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Deutsche Volksbildung, Jg. 2. April 1927, H. 4.

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Academic year: 2022

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deUHEIJe Volksbildung

W

das-Its Mk.4 Beethoven-Heft 1927

Zweimonatsschriftx

herausgegebenvon

Georg

KekscheusteineruKarl Alexander v.Mäller

Verlag

von R.Vlåenbourg«MünchenundBerlins LzähklichM« 3«- EinzelheftM. o.75

(2)

Bayerischer Volksbildungs-Verband, gegr.1906 Geschäftsstelle: München, Giselastr. 28-0,Tel.34877, Poftfcheck4330.

1.Vors.:Geh.Oberstudienrat, Univ.-Prof.l)k.GeorgKerfche nteine r,München,Mohlstr.ZU Stellv. Vorsitzende:Generalinteudant Clemens Frhr.v. r a nckenstei n,München.

Obecreg.«Rat, Naiv-Prof Dr.KarlAlexanderMüller,München.

JuristischerVeirat: LandgerichtspräsidentM.Hahn; Schriftführer: Georg Haunschild.

Schatzmeister:Dc«.Alfred Rudolph, München, Bayer.Vereinsbank,Promenadestr.14.

Pressebeirat: Prof. P.N.Coßmanu, HauptfchriftleiterDr.EugenMündler unddie SchriftleiterP. Ehlers, Cajet.Freund, HansMaier undAlbert Noelte.

Abteilungen: 1.VolkstümlicheKunstpflege undVortragsroesemHauptl.Wahl Landesstelle für VolksbildungundJugendpflegedesBayer. Lehrervereins,Direktor W.Vohl, VolkshochschuleMünchen,und Dr.M ann, Pädag·.PsychpI«Institutdes Münchner Lehrervereins. Ans chrift:München,Harlachingerstr.38;Tel.42567.

2.Volls- u.Fugendbüchereieth Schundliteraturbekämpfung:Hauptlehrer Ell undl)1-.PrestehSüdd.Lehrerbücherei,München, Rosentqt 7,Tel,20869»

Bestellungen vonWanderbüchereienan:Bayer.Staatsbibliothel, BeratungsftellefürVolksbüchereiea.

s.Körperpflege undStaatsb ürgerliche Erziehung: Univ«.Pkof»Dk,Geoxg Kerschensteiner, Univ.-Prof.D1-.Sauerbruch, Univ.-Prof.Dis.K. A. v. Müller OberstudienratDr.Kemmer. München, Gabelsbergerftraße41. Tel.52 260.

,

4.Bild- undWerktuust: Hauptlehrer Christian Keller, München,Bismarckstr.

Wanderkunstausstellungen: Oberlehrer Freytag, München, Winthirichule.

Lichtbilderu.Lehrfilme: Hauptlehrer Buckler, München,Albanistr.2.

Beisitzen LandtagsabgeordneterOberstudiendirektorV urger, Ludwigshafen,Reierungs.

schulrat Bogenftätter, Landshut, BürgermeisterDr.Dolles, Lauingen,HProfessor

Fritz Erler, MonsignoreDr.M.Hartig, Päpstl. Hausprälatu.Domkapitular,Stadt- bibliothekdirektorHeld, Prof.Dr.H. Hilpert, M. d.L» Oberbürgermeister Knorr, PfarrerLangenfaß, Staatsministera.D. Dr.ErnstMüller (Meiningen), Kommer- ienratArtur Riemerschmid, Dr.Robert Riemerschmid (DeutscheStunde in ayern),Stadtrat Ritzer,Erlangen,AbtAlban Schachleiter, Stadtschulrat Weigl, Amberg, Oberreg.-RatDI-.Ziegler (Staatsmin. f. Soz. Fürsorge)u.Stadtrat Zuber.

Vertreter angeschlossenerVerbände imAusschuß:

Akademischer Arbeitsausschußfür deutschen Aufbau:K. Trampler.

