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Die prinzipiellen und die zielbezogenen Haltungen in der polnischen Gesellschaft : Fakten, Trends, Perspektiven

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Janusz Mariański

Die prinzipiellen und die

zielbezogenen Haltungen in der

polnischen Gesellschaft : Fakten,

Trends, Perspektiven

Collectanea Theologica 54/Fasciculus specialis, 65-95

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C ollectanea T heologica 54 (1984) fasc. specialis

JANUSZ MARIAŃSKI, PŁOCK-LUBLIN

DIE PRINZIPIELLEN UND DIE ZIELBEZOGENEN HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT

Fakten, Trends, Perspektiven

In der Zeit der stürm ischen gesellschaftlich-kulturellen W and­ lungen ist das Erleben und H andeln der Individuen w eniger von in ­ stitutionalisierten W ertsystem en und traditionellen Identifikationen bestimmt, m ehr sind sie durch „situative Bedingtheiten" und kon­ krete, mit veränderlichen V erhaltensm ustern verbundene A ufforde­ rungen m otiviert. Der in der Periode mit stark en gesellschaftlichen Erschütterungen lebende M ensch erfäh rt die Spannungen zwischen „situativen Im pulsen" und der durch die stabilisierten Institutionen repräsentierten Tradition. Das W ahrnehm en und Erleben von viel­ artigen inneren und äusseren W idersprüchen schw ächt den Einfluss von erlern ten V erhaltensm ustern wie auch von internalisierten W ertsystem en1.

N eue Situationen, in denen sich das Individuum befindet, erfo r­ dern die Rückkehr zum „Lagerhaus" der entw ickelten und in der Gesellschaft fixierten V erhaltensw eisen und Modelle, die zur Lösung der vor dem Individuum stehenden A ufgaben nützlich sind, oder sie erfordern das selbständige Finden in der W ahl des richtigen W eges anhand der voraussichtlichen nahen und w eiteren Konse­ quenzen der unternom m enen H andlungen. Die getroffenen Lebens­ entscheidungen stützen sich auf allgem eine Prinzipien oder auf kon­ krete, den bestim m ten Situationen angepasste Regeln, w ie Erfolg, persönlicher N utzen, Bequem lichkeit usw.

An die zwei oben beschriebenen realen Lebenssituationen knüpft die Konzeption der prinzipiellen und der zielbezogenen Ein­ stellungen an. Sie w urde in der polnischen soziologischen Literatur von A. Podgórecki und seinen M itarbeitern, in bezug auf die frühe­ ren theoretischen V orschläge von L. Petrażycki veröffentlicht. Das Institut für M einungsforschung des Polnischen Rundfunks und F ern ­ sehens führte in den 60er und 70er Jah ren em pirische Sondierungen durch. Sie erlaubten die Reichweite der prinzipiellen und zielbezo­ genen H altungen in der polnischen Gesellschaft festzustellen. Die ausführlichen U ntersuchungen, die in den verschiedenen Schichten der polnischen Gesellschaft durchgeführt w urden, ergänzten das Gesamtbild der prinzipiellen und der zielbezogenen H altungen der Polen.

1 L. R o s e n m a y r , Jugend, Stuttgart 1976, 172.

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Auf der gegenw ärtigen Etappe der soziologischen Forschungen ist est möglich, einen synthetischen Ü berblick über die bisherigen Ergebnisse auf diesem G ebiet zu bekommen. Dieses Ziel stellt sich der A utor im folgenden A rtikel. Das ist — dies v ersteh t sich von selbst — nur eine von vielen m öglichen A rten der synthetischen D arstellung des bisherigen U ntersuchungsm aterials. Es w urden all die A spekte der bisherigen Ergebnisse zusam m engestellt, die direkt mit dem form ulierten Thema verbunden sind. Es w erden die A rbeiten berücksichtigt, die R esultate der em pirischen U ntersuchungen en t­ halten. Im allgem einen verzichten w ir auf das A nführen von Daten, die die prinzipiellen und die zielbezogenen H altungen n ur indirekt betreffen.

Die Zusam m enstellung der U ntersuchungen von einem A b­ schnitt der m oralischen W irklichkeit in der polnischen Gesellschaft ist besonders jetzt von grosser Bedeutung — in der Zeit der allge­ m einen nationalen D iskussion zum Them a des M oralbildes der ganzen G esellschaft, der einzelnen V olksschichten, K lassen und ge­ sellschaftlichen K ategorien, in der Zeit, wo sich die M einungen von der tiefen und breiten D em oralisierung oder von dem M oralindiffe­ rentism us m it den M einungen über das Behalten der m oralischen „G rundsubstanz" des Volkes, über seine grosse Em pfindlichkeit und m oralische U nruhe verm ischen. Die prinzipiellen und die zielbezo­ genen H altungen stellen eine der W eisungen für das sittliche Erbe des ko n k reten Volkes dar.

1. Begriff der sittlichen "Grundsätzlichkeit" und "Zielbezogenheit"

Die prinzipielle H altung w ird in der polnischen soziologischen Literatur als „direkte A nnahm e oder A blehnung einer Regel, die ein eingebildetes oder natürliches V erhalten betrifft", bezeichnet; in der zielbezogenen H altung dagegen, auch instrum ental genannt, „ist die A nnahm e oder A blehnung eines eingebildeten oder n atü r­ lichen V erhaltens von der spezifischen Ü berlegung, von der K alku­ lation verschiedener m öglicher V erhaltensvarianten und von der Effektbew ertung abhängig"2.

Das Bevorzugen des prinzipiellen Lebensstils drückt sich in der A nnahm e und Beachtung d er Regeln und N orm en derselben mit spontaner, m ehr oder w eniger autom atischer, m anchm al kritikloser A nerkennung aus. Die sittliche „G rundsätzlichkeit" setzt einen ho­ hen Internalisationsgrad der N orm en, A nerkennung ihres k atego­

* A. P o d g ó r e c k i , P osta w a za sadnic za a p o s t a w a ce lo w o ś c i o w a (Die prinzipielle und die zielb ezogen e Haltung), in: A. P o d g ó r e c k i , J. K u r ­ c z e w s k i , J. K w a ś n i e w s k i , M. Ł o ś , P o g lą d y s p o łe c ze ń stw a p o ls k ie g o

na moraln ość i prawo. W y b r a n e p r o b l e m y (Die A nsichten der polnischen G esell­

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DIE HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT 67

rischen und objektiven C harakters, A npassung des tatsächlichen V erhaltens an die M oralnorm en und nicht der N orm en an das V er­ halten voraus. Zielbezogene Lebensweise offenbart sich in der K al­ kulation der Effekte bei der R ealisierung eines Prinzips und der mit diesem Prinzip ko nkurrierenden Prinzipien (Berechnung von V erlu­ sten und Nutzen). Sie verbindet sich mit der pragm atischen Ein­ stellung zu den M oralprinzipien und der Ü berlegung verschiedener m öglicher A lternativen des V erhaltens seitens der Effekte, die das gew ählte H andeln mit sich bringt. Sie setzt die Bereitschaft der Ü berlegung von bisherigen M orallösungen und das Suchen nach neuen M assstäben, die dem w irklichen gegenw ärtigen Lebensstan­ dard entsprechen, voraus.

A nhand der angeführten Definition „wird die prinzipielle H al­ tung als diejenige verstanden, die in einer Situation, die eine neue Einstellung zu neuen U m ständen, Konflikten, R ollenänderung usw. verlangt, auf gew isse allgem eine und verbindliche Prinzipien bezo­ gen ist. Ein Individuum, das diese A rt v o n H altung bevorzugt, w ird in einer un erw arteten Situation, für die es über keine direkten M assstäbe, M uster und Lösungen verfügt, immer konsequent eine allgem eine Regel suchen, eine Regel, die es gut kennt und nach der es sich in d er bestim m ten Situation richten könnte. Ein Individuum mit instrum entaler H altung w ird in einer neuen, schw ierigen und unerw arteten Situation zu solcher B etrachtung neigen, die ihm er­ laubt, das erw orbene W issen anzuw enden: w elche Folgen diese oder eine andere V erh altensvariante haben w ird und w elche V arian ­ te sich als nützlich erw eist"3.

Die prinzipielle H altung, die besonders in den stabilisierten gesellschaftlichen S trukturen ih ren Platz findet, ch arakterisiert die M enschen, die bestim m te M uster, W erte und V erhaltensnorm en für tatsächlich unveränderlich halten. Sie zeigen die N eigung zum di­ rekten Reagieren auf neue Situationen mit Hilfe d er fertigen P rin­ zipien. Sie w eisen die Tendenz auf, ihrem eigenen norm ativen Sy­ stem absolute Gültigkeit zuzuschreiben. Es gibt auch M enschen, die an Stabilität und U nveränderlichkeit der ein für allemal gegebenen sittlichen Ideale glauben. Die existierenden D ivergenzen zwischen der W elt der Idealnorm en und der W elt der w irklichen M oral b e ­ trach ten sie in K ategorien der „Demoralisierung".

