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Die Essayistik von Albert Drach Bemerkungen zum Antagonismus von Ursprünglichkeit und Künstlichkeit in seinen Essays und fiktionalen Werken

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Die Essayistik von Albert Drach

Bemerkungen zum Antagonismus

von Ursprünglichkeit und

Künstlichkeit in seinen Essays und

fiktionalen Werken

Studia Germanica Gedanensia 32, 139-150

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Gdańsk 2015, Nr. 32

Robert Kowalski

Universität Gdańsk

Die Essayistik von Albert Drach

Bemerkungen zum Antagonismus von Ursprünglichkeit und

Künstlichkeit in seinen Essays und fiktionalen Werken

„Warum etwas ist, sollte man nie erfahren, nach Erfahrungen nicht graben, denn entweder entdeckt man Fälschungen oder man bringt ans Licht, was nur gültig ist, solange es geborgen bleibt. Das ist das Geheimnis aller Geheimnisse.“1

Albert Drach

Essayism of Albert Drach and its influence upon the works of fiction of the author as an antagonism between naturalness and negation of that what is alive. Albert Drach’s work concerns a life - death oppo-sition. In particular, this topic is revealed within a contrast between nature and civilization, and the latter is to be understood mostly as regulations, power, language and artificiality. The absolute opposite of God is therefore an office. The writing lawyer Drach is interested in the problem of evil and the appropriate understanding of God.

Keywords: civilization, language, God, evil, bureaucracy

Albert Drach macht in seinem Schaffen auf den Gegensatz Leben versus Tod aufmerksam. Diese Proble-matik manifestiert sich konkret durch die Gegenüberstellung Natur- Zivilisation, wobei unter der letz-teren in erster Linie Ordnungen, Behörden, Sprache und Künstlichkeit zu verstehen sind. Der absolute Gegenpol zu Gott sei demnach das Amt. Der dichtende Jurist Drach beschäftigt sich mit dem Bösen und der richtigen Auffassung Gottes.

Schlüsselwörter: Zivilisation, Sprache, Gott, das Böse, Bürokratie

Die vorliegende Auseinandersetzung mit der Essayistik von Albert Drach versucht eine wei-terhin bestehende Lücke innerhalb der Drach-Forschung zu beheben, und zwar angesichts der Tatsache, dass die Essays von diesem österreichischen Autor wie auch deren Verbindung

1 Albert Drach, Grundstoffe 3, S. 7. Im folgenden werden einige Texte von Drach in der Form vor ihrer Veröffentlichung benützt. Es handelt sich also um die „Grundstoffe“, den „Wurmfortsatz zum Protokoll 'Wie man Zwetschkenbaum steinigt“ und die „Essays“. Im Frühjahr 1997 befanden sich diese Texte noch im Öster-reichischen Literaturarchiv in Wien, wo Drachs Nachlass gerade aufgearbeitet wurde.

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mit seinen anderen literarischen Texten bis heute nahezu unbeachtet waren. Die erste Aus-gabe der unveröffentlichten essayistischen Arbeiten von Drach, die beim Zsolnay-Verlag bereits angesagt wurde, bleibt noch aus. Im folgenden musste diese Situation berücksichtigt werden. Die werkimmanente Vorgehensweise bei der Präsentation der Problematik trägt der Absenz einschlägiger Sekundärliteratur Rechnung.

Das vorangestellte Zitat bezeugt Albert Drachs Kritik am menschlichen Bemühen, sich die Welt mit einem Instrument wie z.B. dem Bewusstsein oder der Sprache zu unterwerfen. Der dichtende Jurist Drach weist darauf hin, dass sich dieses Bemühen immer als eine Fehl-leistung erweisen werde.

Drachs Gedanken über die Welt, die er in seiner Essayistik dargelegt hat, ranken sich um das System, das im Laufe der Entwicklung der Menschheit aufgebaut wurde. Um seine Schattenseiten sichtbar zu machen, erinnert der Schriftsteller an den natürlichen Gegensatz – Leben versus Tod. Die Essays zeigen, dass Drach unter dem ersten das lebensvolle und lebensfreudige Wesen, die Natur versteht, unter dem zweiten dagegen die Zivilisation mit ihren Ordnungen, Behörden, unbedachten Selbstverständlichkeiten, mit ihren Sprachen und ihrer immanenten Künstlichkeit.

Mit einem Rückblick bis in die Urgeschichte der Menschheit, mit gnostischen bezie-hungsweise theologischen Spekulationen und einer nüchternen Beobachtung der Gesell-schaft versuchte Drach in seinen Essays der Missentwicklung der Menschheit auf die Spur zu kommen. „Wenn Sade sagt, dass Gott böse ist, so hat er recht. Würde er es gut mit dem Menschen meinen, hätte er ihn nicht erschaffen.“2 Dieser kurze Ausschnitt aus

„Grund-stoffe 2“, in dem auch der Name von de Sade, dem von Drach hochgeschätzten Marquis

fällt, lässt besonders die Bitterkeit spüren, die den Autor gewiss begleitet hat, sooft er etwas über den Zustand der menschlichen Wirklichkeit ausdrücken wollte.