Arbeitsausschußdeutscher Verbände: Dr.W.Schwarz, Generalfekretär.

Bayer. Beamtenbund: OberregierungsratEhmann, I.Vors.

Bayer. Berufsschulverband: Schuldirektor Heinrich Held.

Bayer.Kriegerbund:HauptmannFrank, Generalsekretär.

Bayer. Landesverband für Heimat flege: Prof.Dr.W. M.Schmidu.Dr.Lüers.

Bayer. Landesverein vomRoten euz:Staatsministera.D.Dr. vonVrettreich Bayer. Lehrervereim Oberlehrer Winkle,Vors.u.W.Baumann (Junglehrerschaft).

Bayer. Lehrerinnenvereim Oberlehrerin Elisabeth Spaeth u.Elsa Stindt, Vors.

Bayer.Sängerbund: Stadtrat, Obervermessungsrat Deifenberger.

Bayer.Seminarlehrerverein: StudienprofesforJunkert, Pasing,I.Vors- Deutfcher Sängerbund: Geh. OberstudiendirektorDr.Hammers chmidt.

DeutscherSeeverein: Fregattenkapitän Teichmann, Geh. KommerzienratZentz.

Deutscher Sprachverein:Dr.Riedner, Gen.-Direktor derstaatl. Archive Vayerns.

Deutsch-Nationaler Handlungsgehilfenverband:LandtagsabgeordneterL.Frühauf.

Eucken-Bund undJeanPaul-Gesellschaft:Dr.WilhelmvonSchramm.

Fichte-Gesellschaft: Exzellenzvon Mülmann, l.Vors.d. O. G.München.

FrünLSängerbund: Justizrat Morhard, Eichstättund SchulratMeherhöfer.

Landesverband Bayerndes Vereinsf. d. Deutschtumim Ausland: Frhr.v.Witzleben.

Landes-verband derBayer. Staatsbeamten u.Landesverband der Beamten bayer.An- stalten f. Wissenschaftu.Kunst:Prof.Dr.Leisewitz, l.Vors.

Landesverband derBildungsbeamten Baherus:HauptlehrerA.Scherbaue r,1.Vorf.

Münchener Volksbildungsvereim VerwaltungsdirektorA.Kling, Generalsekretär.

Pfälzifcher Verband für freie Volksbildung: Verbandsleiter F. Hartmann.

Schwäbifchibaher. Sängerbund:Studiendirektor Pflanz, Augsburg,1.Vors.

Verband Bayer.Philologem QberstudienratDr.Nik.Wührer,1.Vorf·

Verband derFachlehrer für Musikandenhöh.LehranstaltenBayerns:Prof. Schanze.

Verband derLandgemeindenBaherns:"Direktor Thoma.

Verband Volkskraft: OberstleutnantA.HörL OberarztDis.Lunckenbein.

Vereinigungfür VolksbildunginAnsbach:OberbürgermeisterDr.Borlholder u.

Vereinigung für Volksbildung Freising: Studienprofeffor Jof. Gs chwind, l.Vorf.

VereinBayer.Philologen: ProfessorDr-. Vüttner u.OberstudiendirektorDr.Jobst.

VollsbildungsvereinLandshut:Bez.-Schulrat FranzGierster, l.Vorf. »

Volkshochschul-Verein:Univ.-Prof.DI-.Gallingeru. Univ.-Prof.Dt·-R vthellbuchet

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Deutsche Volksbildung

Herausgehen Geh. Oberstudieiirat, Untv.-Prosessor D1«.Georg Kerschen- steiner und Oberreg.-Rat, Univ.-Pros. Dr. Karl Alexander von Müller.