Die prinzipielle H altung näh ert sich dem von L. Kołakowski angew andten Begriff „gesetzgebender M oralhaltung". Er sieht in einem bestim m ten W ertsystem und G ebotskatalog eine Q uelle für die Lösung aller Lebenssituationen und auch ein sicheres A syl für ein sittlich gutes Leben4. Ein M ensch m it der K odexm entalität beruft sich bei der Lösung von K onfliktsituationen und m oralischen

Dilem-® A. P o d g ó r e c k i , Pojęci a etyczn e i ży cie sp ołeczn e. E tyka globalna (Die ethischen Begriffe und das g esellsch aftlich e Leben. Globale Ethik), Zdrowie P sychiczne 15(1974) Nr. 3— 4, 47— 48.

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m ata auf den G ebotskatalog, der alle m öglichen und fertigen Lösun­ gen, die in jeder Lebenssituation mit E ntscheidungscharakter ange­ w andt w erden können, voraussieht. Die anerkannte „K odexethik" blockiert und m acht in vielen F ällen die Selbständigkeit der D enk­ w eise in M oralfragen zugunsten der adaptativen Einstellung starr. Die zielbezogene (teleologische) H altung geht v on der Ü berzeu­ gung aus, dass die Stabilität der angenom m enen Prinzipien relativ ist und durch bestim m te gesellschaftlich-kulturelle Bedingungen v eru rsach t wird. In der W irklichkeit gibt es keine Chance, dass die M enschen „immer und ü b erall” ihr V erhalten den allgem einen N o r­ m en anpassen. Diese A ufforderung führt zur ständigen Divergenz zw ischen den M oralnorm en und dem tatsächlichen H andeln. Dieser K onzeption nach haben die M enschen das Recht auf die freie W ahl der N orm en und Prinzipien, auf die W ahl einer von vielen A ltern a­ tiven, die gegensätzliche W erte realisieren (M oralpluralismus). Die A ufgeschlossenheit für neue gesellschaftlich-kulturelle Situationen bew irkt die Tatsache, dass sich die zielbezogene H altung oft mit der Tendenz zur R elativisierung der V erhaltensnorm en verbindet, sie m acht also die positive oder negative Bew ertung von ko n k reten Le­ bensum ständen (äussere oder innere) abhängig, in extrem en Fällen dagegen verbindet sie sich mit der A blehnung jedes ethischen Stan­ dards, der von den M enschen akzeptiert w erden sollte.

In K onfliktsituationen oder in solchen, die u n erw artet scheinen (Situationen ohne Präzedenzfälle), sucht m an keine Prinzipien, die grundsätzlich eine Lösung entscheiden, sondern m an erw ägt in jedem Fall die Situationen in ih ren Folgen, w elche das bestimmte Prinzip und seine A nw endung m it sich bringen. Die m oralische W ahl ist mehr oder w eniger eine einfache Funktion der äusseren Si­ tuationen und auch der „K osten”, die ein Individuum tragen w ird als K onsequenz einer bestim m ten Entscheidung. In den Fragen, w as gut und w as böse sei, verm eidet m an die apriorischen von oben g e­ forderten Lösungen, V ereinheitlichungen, M uster bei gleichzeitigem F esthalten an der ständigen Bereitschaft zur K orrektur der ange­ nom m enen Lösungen. Ein Zustand der „M oralhom öostase" w ird mit Hilfe der situationsbedingten G ebote beim Festhalten an der in M o­ ralfragen pragm atischen H altung und mit gelegentlichen Reaktionen auf laufende Situationen w iederhergestellt.

Zw ischen der extrem en zielbezogenen H altung und der p rin ­ zipiellen H altung existiert noch eine ganze Reihe von Zw ischenfor­ men. Sie charak terisieren sich durch die unterschiedliche Bewusst­ seinsintensität der N orm en und Im perative „man m uss" w ie auch durch die situativen B edingungen der Entscheidung in den M oral­ fragen. In den „Zw ischenhaltungen" (Kompromisshaltungen)

vermi-‘ L. K o ł a k o w s k i , Kultura i f e t y s z e . Zbiór r o z p ra w (Kultur und Fetische. Sam m lung von A bhandlungen), W arszaw a 1967, 184— 185.

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sehen sich die U nterschiede zw ischen dem, was „man m uss1' und dem, w as „man kann". Das geschieht w egen M angels an eindeuti­ gen und ganz angenom m enen Feststellungen. Sie verm ischen sich, verschw inden aber nicht. Auf G rund der allgem einen W ertepflicht w erden die N orm en und Prinzipien nie gänzlich verw orfen, sondern in jed er ko n kreten Situation modifiziert oder zeitw eise irgendw ie in ihrem Recht aufgehoben. Die U rsachen von einem solchen K ompro­ miss stecken nicht nur im Bewusstsein, sondern auch in den ge­ sellschaftlich-kulturellen Bedingungen, in den U m ständen und Kon­ fliktsituationen, in w elchen die M enschen tätig sind. Dieser Stellung­ nahm e nach sind die M oralprinzipien verbindlich, sie sollen aber zu einzelnen Situationen „relativiert" sein5.

Der volle M oralrelativism us zeichnet sich nur in den extrem en Formen der zielbezogenen H altungen, die eine M oralpersönlichkeit auflösen, ab. Die prinzipiellen H altungen w ie auch die zielbezogenen H altungen können in den einzelnen Sektoren der m enschlichen P er­ sönlichkeit auftreten, sie können bestim m te K onfigurationen bilden, sie können sich auch in der gänzlich verallgem einerten Form der instrum entalen Persönlichkeit fixieren6. Ein Individuum , das auf einem Sachgebiet den instrum entalen Denk- und V erhaltensstil bestätigt, sei es sogar extrem pragm atisch, kann in anderen Dingen zur prinzipiellen H altung neigen. Da auf dem G ebiet des Denkens und Tuns des M enschen eine allgem eine Entwicklungsrichtung zur Integration existiert, haben die zielbezogenen H altungen oder die prinzipiellen H altungen eine Tendenz zur V erbreitung auf das Ge­ sam tleben des M enschen, sie entfalten sich also von der M onosphä-

rität (A uftreten in einer engen und begrenzten Sphäre des Bew usst­ seins und des V erhaltens) zur P olysphärität (A uftreten in vielen Lebensbereichen).

Es soll noch erläu tert w erden: in der Soziologie der M oral w er­ den die prinzipiellen und die zielbezogenen H altungen nicht ein­ deutig mit einer bestim m ten M oralkategorie identifiziert, die ersten mit der positiven M oralhaltung, die anderen mit der unm oralischen Haltung. Auf der Ebene der landläufigen Intuitionen existiert die

5 Der M arxismus betrachtet die M oralw erte nicht als „Ziel in sich selbst, sie sind für ihn vor allem instrum entale W erte und M ittel. Der M ensch ist nicht für die M oral, sondern die M oral ist für den M enschen da, sie soll also einer Bil­ dung des gesellsch aftlich en Lebens dienen, dass in ihm der G em eingeist herrsche und so einer Gestaltung des Lebens des Individuum s, dass es in ihm v o lle Freude geniesse". M. F r i t z h a n d , W a r to śc i a f a k t y (W erte und Fakten), W arszaw a 1982, 140.

6 A. P o d g ó r e c k i , C ało ściow a analiza sp o ł e c z e ń s t w a pols kie go. Socjolo­

g ic z n y punkt w id z e n i a (Die G esam tanalyse der polnischen G esellschaft. S oziolo­

gisch e G esichtspunkte), in: Kultura po ls k a a s o c j a li s ty c z n y s y s t e m warto ści. Re­

f er a ty w y g ł o s z o n e na sesji n a u k o w e j (Polnische Kultur und sozialistisch es W ert­

system . Referate von der w issen sch aftlich en Sitzung), hrsg. v. B. S u c h o d o l ­ s k i , W arszaw a 1977, 451.

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Tendenz zum V erbinden der prinzipiellen H altung, w elche die F or­ derung der überpersönlichen Selbstlosigkeit realisiert, m it dem sittlich Guten. Die zielbezogene H altung dagegen verbindet man aufgrund ih rer Zusam m enhänge mit der Realisierung der eigenen In teressen mit dem sittlich Bösen.