Im Sinne der Gegenüberstellung von Leben und Tod bietet Drach eine weitere Oppo-sition, und zwar die von Ursprünglichkeit und Künstlichkeit. Im „Essay I“ schreibt er allen urtümlichen Erscheinungen oder Taten göttlichen Charakter zu. Dem gegenüber erwächst nach Drach eine Lebensfeindlichkeit aus den vom Menschen errichteten Ordnungen. Wenn Gott eine Urgewalt bedeuten und Urintelligenz sowie Urschöpferkraft haben soll, dann könne er weder für gut noch für böse gehalten werden. Neben der Gestaltung müsse ihn auch Zerstörung kennzeichnen, schreibt Drach im „Essay I“. „Dann allerdings ist er allent-halben, wo etwas urtümlich geschieht oder besteht und nur dort nicht, wo Natur denatu-riert, das Künstliche die Kunst ersetzt, das Volk an sich einer Ordnung unterworfen werden soll, die im Weltall nicht enthalten ist.“3 Für Drach ergibt sich daraus die Tatsache, dass das

Gegenteil von Gott nicht in Satan gefunden werden könne. Er pflichtet de Sade bei, nach dem Gott auch im Dolch des Mörders sei. Drach nennt Bezirke, denen Gott fern bleibt: es sind die Unnatur, die Plattheit, die Ordnung ohne Kern, die Personifikation an Stelle der Person, das Amt an sich.4

2 Albert Drach, Grundstoffe 2, S. 3.

3 Albert Drach, Essay I. Die Abschaffung Gottes und dessen Ersatz durch die Behörde. 1969–1981, S. 2. 4 Vgl. ebd.

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„Der absolute Gegensatz zu Gott ist sohin nicht der Teufel, sondern die Behörde.“5 Der

Autor stellt Gott die Künstlichkeit, den Tod gegenüber. Diese beiden negativen Erscheinun-gen materialisieren sich bei Drach in Form von Behörden oder Ämtern. Nach seiner Auffas-sung trage Satan längst Beamtenlivree und die Schlange habe Amtscharakter.6 Diese Ansicht

verdankte Drach bestimmt seiner täglichen Konfrontation mit der Welt der Gesetze, Vor-schriften und der Gesetzhüter. Den nahen Kontakt mit dieser Welt sicherte ihm sein Beruf, die Arbeit in seiner Mödlinger Anwaltskanzlei.

Was macht denn die Behörde so gespenstisch für Drach? Es ist z.B. die Tatsache, dass der Autor das amtliche Töten für möglich hält. Dieses Töten kann ohne Schuldbewusst-sein der Verbrecher geschehen, weil es im Namen einer Instanz anonym verrichtet wird. Drach sagt: „Das Schlimmste ist, wenn man amtlich tötet, denn dann wirft man sich in die Brust und behauptet, man hätte das Richtige getan.“7 Und an anderer Stelle fügt er hinzu:

„Ver-brecher vom Amt seien nicht befähigt, an ihre Schuld zu glauben.“8 Diese Einsicht ist bei Drach

sehr wichtig. Er klagt ein System an, in dem jede ursprüngliche, natürliche Ordnung vernichtet und durch Verlogenheit ersetzt wird. In einem solchen System hört der Mensch-Verbrecher auf, Mensch zu sein, indem er sich von seinem Schuldbewusstsein losspricht. Er wird zu einem Automaten, dessen Handeln auf dem Weg der Verlogenheit gerechtfertigt und der Verzicht auf die eigene Menschlichkeit auch belohnt wird. Das Amt, die Behörde stellen Regeln auf, wie und an wem das Töten erlaubt ist. Die Tötungsbefugnis werde chiffriert oder münd-lich weitergegeben und der Kreis der Befugten eng gezogen, bemerkt der Autor im Essay.9

Albert Drach ist in seinen Essays auf das Problem des Wortes und ferner der Sprache ein-gegangen. Seiner Meinung nach verursacht das Wort Missverständnisse und sorgt für Ver-fälschung. Es lässt nur knappe Verständigung zu. Das Wort sei zu einem Instrument gewor-den, das den behördlichen Instanzen diene. Nachdem der Mensch das Wort (und weiter die Sprache) zum Eckstein der Zivilisation hatte werden lassen, musste er in Drachs Auffassung im nachhinein feststellen, dass dieser Schritt negative Folgen hat.

Entgegen dem biblischen Dogma behauptet Drach, dass es im Anfang nicht das Wort, sondern das Schweigen gegeben habe. Als das Wort hervortrat, habe man nicht mehr gewusst, wo die Wahrheit und wo die Lüge war.10 Den ersten Rang haben bei Drach

Schwei-gen und Ursprünglichkeit, die beide für Wahrheit stehen. Im GeSchwei-genteil zum SchweiSchwei-gen wird das Wort mit dem Lügen assoziiert und erscheint als ein sekundäres Phänomen. Über das Verhältnis des Wortes zur Wahrheit hat Drach im „Essay XI, Sprache als Verständi-gungsmittel sowie zur Erzeugung von Missverständnissen“ geschrieben. In der Urgeschichte seien durch Verfeinerung aus dem Lall das Wort und aus diesem Sätze entstanden, welche das Missverständnis erst ermöglichen konnten. Da halbe Zusagen meistens ganze Lügen sein können, sei das Wort zum Mittel der Verständigung oder zum Werkzeug der Diploma-tie geworden. Es sei ein Werkzeug, mit dem man keine Schlachten austragen könne, das aber

5 Ebd.

6 Vgl. Albert Drach, Grundstoffe 3, S. 2. 7 Albert Drach: Essay I, S. 8.

8 Ebd. 9 Vgl. ebd. S. 9 10 Vgl. ebd. S. 4.

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als Waffe gebraucht werde und Siege aus dem Hinterhalt gewinne. Drach schreibt: „Zwi-schenmenschliche Beziehungen, die auf das Wort angewiesen sind, lassen eine knappe Ver-ständigung zu.“11 In diesem Satz formuliert der Autor deutlich seine Sprachkritik. In

