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Seminarfur Philosophie und Pädagogik der Technischen Hochschule Danzig

diesem Punkte die Ueberlegenheit der persönlichen, überwiegend realistischen K ra ft über die falschen Ablenkungen der Z eit be­

währt.

Ungleich tiefer als ein Byron steht der Hebräer H einrich Heine m it seinen gelegentlichen Nachahmungen des britischen Dichters und m it seinem fragmentarischen sogenannten W elt­

schmerz. E r gefiel sich mehr oder weniger in einem ordinären Genre, welches m it der nobeln Haltung Byrons gewaltig con- trastirte. Doch könnte man sich sogar m it den stammesgemässen Abgerissenheiten und Zerfahrenheiten Heines noch einigermaassen versöhnt finden, wenn man bedenkt, dass trotz alles wahren oder auch nur coquetten Weltschmerzes der natürliche Lebensgenuss gegen das „dunkle Hirngespinnst, das uns Lieb und Lust verleidet“ , nachdrücklich in Schutz genommen wurde. Leider ist aber in den S plittern dieser jüdischen Nachahmungsdichtung nicht Alles im Sinne edlerer V ölker zu verstehen, und gegen das „dunkle Hirngespinnst“ lehnt sich eigentlich nur liebeaffectirende und meist zudringliche Hebräerwollust, nicht aber das höhere N atur­

gefühl und ein W irklichkeitssinn auf, wie w ir ihn verstehen.

11. Das Aufkommen der lebensfeindlichen oder in der ge­

sundem Richtung doch wenigstens lebenszweiflerisch gerathenden Regungen hat im Allgemeinen diejenigen Ursachen, die w ir in ih re r naturgesetzlichen W irkungsart als Erschöpfungszustände der müssigen U eppigkeit gekennzeichnet haben. Die Rückwendung des ausschweifenden Lebensgenusses zu den, um m it Byron zu reden, aus der „ekeln Sattheit“ entspringenden Ansichten und Aussichten ist ein natürlicher Vorgang, der nur noch da einer besondern E rklärung bedarf, wo er in einem ungewöhnlichen Maass in den Vordergrund tritt. Letzteres ist nun einerseits in den früher erwähnten Religionsbildungen weltverächterischer A rt und andererseits in den geistigen Zersetzungsvorgängen unseres Jahrhunderts geschehen. Jener weltgeschichtliche H intergrund und diese neusten Anwandlungen lassen sich nun aber auf gleiche Weise begreifen. In beiden Fällen sind es gesellschaftliche Stauungs­

und Zerrüttungszustände, die das Anheimfallen an falsche Lebens­

auffassungen m it sich brachten und bringen. Der Unterschied ist nur der, dass in jenen alten Epochen der Uebergang zu ver­

kehrten Lebensauffassungen und entsprechend verzerrten Lebens­

ordnungen fü r eine lange Z eit ein endgültiger wurde, während w ir heut eben darin begriffen sind, das durch die Umstände be­

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günstigte Wiederaufglimmen der alten Thorheiten als eine, der ge­

mischten Uebergangsphase angehörige Rückfallsregung fü r immer unschädlich zu machen. Unser Jahrhundert hat die idealen C ultur- vorstellungen seines Vorgängers nicht gänzlich vergessen, presst sich aber unter dem D ruck von Zuständen, die unter der Be­

leuchtung durch das bessere Wissen nur noch unerträglicher werden. Diese arge Spannung beruht nicht sowohl auf einem F ortschritt des Elends als auf demjenigen des Uebermuths, und rü h rt weniger daher, dass die Summe der Gebrechen und Unzu­

länglichkeiten etwa an sich grösser geworden, als vielm ehr davon her, dass die volksmässige Erweiterung des Wissens Verhältnisse und Zustände, die sonst unter der Herrschaft der E inbildung als selbstverständlich erschienen, nun als unleidliche Thatsachen kenntlich macht. D ie dem Aberglauben gemäss weltgeschichtlich verzerrten Lebensordnungen passen nicht zu jener A ufklärung, die uns das 18. Jahrhundert hinterlassen hat. Es bestehen dem­