Die Konzeption „Zielbezogenheit—G rundsätzlichkeit” dient den Soziologen zum Beschreiben und zur C harakterisierung der H and­ lungen, die sich auf „Prinzipien" oder „Situationen" richten. Die prinzipiellen und die zielbezogenen H altungen können mit dem m o­ ralisch G uten und dem m oralisch Bösen verbunden sein, sie können auch eine gute Sache betreffen, sie können aber auch dazu führen, sich für eine tadelnsw erte Sache zu engagieren, daher hängt der mo­ ralische W ert der eingenom m enen H altungen nicht so sehr davon ab, ob der M ensch fähig ist, den Prinzipien und Situationen treu zu sein, sondern davon, w elche Prinzipien und Situationen dies sind. Vom G esichtspunkt der Soziologie aus haben die beiden H altungsty­ pen einen n eutralen oder form alen C harakter, das heisst, sie sind „an sich selbst" w eder gut noch böse, ü b e r ihre positive oder negative M oralqualität entscheidet das, was sie ko nk ret betreffen. W enn sie sich auf ein negatives M oralprinzip stützen, sind sie in den K ate­ gorien des m oralisch Bösen enthalten, w enn sie mit dem m oralisch G uten verbunden sind, realisieren sie das Gute. In der m oralischen Bew ertung beider H altungen soll man die qualitative „Zubestim- m ung" berücksichtigen7.

M an muss also zugestehen: die zielbezogenen H altungen können ethisch gut (positiv) oder ethisch böse (negativ) sein, es existiert aber in diesem Typ der H altungen mit Rücksicht auf ihre V erw andt­ schaft mit dem M oralrelativism us eine grössere Gefahr als in den prinzipiellen H altungen, da sie von dem ethischen Ideal abw ei­ chen. A. Jaw łow ska und B. G otow ski haben recht, w enn sie schrei­ ben, „die Grenze zw ischen der M oralelastizität, die sich zum Ziel ein leistungsfähiges H andeln setzt und der M oralelastizität, die schon Zynismus ist, scheint fliessend zu sein"8.

Vom gesellschaftlichen G esichtspunkt aus haben die prinzipiel­ len und die zielbezogenen H altungen in einem gew issen G rade auch einen am bivalenten C harakter. Die zielbezogene H altung muss nicht immer negativ bew ertet w erden. Als ein A usw eg aus einer ungün­ stigen Situation — vom gesellschaftlichen Blickpunkt aus — h at sie positive Zeichen, sie kann zum „A usw egeversuch" aus der guten in eine noch bessere Situation w erden (N euerungstendenzen). Die p rin ­ zipielle H altung kann sich trotz der Sym pathie erregender Zeichen in gew issen Fällen mit der konserv ativen Ideologie verbinden, sie

7 J. T i s c h n e r , M y ś le n ie w e d łu g w artoś ci (Das D enken nach den W er­ ten), Krakow 1982, 376.

8 M ło d zie ż w proces ie prz emia n (Die Jugend im W andlungsprozess), hrsg. v. A. J a w ł o w s k a und B. G o t o w s k i , W arszaw a 1977, 105—106.

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DIE HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT 71

kann die V erneinung des Fortschritts sein und die A blehnung der V erantw ortung für T aten und ihre Folgen begünstigen9.

In beiden H altungen können sowohl gesellschaftlich positive als auch negative Inhalte „eingedruckt" sein. „Die Dominanz der prinzipiellen H altungen kann ein A nzeichen für die Stagnation des gesellschaftlichen Systems, sie kann dem nach ein pathologischer Zustand sein, der die Entw icklungstendenzen dieses Systems schwächt. Die Dominanz der zielbezogenen H altungen kann auch ein pathologischer Zustand sein, denn sie entzieht dem System die Basis, eine R eserve der selbständigen gesellschaftlichen Kraft, die für die R ealisierung der G rundfunktionen des Systems unentbehrlich ist"19.

Die Konzeption der prinzipiellen und der zielbezogenen H altun­ gen hat also vor allem einen em pirischen Sinn und w ird als A us­ druck zur B eschreibung der ständigen W andlungen in verschiedenen G ruppen und gesellschaftlichen Schichten in verschiedenen Zeitpe­ rioden angew andt. W enn m an das erläu tert und beschreibt, w as in der G esellschaft geschieht, braucht man ipso iacto kein A nhänger der laufenden Prozesse und V eränderungen zu sein.

Die B earbeitung der w ichtigsten Ergebnisse der em pirischen Forschungen knüpft an die vorgelegten K onzeptionen der sittlichen „G rundsätzlichkeit” und „Zielbezogenheit" an. Sie im pliziert die Forschungsergebnisse der letzten 15 Jahre, führt w ichtigere V er­ allgem einerungen und gew isse H ypothesen an, deren Form ulierung anhand der festgestellten Fakten und G esetzm ässigkeiten möglich war. Es w erden zuerst repräsentativ e gesam tgebietsm ässige Sondie­ rungen gemacht, dann U ntersuchungen über die Jugend, deren El­ tern und schliesslich die erw achsene B evölkerung im allgemeinen. In den letzten P artien dieser Skizze w ird die Beurteilung der sich anzeigenden Tendenzen in den M oralhaltungen der polnischen Be­ völkerung vorgenom m en. Der A utor m öchte auch vorsichtige, für die Ethik und M oraltheologie w ichtige Schlussfolgerungen ziehen.

2. Sondierungen auf dem ganzen Gebiet Polens zum Problem der prinzipiellen und der zielbezogenen Haltungen

In den 60er und 70er Jah ren führte m an in Polen eine ganze Reihe von em pirischen Umfragen durch. Die M essungen m achte man in den repräsen tativen Proben von zwei- bis dreitausend P er­ sonen, in bezug auf die Problem e der Einstellung der Bevölkerung zum Gesetz und zur M oral. In dieser Them atik sind auch die F or­ schungen über Ehescheidungen, Elternm acht und Rechtskenntnis, M oralhaltungen der erw achsenen B evölkerung und ethische

Meinun-9 A. P o d g ó r e c k i , Posta wa zasadnicza (Die prinzipielle H altung), 70. ]0 A.a.O., 54.

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gen der Jugend im pliziert. Diese Forschungen spiegelten die H aupt­ haltungen und M oralrichtlinien der polnischen Gesellschaft wider, sie brach ten gew isse ständige Entw icklungstendenzen der M oral­ haltungen ans Tageslicht.

Den zwei landesw eiten Umfragen lagen die prinzipiellen und die zielbezogenen H altungen in der polnischen Gesellschaft zu­ grunde. In der ersten Umfrage von 1966, die vom Institut für M einungsforschung des Polnischen Rundfunks und Fernsehens durchgeführt wurde, operationalisierte m an die prinzipiellen und auch die zielbezogenen H altungen in bezug auf fünf em pirische Indikatoren, in der zw eiten Umfrage von 1970 ko nstru ierte man drei Fragen, die diese oben angeführten H altungen identifizieren. Die angew andten Indikatoren behandelten die Beziehung der Befragten zu den gew ählten ausführlichen Problem en oder drückten die H al­ tung zum Leben im ganzen aus. N ur eine F rage w iederholte sich in beiden Umfragen, w as die C hance gibt, V ergleiche durchzuführen und vorsichtige Schlussfolgerungen zu ziehen.

Der F ragetext lautete: „Es gibt M enschen, die feste M oralprin­ zipien haben und die sie ohne Rücksicht anw enden. Die anderen richten sich danach, ein geplantes Ziel zu erreichen. W as m einen Sie dazu?" Die R espondenten nannten ihren Standpunkt, indem sie drei zur Bew ertung vorgelegte M einungen w ählten :

A — M an soll immer gem äss seinen Prinzipien handeln, ohne Rück­ sicht darauf, was daraus folgen w ird (die prinzipielle H al­ tung).

В — W enn das F esthalten an Prinzipien schlechte Folgen bringen sollte, lohnte es, eigene Prinzipien zu analysieren und der Situation anzupassen (Kompromisshaltung).

С — Es h at überhaupt keinen Sinn, feste Prinzipien zu haben, man sollte so vorgehen, dass gute Erfolge eintreten (die zielbezo­ gene Haltung).

Von diesen drei oben genannten A lternativen w ählten die Re­ spondenten entw eder die prinzipielle H altung, in der die spontane Billigung der bestim m ten M oralprinzipien ohne Rücksicht auf die zusätzlichen U m stände im pliziert wird, oder die zielbezogene H al­ tung (pragm atisch-instrum ental), gestützt auf innere und subjektive A usrechnung der V erluste und des N utzens in der konkreten S i­ tuation. Sie w ählten auch „Zw ischenhaltungen" mit prinzipiell-ziel- bezogenem C harakter, die auf die NÓtwendigkeit der A npassung der Prinzipien an die konkreten Situationen hinweisen.

Ein Fünftel der erw achsenen B evölkerung Polens in Stadt und Land u n terstrich um die W ende der 60er und 70er Jah re die N ot­ w endigkeit, sich im Leben nach festen M oralprinzipien, ohne Rück­ sicht auf die K onsequenzen, zu rich ten (22,5% in der Stadt und 22,3% auf dem Lande im Jah re 1966; 22,7% auf dem Lande und in

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DIE HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT 73

der Stadt im Ja h re 1970). Die R espondenten halten die M oralprin­ zipien für „immer w ichtig", als diejenigen, die das Leben des M en­ schen orientieren.

