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Positionen zur Problematik menschenbild in der sozialistischen Gesellschaft und die protestantische Theologie

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A C T A U N I V E R S I T A T I S N I C O L A I С O P E R N I С I

F I L O Z O F I A X I I I — N A U K I H U M A N IS T Y C Z N O -S P O Ł E C Z N E — Z E S Z Y T 234 — 1991

U n iw ersyte t w Greifsw aldzie

Joachim Poppe

POSITIONEN ZUR PROBLEMATIK MENSCHENBILD IN DER SOZIALISTISCHEN GESELLSCHAFT

UND DIE PROTESTANTISCHE THEOLOGIE

R e s ü m e e . Die Frage nach dem Menschen als sozial und politisch Handelnder und die Fundam entaltheologie. Eine Überlegung zum M enschenbild und dem V erhältnis zw ischen M arxisten und Christen. G eistige Gem einsam keiten von M arxisten und protestantischen Theologen hinsichtlich eines M enschenbildes.

Neuerliche Diskussionen zur Problem atik „M enschenbild” beziehen sich auf den anw achsenden Erkenntnisstand der H uman —· und Na­ turw issenschaften und auf die Möglichkeiten, diese im Prozeß der individuellen Aneignung in W ertvorstellungen wie M otivationsentwic­ klungen um setzen zu können.

G efördert w orden ist die In tensität dieser Diskussionen durch die Erkenntnis der Zunahm e der W eltprobleme, aber auch durch die begründete Hoffnung auf die notwendige und Not wendende Bedeutung der menschlichen V ernunft. Der Mensch geriet noch deutlicher als frü h er in das Zentrum des philosophischen Streites. U nter anderem w urde dies nochmals in den D isputationen auf dem XVIII. W eltkongreß fü r Philosophie deutlich. Aber auch die nationalen und internationalen Gremien, die der protestantischen Theologie zur B eratung und zum M einungsaustausch zur V erfügung stehen, weisen ebenfalls diese Ten­ denz auf. Die m arxistischen Positionen zur M enschenbildproblem atik gehen auf den G rundgedanken von K arl M arx zum menschlichen Wesen zurück: „In seiner W irklichkeit ist es das ensemble der gesellschaftlichen V erhältnisse” *. Sicher ist darin keine umfassend ausgeform te Bestim­ m ung des Menschen enthalten, ist aber geeignet fü r das A uffinden der Richtung, in der Mensch sich selbst finden kann. Zugleich w erden B etrachtungen vermieden, welche den Menschen als ein abstraktes Gattungsw esen untersuchen. Das in dieser Hinsicht als G rundbestim ­ m ung festzustellende h at unlängst E. Hahn, Teilnehm er am XVIII. W eltkongreß für Philosophie, zur Sprache gebracht :

1 K. M a r x , Thesen über Feuerbach [in:] K. M a r x , F. E n g e l s , Werke, Bd 3, Berlin 1972, S. 6.

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Der Mensch ist ein soziales Wesen, das in Übereinstim m ung mit seiner allge­ m einen Gattungsnatur in einer bestim m ten historischen Epoche denkt und handelt, dessen Individualität sich nicht außerhalb, sondern innerhalb einer konkreten G esellschaft entw ickelt 2.

Dieser G rundgedanke ist geeignet, daß er vollinhaltlich der Diskus­ sion zum M enschenbild zugrunde gelegt w erden kann. Das Zusammen­ w irken von Epoche und konkreter Gesellschaft schlägt sich zwangsläufig im M enschenbild nieder, m acht begreiflich, daß sich Menschenbilder entw ickeln und verändern in Abhängigkeit des w issenschaftlich-techni­ schen und sozialen Fortschritts. D arüber hinaus spielt diesbezüglich der durch das soziale und politische System der Gesellschaft gew ährte Zugang zu sozialen Erkenntnissen eine große Rolle. A ndererseits hängt auch viel von den kom m unikativen Möglichkeiten der Gesellschaft ab, in welchem Umfang das in der jeweiligen Epoche erarbeitete Wissen über den Menschen in individuelle K enntnisse um gesetzt werden. Auf dieser G rundlage soll eine Begriffsbestimmung versucht w erden. Mit dem Term inus „M enschenbild” w ird sowohl der Prozeß als auch das R esultat der w eltanschaulichen Aneignung des Wissens von Menschen in individuellen B ew ußtsein erfaßt. Das R esultat ist dem nach eine m ehr oder w eniger ganzheitliche in Form von individuell begründetem W ert und N orm vorstellungen gegebene A uffassung vom Menschen. Es ist selbstredend, daß dieses Bild von Menschen zugleich die p rak ti­ schen , sozialen, politischen wie geistig-kulturellen Erfahrungen des Menschen in der Gesellschaft widerspiegelt. Dadurch ist das Menschen­ bild aussagefähig über die hum ane Potenz der Gesellschaft, über soziale Q ualitäten und über die schöpferische K raft des gesam ten gesellschaft­ lichen Organismus.

Im Menschenbild kom m t daher das Wesen der Gesellschaft zum Ausdruck.

Aus diesem G runde sind A uffassungen zum M enschenbildbegriff abzulehnen, die m ehr oder w eniger w illkürlich den Menschen norm ieren und von W unschvorstellungen ausgehend festlegen, wie eine menschliche Persönlichkeit geartet sein m uß beziehungsweise, welche mögliche künftige Entwicklungen der Persönlichkeit als M aßstab fü r gegenw är­ tige U rteile gelten müssen.

Die m arxistische Position zu diesem Problem kreis folgt aus dem ihr zugrunde liegenden Entwicklungsdenken. Demzufolge ist eine genzheitliche A uffassung vom Menschen n u r möglich, w enn alle Wissen­ schaftsgebiete, die einen Beitrag zur Erkenntnis des Menschen direkt oder indirekt leisten, nach ihren Ergebnissen befragt und diese in einer w eltanschaulich-philosophischen W ertung Aufnahm e finden. Ein Vorzug dieses Vorgehens besteht in der philosophischen Analyse des gegenw är­

2 E. H a h n , Nachdenken über Frieden und wahren Humanismus, Neues

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tigen Menschen ; w erden doch dadurch aktuelle A nforderungen und H erausforderungen an den Menschen erkennbar. In dieser A ktualität w urzelt w esentlich eine kaum zu überschätzende m otivational w irkende T riebkraft für das H andeln des Menschen. F ü r den über sich selbst Bescheid wissenden Menschen, der sich gewissermaßen selbst gefunden h at oder dabei ist, sich zufinden, erhalten Term ini wie Selbstverwiirkli- chung und Selbestbew ußtsein einen konkreten Zugang. Auf diese Weise ist der Term inus „M enschenbild” geeignet, auch von N ichtm arxisten und insbesondere von religiösen Menschen akzeptiert und aufgegriffen zu werden. Die theologische Diskussion zum Menschen, die freilich nicht vom Begriff Menschenbild ausgeth, ist jedoch aufgrund der gei­ stigen Anlage dieses Begriffes imstande, auf ihn einzugehen und in den Dialog m it M arxisten zu treten.

