der in s L esezim m er begeben, eine F am ilie n ­ zeitschrift, die W oche, die Ju g e n d oder den S im p lizissim u s z u r H an d nehm en.

Vor allem a b e r w ar d as v erflossene J a h rh u n d e rt von der M aschinen­

zivilisatio n b e h e rrsc h t, u n d die M aschine, w elche der In d u strie z u einem u n ­ erh ö rten A u fschw ung v erh a lf, h a t zu g leic h der k ü n stle risc h e n K u ltu r am aller­

sc h w e rste n A b b ru ch g e ta n . D er b e k la g e n sw e rte T ie fstan d d er k ü n stle risc h e n K u ltu r des 19. J a h rh u n d e rts r ü h rt in e rste r u n d le tz te r L inie davon her, daß die H an d ­ a rb e it von der M aschinenarbeit a b g e lö st w urde. A lle rd in g s m a c h t sich ein g e ­ w isse r m a sch in elle r B etrieb b ere its in frü h e re n J a h rh u n d e rte n g elten d . Z um S ch m u ck von m a n ch e rle i G eg e n stä n d en des K u n stg e w e rb e s w urden einm al erfundene D ekorationsm otive im m er u n d im m er w ieder verw an d t, so k e h rt z. B. in den L an d ­ k irch e n d er N ü rn b e rg e r G egend dieselbe V e rk ü n d ig u n g sd a rste llu n g a u f den T a u f­

b ecken g a r h äufig w ieder. A uch d as g e d ru c k te un d m it H o lzsch n itten g esch m ü c k te

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Das 19. Jahrhundert, einhistorisches u. einnaturwissenschaftlich-technisehes Jahrhundert ] \ B uch is t schließlich ein F a b rik e rz e u g n is im V erh ältn is zu dem g esch rieb en en und m it H an d m alereien a u s g e sta tte te n Kodex des M ittelalters. W ie hoch s te h t indessen der K u n std ru ck v e rg a n g e n e r Z eilen g e g e n ü b e r dem d u rch sc h n ittlich e n M achw erk der D ru c k erp resse des 19. Ja h rh u n d e rts, w ie hoch e rst die in Holz g esc h n itte n e Illu stra tio n g e g e n ü b e r d er A u totypie! — V or allem aber w ar in frü h e re n J a h r­

h u n d e rte n je d e r S tu h l, je d e r T isch, ü b e rh a u p t je g lic h e s G erät m it der H an d g e­

arb e itet. U nd der schaffende M ensch h a tte seine volle m en sch lich e S ch affen s­

freu d ig k eit in seiner H ände W e rk h in e in g eleg t. W enn auch die G egenstände des täg lic h en G ebrauchs n ac h einem feststeh e n d en M uster g e fe rtig t w urden, so w ar es dem H an d w erk e r doch m öglich, leise V ersch ied en h eiten a n z u b rin g e n , in g e ­ w issem Maße seine E ig e n art sp rech en zu lassen. J e d e r H an d w erk er w ar in diesem S inne ein K ü n stle r u n d die eigentliche K unst n u r die h ö ch ste B lüte des H andw erks.

D arum , un d n ic h t etw a weil er so a lt ist, w ird d er „U rväter H a u s ra t“ bis a u f den heu tig en T a g von M enschen m it k ü n stle risc h e r E m p fin d u n g so h och e in g esc h ätz t.