W esentlich m ehr neigten zu den zielbezogenen H altungen, nach w elchen m an keine streng bestim m ten M oralprinzipien beachten, sondern nur günstige R esultate erzielen soll (31,2% in der Stadt und 31,6% auf dem Lande im Jah re 1966; 30,2% in der Stadt und auf dem Lande im Jah re 1970). In diesem H altungstyp w erden verschiedene, von der Situation abhängige M oralperspektiven angenom men. Die festen K ategorien: das Gute und das Böse — sind stark ersch ü ttert und das, w as in einer Situation richtig ist, kann in anderen indivi­ duellen und gesellschaftlichen K ontexten für falsch gehalten w er­ den. A bsolut verbindlich geltende Prinzipien sind nicht m ehr die Richtlinien des m enschlichen V erhaltens. Zu einer Bedingung der Richtigkeit von getroffenen Entscheidungen w ird die Berücksichti­ gung der — nahen oder w eiteren — individuellen und gesellschaft­ lichen Folgen.

Relativ oft tauchen die „Zw ischenhaltungen" auf, in denen entw eder das Bedürfnis der M oralprinzipien oder die N otw endigkeit der richtigen A nw endung derselben im praktischen Leben und die N otw endigkeit der A npassung an eine Situation akzentuiert wird (39,3% in der Stadt und 32,8% auf dem Lande im Jah re 1966; 40,1% in der Stadt und auf dem Lande im Jah re 1970)11. Die allgem einen M oralprinzipien sollte m an — dieser Stellungnahm e nach — auf die konkreten m enschlichen A ngelegenheiten beziehen und ihren Ver- bindlichkeits- und G erechtigkeitsw ert system atisch verifizieren. In der K onsequenz sinkt die N otw endigkeit des Zusam m enhangs von Prinzip und V erhalten, denn das Individuum versucht selbst und „auf eigene Faust" zu entscheiden, ob es in den gegebenen Bezie­ hungen die Prinzipien modifizieren soll, ohne jedoch „das Geheim­ nis" vom m oralisch G uten und m oralisch Bösen in den eigenen Besitz einzubeziehen.

Aus beiden Sondierungen geht hervor, dass sich die gegenw är­ tige Einstellung der Polen zu den G rundproblem en des Lebens sel­ tener auf irgendw elche allgem einen Prinzipien und Regeln stützt, häufiger auf die zielbezogenen w ahrscheinlich den besser den Le­ bensrealien und dem Lebenserfolg angepassten A nzeichen. Die M ehrheit der zielbezogenen H altungen tritt sowohl bei der Land­ bevölkerung w ie auch bei der Stadtbevölkerung auf. In den Jah ren

11 7,(filo in den Städten und 13,3% auf dem Land bildeten im Jahre 1966 die A nsichten, die in den besprochenen Problem en keine selbständige M einung re­ präsentierten oder k eine Antwort gaben (im Jahre 1970 — 7,0%). A. P o d g ó - r e c k i , P osta w a za sadnic za (Die prinzipielle H altung), 267. A. P o d g ó r e c k i , A. К o j d e r, E wolu cja św ia d o m o ści p ra w n e j i p o s t a w moraln ych sp o łe c ze ń stw a

pols k ieg o (Die Evolution des R echtsbew usstseins und der M oralhaltungen der

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7 4 JAN U SZ M ARIAŃSKI

1966— 1970 erfolgte nur teilw eise eine V erschiebung des V erh ält­ nisses der einzelnen H altungstypen in Richtung von Kompromiss­ haltungen.

Die U ntersuchungen von 1970 erlaubten anhand der drei Fragen ein en em pirischen Index der ,.Grundsätzlichkeit — Zielbezogen- heit" aufzustellen. Die entschieden prinzipiellen H altungen re p rä ­ sen tierten 13,7°/o der Befragten, die fast prinzipiellen H altungen 8,3%, K om prom isshaltungen 13,7%, D issonanzhaltungen 15,5%, eher

zielbezogene H altungen 11,1% , entschieden zielbezogene H altungen

21,4% (keine A ngaben 16,3% )12. W enn m an die entschieden p rin ­ zipielle und die eher prinzipielle H altung in einer K ategorie vereint, die entschieden zielbezogene und die eher zielbezogene H altung in in einer anderen, bekom mt m an ähnliche G rössen der Reichweite von H altungen, gem essen an dem individuellen und dem G ruppen­ indikator. Es bestätigt sich also zusätzlich die R ichtigkeit der e r­ zielten Ergebnisse. Diesen A ngaben nach überw iegen in der polni­ schen G esellschaft H altungen, die sich durch das W ählen der mögli­ chen A lternativen und das V oraussehen der direkten und in d irek ­ ten K onsequenzen charakterisieren. Die beiden Umfragen w urden in der Zeitspanne von vier Ja h ren durchgeführt und scheinen eine grosse Ü bereinstim m ung der un terstrich en en H altungen darzustel­ len. Es zeugt also von der Stabilisierung der prinzipiellen und der zielbezogenen H altungen in der polnischen Gesellschaft.

Die einzelnen gesellschaftlich-dem ographischen und gesell­ schaftlich-kulturellen K ategorien unterscheiden die Polen in bezug auf das Profil der an erkannten H altungen zu den allgem einen M o­ ralprinzipien. In den U ntersuchungen von 1966 w urde der G ruppen­ m essw ert nicht konstruiert, sondern m an stellte anhand der einzel­ nen M essw erte den Einfluss der subjektiv-gesellschaftlichen und d er objektiv-gesellschaftlichen M erkm ale auf die anerkannten Mo­ ralhaltungen fest. Indem m an die Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen der K orrelationsanalysen zieht, stellen die A utoren fest, dass sich die zielbezogene H altung häufiger bei den M ännern, bei Personen jüngeren Alters, mit entsprechend niedrigerer Bildung, bei geschiedenen Personen und bei A rbeitern zeigt. Die prinzipielle H altung rep räsentierten dagegen häufiger Frauen, ältere Personen, Personen mit der höheren Bildung, Eheleute und W itw en, Beamte und A ngestellte. Die prinzipielle H altung verband sich mit der besseren Lebensanpassung und mit dem M angel an Symptomen von Gefühlen für Gefahren, die zielbezogene H altung dagegen k o rre ­ spondierte mit w eniger voller gesellschaftlicher A npassung und bei auftauchenden Symptomen von G efühlen für G efahren13.

12 A. P o d g ó r c c k i , A. K o j d e r , Ewolucja św ia dom ości p r a w n e j (Di· E volution des R echtsbew usstseins), 27.

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Die gesam tpolnische Umfrage vom Ja h re 1970 brachte folgende A bhängigkeiten ans Tageslicht: Die prinzipielle H altung stieg mit dem A lter; je jünger die R espondenten w aren, desto häufiger w aren sie „zielbezogen". Die Steigerung des B ildungsniveaus zog die stä r­ kere M anifestation der zielbezogenen H altung nach sich, die höhere Bildung änderte diese Tendenz in Richtung der Kompromisshaltung. Die qualifizierten A rbeiter und H andw erker d eklarierten häufiger die instrum entale H altung, die geistig arbeitenden Personen die Kompromisshaltung, die Einzelbauern w aren auf die A nnahm e der prinzipiellen H altung eingestellt; die Leitungsstellen w aren immer mit der Grund- und Kompromisshaltung verbunden; die prinzipielle H altung bezog sich auf die Landbevölkerung, die zielbezogene H al­ tung dagegen charakterisierte die Einwohner der grossen S tädte14. Die G egenüberstellung der beiden U mfragen zeigte interessante Feststellungen. M anche K orrelationshypothesen finden eine zusätz­ liche Bestätigung, andere muss m an aufgrund der U ntersuchungen vom Ja h re 1970 fallenlassen. Zu den besonders v erstärk ten H ypo­ thesen gehört die H ypothese der A bhängigkeit zw ischen dem A lter und der A nnahm e der prinzipiellen H altung oder der zielbezogenen H altung, dazu gehören auch die A bhängigkeiten zw ischen den sub­ jektiv-gesellschaftlichen M erkmalen. Die zielbezogene H altung v e r­ bindet sich aufgrund der beiden Umfragen mit dem Gefühl für Ge­ fahren und mit schlechter gesellschaftlicher A npassung, die p rin ­ zipielle H altung dagegen im pliziert verhältnism ässig gute Lebens­ anpassung und das Fehlen der G efahrensymptome. Die zielbezoge­ nen H altungen, die bei den M enschen mit dem Gefühl für Gefahren überw iegen, sind implizite „Strafen", die m an für die „M odernität" der repräsentierten H altungen zahlt.

