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Von Theodor W o t s c h k e +.

Jeder Kenner der polnischen Kirchengeschichte weiss von dem Warschauer Pastor Qottlieb Ringeltaube, der seit 1777 in dem bro­

delnden Hexenkessel stand, den damals die lutherische Gemeinde der Polnischen Hauptstadt bildete. Eine Weihepredigt von ihm hat das Posener Evangelische Kirchenblatt im Neudruck veröffentlicht1).

Eben hatte das ganze evangelische Deutschland für einen Kirchbau

■n Warschau gesammelt. Erwartungsvoll schaute es auf die Ge­

meinde, die in zweihundertjähriger schwerer, harter 1 rübsalszeit geprüft, gequält, gemartert, nun nach endlich erlangter Religions­

freiheit sich aufbauen sollte als ein Hort und Mittelpunkt deutschen und evangelischen Wesens im slawischen Osten. Da rissen sie eigen­

mächtige, herrschsüctige Kirchenälteste, die sich alles unterwerfen Sollten, ihren Dienst an der Gemeinde als unbedingte Herrschaft über sie und ihr kirchliches Leben ansahen, hinein in endlose W irren und zuchtlose Kämpfe und machten sie zu einem Schmerzenskinde des evangelischen Deutschlands. Inmitten aller W irren stand Pastoi Ringeltaube. Vergebens suchte er zu vermitteln, die Gegensätze ab- zuschwächen, zu beruhigen und Frieden zu stiften. Bald wandten sich die Friedensstörer wider ihn, weil er ihre Sache nicht zu der seinen machte und auch sich nicht dazu herabdrücken lassen wollte, lediglich ein Beauftragter des allmächtigen Kirchenvorstandes zu sein. In der Deutschen Wissenschaftlichen Zeitschrift für Polen habe

’ch den Anfang eines Schmähgedichts auf ihn mitgeteilt, das in W ar­

schau umlief, als er 1785 die Stadt verliess, um als Superintendent l*nd Hofprediger nach Oels zu gehen. Schon bei der Korrektur hat es m ir leid getan, dass ich dieser Stimme des Hasses nicht ein Zeug­

nis der Liebe und Verehrung zur Seite gestellt habe, um jedem ein­

seitigen falschen Urteile vorzubeugen. Aus der Unzufriedenheit mit mir selbst fliessen diese gegenwärtigen Zeilen, in denen ich nach­

holen w ill, was ich damals versäumt. Zum Zeichen, welcher Liebe sich Ringeltaube doch auch in Warschau erfreut hat, w ill ich jetzt einen B rief zum Abdruck bringen, der dem Pastor nach seiner Ab­

schiedspredigt übergeben worden ist, und schicke nur voraus, dass Uns iieute der Ueberschwang des Gefühls in diesem Brief etwas ir emd anmutet:

’ ) E vangelisches K irc h e n b la tt 1927, S. 251 255.

„Hochwohlehrwürdiger Herr, innigst geliebter Lehrer! Es ist ab­

gekanzelt und gemeldet worden, dass Sie uns verlassen. Glauben Sie nicht, dass dieses einem jeden gleichgültig sei. Meine Tränen könnten Ihnen was anderes versichern. Es war, als ich es hörte, als wollte m ir mein Herz brechen. Die Tränen haben m ir durchs ganze Lied und den ganzen weiten Weg bis Solec nach Hause ge­

flossen, und noch kann ich mich ihrer nicht enthalten. Doch ich w ill Sie m it meinem Jammer, der Ihnen gleichgültig sein kann, nicht behelligen. Nein, nur danken w ill ich Ihnen. Ich habe allezeit die grösste Hochachtung und Respekt vor Ihnen gehabt. Denn Sie waren oft mein Retter. Verzweiflung folgte m ir nach auf dem Fusse, aber eine Predigt von Ihnen machte mich wieder ruhig und schaffte m ir Geduld. Ich hätte viel zu sagen, es kann Ihnen aber nichts helfen.