gemäss zweierlei Bestrebungen. Die eine derselben sucht die Ge­

danken und Gefühle an die überlieferte verzerrte Lebensordnung durch obscurantistische Zurückschraubung wieder anzupassen; die andere w ill die Lebensordnung dem erleuchteten Gedanken und bessern W ollen gemäss umgestalten und so an Stelle der verlornen, a uf Täuschung beruhenden E inheit eine wahre und dauerhafte Ausgleichung herstellen. Der erstem rückläufigen Bestrebung gehören, wenn auch fre ilich nur heuchlerischerweise, auch alle Interessen an, die, obwohl von der U nhaltbarkeit der alten E in ­ bildungen überzeugt, doch fü r ih r Treiben noch wenigstens eine armselige F ris t gewinnen wollen.

Kriege hat es in allen Jahrhunderten gegeben; aber wo sie im 19. Jahrhundert bei den entwickeltsten Völkern platzgreifen, haben sie eine ganz neue Bedeutung erlangt. Sie erscheinen nämlich den am meisten heimgesuchten und zugleich doch schon vielfach aufgeklärten Schichten der Gesellschaft nicht mehr als selbstverständlich, und ihre Wüstheiten und W irkungen werden um so lebhafter empfunden, als man an ihre Zwecke einen andern Maassstab als früher legt. Byrons Grundgedanke, nur noch Kriege um die innere Freiheit als menschlich gelten zu lassen, spriesst naturwüchsig grade in den breitesten Schichten der Gesellschaft lebensfrisch auf, und der W ide rw ille , der in gleichem Maasse gegen die aufgezwungenen Völkerkäm pfe wächst, w ird zu einer die Gemüther immer mehr beunruhigenden Macht. Sehen zu

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müssen, wie unter den W irkungen der Kriege Menschonfioi.scli immer mehr im W erthe sinkt, und zugleich zu wissen, dass diese lebensfeindliche Verachtung der Menschennatur nur aus den alten Systemen der Einbildung und Täuschung ihre K ra ft zieht, — das erzeugt jene empörende Spannung der Gefühle, der gegen­

über sich die gesicherten Elemente des Wohllebens in ih re r B lasirt- heit an die Reste der Superstition klammern, um fü r sich selbst wenigstens den Standpunkt der Nichtsverherrlichung zu retten, dem Volke aber den bisherigen unverfeinerten Aberglauben als das ihm gemässe Opiat wieder nachdrücklicher zu verabreichen.

D ie U ngenirtheit in letzterer Beziehung ist soweit gediehen, dass sich Leute in amtlichen Stellungen und Lehrer der universitären Jugend nicht gescheut haben, es unverblüm t öffentlich auszu­

sprechen, fü r das V olk sei der Glaube, den sie selbst nicht hätten, um der socialen Ordnung w illen erforderlich. E in solches A n­

zeichen des Verfalls in den gebildeten Regionen ist w erthvoll;

denn es deutet auf einen Cynismus, wie er ärger nicht gedacht werden kann. Oder sollten die Betreffenden meinen, ihre red­

liche Zumuthung, zu glauben, was sie selbst nicht glauben, werde dem breiteren Publicum verborgen bleiben ? D ie alten Glaubens­

täuschungen als eine Zurüstung gebrauchen, um die Massen in der überlieferten politischen und socialen Knechtschaft und zum Frohndienste wohl gar w illig zu erhalten, — das ist ein Anschlag, den der natürliche und gesunde Sinn nur m it intellectueller V er­

achtung und moralischem E k e l' betrachten kann, und auf den die praktische A ntw ort sich in der bewusstesten Abwendung der Massen von der Religion schon nach und nach in vollerem Um­

fang einfindet. D ie Preisgebung des Lebens in den Kriegen und überhaupt die ganze Leib- und Blutsteuer w ird in Folge der A ufklä ru n g nicht im Heiligenschein einer mysteriösen P flicht, sondern äusserst nüchtern als eine Angelegenheit betrachtet, fü r welche in jedem besondern P all vollw ichtige Rechenschaft zu geben ist. Fehlt es nun an w irk lic h guten Gründen fü r solche gewaltige O pfer, und sieht man sich einer immer geringer werdenden Schätzung des Menschenlebens gegenüber, so muss diese Lage die übelste R ückw irkung auf den Lebensmuth aus­