Im Lichte der Ergebnisse vom Jah re 1970 soll man die H ypo­ these der H äufigkeit des A uftretens der bestim m ten H altungen in A bhängigkeit von der G eschlechtsstruktur aufgeben. Es gibt keinen w esentlichen U nterschied zwischen den D eklarationen in dem ana­ lysierten Problem unter M ännern und Frauen. M ehr vielfältig, als man es früher behauptete, w ar der Einfluss des Bildungsniveaus auf die prinzipiellen und die instrum entalen H altungen. Trotz der exi­ stierenden vereinheitlichten, gesellschaftlich-kulturellen und gesell­ schaftlich-m oralischen Tendenzen in der gegenw ärtigen W elt v e r­ w ischen sich die gem einsam en A bhängigkeiten der H äufigkeit der A nnahm e aller drei H altungen von gesellschaftlich-dem ographi­ schen und gesellschaftlich-kulturellen F aktoren nicht. In den genau­ en em pirischen U ntersuchungen w ird jedoch, wie später gezeigt wird, die Richtung dieser A bhängigkeiten verschieden aufgefasst.

DIE HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT 7 5

14 A. P o d g ó r e c k i , A. К o j d o r, Ewolucja św ia dom ości p r a w n e j (Die Evolution des R echtsbew usstseins), 30. A. P o d g ó r e c k i , Pojęcia e ty c z n e (Die ethischen BegTiffe), 48—49.

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76 JAN U SZ M ARIAŃSKI

W enn die von A. Podgórecki und A. K ojder ausgedrückte M ei­ nung richtig ist, dass ,,die prinzipiellen H altungen besser und effek­ tiver in jenen gesellschaftlichen G ruppen funktionieren, in denen eine ziemlich strenge Positions- und R ollenhierarchie und stark e soziale K ontrolle existieren, dass die zielbezogene H altung eine m ehr adäquate A lternative der Realisierung der Erw artungen und des Lebensziels in jenen G ruppen ist, in denen das V eränderungs­ tempo schneller ist, womit die A bschw ächung der sozialen Kontrolle, besonders in der Familie, die B edeutungsverm inderung der trad i­ tionellen A utoritäten, w eitere M öglichkeiten des beruflichen A uf­ stiegs, die Ü bernahm e einer ganzen Reihe von Erw artungsfunktionen durch staatliche Institutionen verbunden sind"15, dann sollte man eine öftere H äufigkeit der zielbezogenen H altungen bei der Jugend als bei den Eltern erw arten. Im w eiteren Teil der Ü berlegungen w ollen w ir die D ifferenzierung von den prinzipiellen H altungen und den zielbezogenen H altungen am Beispiel der V ergleichsuntersu­ chungen der H altungen bei den Jugendlichen und bei den Eltern analysieren.

3. Die prinzipiellen und die zielbezogenen Haltungen bei den Jugendlichen und bei den Eltern

In ihrer Persönlichkeitsentw icklung bew ertet und kontrolliert die Jugend die M oralw erte von Gut und Böse. Sie will sich selbst nicht auf passive und von den äusseren A utoritäten abhängige W eise auffassen. In den K onfrontationen m it den kom plizierten gesell­ schaftlichen Situationen, in denen die für das K indesalter typischen „Schwarz-W eiss-Lösungen" keinen G ebrauch m ehr finden, sucht man neue A uffassungen und A usw ege. Die N orm en w erden auf eine mehr differenzierte W eise b etra c h tet16. M an bem erkt den Regelw an­ del, die Infiltrationsm öglichkeiten der vielfältigen N orm en in das M oralbew usstsein und auch die M öglichkeit einer gew issen „Aufhe­ bung" der N orm enverbindlichkeit in der Praxis des täglichen Le­ bens. Im Lichte der Lebenserfahrungen und des anw achsenden K ri­ tizismus, die durch K ontakte mit immer m ehr kom plizierten M oral­ und G esellschaftssituationen gem acht w erden, bem erkt der junge M ensch, dass die T reue zu m anchen Prinzipien nicht so absolut sein soll, denn es ist schwer, in dem M oraldilemm a die Prinzipientreue einzuhalten, ohne die G ültigkeit eines der Prinzipien „aufzuheben".

W ir setzen voraus, dass die Tendenzen zum S ituationsrelativis­ mus und zur „Zielbezogenheit" in bezug auf sehr allgem eine M oral­ einstellungen sich m ehr bei der Jugend als bei den Eltern zeigen

15 A. P o d g ó r e c k i , A. K o j d e r , E wolu cja św iadom ości p r a w n e j (Die Evolution des R echtsbew usstseins), 29.

16 E. R o t h , E. A r d e l dt , E n tw ic klu n gspsych ologisc he A s p e k t e des Ju­

gendalters, in: Die Jugend, hrsg. v. H. R e i m a η n und H. R e i m a n n, M ünchen

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DIE HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT 77

w erden. Die H altungserkenntnis der Jugend ist für die M oral der ganzen G esellschaft sehr wichtig, denn die Jugend in der heutigen. W elt ist nicht n u r eine sozialisierte Gruppe, sie gehört zu den w ichti­ gen Sozialisationsträgern auch in Beziehung zur älteren Generation. In den U ntersuchungen der Jugend gebrauchte m an die etw as geän­ d erten M essw erte der prinzipiellen und der zielbezogenen H altun­ gen. Die R espondenten bestim m ten ihre Stellung in Beziehung zu den vier angegebenen A lternativen:

A — M an soll sich nach festen M oralprinzipien richten und nie von ihnen abgehen (die prinzipielle Haltung).

В — M an soll sich nach festen M oralprinzipien richten, aber man kann in gew issen Situationen von ihnen abweichen, besonders in den A usnahm esituationen (die Kompromisshaltung).

С — M an soll sich nach festen M oralprinzipien richten, aber es ist nichts Böses, w enn man von ihnen abw eicht, w enn es die verschiedenen Lebenssituationen erfordern (die extrem e Kom­ promisshaltung).

D — M an soll das eigene V erhalten nicht mit den im voraus be­ stim mten M oralprinzipien verbinden; die richtigen V erhaltens­ w eisen sollen gem äss der Situation gefunden w erden (die zielbezogene Haltung).

Diese F rage nach dem V erhältnis zu den allgem einen M oral­ prinzipien gebrauchte m an in den U ntersuchungen zum Thema „K ontinuität und W andel der K ulturtradition" in Kielce und W a r­ szawa, indem m an sowohl die Jugend der O berschulen wie auch die Eltern der untersuchten Jugendlichen befragte (1973). Die im Rah­ m en der A rbeiten des Lehrstuhls für Religionssoziologie der Ka­ tholischen U niversität in Lublin durchgeführten U ntersuchungen zum Thema „Traditionsstandhaftigkeit und T raditionsänderung in der Stadt und auf dem Lande" geben die M öglichkeit zum V ergleich un ter dem M ilieuaspekt (Dorf—Stadt) und zwischen den G eneratio­ nen (Jugend—Eltern). Die prinzipiellen und die zielbezogenen H al­ tungen w urden in ihrem G ebrauch zu den allgem einen christlichen G rundsätzen der M oral analysiert. Die R espondenten bestimmten nicht ihr V erhältnis zu den allgem einen M oralprinzipien, sondern zu den Geboten Gottes. In ihrer Beziehung zu den m ehr konkreten G eboten in den N orm en des Dekalogs zeigte sich die bedingungslose A nnahm e (die prinzipielle Haltung), A nnahm e mit zulässigen A b­ w eichungen in A usnahm efällen (die Kompromisshaltung), A nnahm e einiger Gebote mit A bw eichungen in vielen Situationen (die ex tre­ me Kompromisshaltung) und das Fehlen der A nnahm e der Gebote (die zielbezogene Haltung).

Die U ntersuchungen führte m an in der zw eiten H älfte der 70er Jah re in Rzeszów und in ausgew ählten D örfern des Gebiets von Chełmno durch. In den In terpretationen der Ergebnisse von Tabelle 1

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7 8 JAN U SZ M ARIAŃSKI

sollte m an die M odifikationen der angew andten M essw erte bei den U ntersuchungen Kielce—W arszaw a und Rzeszów—Chełmno b e ­ rücksichtigen.

T abelle 1: Die prinzipiellen und die zielb ezogen en H altungen der Jugend und der Eltern (Angaben in °/o)

D ie untersuchten Gruppen T ypen der H altungen keine

A ngabe Total

А В с D

Die Jugend aus W arszaw a 8,0 25,0 22,0 45,0 _ 100,0 D ie Jugend aus K ielce 11,0 19,0 21,0 49,0100,0

D ie Eltern aus W arszaw a 27,0 37,0 15,0 20,0 1,0 100,0 D ie Eltern aus K ielce 37,0 28,0 14,0 19,0 2,0 100,0 D ie Jugend aus R zeszów 14,9 59,6 17,6 7,9100,0

D ie Mütter aus R zeszów 65,8 21,9 6,6 3,8 2,0 100,0 D ie V äter aus R zeszów 64,9 16,2 2,7 10,8 5,4 100,0 D ie Landjugend 51,6 30,8 7,5 6,6 3,3 100,0 Die M ütter der Landjugend 74,1 17,5 1,6 2,5 4,1 100,0 D ie V äter der Landjugend 63,3 25,8 4,1 2,'5 4,1 100,0

A = die prinzipielle H altung, В = die Kom prom isshaltung, С = die extrem e Komipromisshaltung, D = die zielb ezo g en e H altung

Die G eneration der Eltern in W arszaw a, Kielce, Rzeszów und in den Dörfern des Gebiets von Chełmno deklarierte häufiger als die junge G eneration die W ichtigkeit, sich im alltäglichen Leben nach M oralprinzipien zu richten (oder nach den G eboten Gottes). Die Jugend m einte, man soll keine stren g bestim m ten M oralprinzi­ pien beachten, oder sie passte sie jedesm al der Situation an. Die H altungen der Eltern ch arakterisierte eine grössere „G rundsätzlich­ keit", die H altungen der Jugend dagegen ein grösserer Pragm atis­ mus in M oralfragen. Eine ziemlich grosse Prozentzahl der Jugend aus W arszaw a und aus Kielce richtete sich nach den pragm atischen Zielen17.