Nur so viel sage ich, dass ich Ihnen von Grund meines Herzens danke und wollte mich gern in der Tat dankbar erzeigen. Allein meine Um­

stände erlauben es nicht. Nehmen Sie den schlechten Dank an von einem Menschen, der Ihnen gern alles geben möchte und der Sie herzlich liebt, der aber nicht so dreist ist, Ihnen dies mündlich zu sagen. Adieu, lieber Vater, ich weine schon wieder. Ich kann davor nicht schreiben,ich muss schliessen. Warschau, den 30. Oktober 1785.“

Gewiss, eine schöne Anerkennung für einen scheidenden Pastor diese warme Bezeugung des Dankes, der Liebe und Verehrung. Es ist erklärlich, dass Ringeltaube sich diesen Brief wohl aufgehoben hat. Nach vielen Jahren, als Generalsuperintendent von Stettin, wo er hochbetagt im Alter von 92 Jahren 1824 entschlief, hat er auch einige Lebenserinnerungen für seinen Sohn niedergeschrieben2). Aus ihnen w ill ich im folgenden einiges mitteilen:

Seit dem Jahre 1775 hatten die Protestanten in Polen und Litauen Religionsfreiheit und Gleichheit m it den Ständen der herrschenden Religion durch Vermittlung von Russland, England, Dänemark und Preussen erhalten. Sie wurden daher auch ganz der Gerichtsbarkeit der katholischen Konsistorien entzogen, frei von dem Parochial- zwang der katholischen P farrer und berechtigt, sich eigene Kon­

sistorien, Kirchen und Schulen zu errichten, wo sie es für gut fanden, selbst in Warschau, wo im Jahre 1777 Anstalt zur Erbauung einer Kirche gemacht wurde, zu der ich im Jahre 1778 bei Legung des Grundsteins die Rede hielt in Gegenwart der Gesandten der vorge­

meldeten Staaten. Die Warschauer Religionstraktate veranlassten Provinzialsynoden in Grosspolen, Kleinpolen und Litauen. Ihr Zweck w ar Vereinigung der Dissidenten untereinander zur Handhabung dieser neuen Rechte und zu ihrer gemeinschaftlichen Beschützung.

Verabredungen, Kirchengesetze wurden vorläufig entworfen bis auf eine künftige Generalsynode, wo Abgeordnete aus allen drei Provin- 5

5) V g l. G laube, H o ffn u n g , L ie b e in E rin n e ru n g e n aus dem Leben G o tt*

lieb R inge ltau be s. B e rlin 1825.

Aus G ottlieb Ringeltaubes Lebenserinnerungen 151 zen allgemeine Verfügungen zu treffen sich vorbehielten. Grosspolen

"War die erste Provinz und Synode, die als die zahlreichste, nachdem sie für sich selbst einige der nötigsten Einrichtungen gemacht und ihr Konsistorium angeordnet hatte3), Kleinpolen und Litauen zur Nachfolge aufforderte, die zu w eit von der Residenz entfernt, bei Hofe gar keine Verbindungen hatten und diese Vorsoige und Ver­

mittlung mit Dank annahmen.

In Grosspolen waren der Generalleutnant von Goltz und der Graf Hnruh sehr gelitten, konnten dem Ganzen grosse Dienste leisten und leisteten sie auch m it Aufopferung ihres Vermögens und ihrer Kra e viele Jahre hindurch. Sie hatten auch dem kleinpolmschen dissiden- üschen Adel, höchstens etwa zehn reformierten und zwei lutherischen Familien (darunter ein Bruder des Generals von der Goltz, der Kam­

merherr von der Goltz, auch ein Mann von sehr rechtschaf enem Charakter) den Rat gegeben, die Warschauer Gemeinde, die hier wahrscheinlich nur zu Geldunterstützungen dienen sollte, mit sich zu verbinden und eine Synode zu errichten. Dieses geschah wo anfangs 1777 in Sielec, einem Pfarrdorfe etwa 10 Meilen von Krakau und gegen 40 Meilen von Warschau, in welcher grossen Weite ausser in Lublin keine Dissidenten ansässig waren. Die reformierten Stande luden die Warschauer Gemeinde zur Synode ein, un ie e z ere, schon von dem Grafen von der Goltz dazu bestimmt, esc ic e ie Synode durch ihre bevollmächtigten Deputierten, den Bankier eppei und den Kaufmann Horn. Die Synode schmeichelte den W ar­

schauern, und bei Errichtung ihres Konsistorn wurde Warschau zum Sitze dieses geistlichen Gerichtshofes erwählt und er zu

lutherische Prediger zum Konsistorialrate ernannt ).