Die m arxistische Menschenbilddiskussion darf daher die Bestrebun­ gen besonders in den Reihen der protestantischen Theologen nicht A ußerachtlassen, den Menschen im Hinblick auf seine sozialen und politischen Dimensionen zu verstehen. A ndererseits ist in den Auffas­ sungen von Theologen erkennber eine Entwicklung zu konstatieren, welche den Menschen als tätiges Wesen in B etracht zieht. Die hierbei notwendige geistige Beurteilung des tätigen, schöpferischen Menschen erfolgt dort w irklichkeitsnah, wo die m arxistische Position des Men­ schenbildes aufgegriffen wird. Im Hinblick der Erarbeitung von gesell­ schaftsbezogenen W ertvorstellungen und O rientierungen erw eisen sich C hristentum und M arxismus auf diese Weise nicht als Gegensätze. Beider theoretische Präm issen gestalten sich im Bew ußtsein von Chri­ sten zu einer m otivierenden H andlungstriebkraft. Das ist bereits in vielfältiger Hinsicht im Friedenskam pf und im Prozeß der G estaltung der entw ickelten sozialistischen Gesellschaft nachgewiesen. Theologen können in der m arxistischen G esellschaftstheorie realitätsbezogene Präm issen fü r die Entwicklung der eigenen U rteilskraft sehen.

Der Mensch als sozial, politisch und geistig-kulturell H andelnder kann freilich auch im Hinblick auf eine mögliche Religionsbezogenheit befragt w erden. In diesem Falle w ird er sich als religiös oder nichtre­ ligiös erweisen. Fraglos ist auch, daß der religiöse Mensch aus seinem christlichen V erständnis seiner Rolle als Mensch A ntriebe fü r sein H andeln ableitet und insofern eine theologische Beschäftigung m it dem Menschenbild sinnvoll ist. Als solche w ird ebenfalls ein Beitrag zur Begründung eines Menschenbildes geleistet. Die m arxistische Philoso­ phie stellt dies in Rechnung, zum al eine speziell theologische Diskussion besten Falls einen G esichtspunkt bei der B etrachtung des Menschen beleuchtet. Das auch seit einiger Zeit von Theologen befürw ortete ganzheitliche, also w esentlich dialektische V erstehen des M enschen er­ fo rd ert außertheologische, das heißt vorzüglich philosophische Gesichts­ punkte geltend zu machen. Philosophische G esichtspunkte können

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jedoch nicht aus der traditionellen Verbindung der Theologie m it der Existenzphilosophie gewonnen werden, sollen sie den Menschen in der sozialistischen Gesellschaft erfassen. Aus der Bewegung dieses W ider­ spruches heraus gerät das m arxistische philosophische Denken heute viel stärk er in die Überlegungen von Theologen. Das Menschenbild von Theologen d ürfte davon in nicht geringem Maße betroffen sein.

Die folgenden A usführungen beziehen sich daher auf den Prozeß protestantisch theologischer Diskussion zum Menschen. In der Hauptsache berühren sie die Problem atik geistiger Gemeinsamkeiten M arxisten — Christen und fundam entaltheologische Tendenzen.

DIE FRAGE NACH DEM MENSCHEN ALS SOZIAL UND POLITISCH HANDELNDER UND DIE FUNDAMENTALTHEOLOGIE

F ür den Christen, aber noch eindringlicher stellt sich heute fü r den theologisch Denkenden die Frage nach den G rundlagen des christlichen Glaubens und nach dem religiösen Selbstverständnis der Christen. Im Rahm en der Suche nach diesbezüglichen A ntw orten lassen sich zwei Linien erkennen, von deren wechselseitiger Beeinflussung eine neue Fundierung des Glaubens erw artet wird: Rückbesinnung auf biblische Aussagen einschließlich deren V erstehen im Blick auf „notwendige” neue Glaubensaussagen — Tendenz zum Erkennen und V erstehen der natürlichen und gesellschaftlichen G rundlagen fü r die Entwicklung des Menschen. Beide Linien fließen im theologischen D enken zur F unda­ m entaltheologie zusammen. Es ist allerdings in diesem Zusam menhang anzum erken, daß diese Fundam entaltheologie nichts gemein h at mit dem U S-am erikanischen Fundam entalism us oder m it den fundam entali­ stischen Bestrebungen der Evangelikalen in der BRD. Die in der pro­ testantischen Theologie eine Rolle spielende Fundam entaltendenz erkennt im Gegensatz zu diesen die R esultate der hum anen Wissenschaften. Im B ew ußtsein von Christen kom m t dies zunehm end zum Ausdruck. Dieses erm öglicht zugleich eine anwachsende Ü bereinstim m ung m it m arxisti­ schen Positionen bezüglich der A ntw orten auf die Fragen nach Wegen bei der E rhaltung der Welt.

Die H erausforderung des Menschen in unserer Gesellschaft erzw ingt selbstbew ußte, vielfältig interessierte und engagierte Persönlichkeiten. Im zunehm enden Maße findet ein w eltanschaulicher Form ierungsprozeß statt, dessen Wesen in der geistigen Gemeinschaft religiöser M itglieder der Gesellschaft m it der w eltanschaulichen, politischen und kulturellen G rundström ung der sozialistischen Gesellschaft besteht. Dies beinhaltet zugleich eine nicht geringe H erausforderung des Theologen, wobei ge­ schichtliche H intergründe unübersehbar sind und im Blick auf den Menschen im Sozialismus Überlegungen provozieren. Seit den Bestre­ bungen der ersten K irchenväter, den christlichen Glauben zu system ati­

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sieren und in ein ih rer Zeit entsprechendes geistiges Konzept einzufügen, gibt es vielzählige Versuche der A ktualisierung der G rundlagen des Glaubens. In diese Versuche ordneten sich Bestrebungen ein, theologische G esichtspunkte m it dem F ortschritt des menschlichen Denkens zu ver­ binden. So haben zum Beispiel Reformation und Humanismus, Franzö­ sische bürgerliche Revolution und die Idee des Sozialismus einschließlich der M enschenrechte, Große Sozialistische O ktoberrevolution und die G estaltung des realen Sozialismus geistige Potenzen entfaltet, die von der jeweils veränderten Stellung des Menschen in der Gesellschaft zeugen.