Anleh-nung an diese kritischen Überlegungen enthalte oder spiegele das Wort verkümmerte oder angedeutete Taten wider und deswegen komme ihm nicht nur symbolische Bedeutung zu.12

Im „Essay XI“ lässt sich erneut die Opposition von Schweigen-Leben-Gott gegenüber Wort-Tod-Unnatur entdecken, und zwar in dem abschließenden Urteil, dass die Sterblichkeit des Schöpfers (Gottes) in der Kultur auf seine Verbindung mit dem Wort, auf seine Zusammen-fassung und Reduzierung im Wort zurückführbar sei.13

Dass das Wort für Missverständnisse sorgt, macht der Autor zum Schlüsselpunkt der Diskussion. Nun über das Ausmaß des Problems: Nach Drach basiere das Weltgeschehen – einschließlich der gesamten Rechtspflege aller Völker, der Revolutionen, Evolutionen und Kriege – oft auf protokollierten Missverständnissen.14 Er malt damit ein katastrophales

Szenario als Folge mangelnder Verständigung aus.

Außerhalb des Lebens hat sich eine große Welt etabliert, und zwar die Welt des Wortes. Drach nennt sie in „Grundstoffe 7“ das Archiv. Von dieser Welt lassen sich fertige Gedan-ken-Phrasen mieten, die einmal andere formuliert haben. Es sind verbrauchte, tote Struktu-ren, die das Leben gar nicht widerspiegeln können. Der Autor knüpft hier an die Tradition der sprachskeptischen These, dass nicht wir sprechen, sondern dass wir gesprochen werden. Die Welt des Wortes hat sich auf Kosten des Lebens entwickelt, hat sich verselbständigt und dadurch Kontinuität in der Kultur gesichert. „Wo der Einfall fehlt, hilft das Archiv nach. Dort sind alle Gedanken gelagert, die andere gedacht haben, auch die Missverständnisse sind vollzählig gespeichert. […] In dieser Welt geht nichts verloren außer dem Leben.“15

Es handelt sich wieder um eine Opposition: das Archiv (alt, trocken, tot) und das Leben. Der Autor steigert seine Skepsis gegenüber dem Wort bis zu der Formulierung, dass in jedem Wort der Tod sitze, und auch wenn man ihn bloßlege, gewöhne man sich an es, gewinne man es aber nicht lieber.16 Drach betont das Fremde und Lebensfeindliche im Wort.

Die Formulierung „Der Tod im Wort” legt noch einen Aspekt nahe, nämlich, dass dieser Tod „ansteckend“ wirkt. Das Wort präsentiert nicht nur das Alte, Tote an sich, sondern es tötet selbst, und zwar das wahre Bild von der Welt.

Alle Verdikte über das Gute und Böse, die von den Glaubenslehren in lapidaren Sätzen ausgesprochen werden, müssen in Drachs Auffassung mit der Schwierigkeit der Auslegung rechnen. Die Auslegungen gehen hier auseinander. Im „Essay XVI“ macht der Autor darauf aufmerksam, dass allein der Satz „du sollst nicht töten”, auf Tiere und Pflanzen erweitert,

11 Albert Drach, Essay XI. Sprache als Verständigungsmittel sowie zur Erzeugung von Missverständnissen, S. 1. 12 Vgl. ebd.

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. Albert Drach, Wurmfortsatz zum Protokoll… Wie man Zwetschkenbaum steinigt, S. 324. 15 Albert Drach, Grundstoffe 7, S. 5. Bei der Problematik der Sprachphilosophie würde es sich in erster Linie um die Bezüge auf Fritz Mauthner und Ludwig Wittgenstein handeln, deren Gedankengut mit Drachs Sprachskepsis weitgehend korrelieren könnte.

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ein Todesurteil bedeute.17 Die wörtliche Befolgung solcher Sätze, so Drach, ist unmöglich.

Er macht noch einen Aspekt sichtbar, nämlich die Schwierigkeit, Gut oder Böse mit Sät-zen zu erfassen und zu präzisieren. Jegliche Formulierung dieser Sätze wird den Menschen vom wahren Problem ablenken und man kann in diesem Kontext folgendes konstatieren: Alle in den Worten oder Sätzen festgehaltenen Gesetze sind von Natur aus unvollkom-men. Erstens wird ihre Auslegung immer kompliziert ausfallen, zweitens erschöpfen die Gesetze nicht alle Aspekte des Problems. Die Welt des Wortes wird von Drach noch weiter durchschaut. Er betont die Grenze, die sich zwischen Aussage und Aufnahme im Moment eines jeden Dialogs auftut. Bekräftigt wird diese Ansicht durch das Beispiel, indem dem ursprünglich Gesagten neue Inhalte hinzugefügt werden.18 Dabei zeigt sich die Natur des

Wortes; es eignet sich zu spielen, es hat unbegrenzte Chancen in Bezug auf die Zerstörung der Verständigung.

Durch die Formulierung „Das ist das Geheimnis aller Geheimnisse”, die im Motto ange-führt wird, wird meistens eine Preisgabe der eigenen Weltanschauung signalisiert. In der Tat teilt Drach ein Kernstück seiner Weltauffassung mit. Das Motto von Drach wird besonders nach der Darstellung seines Verhältnisses zum Phänomen „Wort” verständlich. Im Sinne Drachs muss nämlich damit gerechnet werden, dass jede Beschreibung der Wirklichkeit sofort Verfälschung bedeutet oder dass sie das wahre Bild von der Welt tötet. Der Sinn der Wirklichkeit, aller Dinge, soll nach Drach eher jenseits der Beschreibung liegen, damit er lebendig und unverfälscht bleibe. „Auch war im Anfang gar nicht das Wort, sondern das Schweigen“19, erklärt er an einer anderen Stelle. Das zitierte Motto wirkt wie ein Ratschlag.