M i tarb ei ter:OberschulratDr.WilhelmRohmeder undHauptmanna.D.von Witzlebe nfürdenLandesverband BayerndesVereins fürdasDeutschtumimAusland, OberstudienratDr.E. Kemmer fürden Landesverband Jungbayern, Prof.E.Wolf fürdenBayer.Beamtenbund,OberstudienratDr.WührersürdenLandesverband der bayer.Staatsbeamten, OberlehrerDr.Strehler, BerufswissenschastlicheHauptstelledes Bayer.Lehrervereins, Schuldireltor Reiß,Bildungsausschußderbayer. Gemeindebeamten.

s.Jahrgang 4.Heft April1927

Inhalt: Totenfeier fürBeethoven. S.109.-Beethovens »HeiligenstädterTestaineiit". S.112.

Grillparzers RedeamGrabeBeethovens beiderEnthüllungdesDenksteines. S.113.XBolksbildungs- Rundschau. S.114.XDeutschesVollstum imGrenz- undAusland. S.118. JBücherschau. S.119.

Volksbildungsarbeit inBayern. S.126. -Volksbildungskurse undVorträge. S.131.-Körperliche Schulungundstaatsbürgerliche Erziehung. S.133. XBildsundWerkkunst. S.135.-Volkstüniliche

Kunstpslege. S.137.-UnserTitelbild. S.140.

Totenfeier fürBeethoven.

Von PaulEhlers.

Dieganze musikalischeWeltbegehtindiesen letztenWintermonaten eine Totenfeier für Ludwig van Beethoven; denn vor hundert Jahren, am 26.März 1827, schloßderMeisterdasirdische Auge.EineTotenfeier? Nein, wahrlich nicht! EsisteineFeier füreinen Lebenden, für einen, der,obauch diesterbliche Hüllelängstvergangen ist,unter uns wandelt, zuuns spricht, uns mit unvergänglichen Klängen Weisheit und Wahrheit in Schönheit kündet,-uns immer gegenwärtig ist. Sonst geschiehtes wohl einmal,bei kleineren Geistern, daßeinDatum wie der hundertste TodestagdieEr- innerung aufeinen lenkt,derauchderMenschheit Bringervon etwas Über- sinnlichemwar und alssolcherdesGedenkens wert wäre,den aber lange dasGrabdesVergessens umfängt, dasuchtman diesundjenesvonseinen Werken hervor,führtesaufund mahntsichund andre,des Vergessenen fleißigerzupflegen,eine Mahnung, diemeistens schon stirbt,indem man sie ausspricht.Bei Beethovenvistes anders. Die hundertste Wiederkehr seines Todestages istuns nur ein AnlaßzuJubel undJauchzen,zuschal- lendem Evoe,einmusikalisches Erntedankfeft fürdieFülle,denReichtum dessen,was UnsSchöpfergnadeinderKunst Beethovens gegeben hat. Was demTode verfallen ist, stirbt;aberewig istdasLeben, unvergänglich,un- endlich, immerfortsich selbsterneuernd.Der sterbliche Beethoven mußte vergehen;das Göttliche aber,dkkGelft- läßt sich nicht dämpfens Möchte selbstineiner fernenZukunftdie.Form derWerke Beethovenszerfallen, sp.wirddochdasewig Geistige,ewigLebendige,dasdieseFvormgeschaffen hat« bestehenbleiben«Nochaberist auchFleischund Blutdieser Musikfür

uns greifbarundgegenwärtig,allem Pygmaengeschreizum Trotz,daseine unreife Jugendgegenden Titanen alseinenAbgetanenerhebt,dieseJugend, dienicht ahnt, daß sie selbst,dasheißt: ihreeigneMusik, nichtware,wenn Beethovennichtgelebt, gelitten- geschafer hattesJM PantheonderGeister

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stürztman keineGötter hinab,wann man einemneuen GottAltäreerrichten will. Beethoven bleibt! und auch jene Jugend,die gegen ihn aufbegehren zumüssen glaubt,wird sichwieder zuihmwenden undihmanbetend Kränze winden undin denzuihm empordringenden Chor »Freude, schönerGötter- funken« miteinfallen, hingerissenvon derAllgewaltdesGenius. Oderaber, wann sieesnicht tut, so spricht sie sich selbstdasGericht:denn Beethoven ist Leben, undwer dasLebennicht siehtunderkennt,derist tot,einSchall ohne Klang,eine Puppe ohneSeele, etwas,dasinsich selbst zusammen- fälltund keine Spur hinterläßt.