In diesen Etappen m enschheitlicher Entwicklung brachten Theologen ihr geistiges Potential in den Prozeß der Bildung des Menschen ein. Nicht selten w aren ihre D enkrichtungen beeinflußt durch die geistig — philosophischen Kämpfe und Bewegungen ihrer Zeit. Melanchthon, Schleierm acher und B arth stehen dafür beispielhaft. H eute erh ält die Verbindung von theologischem und philosophischem D enken eine ganz spezielle Dimension: das Selbstverständnis des religiösen Menschen im Blick auf sein H andeln zur Bew ahrung der W elt und zur Entwicklung der sozialen, politischen und geistig — kulturellen Beziehungen als „Kon­ tin u ität der G rundlagen des G laubens” bis zu deren Verständnis heute. Dieses Ziel verfolgen die oben angeführten Denkeinsätze der Fundam en­ taltheologie. Mit D eutlichkeit w ird die Frage nach dem Menschenbild aufgeworfen. Es liegen ja zwischen den biblischen Fundam enten und der G egenw art historische Perioden, in denen der Mensch ein zunehmend entwickeltes Selbstbew ußtsein bildete. Eine A ktualisierung des biblischen Glaubensm aterials ist nicht möglich. Die biblischen Traditionen und Schöpfungsberichte müssen neu verstanden werden. Zwei Aspekte be­ dingen allerdings die Schw ierigkeit der theologischen Zielstellung: die Konzeption vom „Menschen als Geschöpf” und die Auffassung des Men­ schen als Handelnder. Das G rundthem a der Fundam entaltheologie resul­ tie rt aus dem W iderspruch zwischen realer Stellung des Menschen in der W elt wie der Notwendigkeit, eigenverantw ortlich zu w irken und der theologisch verstandenen „Geschöpflichkeit des M enschen” gerecht zu werden. In diese Ü berlegungen fließen auch Diskussionen zur „Selbst­ schöpfungskonzeption des M arxism us” ein und gestalten sich zu erheb­ lichen Problem en sowie zu der letztendlich nicht w eiter verw underlichen Erkenntnis der grundverschiedenen w eltanschaulichen Disposition von M arxismus und Theologie.

Das Nachdenken über die Fundam entaltheologie selbst fü h rt zu H erausforderungen und Denkansätzen wie Schlußfolgerungen bei Theolo­ gen neuer Art. Zu diesen gehören die Beachtung des Spannungsfeldes zwischen Tradition und G egenw art sowie das A ntw ortsuchen auf die Frage nach der Aufgabe von Religion und Theologie heute. Das Be­ schäftigen m it der Fundam entaltheologie steh t daher u nter dem Zeichen

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der gesellschaftlichen Funktion der Theologie überhaupt. Bereits vor über einem Jah rzehn t h atte dies der G reifswalder Theologe H. Bandt in einem Vortrag zum Ausdruck gebracht:

D ie Zeiten haben sich verändert, [...] daß wir folglich auch mehr Verantwortung tragen, daß w ir diese Verantwortung nur gem einsam, in Kooperation, demokra­ tisch, partnerschaftlich wahrnehm en können und daß diese Entwicklung zum Ende der traditionsgelenkten G esellschaft geführt h a t 3.

Zu Ende gekommen sind vor allem D enkkategorien aus der bürger­ lichen Gesellschaft, die verm eintlichen „Traditionen” folgen. Mit der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft bildete sich schrittweise, aber unübersehbar, ein völlig neuartig gestaltetes System des V erhaltens der Menschen heraus. In diesem Sinne ist es richtig, vom neuen Men­ schen zu sprechen, der durchaus traditionsverbunden, jedoch sich nicht m ehr durch traditionelle das heißt überkomm ene ideologische wie religiöse W ertvorstellungen bestimmen läßt. Mit der G estaltung der entw ickelten sozialistischen Gesellschaft haben V erantw ortung, Selbständigkeit in den Entscheidungen, B eherrschbarkeit der sozialen Beziehungen und des Verhältnisses zur N atur eine bisher nicht gekannte Dimension erhalten. Problem e der Religion und der Theologie resultieren u n ter anderem auch aus dieser Dimension, wobei dam it nicht zu sehr die Frage des Absterbens der Religion diskutiert w erden soll, sondern die neuen Bedin­ gungen, u n ter denen die Religion steht.

Aus diesem G runde gestaltet sich die Frage nach den Fundam enten des Glaubens aus der W irklichkeit des Lebens religiöser Bürger heraus. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen w erden diesbezüglich zur W irkung gebracht. Das V erhalten religiöser Menschen kann dem­ zufolge nicht aus der biblischen Tradition abgeleitet werden. Der Mensch m uß den heutigen „Personen, Ereignissen, Dingen, S achverhalten” begeg­ nen und sich durch sie zur H andlung wie zur Erkenntnis bewegen la ssen 4. Das Bild vom Menschen erfäh rt eine deutlich spürbare soziale wie politische Prägung. In diese Bestimmung fügt sich auch der Ver­ such ein, M einungen zur W esensbestimmung des Menschen zu entwickeln. „Der Mensch ist kein M ittel zu einem von ihm verschiedenen Zweck, der Mensch ist sich selbst und in sich selbst die Zwecksetzung” 5. In dem Satz: Zugleich ist der Mensch um seiner selbst w illen auf diese Welt angewiesen, m acht m ehr als n ur die bloße Aussage deutlich. Es geht um die Erkenntnis der Einheit des Menschen m it der Welt, die der Theologe m it dem W orte Vielheit zu erfassen sucht. Das Bewußtm achen

3 H. B a n d t , Zuversicht und Verantwortung, Evangelische Verlagsanstalt,

Berlin 1980, S. 8. 4 Ibid., S. 9.

5 Fundamentaltheologie, vergl. H. F r i e s , St. Benno-Verlag, Leipzig 1985, S. 191.

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dieser „V ielheit” ist dann auch „Erfahrung der Geschöpflichkeit”, die im Erkennen, Tun und H andeln begründet liegt.