In den G enerationen der Eltern aus W arszaw a und Kielce w ar die V erteilung der zielbezogenen und der extrem en Kompromiss­ haltungen fast identisch; U nterschiede m achten sich in den prin ­ zipiellen H altungen und gem ässigten K om prom isshaltungen b e­ m erkbar. Die im Jah re 1974 befragten Lehrer von W arschauer

17 A. B a n a s z k i e w i c z , P o g lą d y na zagadnien ia moralne (M einungen zu M oralfragen), in: Ciągł ość i zm iana tr a d y c ji ku ltu row ej. Raport k o ń c o w y z ba­

dań z r e a liz o w a n y c h p r z e z Zakład M etodologii Badań S o cjo logic znych Instytutu Socjo logii U W na zlecenie IFiS P A N w ramach tem atu w ę z ł o w e g o 11.2.2. (Kon­

tinuität und W andel der Kulturtradition. Schlussbericht über die Forschungen des Instituts für M ethodologie der Sozialforschungen an der W arschauer Univer­ sität im A uftrag des IFiS der Polnischen A kadem ie der W issenschaften im Rahmen des H auptthem as И.2.2.), hrsg. v. S. N o w a k , W arszaw a 1976, 391— 392.

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DIE HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT 79

O berschulen rep räsen tierten die prinzipielle H altung zu 18%, 44% die gem ässigte Kompromisshaltung, 18% die extrem e Kompromiss­ haltung und 20% eine pragm atische H altung18, In der Präferenz der bestim m ten H altungen w aren sie m ehr den Eltern als der Jugend ähnlich.

Die U ntersuchungen in Rzeszów und Chełmno zeigten, dass sowohl im Dorfmilieu w ie auch in der Stadt die H altungen der Eltern mehr prinzipiell als die H altungen der Jugendlichen w aren, die H al­ tungen der M ütter w aren auch m ehr prinzipiell als die H altungen der V äter. Die G enerationsunterschiede w aren im städtischen M ilieu tiefer. In der E lterngeneration aus Rzeszów äusserten sich 65% der Befragten, dass m an immer die Gebote Gottes befolgen und dass man von ihnen nie abgehen soll. U nter der Jugend d eklarierten nur 15% G ehorsam gegenüber diesen Geboten. Die volle F reiheit ge­ genüber den Geboten oder eine freie W ahl akzeptierten 10,4% der untersuchten M ütter aus Rzeszów, 13,5% der V äter und 25,5% der Jugendlichen (analoge A ngaben für die Dörfer um Chełmno — 4,1%, 6,6%, 14,1%). Fast über die H älfte der Jugend in den Städten liess die M öglichkeit zu, von den G eboten Gottes abzugehen. Die Jugend auf dem Lande zeigt in geringerem M asse die N eigung zu der prag ­ m atischen Einstellung in M oralfragen19. U nter der Jugend auf dem Lande haben Personen in der A usbildung häufiger die N ichtbeach­ tung der Gebote Gottes als die, die nur eine G rundschule besuchten, deklariert (U nterschied 13,3%). Die H altungen der ausserschulischen Jugend w aren den M einungen der Eltern näher als die der Schul­ jugend.

Die G eschlechtsstruktur v erursachte keine deutlichen Diffe­ renzierungen der jugendlichen H altungen im analysierten Problem. Die Töchter dek larierten aber häufiger die orthodoxen H altungen als die Söhne,· sie w aren den H altungen der Eltern n äh er20. Im

Stadt-18 E. S i e l l a w a - K o l b o w s k a , P ostaw y nauczycieli s z k ó ł średnich W a r ­

s z a w y na tle p o s t a w ro d z ic ó w i m ł o d z i e ż y (Die H altungen der W arschauer Ober­

schullehrer vor dem H intergrund der H altungen der Eltern und der Jugend), in:

Cią głość i zm iana tr a d y c ji k u lt u r o w e j (Kontinuität und W andel der Kulturtradi­

tion), 572.

19 K. S i e m i e ń s k i , P o s t a w y m ł o d z i e ż y s z k o ln e j i p o z a s z k o ln e j w o b e c

ciągłości i zm ia n y tr a d ycji relig ijn ej w śr o d o w isk u w ie jsk im . Studium so cjo lo ­ giczne na p r z y k ła d z i e w y b r a n y c h sp ołeczności lo k a ln ych Ziemi Chełm iń sk iej (Die

Einstellungen der Schul- und A usserschuljugend zu K ontinuität und W andel der religiösen Tradition auf dem Dorf. Eine soziologisch e Studie am B eispiel aus­ gew ählter lokaler G esellschaftsgruppen in der G egend von Chełmno), Lublin 1979 (Doktorarbeit — A rchiv der K atholischen U niversität in Lublin). K. R y ­ c z ą n, Ciągł ość i zm iana tr a d y c ji religijnej. Studium so cjolo giczn e na p r z y k ła ­

dzie w y b r a n e j społeczn ości m ie js k ie j (Kontinuität und W andel der religiösen

Tradition. Eine soziologisch e Studie am B eispiel einer Stadt), Lublin 1978 (Doktor- axbeit — A rchiv der K atholischen U niversität in Lublin).

20 K. S i e m i e ń s k i , P o s ta w y m ł o d z i e ż y s z k o ln e j i p o z a s z k o ln e j (Die Ein­ stellungen der Schul- und A usserschuljugend), 138— 139.

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80 JAN U SZ M ARIAŃSKI

milieu h atte die Bildung der Eltern keinen grösseren Einfluss auf die M einungen in bezug auf die R espektierungsstabilität der Gebote Gottes, Die orthodoxen H altungen tauch ten häufiger bei den Eltern mit G rundschulbildung auf, die N ichtbeachtung d eklarierten Perso­ nen mit O berschulbildung (Rzeszów)21.

In den U ntersuchungen in W arszaw a und Kielce m einten z.B. die M änner häufiger als die Frauen, dass m an die festen M oralprin­ zipien beachten sollte. Sie antw orteten zugleich, dass man keine von oben bestim m ten Prinzipien hab en sollte. Die bem erkbaren U nterschiede zeichneten sich in der Beziehung zu den genannten Fragen ab. Die M änner m issbilligten sehr streng das Lügen, das Ä ussern der M einungen, die nicht mit der eigenen Überzeugung übereinstim m ten, die w irtschaftlichen V erbrechen usw. Die Frauen tadelten H andlungen, die gegen Sittennorm en verstossen, w ie z.B. die U ntreue in der Ehe, den A lkoholism us, die V ergew altigung22.

Die A nnahm e der prinzipiellen H altung charakterisierte häufi­ ger die untersuchten W arschauer Eltern mit Hochschulbildung und die Jugend aus den Familien mit diesem Bildungsniveau. Die p rin ­ zipiellen H altungen der Eltern aus Kielce w aren vom N iveau der form alen Schulbildung unabhängig23. Die variable „A usbildung” w irkt — aufgrund bisheriger U ntersuchungen — sehr verschieden auf die Proportionen der prinzipiellen und der zielbezogenen H altun­ gen in der Jugendgeneration, in der E lterngeneration und auch, wie wir schon früher erw ähnt haben, in der ganzen Gesellschaft.

Da die Tatsache, dass die höhere Bildung vielen Soziologen nach entscheidende Bedeutung hat, w enn es sich um die Lebenshaltungen und Lebensaspirationen handelt, sollte m an in den zukünftigen Un­ tersuchungen die U nzusam m engehörigkeit (Inkohäsion) bisheriger em pirischer K onstatierungen klären. Deshalb sollte m an zwei H y­ pothesen v on A. Banaszkiewicz verifizieren, nach denen sich die H ochschulbildung auf die prinzipiellen H altungen entw eder durch die M echanism en stärk erer Internalisation gew isser allgem einer K ulturm uster oder durch Frustrations- und A ggressionsm echanis­ men, die sich aus der N ichtbefriedigung der personalen Bedürfnisse ergeben, ausw irkt24.