Wasist größeran Beethoven,sein Charakteroderseine Musik?Man kennt dasWort: »guteLeute und schlechte Musikanten«. Indessen, das stimmtgleich seiner Umkehrung ,,schlechteLeute undguteMusikanten«nur fürdieausführenden, nicht fürdieschaffenden Musiker.Musik sagtalles überdenCharakter ihres Schöpfersaus;man mußnur fühlend siezu deuten wissen. Daß Richard Wagnereingroßer Menschwar, dafür zeugt seine Musik, trotzdemer gewiß manchen »bürgerlichen«Fehler an sich trug.

Viele,und zwar oftmals geradesolche,diegenug vor ihrereigenenTür zukehren hätten, machenden Fehler, einen Menschen einzig nach seinem Alltagsleben zubeurteilen, und ein unbedachtes gereiztesWort genügt ihnen,zusagen: »Da seht ihr’s,wasfüreinschlechter MenschdasistFreilich sollteesaller Ebenbilder Gottes Bestreben sein, sichin jedem Augenblick ihres Lebens desAllerhabenen würdigzuzeigen,abernur demHeiligen gelingt’s. Fürdie»Unheiligen« giltalsMaßstab ihres Charakters, wiesie sichimUnglückund, noch mehr!, wiesie sichimGlückhalten. Wirwissen von Beethoven, welch gewaltige LastdasSchicksal auf ihn gelegt hatte.Von Hausaus feurigundleidenschaftlich,dabei von zärtlichem Verlangen nach Liebe undFreundschaft beseelt,schonalsJüngling seinen Zugzum Er- habenen bekundend, übrigensvon gutartigemundzuScherzallerArtauf- gelegtem Gemüte, nahmeralles,was ihmanGutem undBösem begegnete, miteinem Ernst auf,deresihmweitgrößeralsandern erscheinen ließ.Er wareinMensch,dergleichdemErzvater JakobmitdemGeisteGottes rang undimKampfe mit seiner unbändigen menschlichenNatur immer mehr erstarkteund übersich selbst hinauswuchs. Diese übermenschliche Kraft hatteernötig,damit ersich durchdasSchicksal nicht niederringenlasse.Sein Künstlertumbereitete ihmdenAnfang seiner Lebensbahn hellund freudig.

DasjungeGenie erhält schonmitelf Jahren dasVikariat derHoforganisten- stelleam erzbischöflichenKurfürstenhosein Bonn. Dreizehn Jahrealt,widmet erdreivon ihm komponierteKlaviersonaten dem Kurfürsten.Mit sechzehn Jahre-kommt er dasersteMal nachWienundhatdasGlück,vor Mozart zuspielen; dieser, anfangs etwas mißtrauischgegen die Leistungendes Jünglings,wirdandern Sinnes,alserBeethovenÜber einvonihm, Mozart, gegebenes Themaphantasierenhört,undruftdann,von derSehergabedes Genius besessen,aus: »Aufdengebt Acht! Derwird einmal inderWelt vonsichreden machenAuch sonst führt ihm seineMuseGunst, Bewunderung und liebende Freundschaft von MenschenzU-dlenach Geistesgabenoder Lebensstellungbedeutend sind.Maria Thekesiasjüngster Sohn Maximilian Franz, Erzherzogvon Osterreich,war im Jahre 1784 Kurfürst geworden, und durch ihn gelangteBeethoven auch-lllser 1792 zudauerndem Auf- 110