Von seiten der reformierten Konfession wurde aber der W ar­

schauer reformierte Prediger5) übergangen und statt seiner ein

^0 Meilen entfernter Landprediger zum Mitglieds dieses vereinigten Konsistorii ernannt. Doch durfte der letztere bloss ur ein anse m Hches Reisegeld jährlich auf ein paar Wochen nach Warschau kom­

men, um den Sitzungen beizuwohnen. Der reformierte Prediger fühlte sich hierdurch sehr beleidigt, und was er unter der Hand un nachher öffentlich Feindseliges nur immer tun konnte, das blieb et nicht schuldig. Er hat nichts unterlassen, um die Uneinigkeit aufs höchste zu treiben. Aus Grosspolen war er nach Warschau mit vielen W idrigkeiten gegen seine eigene reformierte Synode von einei

V g l. die A k te n de r w ic h tig e n Lissaer S eptem bersynode des D h re s 1775 bei Ch. W ilh . Franz W a lc h , N e u s te R e ligionsgeschichte V I , S. 322 2

4) Das P r o to k o ll de r Synode bei W a lc h V I I I , S. 513— 528.

^ 5) Joh. Salom o M uso nius, ä lte s te r Sohn des Lissae r R o t o r s Joachim G e o ig M u s o n iu s (1706 in Frankfurt, 1712 m L e i en), «ohn H 43 in F r a n k fu rt s tu d ie rt, d o r t auch s e it dem 14. A p r i l 1779 sein Sohn F erdina nd B en ja m in.

kleinen Gemeinde (Schocken) weggezogen, bei der er zugleich Päch­

ter oder doch Wirtschaftsbeamter seines reformierten Kirchenpatrons gewesen war, der an ihn eine beträchtliche Geldforderung machte, und er wieder umgekehrt an jenen. Dies w ar nach Kleinpolen berichtet worden und hatte eben die Gemüter gegen ihn eingenom­

men. Hier brannte ein unterirdisches Feuer, das öfters zum Aus­

bruch kam. Die Bedingung des zu errichtenden Konsistorii war, es musste den 1. Oktober 1777 laut Synodebeschluss eröffnet werden.

Nach damaligen polnischen Gesetzen war das Recht verscherzt, wenn dieser festgesetzte Termin nicht gehalten wurde. Nun fehlte der Warschauer lutherischen Gemeinde der Pastor, der Konsistorialrat werden sollte. Die Stelle w ar vakant. Man w ollte einen ansehn­

lichen Geistlichen dazu haben, und in Stettin sollte es meinem hie­

sigen Vorfahren angetragen werden. Er schlug es aus und empfahl ihnen den Archidiakonus S., von dem ich dieses selbst gehört habe.

Beide hatten keine Neigung dazu, überdies fehlte beiden die polnische Sprache. Die Reise der Abgeordneeen ging zurück nach Militsch in Schlesien, wo sie meinen seligen Bruder predigen hörten, hierauf nach Wartenberg, wo S. Hofprediger war, und von diesem nach Scheidelwitz zu m ir ganz unerwartet und so nach Warschau zurück.

Man fiel auf den Hofprediger. Dieser war aber zu furchtsam für die angetragene Stelle. Er kannte die Unruhen und Verfolgungen wäh­

rend der letzten Konföderation, wo die evangelischen Prediger fürch­

terlich gemisshandelt worden waren. Endlich, wie man nicht weiter wusste, erhielt ich die Anfrage im August 1777. Man hatte mich v o r­

her schon durch den Bankier M. in Breslau befragen lassen. Dieser wandte sich an die Frau Garve, welche m ir es aber nicht erst mel­

dete in der Meinung, ich würde von Scheidelwitz nicht wegziehen wollen. So blieb es von dieser Seite unbeantwortet, bis man un­

mittelbar an mich schrieb. Ich nahm es in Gottes Namen an, und erhielt von dem dirigierenden Minister in Schlesien, dem nachmaligen Grafen Hoym, die Erlaubnis, aus dem Lande zu ziehen. Man berief mich zum Pastor und Konsistorialrat. Meine Vokation Unterzeich­

neten der Bankier Tepper, Kaufmann Ragga und Horn, Göring und ein paar Professionisten, die damals das Kirchenkollegium aus­

machten.