In u n seren V orfahren ab er, die u n te r solch k ü n stle risc h e m G erät ih r g an z es L eben zu b ra ch te n , m u ß te n sich G efühl un d G eschm ack n ic h t n u r fü r H andw erk und K u n sth a n d w e rk , sondern auch fü r die h ohe K u n st von selber reg en . Die M aschine ab e r a rb e ite t ohne G efühl u n d ohne Individ u alisieru n g sv erm ö g en , sie fo rm t H u n d e rte u n d T au se n d e von G eg en stän d en e rb a rm u n g slo s n ac h einem S chem a. U nd sie b e sitz t auch keine E m p fin d u n g fü rs M aterial. S chm uckform en, die au s der N atu r des Holzes un d a u s der b esonderen A rt d er H o lzschnitzerei h erv o rg e g a n g e n sind, d rä n g t sie g le ich g ü ltig dem E isen au f. U nd u m g e k eh rt. So e n tsta n d je n e en t­

setzlich e V erstä n d n islo sig k eit fü rs M aterial, die sich u n te r dem E influß d er neuen E rfin d u n g en der T ec h n ik im m er ste ig e rte und in s U n g eh eu erlich e anw uchs. Eine U nsum m e von S charfsinn w ard zu den v e rk e h rte ste n Z w ecken v e rw e n d e t! Die g ru n d h ä ß lic h e n E rz eu g n isse der L u x u sin d u strie , allen voran die G alan teriew aren , m u ß te n au c h a u f ih re zahllosen B esitzer, die bei dem a llg em ein e n W o h lsta n d des 19. J a h rh u n d e rts Geld g e n u g besaßen, sie sich in H ülle und F ülle anzuschaffen, einen im h ö ch sten G rade sc h äd ig e n d en und g esch m a ck v e rro h en d e n Einfluß a u s ­ üben. So e n tsta n d in den b re ite ste n V olksschichten eine k ü n stlerisc h e U n k u ltu r, w ie sie die W e lt noch n iem als erlebt h a t t e ! —

E s is t ein trü b e s Bild, das so der W a h rh e it gem äß von den allgem einen V erh ältn issen d er K u n st im 19. J a h rh u n d e rt e n tro llt w erden m u ß te. A ber wo tie fer S c h a tte n h errsch t, d a s tr a h lt d an eb en au c h ein h elles L icht. D ieselben U rsachen, w elche a u f die K u n st des 19. J a h rh u n d e rts sc h äd ig e n d einw irkten, h ab e n ih r a n ­ d ere rse its au ch m ancherlei V orteile g e b ra c h t. Die, d ank der französischen R evolution, erru n g en e F re ih e it d er P ersö n lic h k eit, die U n a b h ä n g ig k e it von Z unft- u n d H eim at­

zw a n g erm öglichte es je d erm an n , sich den se in er B e g ab u n g e n tsp re ch e n d en P la tz zu erk ä m p fe n und sich in dem frei g ew ä h lte n B e ru f au szu le b en . A us den u n teren S chichten des V olkes ra n g e n sich M änner zu europäischem A nsehen hin d u rch , wie H erkom er u n d L enbach, D efre g g er un d S eg an tin i un d viele A ndere. N iem and w ar in seiner u n b esch rän k te n E n tw ic k lu n g g eh e m m t. U nd so h a t d enn das 19. J a h r ­ h u n d ert, w enn au c h k a u m eine P ersö n lic h k eit von d er S tä rk e d er g ro ß a rtig e n In d iv id u a litä ten der R en aissan c ez eit, so doch im m erh in au sg esp ro ch e n e K unsl- c h a ra k te re in g ro ß er A nzahl h era n re ife n sehen, daß es z .B . sch lech th in unm öglich ist, ih re r aller in diesem Z u sa m m e n h a n g au c h n u r flüchtig zu gedenken.

F e rn e r h a t der g esch ich tlich e G eist des Z eitalters n eben den vielen th e a tr a ­ lischen H istorienm alern doch auch w ah re M eister des G eschichtsbildes h erv o r­

g e b ra c h t: M eissoniers N apoleonbilder sin d u n s te rb lic h ; u n s D eu tsch e n a b e r h a t A dolf M enzel d as ru h m re ic h e Z eita lte r F rie d rich s des G roßen k o stü m g e tre u bis zum S attelk n o p f, zu g leic h ab e r m it voller B lu tw ärm e u n d von lebendigem Geist erfüllt im Bilde w ieder ersteh en lassen.

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