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enthalt nach Wien ging,indiePalais desösterreichischenHochadels Die Aristokratiewar damals dieeigentliche PflegerinderMusik,undsie ließes sich nicht entgehen,denFeuerkopfaus demRheinlandezusichzu bitten und ihn kräftigzufördern.Sowar dieerste Hälfte seines Lebens,biszuseinem 27.Jahre hin,von derSonne desGlückesbeschienenundallesdeutete auf einen glänzendenAufstieg.Dieser Aufstieg kam; gewiß.Aber derWeg führte durcheinfinsteresTal. Desjungen MeistersGehör beginnt sichzu

verschleiern.Mitsteigender Angst verfolgter,wie dieSchwerhörigkeitzu- nimmt,thesich ihmdasentsetzlichsteLoseines Musikers,dieTaubheit, als Endezeigt.DaisterderVerzweiflung nahe; Gedanken, seinemLeben selbst ein Ende zu machen, umflattern seinen verstörtenSinn. Dochdietrotzige Kraftdesinnerlich adligen Menschen,die»Tugend«,wieer diese Machtin seinem erschütternden »Heiligenstädter Testament«vom 6.Oktober 1802 nennt, hält ihn aufrecht. »Ichwilldem Schicksalin den Rachengreifen, ganz niederbeugen sollesmich gewiß nicht« dieses berühmt gewordene Wort, dasihnwiekaum ein andres kennzeichnet, haterin jenenersten Jahren seinesUnglückes niedergeschriebenund erhateswahr gemacht. Er verfielderTaubheit. Und auchsonst kehrte ihmdas Schicksal nicht seine heitereSeite zu.Jhm,dersich so nachLiebesehnte, erblühte nichtdasGlück,

»ein holdesWeib zuerringen«. Dafür schmiedeteerinderEsse seinesGe- schickeseinhohesWerknachdem andern. Beethoven war größeralssein Schicksal.Und weilseinCharakter erhabenwar, darum ist auch feine Musik gewaltig. Ermußte leiden,damit dieMenschheit genesenkönne. Beethoven kämpftedenguten KampfbiszumEnde durch,undsomit dürfenwirwohl auchvon ihm sagen, daß ihmdieKrone desewigenLebens gegebenwurde.

II-

Man hat schon frühim Schaffen Beethovens drei Perioden unter- schieden,dieihn auf verschiedenenEbenen derLebensanschauung zeigen.

Auf jederderdreiEbenen vollbringterGroßes,unddieTrios inEs-Dur, G-Dur und C-Moll,dieer nach mancherleianderen Arbeiten als opus1 herausgibt, sindinihrerArtnichtminder wertvoll,alsdieStreichquartette, womit ereinMenschenalter später seinLebenswerk abschließt.Wenn man wohl versucht hat,alleWerkeseinesGenius gleichzustellen,so stimmtdas gleichwohlnicht.Denn diedreiEbenen liegen nicht aufdergleichen Höhe, so daß,was Beethoven auflebetVonihnenhervorbringt,nur derForm nach verschieden wäre,sonderndleztoeiteEbeneerhebt sich sovielmehrüber dieerste,wie die dritte über die«ztoe1te.EsdrücktsichinseinenWerken nicht bloß einAnders-seinIsondern eineEntwicklungimeigentlichenSinne des Wortesaus. Der Geniusistvon1e·daund wirkt inallem undjedem,was Beethoven erschafft;abererwirsteineHüllenachderandern ab,biserin seiner höchstenVollkommenheIterschekntsNlehat Beethovenleergeschrieben;

niemals war seine Kunst bloßes Splelen mit Formen, seine pathetische Natur wäre dessen nicht fähiggeweisnsDennochkannman sagen, daßer inder ersten,sorgloseren Zeit sichMltderFreudedesjungenTitanen an seiner eignenKraft erfreut habe.Dannaber stellt sich ihmdas Schicksal entgegen,derGeist Gottes, undfordertIhnzum Ringen heraus. Gewaltig wachsenindiesem Kampfe seine Kräfte.Leiden vertieft sein Fühlen, sein Wissen. Esgehtdabei nicht ohneWunden ab; dochimmer wieder erhebt