Während der Vakanz hatte man den damaligen Rektor einer deutschen Elementarschule Cerulli ordinieren lassen, damit in­

zwischen jemand Gottesdienst halten und die Sakramente verwalten könnte. Jedoch blieb er Rektor, und mich wählte man, wie gesagt, zum Pastor ausschliesslich, so wie es mein Vorgänger Scheidemantel, gebürtig aus Jena, gewesen war, dem als einem schwächlichen Mann zur Hilfe Cerulli als Nachmittagsprediger angenommen war.

In derselben Vakanzzeit hatte sich aus Königsberg ein Kandidat dort eirigefunden, der sich m it der entführten Frau seines Prinzipals, eines Tribunalrats, in die Vorstadt Praga von Warschau flüchtete. Dieser Umstand wurde aber erst spät bekannt, und er, Bleibtreu W ille

Aus Gottlieb Ringeltaubes Lebenserinnerungen 153 nannte er sich, wandte sich an den reformierten Prediger, entdeckte s'ch demselben und wurde durch ihn in einige lutherische Familien

^ g e fü h rt. Man liess ihn predigen. Er hatte Dreistigkeit und Stimme, 'ief dern Rektor Cerulli den Rang ab, und da es m it der Annahme des lutherischen Pastorats so viele Schwierigkeiten gab und einige abschlägige Antworten erfolgt waren, glaubte er, ich würde auch 'ücht kommen, und nannte sich schon unbedenklich Scheidemantels Nachfolger. Ihn fand ich auch in meinem Hause, als ich nach W ar­

schau kam, und er blieb darin wohl noch ein paar Wochen.

Ein anderer in der Lausitz abgesetzter Prediger L(eske) hatte sich unterdessen m it seiner Familie eingefunden, dort gepredigt, seine Predigt drucken lassen, sie unter die Bürger ausgeteilt, unterdessen eine Schule angefangen, die nötig und nützlich. Aber seine Wünsche Singen weiter. Später kamen aus Grosspolen Warnungen und seine

^mtsentsetzungsgeschichte, als ich schon ein Jahr dort im Amt war, das ich unter solchen Umgebungen und Aussichten antrat, die ich

•die zuvor nicht kannte. Die ersten Entdeckungen, die man m ir Machte, waren Unzufriedenheit über die mit den Reformierten errich­

tete Synodalvereinigung, die von den Deputierten der Gemeinde, Unter denen der Bankier Tepper der Vornehmste war, bew illigt w or­

den war. Die Gemeinde bestand aus Sachsen, Preussen und gross- b°lnischen Mitgliedern, ferner aus mehreren hundert Handwerks- Burschen aus allen Gegenden Deutschlands. Auch aus Böhmen be­

fanden sich einige M itglieder darunter und gar manche höchst merk­

würdige Personen. Oft ist mirs leid geworden, dass ich m ir nicht ein Tagebuch gehalten habe. Aber von der anderen Seite wars auch Wieder gut. Denn die Kunst zu vergessen, ist von grosser Bedeu­

tung.

Die gedachte Synodalvereinigung wurde in der allgemeinen deutschen Bibliothek laut gepriesen, und man forderte beide Gemein­

den zu einer völligen Religionsvereinigung auf^ Die allgemeine deutsche Bibliothek hatte im 47. Bande die Schrift angezeigt.

” Unionsakte der in dem Herzogtum Masuren sich befindenden pro­

testantischen Gemeinden beider Konfessionen m it den Gemeinden der Jrovinz Kleinpolen.“ Hierbei hatte sie geschrieben: „M an sieht aus allem, wie Klugheit, B illigkeit und einträchtige Liebe auf der Ver­

sammlung zu Sielec den Vorsitz gehabt und die Gesetze zu einer so Würdigen Unionsverfassung entworfen und bestätigt haben. W ir Wünschen, dass sie ewig bestehen und zu immer festerer Vereinigung beider protestantischen Kirchen in Glaube und Liebe beitragen

•^öge.“ Die Aufforderung zu einer völligen Religionsvereinigung, zu einer absorptiven Union würden w ir heute sagen, kann ich in diesen