Es gibt dennoch die Welt des Wortes mit ihren Gesetzen. Der Wortkosmos, obwohl er nach der Auffassung des Autors unbegrenzt erscheint (der Reichtum des Archivs), ist für Drach nicht das Ursprüngliche und das Wahre.

Die Auseinandersetzung mit der Dichotomie Leben-Tod oder Ursprünglichkeit-Künst-lichkeit äußert sich besonders deutlich im Rahmen der Essayistik von Drach, d.i. in der Beschäftigung mit dem Amts- bzw. Behörden-Syndrom, soweit man das Problem auf diese Weise benennen kann. Darüber hinaus kommt dies in der Wort- und Sprachkritik, in dem religiösen Diskurs sowie in der Fürsprache der reinen Natur zum Ausdruck. Diese Aspekte der erfahrenen Wirklichkeit werden in den literarischen Werken des Autors ebenfalls aufge-griffen und dort nach und nach veranschaulicht.

Die deutlichste Gegenüberstellung von Ursprünglichkeit und Künstlichkeit manifes-tiert sich im Drama „Das Kasperlspiel vom Meister Siebentot.“ Den menschlichen Figuren

wird eine Marionette gegenübergestellt, und zwar der Kasperl, an anderen Stellen Wurs-tel und Hans Wurst genannt. Er zeigt durchgehend seine Überlegenheit; „Er ist ein genia-ler Wurstel“20, obwohl er nur eine Puppe ist. „Aber leider […] hat er kein Fleisch und kein

17 Vgl. Albert Drach, Essay XVI. Die Entwertung aller Werte oder Die Wandlung des Etwas in Nichts, S. 1. 18 Vgl. Albert Drach, Werkausgabe, Bd. 13, Literaturgeschichte ohne Namen sowie die Bruchstücke und Zusätze, S. 5, 6.

19 Albert Drach, Essay I, S. 4.

20 Albert Drach, Das Kasperlspiel vom Meister Siebentot, in: ders.: Das Spiel vom Meister Siebentot und weitere Verkleidungen, München/Wien 1965, S. 11.

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Blut.“21 Zudem werden die Machtausübung, der Aufbau einer regierenden Struktur mit

Kas-perl im Mittelpunkt und die gekonnte Versklavung aller Umgebung gezeigt. „Man soll an mich glauben. Ich mach die Gesetze […]“22 – weist die Marionette stolz auf ihre Despotie hin.

Par-allel breitet sich die Wortkritik aus. Wort und Sprache werden im Drama missbraucht, d.i. unter anderem für bewusst kalkulierte Strategien benützt. Die Hauptfigur gewinnt ihre Stärke aus dem „Archiv” und der Begriff kommt im Essay „Grundstoffe 7“ vor. Aus den gemerkten Phrasen, Worten oder Gemeinplätzen baut sie eigene Aussagen, die Aufmerksamkeit erwe-cken; „Was die Leute ausspucken, klaub ich auf und geb es ihnen wieder zum Schlucken.“23

Die vorhin genannte Dichotomie von Künstlichkeit und Ursprünglichkeit wird auch in „Das Skurrilspiel Sowas“ thematisiert. Das Drama handelt vom mysteriösen und absurden Morden und es wird hier die Weltauffassung eines spontanen, lebensfreudigen und „rabu-listischen” Mädchens der Weltauffassung von den geistig uniformierten Ordnungshütern gegenübergestellt. Die Handlung wird ununterbrochen durch die Kritik am Behördlichen, am Beamtentum, am Gesetz begleitet, wie z.B. im Satz „Wir haben das Gesetz” oder in dem „Das kann man auch verschieden auslegen.“24

Neben dem Blick auf die Lust am Makabren bietet „Das Satansspiel vom göttlichen Marquis“ eine Kritik am Gesetzsystem an. „Hierzulande gilt eine Ordnung, anderswo eine andere. Die sie gemacht haben, bleiben immer außerhalb. Wenn sie selbst darin stünden und überträten die Ordnung, wäre sie damit geändert für sie. Darum, wer bestimmt, was Gut und Böse ist, bleibt immer gut.“25 Auf diese Weise erklärt de Sade seinen Gesprächspartnern

die Relativität der Gesetze. Der Marquis betont, dass die Gesetze gegen diejenigen seien, die nicht dabei waren, als sie verabschiedet wurden.26 Das Stück präsentiert die Diskussion

über das Böse. Die Titelfigur wird von der Vernichtung begeistert, vom Mord, doch nicht ohne Leidenschaft.27 Dieser innere Furor, die Leidenschaft, steht für Ursprünglichkeit, für

das Gegenteil der Künstlichkeit. Das Böse von de Sade untergräbt die Sittlichkeit und das Gesetz. An einer anderen Stelle wird behauptet, dass Gott auch Teufels Werk segne.28 Der

Marquis hat eine andere Auffassung von dem Bösen als die in der Gesellschaft etablierte.29

Marquis de Sade schreibt dem Bösen und dem Guten immer einen Wert zu, und zwar beson-ders angesichts der wertlosen Leere; „Die Massen sind niedrig, nicht böse […]. In deren Herzen wohnt nicht der Teufel, sondern niemand. Es [die Masse] ist leer und schlecht […]. Sie wissen nicht, was sie tun und wollen es auch gar nicht wissen. Gut und Böse sind für sie unerschwingliche Delikatessen.“30