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sich sein trotziges: »Ich lasse dich nicht;dusegnest michdenn!« Die indiesem Ringen erstarkten Schwingen tragen ihnam Ende aufdie dritte Ebene empor, dorthin,wo Weisheit und Verklärung wohnen. Wehtuns nicht, ähnlichwieausJohann Sebastian Bachs ,,KunstderFuge«,aus denletzten Werken Beethovens Sphärenmusik entgegen, Musik,dienichtvon dieser Welt istundfürdieirdischer Klang fastzustofflich scheint?Sind diese letzten Offenbarungen nichtGesprächeeiner dersterblichen Gebundenheit ent- ronnenen Seele mitsichselbst,mitdem Gotte,derihr eigentliches »Ich«

ist,von dem siekamund indemsie ewig ruht? Dascheintuns dergroße Einsameganzineinelichtdurchflossene Ferneentrückt,wohernur seinlieb- erfüllter Rufzuuns tönt:»Kommt!kommtaufdenFlügelnmeiner Musik zu denen,die überwunden unddieFülledesunerschöpflichenLebens haben

Gewißkannman Beethovensletzte Musik auchganz und garnüchternund stofflich auffassen,kannsiemitdenGesetzenderHarmonie und der Metrik messenundumgrenzen unddieirdischesten Gefühle hineinlegen. Diesieso hören,sind seelischBlindeundTaube,diewohl sehenundhören, nicht indessen wissenundverstehen,was sie sehenundhören.Werabererkannt hat, daß Stoff nichts, Geistallesist,demwerden die Werkevon derdritten Ebene zu Kundgebungen überirdischer Geheimnisse.

X

So spiegeltsichin Beethovens Werken das Wachstum des mensch- gewordenen Geistes deutlich wieder,wie ersichaus derBegrenzung der endlichen Individualitätzuseinemursprünglichenunendlichen Wesen zurück- sindet. Immer von neuem wandelt sich jaderewige,allwirkende Geistin Fleisch,damit er diesinnen-·und schmerzgebundene Menschheitzusegnen vermöge,undimmer wieder wirderamEndeüberdie Erdeerhöht.Sowar’s mitLudwigvan Beethoven. Wenn uns dieWerkeseinerdritten Ebene die höchsteEnthüllung seinesGenius bedeuten,so schätzenwirdarum dasandere nicht geringerein. Werden ,,letzten«Beethoven überhaupt verstehen will, demmüssender»erste«undder»zweite« Beethoven gegenwärtig sein.Und dasist ja nicht schwer,weilBeethoven alsewigLebender unter uns weilt.

»DerTod ist verschlungeninden Sieg.«

i

Beethovens »Heiligenstädter Testament«.

(6. Oktober 1802.)

Oihr Menschen,dieihr mich für feindselig, störrischodermisanthropisch haltetoder erkläret,wieunrechttut ihrmir! Jhr wißt nichtdiegeheime Ursachevon dem,was euch so scheinet.Mein Herzund mein Sinn waren von Kindheitanfürdaszarte GefühldesWohlwollens; selbst große Hand- lungenzuverrichten, dazuwar ichimmer aufgelegt. Aberbedenkt nur,daß seit6Jahren einheilloserZustand mich befallen. Durch unvernünftige Ärzte verschlimmert,von Jahr zuJahr in der.Hoffnung, gebessertzuwerden,be- trogen,endlichzu dem Überblick einesdauernden Übels(dessen Heilungviel- leicht Jahredauern odergarunmöglich ist)gezwungen, miteinem feurigen, lebhaften Temperamente geboren, selbst empfänglich fürdieZerstreuungen derGesellschaft, mußte ich früh mich absondern, einsammein Leben zu- bringen.Wollte ichauch zuweilen micheinmal überalles dashinaus-setzen, 112