Die U ntersuchungen in W arszaw a und Kielce erm öglichten es, die sittliche „G rundsätzlichkeit" etw as n äher zu charakterisieren. Die genannten prinzipiellen und „praktizistischen" H altungen w ur­

21 K. R y c z a n , Ciągłość i zmiana tr a d y c ji relig ijn ej (Kontinuität und W an­ del der relig iö sen Tradition), 146.

22 E. T k a c z y k , Płeć jako c z y n n i k r ó ż n ic u ją c y p o s t a w y (G eschlecht als haltungsdifferenzierender Faktor), in: Ciągł ość i zm iana tr a d y c ji k u ltu ro w ej (Kon­ tinuität und W andel der Kulturtradition), 510— 511.

23 A. B a n a s z k i e w i c z , P oglą dy na zaga dnien ia moralne (M einungen zu M oralfragen), 415.

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DIE HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT 81

den auf verschiedene W eise mit der A kzeptierung konkreter M oral­ grundsätze verbunden. Aus der K orrelationsanalyse ergab sich, dass die Jugend, die die prinzipiellen H altungen repräsentierte, häufiger als die „Praktizisten" bereit w ar, sich für die Religion oder die Heimat aufzuopfern, häufiger Selbstmord, U ntreue und sexuelle Beziehungen vor der Eheschliessung, D esinformation durch Jo u rn a­ listen und die Lüge zur V erteidigung anderer M enschen k ritisierte25. Die sittliche „G rundsätlizchkeit" w ar nicht mit der Bereitschaft, etw as für jem anden anderen zu tun, verbunden, sondern nur mit allgem einen progesellschaftlichen D eklarationen26.

Die Tendenz zur scharfen Bestrafung und sittlichen V erurteilung tra t bei den Personen mit der prinzipiellen O rientierung auch in den U ntersuchungen auf, die auf dem gesam ten Gebiet Polens durch­ geführt w urden. Diese Personen v eru rteilten vom rechtlichen und m oralischen Standpunkt aus stärk er die Situationen, in denen die Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens verletzt w urden (ethischer Rigorismus). Bei ihnen tra t eine stärk ere Tendenz zur A kzeptierung des Gesetzes und der G rundsätze auf, die die Gleich­ berechtigung bevorzugen27.

Die sittliche „Grundsätzlichkeit", positiv mit der Neigung zu scharfen V erurteilungen und zur A kzeptierung von Strafen sowohl auf dem Gebiet des priv aten w ie auch des gesellschaftlichen Lebens verbunden, w eist auf die V erbindungen mit einer au to ritären P er­ sönlichkeit hin.

Die bisherigen A usführungen zusam m enfassend kann m an be­ tonen, dass die junge G eneration in geringerem M asse als die ältere G eneration das M uster der sittlichen „G rundsätzlichkeit" akzeptiert. Die Jugend hebt die zielbezogenen und K om prom isshaltungen h e r­ vor, die prinzipiellen H altungen treten sehr selten auf. Besonders bei der Jugend in den Städten herrschen die zielbezogenen H altun­ gen vor. Die extrem en prinzipiellen H altungen trifft man seltener an. Statt dieser G rundsätze und N orm en haben w ir es bei einem grossen Teil der Jugend mit situationsgebundener W erthierarchie zu tun.

Die zielbezogenen und die prinzipiellen H altungen der Jugend aus dem bisher besprochenen gesellschaftlichen M ilieu sollte man noch aufgrund anderer gesellschaftlicher Jugendm ilieus deutlicher aufzeigen. In den U ntersuchungen, die im Jah re 1965 in Lódź, Łowicz und in der G egend von Łowicz u n ter der Schuljugend durchgeführt wurden, form ulierte B. W eber die Frage, die die prinzipiellen

Hal-25 A.a.O., 404—409.

26 S. N o w a к, Podsu mowanie w a ż n ie j s z y c h rez u lta tó w op ra cowania (Zu­ sam m enfassung der w ichtigeren B earbeitungsresultate), in: Ciągłość i zmiana tra­

d y c ji k u lt u r o w e j (Kontinuität und W andel der Kulturtradition), 597.

27 A. P o d g ó r e c k i , Patologia ż y c i a s p o łeczn eg o (Pathologie des g e se ll­ schaftlichen Lebens), W arszaw a 1969, 72—73.

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82 JAN U SZ M ARIAŃSKI

tungen identifizierte, etw as anders: „Kannst du dir eine Situation vorstellen, in der du bereit w ärest, von deinen Lebensgrundsätzen zurückzu treten?": 7,9°/o antw orteten mit „Ja", 43,9% antw orteten mit „Nein", 48,2% antw orteten mit „Ich w eiss es nicht" (1,1% gaben keine Antwort).

Im Jah re 1971 hat man diese U ntersuchungen noch einmal durchgeführt, und die Zahl der Jugendlichen, die diese Frage mit „Nein" beantw orteten, w ar etw as grösser, w ährend die Zahl der A ntw orten „Ich weiss es nicht" kleiner w urde. A ufgrund dieser von B. W eber durchgeführten U ntersuchungen kann m an feststellen, dass unter der Jugend die prinzipiellen H altungen überw iegen28. Man kann jedoch d aran zweifeln, ob die Frage auf die richtige W eise gestellt w urde, da ein ziemlich grosser Teil der Responden- ten zu diesem Problem nicht Stellung nahm. Die Frage w ar so for­ m uliert, dass sie die A ntw ort mit „Ja" erschw erte.

In der Jugendgruppe aus der K leinstadt Łańcut (U ntersuchun­ gen vom Jah re 1978) dom inierte die M einung, dass m an deutliche M oralgrundsätze haben sollte. Die prinzipiellen H altungen re p rä ­ sen tierten aber nur 15% der Schüler und Schülerinnen (vor allem aus den allgem einbildenden O berschulen)29. Die Jugend aus Płock neigte im Ja h re 1981 zu den zielbezogenen H altungen (21,0%), die prinzipiellen H altungen traten nur bei 11,4% der Jugendlichen auf. In dem gesellschaftlichen M ilieu u n ter der Jugend in Płock, die die allgem einbildenden O berschulen und die technischen Fachschulen besuchte, über wogen die K om prom isshaltungen, w enn es sich um die V erw irklichung der Lebensaspirationen handelte. Das w ar auch der Grund, w enn es um die W ahl des richtigen Auswegs aus Kon­ fliktsituationen ging30.

Die W arschauer Studenten w urden um die W ende der 50er und 60er Jah re befragt u.a. nach ihrem V erhältnis zu den M oral­ grundprinzipien der katholischen Religion. Ihre M einungen dazu sahen folgenderm assen aus:

a) M oralgrundprinzipien des Katholizismus stellen die beste und ausreichende M oralität d ar (16,1%).

b) A lle G rundprinzipien des Katholizism us sind richtig, aber das Leben ist so kompliziert, dass man sie mit irgendw elchen anderen G rundsätzen ergänzen muss (28,7%).

c) Die m eisten M oralgrundprinzipien der katholischen Religion sind

28 B. W e b e r , M łodzie ż a w s p ó łc z e s n e w z o r y w y c h o w a w c z e (Die Jugend und g egen w ärtige Erziehungsm uster), W arszaw a 1971, 86.

29 M. M i k o ł a j c z y k , J. R a d z i c k i , Potrzeba apro b a ty sp o łeczn ej a a k cep ta c ja i p rzestr zeganie n ie k tó ry c h norm m oraln ych (Die N otw en d igk eit der

sozialen Billigung und Akze.ptation und d ie Einhaltung einiger Moralnormon), P sych ologia W ych ow aw cza 23(1980) Nr. 3, 32:

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DIE HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT 83

richtig, aber nicht allen stimme ich zu, und die richtigen reichen dem M enschen nicht aus (37,2%).

d) Die religiöse M oral ist mir fremd, aber einige G rundsätze des K atholizismus finde ich richtig (13,2%).

e) Die M oralqrundsätze des Katholizismus sind mir völliq fremd (3,8%).

f) Keine A ntw ort (1,0%)31.

Obwohl viele W arschauer Studenten die M oralnorm en des Ka­ tholizismus akzeptierten, w aren einige der M einung, sie seien nicht ausreichend und betonten die N otw endigkeit, andere G rundsätze zu suchen, nach denen man sich richten könnte. A. Święcicki h at recht, w enn er bem erkt, der Subjektivism us und die W illkür in der Bildung des M oralbew usstseins zeigen sich deutlicher beim Übergang von der ziemlich allgem einen und sittlichen G rundorientierung, die in hohem G rade religiösen C harakter hat, zur A kzeptierung der b e­ stimmten Normen. Hier tritt die Polarisierung der sittlichen H altun­ gen deutlicher auf32.