^ o rte n nicht finden. Auf eine solche Union arbeiteten die W ar­

schauer Kirchenältesten allerdings hin, während Ringeltaube und die 'Utheraner im Posener Lande die Eigenart ihrer Kirche völlig ge­

wahrt wissen wollten. Jede evangelische Kirche sollte ihr eigenes

besonderes Leben führen, in der geschichtlich gegebenen Verschie­

denheit, nur gemeinsame Fragen gemeinsam in Liebe und entgegen­

kommendem Verständnis gelöst werden. Die weitgehende Unions­

politik der Warschauer Aeltesten vermag ich nicht zu tadeln, wenn sie diese Unionspolitik nur nicht belastet hätten mit ausgesprochener Gleichgültigkeit gegen die Gesamtkirche und rücksichtsloser Herrsch­

sucht gegen Pastor und Gemeinde. So erhielt diese Sache ein Interesse ausserhalb Polens. Der Rezensent sah sich dieses Aufrufs wegen schon für einen W undertäter an, der eine Jahrhunderte lang unmöglich gewesene Sache durch ein blosses Zauberwort dargestellt hätte. Und in Warschau wollte ein grosser Teil der Gemeinde nichts von dieser Synodalvereinigung eben deshalb wissen, weil man sie m it dem verwechselte, was der Rezensent als so leicht ausführbar betrachtete. Die Unzufriedenen sahen auf mich, dass ich mich auf ihre Seite schlagen möchte. Dieses war aber nicht möglich, denn durch meine Vokation w ar ich als Konsistorialrat dazu verpflichtet, jene Synodalvereinigung anzuerkennen. W ie durfte ich daher an eine Trennung auch nur denken? Dieses war aber auch nicht nötig, denn die Union betraf die verschiedenen Konfessionen durchaus nicht. Aber die weniger Unterrichteten wollten sich ihren Argwohn durchaus nicht nehmen lassen, erkannten die Autorität des Kon­

sistoriums gar nicht an, machten in Kirchensachen, was sie wollten, und Hessen uns die Ehescheidungen und die Untersuchungen der Geschichte L(eske) und B(leibtreu W illi) und dergleichen.

Inzwischen hatte sich, ehe noch in Warschau ein Konsistorium errichtet war, ein beleidigter Ehemann nach Lissa an das grosspol­

nische Konsistorium gewendet. Dieses übertrug dem Warschauer die Publikation der Sentenz, die für die Ehefrau nachteilig ausgefallen war. Sie wandte sich an den Justizrat von K., den Stifter unserer kleinpolnischen Union und auch ihr Orakel. Er erklärte den Aus­

spruch des grosspolnischen Konsistorii für einen Eingriff in die Rechte der kleinpolnischen Union, zog diese, ehe noch in Warschau ein Konsistorium existierte, bereits abgeurteilte Sache vor dieses neue Konsistorium und entzweite dadurch die Provinz Grosspolen mit Kleinpolen und Masuren. Grosspolen behauptete, es hätte uner- achtet der Union sich Vorbehalten, die kirchliche Gerichtsbarkeit bei seinem grosspolnischen Konsistorio zu behalten und in Warschau ein subdelegiertes mit dem grosspolnischen verbundenes Konsisto­

rium zu errichten. Dieser Eingriff in seine Rechte nötige es, die alte Verbindung zu behaupten usw. Das half nichts, da man nur gelinde M ittel gebrauchen wollte. Kleinpolen setzte seine Beschlüsse durch, und man wollte auf einer Generalsynode alles in Ordnung bringen, die ein paar Jahre darauf auch in W engrow abgehalten wurde. Hier wollte man ein Gesetzbuch einführen, das nach den Grundsätzen des protestantischen Kirchenrechts von einem Professor in Jena, Scheidemantel, ausgearbeitet war. Es ward öffentlich durchgegau- gen, viel unzweckmässiges bemerkt, abgeändert und von neuem

Aus G ottlieb Ringeltaubes Lebenserinnerungen 155 Gedruckt, um auf einer folgenden Generalsynode durchgegangen und unterschrieben zu werden. Diese zweite Generalsynode wurde durch ben Adel in Kleinpolen wie ein Reichstag zerrissen, und die Uneinig­

keiten sind dadurch immer grösser geworden. Endlich wendeten s'ch die grosspolnischen Stände an den russischen Gesandten und bewirkten eine traktatenmässige Absonderung der masurischen (d. i.