Ein anderer A spekt der fundam entaltheologischen Menschenbilddis­ kussion gründet sich auf einem zeitgem äßeren V erstehen von Geschichte. Geschichte w ird als „Geschehen” aufgefaßt, das durch Tun und Entschei­ den des Menschen bew irkt wird, wobei gesellschaftliche, kulturelle und w irtschaftliche Faktoren Berücksichtigung finden. Die Geschichte besitzt nach theologischer A uffassung eine Offenbarungsdimension. Dies ist mit Konsequenzen hinsichtlich der W ertung des V erhaltens des Menschen, ja sogar dessen, was menschlichen V erhalten in der G egenw art ist, ver­ bunden. Es geht hierbei w esentlich um A ntw orten auf die Frage, wie der Mensch in der Geschichte und in der G egenw art das spezifisch Men­ schliche zum tragen bringt.

Das Geschichts- und Menschenbild, welches im Rahmen fundam ental­ theologischer Ü berlegungen diskutiert wird, zielt auf die Begründung eines „O ffenbarungsseins” a b 6. Es w ürde ja nicht theologisch gedacht sein, w enn in solche Überlegungen nicht K ategorien wie „V erfügtheit”, „Endlichkeit”, „F reiheit”, „Gewissen” und schließlich als H auptkategorie Transzendenz verwoben w ären. Im Rahm en einer m arxistischen Analyse sollte jedoch einmal die speziell geistig-weltanschauliche W irkung dieser D enkresultate aufgearbeitet werden. An dieser Stelle ist aber lediglich auf ein Moment der Fundam entaltheologie hinzuweisen: die theologische A nstrengung im Zusam menhang m it der heutigen, besonders fü r unsere Gesellschaft charakteristische W eltbestimmung und Auffassung vom Menschen, die geistig-w eltanschauliche Reflexionen der W irklichkeit darstellen, Ansätze fü r neue Glaubenspositionen zu gewinnen.

EINE ÜBERLEGUNG ZUM MENSCHENBILD UND DEM VERHÄLTNIS ZWISCHEN MARXISTEN UND CHRISTEN

M arxisten und Christen lösen in der sozialistischen Gesellschaft aus gemeinsamen Interesse zusammen alle sozialen, politischen und geistig- -k ulturellen Aufgaben. Auf der G rundlage eines entwicklungsfähigen M enschenbildes, das den Menschen im Hinblick auf seine verschieden­ artigsten individuellen und gesellschaftlichen Lebensverhältnisse w ider­ spiegelt, können die Gemeinsamkeiten von M arxisten und Christen ihre geistige Bew ährung finden.

Das M enschenbild beinhaltet Denkansätze, die in dialektischer Einheit theoretische G esichtspunkte ebenso wie auch praktischgesellschaftliche E rfahrungen auf die Höhe des Begriffs bringen. Dies schließt besonders eine Erkenntnisbeziehung Mensch — Gesellschaft —■ N atur ein, die der m odernen Gesellschaft entspricht. Erkenntniszuw achs und V erm ittlung von Bildung sind zwei Seiten der M enschenbildproblematik. Die m

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stisch philosophische Begründung desselben fö rd ert jedoch auch vor allem die Erkenntnis und die K enntnisnahm e des dialektischen W echselver­ hältnisses von sozialen, politischen wie m oralischen Bedingungen bei der Entwicklung des Selbstbew ußtseins des Menschen. Der Mensch, der in der sozialistischen Gesellschaft eine zentrale Bedeutung erhält, m uß künftig noch in w eit größerem Umfange Gegenstand der gesellschafts­ wissenschaftlichen Forschung w erden als bisher.

Dabei ist das Nachdenken und Forschen zum Begriff „M enschenbild” nicht identisch m it der Philosophie der Person beziehungsweise m it per- sonalistischen Tendenzen. Die m arxistische Zielstellung ist dem personali- stischen Anliegen überlegen, da von vornherein der G efahr der einseiti­ gen Zuspitzung der von gesellschaftlichen Belangen losgelösten Betrach­ tung des Menschen begegnet w ird. Möglicherweise v eran laß t die Einsicht in diese B egrunztheit des Personalism us protestantische Theologen das geistige Angebot des M arxismus aufzugreifen.

Für die protestantische Theologie und in ähnlicher Weise fü r die katholische Theologie ist das Thema „Mensch” unzw eifelhaft von großer Bedeutung.

W eltw eit steht dieses Thema im M ittelpunkt geistiger A useinander­ setzungen. Auf diese Tatsache geht zum Beispiel K arol Woytyła unter anderem m it folgenden W orten ein:

Die ununterbrochene R eflexion über die verschiedenen Richtungen, in die sich die M enschenfam ilie — sowohl unter quantitativen Aspekt, w as ihre Zahl angeht, als auch w as ihre Kultur und Z ivilisation betrifft — m it all ihrer unver­ gleichlichen Dram atik entw ickelt, läßt das dringende Bedürfnis entstehen, die Philosophie der Person zu betreiben 7.

Der P apst en tfaltet in seinem philosophischen H auptw erk w eitrei­ chende G edanken über die G ew ährleistung der W ürde und Rechte der Persönlichkeit. Viele Symptome, die er zur K ennzeichnung des heutigen M enschen und seiner Situation im W eltm aßstab aufführt, entbehren nicht eines tiefen Verständnisses wie auch einer um fassenden Einsicht in die Tiefen der Problem atik der Menschheit. Seine A uffassungen als katholischer Theologe w erden zum Teil von protestantischen Theologen geteilt beziehungsweise auf der eigenen theologischen Basis auch so oder ähnlich form uliert. Die Theologie b rin gt in vielzähligen Beiträgen die Sprache auf existentielle Problem e des M enschen in der modernen Welt. A ndererseits m ündet diese Vielzahl von Denkansätzen und An­ strengungen letztlich in die Sym ptom beschreibung und dringt seltener in die tiefer gelegene Ursachenanalyse ein. Diese ist aber notwendig, um dem zu entgehen, was Woytyła zum A usdruck bringt: „Und doch bleibt der Mensch ständig in irgendeiner Hinsicht das »unbekannte Wesen«,

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ford ert er einen im m er w ieder neuen und noch ausgereifteren Ausdruck dieses Wesens” 8.

Die sozialistische Gesellschaft kann es sich jedoch nicht leisten, den Menschen als „unbekanntes Wesen” hinzunehmen. In der Geschichte des realen Sozialismus ist es stets als existentiell bedeutsam angesehen worden, bei der Entdeckung des menschlichen Wesens w eiter voranzu­ kommen. Dabei spielt die Erkenntnis der dialektisch wechselseitig m itein­ ander verbundenen Aspekte des menschlichen Wesens wie N atürlichkeit, G esellschaftlichkeit und G eistigkeit eine wichtige Rolle.