21 Ebd. S. 23. 22 Ebd. S. 62. 23 Ebd. S. 21.

24 Albert Drach, Das Skurrilspiel Sowas, in: ders.: Das Spiel vom Meister Siebentot und weitere Verklei-dungen, S. 73.

25 Albert Drach, Das Satansspiel vom göttlichen Marquis, in: ders.: Das Spiel vom Meister Siebentot und weitere Verkleidungen, S. 162. 26 Vgl. ebd. S. 147. 27 Vgl. ebd. S. 183. 28 Vgl. ebd. S. 160. 29 Vgl. ebd. S. 148. 30 Ebd. S. 141.

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Dem Stück „Das I“ hat der Autor fünf Motti vorangestellt. Das vierte Motto von Frank

Wedekind („Wie heißen die Herren, die uns das taten? Diplomaten”) wendet sich radikal gegen ein von den Menschen erdachtes System – gegen die Diplomatie. Das Drama handelt vom Aufbau einer repressiven Struktur, von der marionettenhaften Bejahung einer unheilstif-tenden Obrigkeit mit Gangstl an der Spitze („Denn ich bin Alois Gangstl, der Gott […].“31).

Drach’sche Ideenwelt aus der Essayistik findet ebenfalls in den Prosatexten ihren Wider-hall. Beispiele dafür sind die „Protokolle”. „Die Amtshandlung gegen einen Unsterblichen“ hat einen kriminellen Zwischenfall zum Thema, den der Dichter Arthur Rimbaud bei seinem Wien-Besuch erfahren musste. Der junge Poet verdächtigt einen Droschkenkutscher, einen Fiaker, des Diebstahls. Der Text präsentiert eine Gegenüberstellung von zwei Welten, von der spontanen und der unbefangenen eines jungen Dichters sowie von der der polizeilichen Behörden. Das unkonventionelle Verhalten des Zugereisten droht die einheimische Welt zu disharmonieren: „Und vor Ämtern ist es auch nicht schicklich, ein Dichter zu sein.“32 Die

Marionettenhaftigkeit und geistige Subalternität der Beamten werden mit den kritischen und eigenständigen Urteilen Rimbauds konfrontiert. Der junge Franzose hat unter anderem eingesehen, dass im besuchten Land die Anzeige an die Obrigkeit eine Ehrensache sei, und zwar die Anzeige um der Sache selbst willen.33 Der Besucher erfährt auch die eingeübte

künstliche Haltung der Beamten gegenüber der Welt: „Da lachte der Kutscher mit. Nur der Sbirre lachte nicht, denn er war von der Obrigkeit.“34

Eine Auseinandersetzung mit der Sphäre der Gerichtsbarkeit, mit ihrer Arbeitstaktik hat das Protokoll „Ironie vom Glück“35 zum Thema. Die Problematik wird hier am Beispiel der

Aufdeckung eines mysteriösen Mordes gezeigt. Die Urteilsfindung erfolgt nicht, aber der Autor macht den mühsamen Weg zu ihr, zum Schwerpunkt ihres Inhalts. Alle Wider-sprüche, die die amtlichen Instanzen kennzeichnen, sind da. „Dabei hatte er fast den Ein-druck, als sei alles bisher ohne sein Zutun gekommen, ausgenommen, dass er seine Augen und Ohren offen gehalten hatte und etwas wollte, von dem sich erst später herausstellte, was es gewesen sein konnte.“36 Das ist die Bilanz, die die Hauptfigur Sebastian Nissenklauber aus

dem „wohlwollenden Protokoll Ein Herr mit Hut und ohne“ bezüglich seines Lebens, seines raschen Karriereaufstiegs, zieht. Der Held erfuhr einen schnellen Aufstieg zum Nationalrat in der Hauptstadt, nachdem er zwei Parolen „Aufbau” und „Sanierung” in seinem Provin-zort „hatte vibrieren lassen.“ Die Idee ist bald in das hauptstädtische Parlament gedrungen und hat ihm neue Tore geöffnet. Zufälligen Verkettungen von Umständen konnte er alles verdanken. Die haben ihn zu ihrer Marionette gemacht. Er war auf Effekt bedacht, bediente sich spektakulär der Sprache, bis sich eine Umkehr vollzogen hat: Seine Neigung zu einer Frau hat alles andere bald relativieren lassen. „Doch von dem Aufbau und von Sanierung

31 Albert Drach, Das I, in: ders.: Das Spiel vom Meister Siebentot und weitere Verkleidungen, S. 233. 32 Albert Drach, Amtshandlung gegen einen Unsterblichen, in: ders.: Die kleinen Protokolle und das Goggelbuch, München/Wien 1965, S. 27.

33 Vgl. ebd. S. 41. 34 Ebd. S. 50.

35 Vgl. Albert Drach, Ironie vom Glück, in: ders.: Die kleinen Protokolle und das Goggelbuch. 36 Albert Drach, Ein Herr mit Hut und ohne, in: ders.: Die kleinen Protokolle und das Goggelbuch, S. 208.