Warschauer Gemeinde) Synode von der kleinpolnischen, die auf s° ärgerliche A rt die Insubordination gedachter Gemeinde unter­

stützte. Warschau erhielt nun ein ganz unabhängiges Konsistorium und ein Kirchenrecht. Aber die Kirchenältesten (unterstützt von dem reformierten Prediger und ähnlichen Ratgebern, aufgeredet von her- urnschleichenden Menschen), die Synode selbst durch einen unedlen Mann verraten und gekränkt, der mit dem rechtschaffenen Grafen von Unruh aufs engste verbunden war, blieben bei ihren alten An­

passungen. Von keinem Gesetz, von keinem Obern wollten sie etwas Wissen und behandelten die, die von diesem Gesetz ihren Schutz er­

warten sollten, auf das willkürlichste. Gegen die protestantischen Wr°ssen suchten sie Schutz bei römisch-katholischen Advokaten und Brossen und bedienten sich dazu der Kircheneinkünfte.

Die Kirche geriet durch solche Ausgaben in Schulden, konnte die Zinsen nicht zahlen und wurde an ihre Gläubiger gerichtlich tradiert, W°zu ein Glied der Gemeinde, das sich von Prozessen nährte, den katholischen Advokaten den Weg zeigte und die Mittel an die Hand

£ab. Da erhielt ich den Ruf nach Oels und Ruhe nach achtjährigen nifungen.

Die Auflösung der Union hat durch die falschen Vorstellungen ber Widersacher (die im Auslande sich als die treusten Verbündeten P it Kleinpolen ausposaunen Hessen, unerachtet sie sich doch . a re lang gedachter Union widersetzt hatten und nicht eher sich an sie

^schlossen, bis sie Unterstützung ihrer Unbotmässigkeit gegen die

£esetzliche Verfassung fanden, und bloss in dieser Absicht und sowei m it ihr hielten, als man ihnen die allerwillkürlichsten Schritte und Kränkungen verstattete) ein grosses Aufsehen gemacht. Sie erhielt

^ s Ansehen eines falschen Eifers, eines mit Gewalt gebrochenen Bündnisses. Und die unedle Handlungsweise derer, die sie z!Wrs JPd längst schon aufgelöst hatten und nun engelrein sich anste teil, konnte nicht öffentlich dargestellt werden, wenn man nicht zu den Nachteiligsten Schritten für die ganze evangelische Kirche in ölen Slch entschliessen wollte.

Dieses w ar übrigens auch unnötig. Denn die Sache selbst war bonen hinlänglich bekannt, die hier die gehörigen Richtei waien, Pid Auswärtige interessierte sie wenig oder nur so lange, als man ePer Hand voll Leser und Rezensenten ein Viertelstündchen Zeit­

vertreib machen wollte. Minister und Gesandte wussten alles ganz Laders, auch die Mitglieder der Generalsynoden. Was gingen uns, b'e da draussen sind, an?

Lebe wohl, lieber Sohn, und suche, ob ich hier w ider meine Pflicht gehandelt habe, da ich treulich bei der Union hielt, bis sie gesetzlich vom Könige aufgelöst wurde. W ie diese Sache bis zum Brechen gekommen w ar und der russische Gesandte den Baron von Königsfels auf unsere letzte Generalsynode in dieser Absicht gesandt hatte, machte der Obrist M [alicki (?)] einen Versuch, mich auf die andere Seite herüber zu holen. Als er damit nicht zu Stande kommen konnte, sagte er zum Schluss: „Es sind gottlose Leute (die

Lebe wohl, lieber Sohn, und suche, ob ich hier w ider meine Pflicht gehandelt habe, da ich treulich bei der Union hielt, bis sie gesetzlich vom Könige aufgelöst wurde. W ie diese Sache bis zum Brechen gekommen w ar und der russische Gesandte den Baron von Königsfels auf unsere letzte Generalsynode in dieser Absicht gesandt hatte, machte der Obrist M [alicki (?)] einen Versuch, mich auf die andere Seite herüber zu holen. Als er damit nicht zu Stande kommen konnte, sagte er zum Schluss: „Es sind gottlose Leute (die

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