U nter Berücksichtigung aller gesellschaftlichen Verhältnisse gewinnen F ragen der S tabilität, E ffektivität und H um anität Bedeutung bei der Erschließung des geistigen Wesens ebenso wie bei der Erschließung des natürlichen und sozialen Wesens des Menschen im Sozialismus. Sozialer, politischer und geistiger F o rtschritt w iderspiegeln in hohem Maße die gesellschaftliche A ktivität der M itglieder der Gesellschaft, ihre Motive, O rientierungen und Ziele, S tabilität in den gesellschaftlichen V erhält­ nissen. Dieses begünstigt die E ntfaltung einer optimistischen Geisteshal­ tung, welche unter anderem eine Voraussetzung fü r eine ergebnisreiche E rkenntnistätigkeit auf gesellschaftswissenschaftlichem Gebiet darstellt. In dem Maße, wie diese Ergebnisse den Menschen erkennen helfen, was ja zugleich ihre Bestätigung durch die gesellschaftliche Praxis einschließt, fü h rt das m arxistische D enken die vielfältigsten Ebenen des Nachden­ kens über den Menschen zusammen; daru n ter auch Überlegungen christ­ licher Motivation. Insbesondere das m arxistische philosophische Denken kann in dieser Hinsicht Entw icklungen begünstigen. Protestantische Theologen verstehen daher heute besser als frü h er die Möglichkeiten m arxistischer Erkenntnistätigkeit. U nter anderem auch aus diesem G runde h at in der DDR eine konstruktive Diskussion Aufschwung ge­ nommen, die sich auf die Bew ertung und die Relevanz von Ergebnissen der H um an- und Gesellschaftswissenschaften bezieht. Dieses ist von nicht geringer Bedeutung, da im Prozeß dieser Meinungsbildung H and­ lungsm otivationen ausgebildet werden, um die es ja letztendlich auch im Zusammenhang der E rkenntnis des Menschen geht.

Die von der Sozialistischen E inheitspartei Deutschlands geförderte politisch-m oralische Einheit des ganzen Volkes findet gerade auch darin ihren Ausdruck, wobei geistige G em einsam keiten von M arxisten und Christen eine wichtige Stellung einnehmen.

GEISTIGE GEMEINSAMKEITEN VON MARXISTEN UND PROTESTANTISCHEN THEOLOGEN HINSICHTLICH EINES MENSCHENBILDES

Geistige Gem einsam keiten zwischen M arxisten und Theologen finden sich zuallererst da, wo G rundproblem e der Menschheit auf der

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Ordnung stehen und einer dringenden Lösung harren. Vom C harakter der sozialistischen Gesellschaft her ergibt sich eine Fragestellung nach Gemeinsamkeiten von selbst. Der im M ittelpunkt aller sozialen Bestre­ bungen stehende Mensch, gem eint ist der konkrete im gesellschaftlichen Leben sehr unterschiedlich w irkende Mensch, erfaß t seine gesellschaft­ liche und individuelle Existenz differenziert, entw ickelt sein wirkliches und sein geistiges V erhältnis zur Gesellschaft und eignet sich das Bild vom Menschen in der sozialistischen Gesellschaft w eltanschaulichphilo­ sophisch oder auch religiös-theologisch an.

Es steh t durchaus nicht im Gegensatz zu unserem Verständnis des Menschen und der sozialistichen Gesellschaft, w enn w ir den Gedanken des Teilhard de Chardins aufgreifen, daß der Mensch der Schlüssel zur N atur ist, daß wir, die Menschheit, eine menschliche Energetik kon­ struieren müssen. Nich Perfektion der Technik und Organisation der Forschung allein g estattet die Schaffung einer W elt fü r den Menschen, sondern n u r zugleich im Bedenken der Problem atik des Menschen erlangt der Mensch tatsächlich die H errschaft über sich se lb s t9.

Bei Teilhard versteht es sich von selbst, daß F o rtschritt von Wissen­ schaft heute auch die Religion einbezieht. F ü r ihn ist es heute zu einem Umbruch gekommen im V erhältnis von W issenschaft und Religion. F rü ­ her, so schreibt er, schien der F ortschritt religionsfeindliche Tendenzen zu haben — heute kann die W issenschaft den schöpferischen A ntrieb der Religion nicht en traten — Wissenschaft m uß sich m it Mystik färben und m it Glauben aufladen, will sie zu ihren eigenen Grenzen vorstoßen.

Das, was Teilhard form uliert, ist die Folgerung eines Jesuiten, der allerdings Religion in anderen Dimensionen begreift als allgemein üblich. H ier kommt ein Denken zum Ausdruck, das Religion einbezieht in die Problem atik des Menschen, aber den Religionsbegriff um gestaltet hat.

Diese Gedanken Teilhards sind in der protestantischen Theologie inzwischen allgemein verbreitet, so daß es gerechtfertigt ist, ihn als Initiator der neuerlichen Verbindung von w issenschaftlicher M enschen­ erkenntnis und religiöser Ergriffenheit zu bezeichnen. Das sich auf dieser Grundlage entfaltende Menschenbild äu ß ert sich in sehr differenziert zu bew ertenden Positionen u nter Theologen.

U nter Theologen reift darum auch die Einsicht in die Bedeutung einer wissenschaftlich begründeten Anschauung vom Menschen, freilich bei gleichzeitiger Betonung der religionsbezogenen Sicht auf den Men­ schen. Dabei reaten Fragen in die Diskussion wie die Besonderheiten der individuellen Aneignung der wissenschaftlichen W eltanschauung und ihr Zusam m enw irken m it speziellen E rfahrungen und Erkenntnissen zur

8 Das n atu rwissensch. Denken des P. T. de Chardin, [in:] Teilhard de Chardin in der Diskussion. Wiessenschaftliche Buchgesellschajt, vergl. M. G r u s a f o n t

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sozialen, politischen und geistig-kulturellen Stellung des Menschen. Sol­ cherart Reflexionen konstituieren ein Menschenbild, welches noch un­ genügend analysiert ist. Von Bedeutung ist jedoch, daß auch bei theo­ logisch Denkenden der Anteil m arxistischen Wissens bei der Entwicklung ihres Menschenbildes größer wird.