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o,wie hart wurde ich durchdie verdoppeltetraurige Erfahrungmeines schlechtenGehörsdannzurückgestoßen!Unddochwar’s mirnoch nicht möglich, denMenschenzusagen: Sprecht lauter, schreit,dennichbintaub! Ach,wie wär’esmöglich, daß ichdann dieSchwächeeines Sinnes zugeben sollte, derbei mirineinem vollkommenern Grade alsbeiandern sein sollte,einen Sinn, denicheinstindergrößten Vollkommenheit besaß,in einer Voll- kommenheit, wieihn wenigevonmeinem Fache gewiß haben, noch gehabt haben! O,ichkannesnicht!Drumverzeiht,wenn ihr michdazurückweichen sehen werdet,wo ich michgerne unter euch mischte. Doppelt wehetut mir mein Unglück,indem ichdabei verkannt werden muß.Für mich darfEr- holunginMenschlicher Gesellschaft, feinere Unterredungen, wechselseitigeEr- gießungen nicht statthaben... Welche Demütigung,wenn jemandneben mirstundundvon weitem eineFlöte hörteundich nichts hörte,oderjemand denHirten singenhörte,undich auch nichts hörte! Solche Ereignisse brachten michnahean Verzweiflung;esfehlte wenig,und ich endigte selbstmein Leben nur sie,dieKunst, sie hielt mich zurück! Ach,esdünktemirun- möglich,dieWelteherzuverlassen,bisichdasalles hervorgebracht,wozu ich mich ausgelegt fühlte.Undso friftete ich dieseselende Leben, wahrhaft elend,einenso reizbaren Körper, daßeineetwas schnelle Veränderungmich aus dembesten Zustandeinden schlechtesten versetzenkann. Geduld,—- so heißtes,sie muß ichnun zurFührerin wählen! Jch habees. Dauernd, hoffe ich, sollmein Entschluß sein, auszuharren, bis esdenunerbittlichen Parzen gefällt,denFadenzubrechen. Vielleicht geht’s besser, vielleicht nicht;

ichbingefaßt. Schoninmeinem achtundzwanzigsten Jahre gezwungen, Philosophzuwerden, istesnicht leicht, fürden Künstler schwereralsfür irgend jemand. Gottheit,dusiehst herab ausmeinJnneres, dukennstes, du weißt, daß Menschenliebeund Neigung zum Wohltun darin hausen!

O, Menschen,wenn ihr einst dieses lefet, so denkt, daß ihrmirUnrechtgetan, undderUnglückliche,ertröste sich,einen seinesgleichenzufinden, der, trotz allen HindernissenderNatur,doch nochallesgetan,wasinfeinemVermögen stand,um indieReihewürdiger Künstlerund Menschen aufgenommen zu werden ——.

i

Grillparzers Rede am Grabe Beethovens bei der Enthüllung des Denksteines.

(Herbst 1827.)

SechsMonden sind’s,dastandenwirhieran demselben Orte; klagend, weinend: denn wirbegruben eine-n Freund. Nun wirwieder versammelt sind, laßtunsgefaßt seinundmutig:dennwirfeierneinenSieger. Hinab- getragenhat ihnderStrom desVergänglicheninderEwigkeit unbesegeltes Meer. Ausgezogen,wassterblichWar-glänzter einSternbild am Himmel derNacht. Ergehörtvon nun anderGeschichte. Nichtvon ihm sei unsere Rede,sondernvon uns.