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redete er nichts und dachte weder an Köchinnen noch an Supplentenschwestern […].“37 Und

weiter sagt er: „[…] so habe ich ihn nie gekannt und nie sich vorgestellt, das sei ganz ein anderer Mensch.“38 Das sind Aussagen, die diese Umkehr zeigen. Kurz darauf wurde er des

Amtes enthoben, weil er bei einem Kuss in aller Öffentlichkeit aufgefallen sei. Im Text wird ein Übergang skizziert, und zwar von der Unselbständigkeit, der Künstlichkeit, dem Glau-ben an das (Werbe)wort zur Selbständigkeit, Natürlichkeit und zum Verzicht auf die bei-den auf Erfolg gemünzten Parolen. Es ist ein Übergang von der Marionette zum Menschen. Im Drama „Das Aneinandervorbeispiel vom Leben für eine Verstorbene“ wird die Handlung nach Spanien des ausgehenden 16. Jahrhunderts verlegt. Es handelt unter ande-rem von der Liebe eines maurischen Jünglings zu Maleha im katholischen Spanien. Die Schlüsselbegriffe der Problematik des Stückes sind (neben der Liebe) das Beherrschen und das Bekämpfen im Namen einer Religion, die Verbreitung eines fremden, feindlichen Sys-tems. „Auch waren die Mayas, Azteken, Inkas des westlichen Indiens stolze Brandopfer auf den Altären unseres dreieinigen Gottes. Wir gaben der Welt ein Schauspiel des Grauens.“39

So wird im Drama von der blutigen Ausrottung einheimischer Kulturen berichtet. Die Rede ist auch vom Beherrschen der Erde, besonders im Zeichen des Kreuzes40, das bei Drach eine

negative Konnotation hat. Der Begriff „Beherrschen” steht bei Drach für das Unterwerfen, Zwingen und somit für die Unnatürlichkeit, das Nicht-Leben. In der Tat wird im Drama dem historischen Geschehen eine lebensvolle Geste, die Liebe gegenübergestellt. Der Autor hat hier auch eine religiöse Diskussion eingeleitet; neben der Kritik der religiösen Expansi-on werden die Schwächen der ReligiExpansi-on gebrandmarkt. Wichtig erscheint gerade der Zusam-menhang: die Expansion spiegelt die geistige Schwäche der Religion wider. Sie versucht überdies, diese Schwäche nachzuholen: Ein Maurer sagt über seine Feinde: „Doch zertraten [die Spanier] den Garten unserer heiligen Lehre und zwangen uns, dem Christ uns zu beu-gen, an den sie selbst in ihren finsteren Herzen nicht glaubten.“41 Auf die Krise der Kirche

und auf das Tote in ihr deutet auch diese Formulierung hin: „Die Kirche […] erstreckt sich kalt und lang wie ein Sarg […].“42 In einem gewissen Sinne stellt das Drama die Problematik

um das Amt und die Behörde dar. Generell lässt sich auch behaupten, dass der Autor die Schwächen, die Unvollkommenheit eines Systems beschreibt, das als Quelle des geschichtli-chen und privaten Unglücks erscheint.

37 Ebd. S. 209. 38 Ebd. S. 210.

39 Albert Drach, Das Aneinandervorbeispiel vom Leben für eine Verstorbene, in: ders.: „Das Aneinader-vorbeispiel und die inneren Verkleidungen, München/Wien 1966, S. 10. Für die Formulierung „unser dreieinige Gott“ findet man bei Drach noch einen Kommentar, der das Interesse des Dichters für die theologische (und auch kirchliche) Problematik bezeugt. Im Roman „Unsentimentale Reise“ erklärt die Hauptfigur Peter Kucku der jungen Dame Héloise Batignol: „Desgleichen zeige ich ihr, dass er [Jesus] das erste Gebot von dem einigen Gott als das wichtigste bezeichnet hat, das dann die Kirche strich, um durch Unterteilung des zehnten Gebotes wieder die ursprüngliche Zahl von ziffernmäßig feststehenden Befehlen zu erhalten.“ Albert Drach, Unsenti-mentale Reise. Ein Bericht, München 1990, S. 135.

40 Albert Drach, Das Aneinandervorbeispiel vom Leben für eine Verstorbene, in: ders.: Das Aneinander-vorbeispiel und die inneren Verkleidungen, S. 14.

41 Ebd. S. 17. 42 Ebd. S. 28.

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Das Stück „Das Abstraktspiel Andere Sorgen“ zeigt zum einen ein Unterdrückungssys-tem (der Stabherr), die Degradierung des Menschen (der Untergebene) zum Instrument und die Missachtung seiner Würde. Zum anderen wird aber auch die Einwilligung der Untergebenen zur eigenen Rolle sichtbar, sogar ihre Bejahung, die das Problem des Mario-nettenhaften evoziert. Ein Aspekt muss noch betont werden, und zwar, dass die „Stabher-ren” im Laufe der menschlichen Entwicklung immer feiner konzipiert werden. Ihre Pflicht ist immer dieselbe; zu regieren, zu verordnen, zu denken, wenn die Untergebenen ihnen das Denken überantworten.43 Ihre Macht gewinnen sie aus der Tatsache, dass die Untertanen

Selbständigkeit und Alleingang scheuen. „Hilfe! Ich bin frei“44 – ruft erschrocken der

befrei-te Unbefrei-tergebene aus. Gegen das Ende des Abstraktspiels fällt die Formulierung: „Wir sind alle unnötig“45 und geht darauf in den erwünschten Bombenknall über. Der Autor schlägt

nur eine Lösung vor, und zwar den Weltuntergang, der die uralte Diskussion über die Rol-lenverteilung Herr-Untertan beendet. Es handelt sich hier auch um das Ende des Bewusst-seins als der Brutstätte des Leidens. „Andere Sorgen hätten sie haben sollen“46, so reflektiert

das Waschweib am Ende.