D aher begibt sich der dies erwägende Theologe in das Spannungsfeld der m arxistischen Erklärung der Welt und des Menschen. Es entstehen bei ihm Probleme, er versucht durch einen entsprechenden Denkeinsatz eine Lösung derselben zu erarbeiten. Und eine „Lösung” diesbezüglich besteht im A ufgreifen der vorgenannten Teilhardschen Konzeption. Wis­ senschaft begründet nicht m ehr den Atheismus, sondern geht über diesen hinaus; das Entscheidende ist die Ausprägung eines Humanismus.

Und hierbei scheint es eine Ä hnlichkeit m it einer M arxschen Form u­ lierung zu geben, da ja der M aterialism us zugleich ein Humanismus sein m uß, gemäß dem der Mensch für den Menschen das höchste Wesen ist. F ür M arx ist das höchste Wesen der Mensch, der sich em anzipiert auch von der Religion. Die Perspektive der Religion ist bei M arx geklärt, sie ist an gesellschaftliche V erhältnisse gebunden, die den Menschen er­ niedrigt, die selbst undurchsichtig sind. Die Verwirklichung einer m en­ schlichen Welt, in der der Mensch w iedergewonnen w erden kann, so Marx, bedeutet die Zurückführung der menschlichen Welt, der Ver­ hältnisse, auf den Menschen selbst. Es gilt, alle V erhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen i s t 10.

Das theologische Bild vom Menschen kann im G runde am w irklichen Menschen, der im mer die W elt des Menschen ist, nicht Vorbeigehen, nicht von ihm abstrahieren. Der Schöpfungsmythos ist Mythos, also Sage, erdichtete Erzählung von G öttern einschließlich Ü berlieferung aus vor­ geschichtlicher Zeit. Darum gilt seine Bedeutung fü r das theologische M enschenbild in dieser Begrenzung. Das darüber hinaus bezieht sich auf das in die W eltkommensein des Menschen wie auch auf seinen Auftrag, auf sein „M andat” die Welt — N atur und sich selbst bew ahren zu sollen.

Das H andeln des Menschen, um diesem M andat zu entsprechen, wird durch die Theologie kaum in A bstraktion von den w irklichen V erhält­ nissen der Gesellschaft, den m ateriellen und geistigen V erhältnissen bestim m t — ist also w esentlich historisch und sozial angelegt. Aus diesem G runde kom m t das Wesen einer Gesellschaft in die theologischen Dispositionen zum Menschen hinein. Das fällt u.a. schon auf, w enn zum gleichen Problem kreis Theologen unseres Landes und Theologen der BRD befragt werden.

So h ält der Theologe M oltmann aus der BRD die A usbeutungsergeb­ nisse, die der Mensch an der N atur vollbracht h a t fü r irreversibel, Hans

10 K. M a r x , Zur K r itik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, [in:] K. M a r x , F. E n g e l s , Gesam tausgabe, Abt. 1, Bd 2, Berlin 1982, S. 170—171.

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Georg Fritzsche, ein Theologe unseres Landes, kom m t zu einer anderen Bewertung. Er form uliert in seinem Lehrbuch der Dogmatik diesen Standpunkt: die entscheidende Frage ist nicht ein absolutes V erhältnis des Menschen zur N atur, sondern das V erhältnis des Menschen zur Ge­ sellschaft und zur N atur sowie das sich Bewußtm achen, daß der Mensch N atur und Gesellschaft in sich rep räsen tiert u .

Zugleich b etrifft dies auch die Frage nach dem F o rtschritt in der Gesellschaft beim Menschen. Der Schöpfungsmythos dient heute u.a. dazu, die Problem atik des F ortschritts zu diskutieren. Der Mythos behindert dies nicht, legt jedoch den Finger auf ein wichtiges Problem: kann der Mensch die entscheidenden Problem e, die er ja verursacht hat, lösen.

Hierbei fällt ebenfalls der qualitative U nterschied zwischen den Gesellschaften auf, in denen Theologen leben und arbeiten. In der b ü r­ gerlichen Gesellschaft ist das eingangs behauptete Spannungsfeld zwi­ schen Theologie und Philosophie durch spätbürgerlich-philosophisches Denken geprägt. In unserem Land tritt zunehm end bei Theologen an die Stelle der Aufnahm e spätbürgerlich-philosophischen Denkens ein Denken, das als postidealistische Realismus bezeichnet wird. Ich möchte in folgenden Bem erkungen auf einen inhaltlichen Aspekt diesbezüglich eingehen.

Eingangs h atte ich kurz die Selbstschöpfung des Menschen hervor­ gehoben, die eine M arxsche Position ist.

Theologen, die F ortschritt und Aufstieg des Menschen mitbedenken und zugleich die Schöpfungsauffassung nicht im Gegensatz zur Evolu­ tion begreifen, suchen nach geistigen B erührungspunkten m it der Marx- schen Theorie. Die Schw ierigkeit besteht im Nachvollzug der Konsequenz der M arxschen A uffassung vom Menschen in bezug auf Religion. Der M arxsche Humanism us folgt aus dem Atheism us und ist irreligiös. Wenn w ir uns erinnern, im K apital heiß t es:

Der religiöse W iderschein der w irklichen Welt kann überhaupt nur ver­ schwinden, sobald die V erhältnisse des praktischen W erkeltagslebens den Menschen tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur dar­ stellen 12.

M arx en tw irft m it diesem Bem erken nicht zuallererst die K ritik der Religion, sondern eine K ritik der tatsächlichen V erhältnisse und dann derjenigen der m ehr oder w eniger richtigen oder verzerrten W iderspie­ gelung im Bewußtsein. F ür den Theologen w irft sich in diesem Zusam­ m enhang eine Frage auf: h at die Religion in der sozialistischen Gesell­ schaft, die ja keine bedrückenden V erhältnisse zuläßt, eine Perspektive — 11 H. G. F r i t z s c h e , Lehrbuch der Dogmatik, Teil I, Evangelische V er­ lagsanstalt, Berlin 1982, S. 9 ff.

12 К M a r x , Das Kapital, [in:] K. M a r x , F. E n g e l s , Gesamtausgabe,

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Positionen zur Problem atik Menschenbild.., 89

w ird sie nicht bleiben können auf neue Weise, anders als Marx es vor­ hergesagt. P aß t Religion nicht doch in das M arxsche Konzept vom Men­ schen, da ja letztlich nicht der Atheism us Ergebnis des M arxschen Den­ kens ist, sondern der Humanismus.