Die K rakauer Studenten vom zw eiten Studienjahr rep räsen tier­ ten m eistens die K om prom isshaltungen (von 57% bis 75% an den verschiedenen Fakultäten). Die prinzipielle H altung rep räsen tier­ ten nur 9% bis 16% der untersuchten Personen, die instrum entale H altung — von 1% bis 17% (die U nentschlossenen — von 4% bis 18%). Der grösste Teil der Jugend akzeptierte die M einung über die Ü berzeitlichkeit m oralischer Im perative nicht, sie lehnten sowohl den extrem en Rigorismus w ie auch den m oralischen Liberalismus ab. Bei den M ännern tra t grössere Intensität der am oralischen H al­ tungen auf als bei den Frauen. Die gem ässigte H altung, die m an am häufigsten antreffen kann, bezeichnet A. K om endera als „rationa­ len ethischen R elativism us”33.

Die dargestellten K onstatationen über die Jugend aus v erschie­ denen gesellschaftlichen Milieus zeigen, dass die „gesetzliche" Mo­ ral und die extrem en M einungen bereits selten anzutreffen sind. Die K riterien und M oralbeurteilungen, die von vielen jungen Leuten

J 1 A. P a w e ł c z y ń s k a , Treść, d y n a m ik a i funkcje p o sta w w o b e c religii (Inhalt, D ynam ik und Funktion der H altungen gegenüber der R eligion), in: Stu­

denci W a r s z a w y (W arschauer Studenten) hrsg. v. S. N o w a k , Bd. 2, W arszaw a

1965, 257—258.

a A. Ś w i ę c i c k i , Z badań nad stanem p o ls k ie g o etosu (Forschungen über den polnischen Ethos), in: Teolo gia moralna w obliczu aktu alnego stanu etosu

polskie go. A k t a K ongre su T eo lo g ó w M oralistó w Polskich o d b y te g o w K r a k o w ie 17— 19. IX. 1Ç74 (Die M oraltheologie angesichts des aktuellen polnischen Ethos.

A kten des K ongresses der Polnischen M oraltheologen in Krakau 17— 19. 9. 1974), hrsg. v. S. O l e j n i k , Krakow 1977, 26.

53 A. K o m e n d e r a , N ie k tó r e składnik i św ia d o m o śc i s p o łe c zn e j s tu d e n tó w

uczelni w y ż s z e j (Einige Elem ente des g esellsch aftlich en B ew usstseins bei den

H ochschulstudenten), Z eszyty N aukow e U niw ersytetu Jagiellońskiego. Prace So­ cjologiczn e 1974, № . 2, 69—70.

(21)

84 JAN U SZ M ARIAŃSKI

benutzt w erden, sind nicht eindeutig und sehr oft labil. In kleinerem oder grösserem M asse kann m an auf die u ntersuchten Jug en d ­ gruppen die B eurteilung beziehen, die über die Jugend von W ar­ szaw a und Kielce getroffen w urde: „W enn es um die Jugend geht, so w ählt sie die Situations- oder A npassungsorientierung, richtet sich einerseits nach alltäglichen W erten (hier kann m an den p rak ti­ schen Sinn nennen) und zeigt andererseits die zielbezogenen M o­ tiv atio nen bei sichtbarer R epulsion der Fassade. A ber gleichzeitig tre te n in den situationsdefinierten Fällen bei ihr öfter die nonkonfor­ m istischen H altungen und m oralischen V alorisierungen a u f '34.

Die Fähigkeit der Situationsunterscheidung, die Beachtung vie­ ler gesellschaftlich-m oralischer A nsichten, das Treffen v eran tw o rt­ licher Entscheidungen m üssen nicht den extrem en Subjektivismus und den ethischen M inimalismus bedeuten. W enn man überlegt, ob die ausgew ählte Richtung oder V ariante des V erhaltens gute oder bsöe Folgen haben wird, streicht m an dam it nicht die M oralgrund­ sätze, auch dann nicht, w enn sie „situationsbedingf ' sind.

Die oben beschriebene Situation ist vom erzieherischen S tand­ p unkt aus nicht ganz klar. Zu grosse Neigung zum sittlichen Rela­ tivismus bildet die Gefahr, dass es zu einem einfachen Pragm atism us und der U nentschlossenheit der M oralgrundsätze komm en kann („Jeder h at von seinem Standpunkt aus recht"). V iele junge Leute versteh en es nicht, dass die M oralentscheidungen nicht aufgrund freier individueller K riterien k o n stru iert w erden dürfen. Die sich verbreitenden allgem einen instrum ental-teleologischen Einstellungen können die Tendenzen annehm en, die auf verschiedene Gebiete des gesellschaftlich-sittlichen Lebens w irken würden.

Die sittliche „G rundsätzlichkeit" fördert den rigoristischen und absoluten C harakter der M oral, abgesehen von Situationellen Be­ dingungen, und das Suchen nach „reinen" M oralgrundsätzen (Prin- zipialismus). Die zielbezogene H altung fördert das relativistische V erhältnis zu den M oralnorm en, em pfiehlt das Treffen individueller Entscheidungen in jeder konkreten Situation. Die sich verbreitende A kzeptierung der A bw eichungen von den rigoristisch form ulierten M oralgeboten, das Suchen nach altern ativ en M oralnormen, die A npassung der M oralgrundsätze an die aktuellen Bedürfnisse zei­ gen, dass Z. T. W ierzbicki rech t hat, w enn er bem erkt: „W ir m üssen uns dessen bew usst sein, dass der M oralrelativism us in gewissem Sinne eine natürliche Sache ist, bestim m t etw as w eniger natürlich ist aber das, dass sich die M enschen dazu bekennen. Das zeugt d a­

34 I. K r z e m i ń s k i , l d e a i o s o b y w ła s n e j na tle sy tu acji osob istej mło­

d z i e ż y (Idealvorstellungen von der eigen en Person vor dem H intergrund der

gegen w ärtigen Situation der Jugend), in: Ciągł ość i zmiana tr a d y c ji k u ltu ro w ej (Kontinuität und W andel der Kulturtradition), 204.

(22)

DIE HALTUNGEN IN DER POLNISCHEN GESELLSCHAFT 85

von, dass wir es in unserem Leben mit der offiziellen und mit der nicht offiziellen M oral zu tu n haben"35.

4. Die prinzipiellen und die zielbezogenen Haltungen in den verschiedenen gesellschaftlichen Milieus

Die Problem atik der prinzipiellen und der zielbezogenen H altun­ gen tra t noch in einigen anderen soziologischen U ntersuchungen auf. Diese U ntersuchungen um fassten verschiedene gesellschaftliche M ilieus, sowohl auf dem Lande w ie auch in der Stadt. Man kann sie indirekt in den U ntersuchungen über M oralrigorism us und M o­ ralrelativism us finden. W ir besprechen jetzt kurz diese em pirischen U ntersuchungen,

Die U ntersuchungen von T. W ołoszyn betreffen 320 erw achsene Personen, die regelm ässig die K irchen in W arszaw a und Radom besuchten (1972— 1973); sie um fassen u.a. die U rsachen und Ziele, nach denen sich beim Treffen einer Entscheidung die sogenannten Sonntagskatholiken richten36. Es w urden solche Entscheidungsm oti­ vationen ausgesucht, in denen der grösste N achdruck auf folgende W erte gelegt w urde:

a) „an sich selbstverständliche", von den anderen überm ittelte (A utoritäten) oder von aussen aufgezwungene;

b) gew ählte mit der K alkulation verbundene, w enn das Ergebnis in maximal attraktivem Ausm ass gesucht wird.

In der untersuchten K atholikengruppe w urden am häufigsten die Entscheidungen anhand der K alkulationen getroffen (44% M än­ ner und 47% Frauen), w eniger anhand der selbstverständlichen W erte (35% M änner und 30% Frauen) und am w enigsten anhand der überm ittelten oder von anderen aufgew orfenen W erte (11% M änner und 9% Frauen). Mit höherem A lter der untersuchten P er­ sonen verschob sich das Ergebnis von den M otivationen mit K al­ kulationselem enten zu den M otivationen mit selbstverständlichen W erten. Eine bedeutende Stabilisierung der ethischen H altungen erfolgte zw ischen dem dreissigsten und vierzigsten Lebensjahr.

Die U ntersuchungsergebnisse von T. W ołoszyn können nur indirekt mit den gesam tgebietsm ässigen R esultaten verglichen w er­ den. Die Ä hnlichkeit betrifft die A bhängigkeit der H altungen vom A lter, die Differenzierung dagegen betrifft die A bhängigkeit der H altungen vom Geschlecht. Die zielbezogenen H altungen und die prinzipiellen H altungen halten sich bei den Sonntagskatholiken die W aage. Aus dieser T atsache könnten w ir den Schluss ziehen, dass die Religiosität, besonders in V erbindung m it p raktizierter

Kult->5 K o n d y c ja moralna P ola k ó w (Die m oralische Kondition der Polen). Die D iskussion führte und bearbeitete J. B u k o w s k i , P okolenia 19(1981) Nr. 4, 40.

*· A. Ś w i ę c i c k i , Z badań nad stan em p o ls k ie g o etosu (Forschungen über den polnischen Ethos), 38— 39.

Cytaty

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