Im Vordergrund des Dramas „Das Satyrspiel vom Zwerge Christian“ steht die historische Figur des Dichters Christian Dietrich Grabbe, eines von Drach – neben u.a. Georg Büchner und Marquis de Sade – geschätzten Scharfsinnigen.47 Im Stück werden viele Fragen

behan-delt, unter denen sich auch Drachs Ansichten verbergen. „Hauptsache bleibt, dass der nicht recht bekommt, der recht hat.“48 Dieses Urteil kommentiert das Problem der Gerechtigkeit und

hat beinahe einen transzendenten Beigeschmack. Es greift tiefer, als nur zu der Problematik um das Amt und die Behörden, um die Gerechtigkeit im institutionellen Sinne. Dieser Satz könnte auch als Kommentar für viele Passagen aus den Werken von Drach dienen, z.B. aus den Romanen „Das große Protokoll gegen Zwetschkenbaum“ oder „Untersuchung an Mädeln.“

Der Autor kritisiert die von den Menschen erfundene künstliche Wirklichkeit mit ihren Strukturen und Ideologien, mit ihrem Alltag, der tötend wirkt: „Spießbürger registrieren die nichtigen Vorgänge und übersehen das, worauf es ankommt. Sie tunken das Ganze in eine Sauce von Religion, Mitgefühl oder Hass und Chauvinismus, und dieser Tod ist dann ihr Leben.“49

43 Vgl. Albert Drach, Das Abstraktspiel Andere Sorgen, in: ders.: Das Aneinandervorbeispiel und die inneren Verkleidungen, S. 59.

44 Ebd. S. 51. 45 Ebd. S. 64. 46 Ebd.

47 Zu den Dichtern, von denen Drach bei seinen Anfängen gelernt hat, gehören auch Herwegh und Jean Paul. Vgl. Albert Drach, in: Gegenwartsliteratur. Mittel und Bedingungen ihrer Produktion. Eine Dokumen-tation. Über die literarisch-technischen und verlegerisch-ökonomischen Voraussetzungen schriftstellerischer Arbeit. Vorlesungszyklus von Otto F. Walter an der Universität Basel. Umfrage unter Autoren und Verlegern aus dem ganzen deutschen Sprachgebiet, hrsg. v. Peter André Bloch, Bern/ München 1975, S. 311. Darüber hin-aus hielt Drach Robert Musil für den bedeutendsten österreichischen Dichter im 20. Jahrhundert. Vgl. Günter Kaindlstorfer, thomas bernhard war nur viertrangig, in: Neue AZ, 18.08.1990. S. 32, 33.

48 Albert Drach, Das Satyrspiel vom Zwerge Christian, in: ders.: Das Aneinandervorbeispiel und die in-neren Verkleidungen, S. 114.

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Von der Problematik der Sprache und ihrer Kritik zeugt im Drama ein Passus, der besagt, dass nicht alle Phänomene – hier Gott und die Schönheit – (mit)teilbar seien.50 „Das, woran

man glaubt, muss man sicher verstecken, damit man es behalten kann. Man soll seinen Gott mit niemandem teilen, sonst zerbricht er in Stücke und ist dann nicht mehr Gott.“51 Die

Skepsis betrifft hier in erster Linie die Lust des Beschreibens, des Mitteilens, der Vergegen-ständlichung durch die Beschreibung. Die Künstlichkeit, die das Leben ersetzt, wird negativ bewertet: „[…] das ist der Schein, er aber überwuchert das Sein.“52 Die Persönlichkeit ersetzt

auch die Person: „Denn niemand sieht, was ist, aber jeder die Position.“53 An einer anderen

Stelle wird zudem dem Amt die Rolle des Teufels zugeschrieben, besonders den Akten und auch Christians Verpflichtung als Staatsanwalt.

Das Stück weist ebenfalls Elemente der religiösen Diskussion aus der Essayistik auf. Der Teufel sei also die Rückansicht Gottes und nicht der Gegensatz zu Gott, er wolle „das üppige Fleisch” und „den feuerspeienden Geist.“54 Das heißt, der Teufel bedeute wie Gott das Leben

und nicht den Tod, die Plattheit sowie Künstlichkeit, die alle für die Behörde reserviert sind. Darüber hinaus sei Gott nach Drach im Menschen, im Lebendigen zu suchen und nicht in den Kirchen.55 Diese Einsicht entspricht der Gegenüberstellung von Mensch und

Ins-titution. Die Hauptfigur – der Zwerg Christian erscheint als ein naturnahes Wesen und missbilligt deswegen den technischen Fortschritt.56 Diese Tatsache erinnert dagegen an die

in der Essayistik von Drach beschworene Fürsprache der Natur.

„Das Passionsspiel von der Lüge und der Lächerlichkeit“ rückt wieder die Amts- und Behördenthematik ins Rampenlicht. Mit dem Satz: „Alle Erde […] untersteht dem Amt“57

macht der Autor auf das Ausmaß der Problematik aufmerksam. Das Amt sei zum Bestandteil der Wirklichkeit geworden und umfasst dabei die ganze Welt mit eigenen Instrumenten. Sie werde von ihm regiert, gezähmt und bewältigt. Daraus folgt auch, dass die Natürlichkeit der Künstlichkeit unterstehen muss, dass der Tod über das Leben triumphieren kann. Das Amt wird schließlich mit dem Morden unter einen Hut gebracht: „Der amtliche Mord ist dem Amt natürlich.“58 Dem Amt, das für ein Synonym des Todes gehalten wird, steht konsequent

das Morden zu. Dieses amtliche Morden ist nach Drach zum immanenten Bestandteil der Natur des Amtes geworden.