Die G rundlage fü r das V erstehen und Tollerieren von Religon in heutiger Zeit w äre sowohl der M arxsche Humanismus als auch der schöpfungstheologisch begründete christliche Humanismus. Gewisser­ m aßen die geistige V erbindung zwischen beiden sei aus der gedanklichen Konsequenz der Hegelschen Religionsschriften, die ein neues Verständnis des Menschen und seiner Religion eröffnen, zu entnehmen.

Theologen, die diesen Weg in ihren Überlegungen eingeschlagen haben (Falcke, H.-G. Fritzsche), lassen aber durchaus nicht die letztendliche U nvereinbarkeit von weltbezogenem E ntw urf des M arxismus und der eschatologischen Hoffnung der C hristen A ußeracht — halten die M arx­ sche Religionsbestimmung fü r historisch berechtigt, fü r die G egenwart aber diskussionswürdig.

Ihre Diskussion geht in folgende Richtung: M arx habe das Phänomen der Religion nie eigens analysiert, sondern von vornherein auf ökono­ mische und politische Funktionen reduziert. Die Aufhebung der religiösen Entfrem dung ist nicht identisch m it der Aufhebung der Religion selbst. Religon bekom m t einen anderen S tellenw ert außerhalb der sozialen und politischen Zwecksetzung. Mit der in der sozialistischen Gesellschaft sich vollziehenden V erwirklichung neuer auf den Menschen bezogener V erhältnisse erhält die Religion eine neue Dimension. Diese sei nur zu verstehen, w enn vom Menschen in ganzheitlicher Weise ausgegangen werde. G anzheitlichkeit in diesem Sinne bezieht geistige B erührungs­ punkte zur m arxistischen A uffassung ein. Ein Aspekt bei der Suche nach B erührungspunkten besteht in der Rezeption der Hegelschen Religions­ schriften. Der Gedanke, daß Hegels Denken w irkungsgeschichtlich in den M arxismus führte, beinhaltet die Position von der bei Hegel vor­ geprägten Atheism usauffassung, die bei M arx ausreift, allerdings noch nicht vollständig ausgeschöpfte Momente bezüglich der Religionsbestim­ mung enthält. Hegel sprach eine Tendenz seiner Zeit richtig aus, der- zufolge sich der Mensch auf neue Weise selbst findet. Diese Tendenz sei der Atheismus, die fü r Hegel die Tiefenström ung des neuzeitlichen Den­ kens war. Den G edanken von L uther „G ott selbst ist to t” griff Hegel ebenso wie vor ihm Pascal und J. Paul auf und leitete zu einer neuen Bestimmung der Religion über 13.

Hegel verw andelte die W elt in Philosophie — ebenso die Religion. 13 G. F. W. H e g e 1, Glauben und Wissen oder die Reflexionsphilosophie der

Subjektivität..., [in:] Kritisches Journal der Philosophie, Verlag Philip Reclam

1981, S. 1981 ff; Phänomenologie des Geistes, Akadem ie—Verlag, Berlin 1967, S. 521 ff; Die Religionen der Geistigen Individualität (Vorlesungen über die Philoso­

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Religion ist bei ihm nicht m ehr Ausdruck des Gebundenseins des Men­ schen an Gott. Bei Schleierm acher w ar dies noch der Fall. Religion wird bei Hegel als Bedürfnis des Menschen verstanden, sich von „G ott” zu befreien. Insofern schafft der Mensch seine Religion. Religion spiegelt den Menschen wider. „G ott” h at die W urzel im Menschen selbst — nicht in sich s e lb s t14. Der Religionsbegriff beinhaltet darum zuallererst den Begriff des Menschen. Insofern bestim m t Hegel die Religion als das Wissen des Geistes von sich selbst.

Hegel bietet außerdem noch einen w eiteren Aspekt. In ihm findet das Bestreben der klassischen deutschen Philosophie, die der gesamten abendländischen K u ltu r zugrunde liegenden „G eistform ” des Christen­ tum s m it der philosophischen E rkenntnis der Dinge zu versöhnen, seinen Höhepunkt. V ernunft und die G eschichtsw ahrheiten schließt er zur Einheit zusammen. Das, was sich in der Geschichte begibt und das, was aus der V ernunftsw ahrheit fließt, kommen beide aus derselben Quelle der ewigen V ernunft, aus dem absoluten Geist. Entscheidend ist jedoch: Hegel versuchte in seinen Religionsschriften das V ernünftige des Chri­ stentum s darzulegen und zwar m it der dialektischen Methode. Das Chri­ stentum w ird als Phase der Geschichte verstanden, die eine begrenzte Dauer hat.

Das Entscheidende fü r Theologen ist allerdings m ehr die Hegelsche Feststellung, daß Religion dem Menschen als A ntrieb zum gesellschaft­ lichen H andeln dient.

Hans-Georg Fritzsche diskutiert in seinem Lehrbuch der Dogmatik, ob K irche auch in der G egenw art in ihre gesellschaftliche Umwelt v er­ quickt ist und für die Zukunft V erantw ortung fü r sie trägt. Eine Folge dessen wäre, daß Theologie auch als „Kritische Theorie” an der Gesell­ schaft zu verstehen sei. Dies trifft sich m it der Frage, inwieweit Theo­ logie in die Gesellschaftswissenschaft hineinreichen soll.

Es ist nicht von ungefähr, w enn diese Frage als eine ernste Identi­ tätskrise der Theologie w eiter diskutiert wird. In dieser Frage w urzelt die kritische Auseinandersetzung um ein theologisches Menschenbild, das in der sozialistischen Gesellschaft Gesellschaftsbezogenheit in hohem Maße aufw eisen muß.

Das Menschenbild des Theologen gibt es sicher nicht. Es ist zum großen Teil inhaltlich bestim m t durch die in der Gesellschaft, im gesell­ schaftlichen Bew ußtsein enthaltene, geprägte A uffassung vom Menschen abhängig. Freilich findet es seine Ergänzung durch die letzte Frage und die Frage nach dem G laubensgrund. Dennoch stellt sich der Theologe auf den Boden einer wissenschaftlich begründeten A uffassung vom Men­ schen. Er sucht die Nähe der M arxschen Theorie. Hinzu kom m t die Erfahrung hinsichtlich der Stellung des Menschen in der Gesellschaft.