Wir habeneinen Stein setzen lassen.Etwa ihmzumDenkmal? Uns zumWahrzeichen! Damit noch unsreEnkelwissen,wosie hinzuknien haben, unddieHändezufalten,unddie Erdezuküssen,dieseinGebeindeckt.Einfach istderStein wieerselbstwar imLeben, nichtgroß;um jegrößer,um so

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spöttischerwäre ja dochderAbstandgegen desMannes Wert. DerName Beethoven steht darauf,undsomitderherrlichste Wappenschild,purpurner Herzogsmantel zugleichund Fürstenhut.Undsomit nehmenwiraufimmer Abschiedvon dem Menschen,dergewesen,und treten an dieErbschaftdes Geistes,deristund bleiben wird.

Selten sind sie,dieAugenblickederBegeisterung,indiesergeistesarmen Zeit. Jhr, dieihr versammelt seidan dieserStätte,tretet näherandies Grab. Hefteteure BlickeaufdenGrund,richtetalleeure Sinne gesamt auf das,was euchwissend istvon diesem Mann,undso laßt,wiedieFröste dieser späten Jahreszeit, dieSchauder derSammlung ziehendurcheuer Gebein, wie einFiebertragt eshinineuer Haus,wie einwohltätiges,rettendes Fieber,und hegt’sundbewahrt’s.Selten sindsie,dieAugenblickederBe- geisterungindieser geistesarmen Zeit. Heiliget euch!Der hier liegt,war ein Begeisterter. NachEinem trachtend,um Eines sorgend,fürEines duldend,alleshingebend für Eines, so ging dieserMann durchdasLeben. NichtGattin hater gekannt, noch Kind;kaum Freude, wenig Genuß.—- Argerte ihneinAuge,er rißes ausund ging fort, fort, fortbisans Ziel.

Wenn nochSinn für Ganzheit in uns istindieser zersplitterten Zeit, so laßtuns sammelnanseinemGrab. Darum sind javonjeher Dichter gewesen undHelden, SängerundGotterleuchtete,daßanihnendiearmen zerrütteten Menschen sich aufrichten, ihresUrsprungs gedenkenund ihresZiels.

i

VolksbildungS-Rundschau.

Das neue Theater.

DaßdasTheaterderZeitinmitteneinermächtigenund nichtbloßwirt- schaftlichen Krisissteckt,wen könntedaswundern? Esistansich auchkein schlechtes Zeichen fürden noch heute geltendenWert desTheaters; wäre indiesem Kulturbereichnicht docheine starke verantwortliche Kraft,dievon derinneren NotderZeit tief gepackt sein muß, sowäre dasTheaterwohl schonganz allgemeindem Verdiensttaumel inaller Formerlegen. Daßes noch Bühnen gibt, Staatsbühnen, Städtsche Bühnen,Privatbühnen,die trotz ihrerfinanziellen Nötesich entschiedengegen den Rutsch nachunten sträuben,dasist jedenfalls eine HoffnungfürdieZukunft.

Freilich, fürdenAugenblick istdasnur fürallejenevon Wert,dieselbst bereitundwillens sind,in dieZukunftzu bauen. SolcheArbeit bedarfauch einigerVoraussicht, bedarfder Pläne. Genug gibtesderer;seitdemder Naturalismus sich erledigt hatte,seitdem wechseltederBühnenstil ständig, wechseltevon SaisonzuSaison. DieserDauerwandel war daserste Zeichen dergroßen Krisis aufden weltbedeutenden Brettern. Vielfachein Ex- perimentieren, ofteinHaschen nach Sensationl Heutescheint dieser eilfertige Reformwille gehemmt. Vielleicht daßman spürte, daßdieKrisisnichtmehr mitbuntem Fassadenwechsel behobenwerden könne, sondernnur durcheine neue Fundierung, durchgesundenGrundbau überwunden werde.

AlsZeichen solcher Besinnung möchte ichgerne aucheinsehr umfang- teiches Buch »Dasneue Theater« ansehen,dasHansBrandenburg beiH.

HaesselinLeipzig herausbrachte. H.Br. hatindenTagendes Umsturzes den»Bundfür das neue Theater« geschaffen;erhatschonvor dem Krieg 114

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