üben. D ie so entstehende G edrücktheit der Gemüther füh rt nun aber im Bereich der gesunden Elemente zu keiner Lebensfeind­

schaft oder allgemeinen Lebensanzweiflung, sondern macht im Gegentheil geneigt, sich an die gewaltigen Gegenregungen zu

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klam m ern, die in starken Geistern zum Durchbruch kommen und der übrigen Menge die Auswege aus solcher Lebensklemme zeigen.

12. Nach einer andern, noch wichtigeren Seite hin ist im 19. Jahrhundert die Unsicherheit des Lebens, nämlich dessen Abhängigkeit von der Nahrungsfrage, fühlbar geworden. D ie Macht des Besitzes ist m it der Entw icklung der Maschinenära noch gewaltiger als sonst gestiegen, und die Ausnutzung, der die mittellosen Elemente anheimfallen, ist durch die wissenschaftliche A ufklä ru n g immer deutlicher in das Bewusstsein getreten, und dieses Wissen hat sich innerhalb der am meisten betroffenen Schichten auch am durchgreifendsten geltend gemacht. Es ist weniger die Menge des Elends an sich selbst, als das Bewusstsein von demselben und die Kenntniss besserer M öglichkeiten, was zugenommen h a t, und hierin liegt eine Bürgschaft, dass die auf diese Weise gegensätzlich stark gespannten Gefühle eher auf alles Andere als auf lehensfeindliche Ansichten gerathen werden.

Was den alten W ust der gegen das Leben von vornherein ein­

genommenen Lehren anbetrifft,. so erscheint er nur bei denen wieder, die selbst gar nicht m it dem Elend, sondern nur m it der Ueberfülle zu schaffen haben. Diese Leute coquettiren m it Uebeln, die von ihnen selbst weder unm ittelbar noch im M itgefühl irgend empfunden werden. Das wahre Uebel, unter dem sie w irk lic h leiden, ist der Ueberdruss, und fü r den letztem ist es immerhin doch noch wieder ein neuer R eiz, oberflächlich ein wenig über das Elend theoretisch hinzustreifen und sich in der eignen Ueber- sättigungsmisere durch die Aufzählung des übrigen und allgemeinen Weltjammers genugzuthun. Hiezu hat unser Jahrhundert nun vie l in die Augen fallendes M aterial geliefert, und so e rklä rt sich, dass gerade die ungesunden Auffassungen und rückläufigen Interessen aus den Zuständen Nahrung fü r Lebensfeindlichkeit und Jenseitigkeitsflucht ziehen konnten. Eben dieselben Ursachen aber, welche diesen rückwärts weisenden Tendenzen besondere Gelegenheit zur Bethätigung boten, treiben vermöge der V o ll­

ziehung ih re r ganzen Consequenz zu dem vö llig entgegengesetzten Standpunkt hin, auf welchem eine Lebensanzweiflung fü r immer unmöglich w ird. N ur die mannichfaltige Mischung der einander durchkreuzenden, theils rückläufigen, theils fortschreitenden Geistesströmungen ist es, wodurch der einfache, vorher gekenn­

zeichnete Sachverhalt so leicht verdeckt und der zutreffenden Beurtheilung entzogen w ird.

D ie materielle Unsicherheit des Lehens, die sich zu der aus dem unnatürlichen Kriegszwang entspringenden Geringschätzung der Person gesellt, ist ein fundamentales Uebel, welches in seiner groben Realität m it den raffinirten Ungelegenheiten oder auch blossen Scheinübeln contrastirt, an welche die metaphysischen V er­

leumder des Lebens fast ausschliesslich zu erinnern pflegen.