14 Begriff der Religion, vergl. G. F. H e g e l , Verlag von F elix Meiner, Leipzig 1925, S. 51 ff.

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Positionen zur Problematik Menschenbild.. 91

Aus diesem G runde m uß sich zwangsläufig die Frage nach dem Ver­ hältnis der Theologie zur W irklichkeit bei der Beurteilung des Men­ schen aufw erfen. Fritzsche sagt dazu:

N icht daß sich die Theologie dem anpassen müßte, was die profanen W issen­ schaften, besonders die Philosophie, sagen. Aber etw as mehr Sorge darum, ob das, w as christliche Ethik fordert, wirklich lebenssichernd und vernünftig ist [...] oder etw as mehr Betroffenheit, w enn das w issenschaftliche W eltbild zu völlig andersartigen A ussagen kommt als christliche Dogmatik [...] möchte man heute doch w ieder in stärkerem Maße von der Theologie verlangen 15.

Die Theologie sieht sich herausgefordert, nicht ihr Besonderes, die Frage nach Gott, zum alleinigen M aßstab der Ü berlegungen zu machen.

Die Theologie, so Fritzsche, hat doch die Frage nach dem Menschen gemeinsam m it den Humanwissenschaften.

Das Besondere eines christlichen Bildes vom Menschen ist doch nur dann zu realisieren, w enn das zugrunde gelegt, einbezogen wird, was nichttheologische W issenschaften über den Menschen erforschen. K onkret heißt das, Anschluß suchen und finden zu allen Disziplinen, die die Frage nach dem Menschen aufwerfen.

Geistige Gemeinsamkeiten finden sich im Ensemble der H umanwis­ senschaften, in das die Theologie sich hineingezogen fühlt. Beispiele eines sinnvollen Zusam m enw irkens aufgrund gemeinsamer geistiger Inte­ ressen gibt es (Luther—M üntzer—Ehrung). „Gibt es im Denken der anderen H um anw issenschaften den Theologen, w enn nicht Bestätigendes, so doch ihn E rm unterndes?” 16 Das E rm unternde fü r Theologen liegt z.B. im Gegenstand der von ihnen angesprochenen Humandisziplinen. Es ist daher fü r eine m arxistische Analyse nicht uninteressant, auf welche Weise Gemeinsamkeiten m it der Theologie entdeckt w erden und welche Rolle diese fü r das theologische M enschenbild spielen.

Folgende W issenschaftsdisziplinen sind direkt anvisiert: Psychologie, Medizin, Rechtswissenschaft, Anthropologie, Archäologie, L iteraturw is­ senschaft, Geschichtswissenschaft, Soziologie und Biologie.

Aus der G esam theit der Gegenstände dieser Disziplinen folgt ein Bild vom Menschen, dessen sozial-ökonomische wie politische und geistig- - kulturelle Disziplin nicht übersehen w erden kann. Der Theologe gibt sich freilich m it diesem Menschenbild nicht zufrieden. Aus seiner Sicht ist es durchaus G rundlage und geistige Voraussetzung zur Erfassung des Menschen in der sozialistischen Gesellschaft. Ganzheitlich w ird ihm dieses Bild vom Menschen nur, w enn zugleich der Begriff der G otte­ benbildlichkeit in allen Überlegungen aufgenom men wird. Die m arxi­ stische E rkenntnistätigkeit diesbezüglich bekom m t dadurch zwangsläufig eine Dimension, die nicht unterschätzt w erden darf —- geht es doch

15 H. G. F r i t z s c h e , op. cit., S. 54. 16 Ibid., S. 55.

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nicht n u r um ein B eurteilen des Menschen — est geht doch hauptsäch­ lich um Meinungsbildung, um M otivationsausprägung bei vielen Men­ schen, die ihre induviduellen H andlungen prägen können. So folgt zum Beispiel aus der Form el Ebenbild Gottes die Position, daß der Mensch eine bestim m te geistige V orgeprägtheit besitzt, die die Gesellschaft und die Erziehung respektieren müssen, um das Gewissen des Menschen rein zu halten.

Die politische H altung des Theologen w ird hierbei maßgeblich die W irkung beeinflussen, die er im Sinne der sozialistischen Gesellschaft durch seine Tätigkeit erzielt oder nicht erzielt. Gerade auch die Frage nach der Innerw eltlichkeit des Menschen, die der Theologe e rö rte rt und die ganz realen G efährdungen dieser Innenw elt des Menschen, die ihm zum Dämon w erden kann, ist eine unsere Gesellschaft betreffende Frage. Sie w eist aber doch auf unsere Möglichkeiten hin, Erkrankungen im psychischen Bereich zu verhindern.

Geistige Gem einsam keiten zwischen M arxisten und Theologen w ürde ich besser als geistige Beziehungen charakterisieren, die den Bereich des M enschen in der Gesellschaft betreffen. Diese Beziehungen sind in den gesellschaftlichen V erhältnissen unserer Gesellschaft enthalten — sie entsprechen dem Sozialismus. Ihre Q ualität, ihre letztendliche soziale und politische Q ualität sind der V eränderung unterw orfen. Dieses muß aber die gesellschaftswissenschaftliche Forschung zum Menschenbild im Auge behalten.

Heutige Tendenzen der protestantischen Theologie fundam ental­ theologische G eschichtspunkte stark er zu akzentuieren haben nichts m it dem w issenschaftsfeindlichen und inhum anen Fundam entalism us wie er in den USA oder bei den Evangelikalen in der BRD praktiziert w ird zutun.

MIEJSCE PROBLEMATYKI OSOBOWOŚCI LUDZKIEJ

W SPOŁECZEŃSTWIE SOCJALISTYCZNYM I TEOLOGII PROTESTANCKIEJ

(Streszczenie)

Charakter i rozwój stosunków społecznych w socjalizm ie kształtowane są przez duchową atm osferę, która stanow i pomost m iędzy różnym i zasadniczym i stano­ w iskam i św iatopoglądow ym i oraz rozstrzyga, jak jest m ożliw e w spólne dobro w warunkach istnienia różnorodnych interesów. M arksistowska koncepcja osobo­ w ości ludzkiej artykułuje takie w spólne interesy m arksistów i chrześcijan, w yk a­ zując jednocześnie z całą mocą, że społeczeństw o socjalistyczne jest areną prze­ obrażania się stosunków m iędzyludzkich. Teolodzy protestanccy odzwierciedlają ten fakt w swych rozważaniach na tem at człowieka. Wzrost zainteresowań tą problem atyką jest widoczny w pracach teologicznych. Za pomocą pojęcia „oso­ bowość ludzka” dokonuje się rozpoznania duchowej istoty socjalizmu.

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