Im Stück findet man Korrespondenzen mit der Essayistik von Drach. Sie zeigen sich unter anderem in dem Wunsch, dass der Ursprünglichkeit die erste Rolle zukommt: „Wor-auf es mir nämlich ankommt, dass der Mensch nicht Person wird, der Sinn kein Gesäusel,

50 Vgl. ebd. S. 121, 122. 51 Ebd. 52 Ebd. S. 127 53 Ebd. 54 Ebd. S. 87. 55 Vgl. ebd. S. 126. 56 Vgl. ebd. S. 164.

57 Albert Drach, Das Passionsspiel von der Lüge und der Lächerlichkeit, in: ders.: Das Aneinandervorbei-spiel und die inneren Verkleidungen, S. 188. Es ist durchaus möglich, dass der angeführte Satz an den habsbur-gischen Wahlspruch Kaiser Friedrichs III. (1415–1493) erinnern soll, und zwar an A.E.I.O.U. Eine unter vielen Deutungen lautet: Alles Erdreich ist Österreich untertan.

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das Weinen kein Gewinsel, unser Gesetz kein Stock, unser Weinen kein Geschrei, darum Gott auch kein Götze.“59 Das automatische Handeln der Menschen, der Verzicht auf den

Eigenwillen werden manchmal gewünscht und belohnt. Diese Tatsache wird im Drama ebenfalls betont.60

Die Überlegungen zum Thema Sprache oder Wort verbinden sich im „Passionsspiel von der Lüge und der Lächerlichkeit“ auch mit dem religiösen Diskurs. „Das, was wir niemand sagen können, das, was in uns bleibt, das ist vielleicht der liebe Gott.“61 In dem zitierten

Ausschnitt wird auf einen wichtigen Aspekt hingedeutet: Das Phänomen des Unsagbaren wird auf eine Ebene mit Gott gestellt. So wird auch das Undefinierbare und Geheimnisvolle („was in uns bleibt”) mit dem Lebendigen („der liebe Gott”), wenn man die Bezeichnungen „lieb” und „lebendig” verwandt findet, in Zusammenhang gebracht. Den Gedankengang bekräftigt auch eine weitere Äußerung, die in ähnlicher Form in der Essayistik erscheint: „Am Anfang war Schweigen. Gott darf man nicht fragen.“62 Das Primäre – Gott wird mit

dem Schweigen in Zusammenhang gebracht und bildet eine Opposition zum Sprechen (hier: „fragen”). In diesem Drama verbinden sich besonders die sprachkritischen und reli-giösen Aspekte. Der reflexionslose alltägliche Gebrauch des Wortes schließt im voraus die Tatsache aus, dass das Wort mit sich den transzendenten Gehalt, das Göttliche, mitteilen könnte. „Es war, wie es heißt, am Anfang das Wort,/ Doch scheint es auf deiner [der Götze] Zunge verdorrt./ Weil Wort ohne Blut den Sinn entkernt,/ Bist du mir nah und ist Gott entfernt.“63 Das bemerkt Adam Wunsch im Gespräch mit dem Götzen. Das Wort wird

zu verschiedenen Zwecken benützt, dient allerlei „Götzen” und verliert nach und nach sei-nen ursprünglichen Sinn. Aus dem Wort ist ein totes Vehikel, eine Marionette geworden (das „Wort ohne Blut”), die Künstlichkeit und nicht den Sinn zeigt. Der Sinn der Dinge und weiter das Transzendente in ihnen werden im Reden entfernt: „Das Feine zerreißt wie Jungfernhäute./ Das Gemeine zersprengt uns mit seinem Geläute./ Sie schwätzen den Sinn von allen Dingen weg./ Sie fressen Gott, der Rest ist Dreck.“64

Im kurzen „Paradies außer Sicht“65 (einem „Kommentar als Hörspielfolge in drei

Stücken“) verkörpern zwei Figuren Adam und Eva zwei andere Weltanschauungen. Adam steht für die Zivilisation, den Fortschritt, Pflicht, Eva dagegen für die Natur, Natürlichkeit, Spontaneität. Das Stück zeigt auch eine Konfrontation von Definieren und Undefinierbar-keit der Welt, von Phänomenen wie Liebe und Gott.

Die Auseinandersetzung mit der Zweiteilung von Leben und Tod drückt Albert Drach auch durch die Beschäftigung mit dem Thema „Natur” aus. In seinem Schaffen findet man Texte, die die Fürsprache der reinen Natur bedeuten. Es ist ein Themenkomplex an sich, so verschieden von der Darstellung der ohnehin kritisierten Zivilisation und ihrer Laster.

59 Ebd. S. 196. 60 Vgl. ebd. S. 220. 61 Ebd. S. 247. 62 Ebd. S. 250. 63 Ebd. S. 249. 64 Ebd.

65 Vgl. Albert Drach, Das Paradies außer Sicht, in: ders.: Das Aneinadervorbeispiel und die inneren Ver-kleidungen.

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Zu diesen Texten gehören: „Vom Stift zum Gimpel, aber nicht wieder zurück“ („ein wohl-wollendes Protokoll“), eine Geschichte vom aufgefundenen Vogel, weiter „Lullo und Lulla. Eine kernbeißerische Idylle“ und „Wegfall winziger Liebe. Eine kernbeißerische Elegie“ – zwei Erzählungen, die die Lust an der Beobachtung der Vogelwelt und Faszination für die Natur zeigen.

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