Schlimmer ist aber noch die von den letztem gar nicht empfun­

dene Corruption der wichtigsten menschlichen Gegenseitigkeitsver- hältnisse moralischer und rechtlicher A rt. Namentlich gehört der zunehmende Mangel an Vertrauen, auch nur fü r die Erlangung der gemeinsten Gerechtigkeit gegen die Parteilichkeiten der Classen- selbstsucht gesichert zu sein, zu den am meisten demoralisirenden Umständen. D ie Neigung, das Schlechte vorauszusetzen, also jene A rt des Pessimismus gesunder Naturen, die nichts m it allgemeiner Lebensfeindschaft und m it verschrobenen Theorien gemein hat, muss wachsen, wenn die Thatsachen selbst die entsprechende Physio- nomie zeigen. Auch besteht grade die edlere H altung des Gemüths darin, gegen die moralischen Schäden zu reagiren. Nun w ird aber nicht blos dieser unschuldige, ja wohlthätige, sondern auch der ver­

giftete Pessimismus in der zunehmenden Verderbtheit seinen A n­

knüpfungspunkt haben; ja man kann sagen, dass im schlechten Sinne des W orts der Pessimismus nicht nur der natürliche Begleiter, sondern auch der Vervollständiger der Corruption sei. E r ist es, der in seiner völligen Herabgekommenheit und F riv o litä t an keine G erechtigkeit glaubt und dieselbe da theoretisch und grundsätzlich verachtet, wo sie im Leben doch nur in den besondern Fällen ver­

höhnt w ird, in denen sie zu einem übermächtigen Parteiinteresse nicht stimmt.

Aus Allem , wodurch unser Jahrhundert in besonderm Maasse gedrückt w ird , ergeben sich als gesunde R ückw irkung nur Ge­

fühle und Bestrebungen, die sich auf eine von Grund aus vorzu­

nehmende Abstellung der Missstände richten. N ur die krankhaften und rückständigen Affectionen sind es, die dem Lebensekel zum T heil w irk lic h anheimfallen, zum Theil aber auch m it der nie ganz ernstlich gemeinten eigentlichen Lebensfeindschaft coquettiren, was, nebenbei bem erkt, im Gebiet der Theorie und müssigen Speculation grade am meisten der F a ll ist. D er theoretisch mo­

dische Lebensekel nun, der sich m it einem jenseitigen Nichtscultus

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gattet, muss schliesslich dem Publicum, soweit es noch Elemente m it einigen gesunderen Fasern in sich hegt, selbst zum E kel werden. D er Ueberdruss w ird sich den Ueberdrüssigkeitslehren gegenüber bald genug einfinden, und die Feindseligkeit gegen das frivole Spiel m it speculativen Feindseligkeiten gegen das Leben w ird nicht ausbleiben. Es ist das Schicksal der verderbten Theo­

rien, an sich seihst die Verderbniss zu erproben und so den wei­

teren W irkungen derselben corrumpirenden Macht anheimzufallen, aus der sie herausgeboren sind. Ihre Wiege w ird auch ih r G rab;

denn ih r Lebenselement war ja von vornherein moralische V er­

wesung und Tod.

Die Auseinandersetzung, die auf diese Weise zwischen Fäul- niss vxnd Gesundheit platzgreifen muss, w ird hauptsächlich auf der Trennung beruhen, die sich zwischen dem alten phantastischen Regime der Einbildung und Täuschung und den neuen Grund­

sätzen einer von allem Jenseitswahn und allen gespenstischen Wesenheiten befreiten N atur- und Menschenbetrachtung vollzieht.

D ie praktisch und theoretisch lebensfeindlichen Thatsachen und Regungen haben bisher ihren entscheidenden Stützpunkt in der religiösen Ueberlieferung gefunden, und solange diese letztere A rt von geistigem Regime die Lebensordnung' thatsächlich verzerrt und entsprechende unnatürliche Lebensansichten begünstigt, werden allerdings auch Philosophastereien der verkehrtesten A rt gelegent­

lich, je nach Umständen, immer wieder fü r eine Z eit lang auf­

tauchen und die in V erw irrung gehaltenen Gemüther noch mehr verw irren können. Inzwischen werden jedoch wenigstens die Einzelnen und Gruppen, welche sich von dem A lp der Ueber­

lieferung befreien, auch in der Lage sein, die fauligen pessimi­

stischen Infectionen, m it denen sie etwa in Berührung kommen, bei sich selbst vö llig unschädlich zu machen, indem sie sich vor allen Dingen die rein intellectueile Pflege der Verstandesgesundheit angelegen sein lassen. Diese letztere ist nun in der gemeinen Philosophie, wie sich dieselbe in der gegenwärtig vorherrschenden Ueberlieferung gestaltet hat, nicht im Entferntesten zu finden.

Auch in der Wissenschaft überhaupt fehlt sie vielfach, und in vö llig reiner Gestalt soll sie eben noch erst von ih re r Umgebung gesondert und in dieser Sonderung vö llig bewusst angeeignet werden. Einen Anknüpfungspunkt zu ihrem Verständniss und zugleich einen ersten Beitrag zum Ziele hat jedoch die so­

genannte materialistische Weltanschauung gebildet, welche der­

jenigen der gemeinen Philosophie und Wissenschaft die S tirn zu bieten augefangen hat und d ie, wenn sie auch keineswegs zu­

reichend ist, doch fü r das W eitere wenigstens als ein gediegenes Fussgestell gelten darf.

Zweites Capitel.

Der M aterialism us als Fusspunkt höherer hum anitärer Lebensschätzung,

1. Eine richtige Auffassung des Lebens ist nur möglich, wenn alle Bestandtheile desselben in ihrem reinen W irklich ke its­

charakter erkannt werden. Solange man zu den Thatsachen noch Einbildungen hinzufügt, kann von einer absoluten V^ürdigung des Daseinsgehalts nicht die Rede sein. Die Mischung der W irk ­ lich ke it m it den Phantastereien des Aberglaubens ergiebt fü r die subjective Vorstellung eine W elt, die sich durch die Hinzufügung eines Gespensterreichs entstellt findet, und in welcher daher der W erth des Lebens nur relativ unter Veranschlagung des E in­

flusses jener gespenstischen Trübungen beurtheilt werden kann.

Da indessen der Schrecken, den der jenseitige Gespensterglaube m it sich bringt, fü r das getäuschte Gemtith wenigstens eine Em­

pfindungsrealität ist, die als solche trotz der illusorischen Natur des Gegenstandes so gut wie jeder üble Traum zu den Elementen des Befindens gehört, so w ird die umfassende Schätzung des Lebens im Allgemeinen auch m it den Irrthüm ern zu rechnen haben.

Hieraus folgt aber nicht, dass w ir nicht das Recht hätten, eine absolute Schätzung da eintreten zu lassen, wo es sich um die aufgeklärten und starkeu Geister der Gegenwart und noch mehr da, wo es sich um die in viel grösserem Umfang und schliesslich überall zu erleuchtende Zukunft handelt. Auch müssen w ir schon um der Einfachheit w illen die absolute Schätzung, die sich nach dem reinen W irklichkeitsgehalt rich te t, der relativen Veran­

schlagung, die auch den Einbildungen Rechnung trägt, zu Grunde legen; denn die letztere muss sich aus zwei Bestandtheilen, einem wahren und einem falschen, zusammensetzen, während die erstere ausschliesslich von der Voraussetzung der wahren Beschaffenheit der W elt und des Menschen abhängig ist. D ie Wendungen des Irrthum s und der Einbildung sind nun m annichfaltig, und ent­

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sprechend bunt gerathen denn auch die Trübungen der wahren Lebensschätzung und bringen eine Menge von Kreuzungen oder Ablenkungen der gesunden Vorstellungsart m it sich. Die rein thatsächliche Beschaffenheit ist aber nur eine einzige und ein­

heitliche , und ih r gegenüber w ird daher auch die W ürdigung des Lebens einen festen und unzweideutigen Charakter zeigen.

Um nun den ungemischten, einbildungsfreien Gehalt der Dinge zu gewinnen, giebt es keinen andern W eg als den, das gesunde Wissen m it allen seinen Folgerungen zur Geltung zu bringen. D ie Gespenster, m it denen N atur und Menschenwesen durchsetzt sind, müssen ausgetrieben werden, damit sich die V or­

gänge zwischen Geburt und Tod, wie sie w irk lic h sind, darstellen, und damit an beiden Grenzen, namentlich aber bei dem Endvor­

gang des Einzellehens, keine Nebelgestalten möglich bleiben. Der wüsten Phantasie, die im Dienst der falschen 1' urcht ebensosehi wie in demjenigen des falschen Hoffnungsreizes arbeitet, muss der Spielraum fü r die Fictionen nicht nur überhaupt verengt, son­

dern in der grundsätzlich überw irklichen Richtung vö llig entzogen werden. Keine ausserweltliche oder übernatürliche Conception kann noch Platz greifen, wo die gesunde wissenschaftliche Betrach­

tung einmal ernstlich die Fäden zwischen den Dingen und den ausserdinglichen Imaginationen abgeschnitten hat. Es ist nun die Aufgabe der redlichen Untersuchung, m it allem Schein zu biechen und den Menschen auch da, wo er schmeichelnde Idole hegt und pflegt, aus diesem falschen und schliesslich immer unheilvollen Zauberkreise zu befreien. Allerdings w ill die Verblendung nicht enttäuscht sein, und die Scheu vor der nackten V ahrheit ist bei denen sehr begreiflich, die ein Leben führen, welches nach Maass­

gabe der Einbildungen verzerrt und auf diese Weise m it den Unwahrheiten verwachsen ist. Auch mag unter Umständen dei in der Täuschung Befangene einen gewissen Anspruch haben, dass er aus M itleid m it seinem Schicksal, welches ihn nun ein­

mal fü r einen entscheidenden Theil seines Lebens m it der E in ­ bildung hat rechnen lassen, nun dam it verschont bleibe, nach­

träglich die falschen Opfer zu erkennen, die er den Idolen ge­

bracht hat. Ebenso kommt es nicht darauf an, dass diejenigen, welche fü r bessern Trost unempfänglich geworden sind, ihre er­

dichteten Hoffnungen aufgeben. W ohl aber handelt es sich darum, in allen Angelegenheiten, die noch in bestimmbarer Weise der Zukunft anheim fallen, das absolute Maass der W ahrheit geltend

z u machen. Rücksichten auf einigen vorübergehenden Schmerz können hier ebensowenig, wie bei wohlthätigen chirurgischen Operationen, davon abhalten, fü r das künftige dauerhaft bessere Befinden zu sorgen. Ja der Einzelne hat im Allgemeinen nicht einmal ein Recht, im Wahne zu verharren; denn sein falsches Denken schädigt die Gemeinschaft, indem es die Täuschungen stützt, die ih r zum Unheil gereichen. N ur in den vorher ange­

deuteten Ausnahmsfällen mag die zarte Rücksicht auf ein Leben, welches in gutem Glauben und ohne bewusstes Unrecht den Wahnvorstellungen angepasst und ihnen auf diese Weise zur Beute wurde, diejenige Schonung gebieten, die ohne Verlust fü r die Sache der Menschheit unter besondern Umständen möglich ist.

2. D ie Scheu vor den klaren N atur- und Lebensvorstellungen w ird bei der Menge auf künstliche Weise von denen unterhalten, die an dem Nacht- und Nebelzustande des Geistes ein gewerbs­

mässiges Interesse haben. D ie gemeine Philosophie m it ihrem obscurantistischen Servilismus hat demgemäss in jüngster Zeit das W ort Materialismus als Scheltwort gebraucht, um grade die ge­

sundesten und aufklärendsten Ideen, die seit der M itte des vorigen Jahrhunderts zu einem ersten Durchbruch gelangten und seit der M itte des unsrigen wieder in neuer Gestalt hervortraten, in einen, fre ilich fast nur in den eignen Kreisen der Priester der

sundesten und aufklärendsten Ideen, die seit der M itte des vorigen Jahrhunderts zu einem ersten Durchbruch gelangten und seit der M itte des unsrigen wieder in neuer Gestalt hervortraten, in einen, fre ilich fast nur in den eignen Kreisen der Priester der

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