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Auf dem Weg zum inneren Menschen - zu Musils "Mann ohne Eigenschaften"

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Academic year: 2021

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Włodzimierz Wiśniewski

Auf dem Weg zum inneren

Menschen - zu Musils "Mann ohne

Eigenschaften"

Acta Universitatis Lodziensis. Folia Germanica 3, 99-108

2002

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A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S

F O L IA G E R M A N IC A 3, 2002

W łodzimierz W iśniewski

AUF DEM WEG ZUM INNEREN MENSCHEN

- ZU MUSILS

M A N N O H N E EIGENSCH AFTEN

R o b e rt M usil gehört zu den herausragenden Figuren in d er L iteratu r, die die W issenschaft im engeren Sinn aufgaben, um sich dem Literarischen zu widm en. Sein E rzählen ist durchaus intelektuell bestim m t und seine geistige A useinandersetzung m it der W irklichkeit verläßt niem als den Boden der objektiven R ealität. D ieser Tendenz gegenüber steht M usils radikaler A nspruch, dem zufolge die D ichtung ihren Sinn aus dem Bereich des „anderen Z ustands” em pfängt1. Hiermit ist seine Stellung zwischen Rationalität und d er N ich t-R atio n alität bezeichnet, die er nicht gegeneinander abschottet, so n d ern zwischen denen er zu verm itteln, u n d das M a nnigfache scheinbar D isp a rate aufeinander zu beziehen sucht. D ie Spannw eite der Ich-M öglich- keiten, die M usil in seiner D ichtung vorstellt, reicht von der P rä ratio n alität (negative K ontingenz) bis hin zu r G estaltung der T ran sra tio n alität (positive K ontingenz). M usil interessiert nicht so sehr die D arstellungsw eise von Erlebnissen, als vielmehr die G estaltung des Prozesses selbst, d a er die Entstehungsw eise von G efühlen und G edankengruppen als P ro d u k te einer „kom plizierten w echselwirkenden Synthese” (II, 1001) erkennt. D en n „eine E rscheinung” versteht m an erst, „indem m an erkennt, wie sie entsteht oder wie sie zusam m engesetzt ist, verw andt, verbindbar m it anderen ist” (II, 1029). Indem U lrich - die H au p tfig u r des M ann ohne Eigenschaften - sich der W irklichkeit versagt, sich in ironische D istanz zu ihr setzt, wird er zu einem „potentiellen M enschen” (I, 251)2. U lrich sucht nicht n u r die be­ stehenden M öglichkeiten der W irklichkeit zu erfassen, sondern d en neuen

1 R . M usil, Prosa und S tücke, Kleine Prosa Aphorism en Autobiographisces, E ssays und Reden, K ritik G esam melte W erke, hisg . von. A. Frisé. R ein b ek 1978. ( = 11); vgl, hier Ц, 1152-1154.

2 R . M usil, D er M a n n ohne Eigenschaften, h rsg . von. A. Frise, R einbek 1978. ( = 1).

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M öglichkeiten „ihren Sinn und ihre Bestim m ung” zu geben, sie zu „e r­ w eckten]” (I, 17). M usil k o n stru iert im M ann ohne Eigenschaften die w eltoffenen B ew ußtseinsvorgänge, die sich a u f dem W eg befinden, sow ohl ü ber das empirisch-sensorische, als auch über das D enken und das G efühl (m entale G eschehnisse) hinauszugehen, um zu höheren und transpersonalen Bew ußtseinsform en zu gelangen. Eine T agebuchnotiz zu A nders, einem V orläufer Ulrichs, lautet: „Bei A nders h atte es die spezifische F o rm des die W elt anders denkens. N atürlich als V oraussetzung, auch anders fühlens” (T II, 1147)3.

D ie Suche nach dem „inneren M enschen” (II, 1029) bewegt sich nicht in einem abgesonderten subjektiven Innenbereich, sie erschließt die objektive W elt und geht über sie hinaus. W irklichkeit, wie sie M usil versteht, m uß als „A ufgabe und E rfindung” (I, 16) verstanden w erden. D er W eg zum „in n eren M enschen” , d er sow ohl ein tieferes U m fangen als au ch eine um fassende Id en tität bedeutet, erfolgt a u f dem „W eg des allm ählichsten, unm erklichsten Ü bergangs” (II, 972). Im H inblick a u f seine A rb eit an

M ann ohne Eigenschaften schreibt Musil: Dieses „P rinzip” gelte es, „in

seinen Beziehungen zur Welt näher zu untersuchen” (II, 972). D er Protagonist des „M an n ohne Eigenschaften” verkörpert einen schöpferischen D ran g zu grö ß ere r T iefe, größerem Bew ußtsein, grö ß ere r E n tfa ltu n g , und dieser Prozeß entfaltet sich in seinem eigenen schöpferischen G ru n d 4·.

Die Spannw eite der Ich-M öglichkeiten und Ich-H altungen u m faß t bei M usil: die em pirisch-positivistische H altung, die objektiv und m onologisch ist; die geistigen E rfahrungen und M einungen, die im herm eneutischen Zirkel kreisen; und schließlich die translogischen A nsätze des „anderen Z u stan d s” . H ier w erden der W ahrnehm ende (Subjekt) und die W elt (Objekt) a u f ihrem gem einsam en nichtdualen U rsprung zurückverfolgt. M usil geht es somit um das Erfassen des Bewußtseinsspektrums, in dem die sensorischen, m entalen und spirituellen D aten ihren P latz haben. U nd all dies geschieht d a n k d er F ähigkeit des Ich zur „S elbsttranszendenz” .

D er hier beschriebene Steigerungsprozeß5 k an n m it der L eiter-M etapher versinnbildlicht werden. D ie höheren Sprossen ruhen a u f den unteren. Jede höhere Ebene transzendiert und um fängt, negiert und bew ahrt ihre V orläufer.

E s ist schon gesagt w o rden [...]; jed e n eu e E rfa h ru n g sprengt die F o rm el d er bisher erw o rb en en , w ird aber zugleich in ihrem Sinn gem acht. [...] W as w ir unser geistiges Sein

3 R . M u sil, Tagebücher. 2 Bde, (Bd. 1: Tagebücher, Bd. 2: A n m erkungen, A nhang, Register), hrsg. von A. Frisé, R einbek 1976. ( = T I, T II).

4 Es ist die schöpferische M o ra l d er G e n ia litä t, d ie U lrich kennzeichnet. Z u r Genie- K o nzep tion M usils vgl. J . Schm idt, D ie Geschichte des Geniegedankens in der deutschen L iteratur. Philosophie und P o litik 1750-1945, Bd. II, D a rm s ta d t 1985, 278IT.

5 Vgl. d a z u d ie D isk u ssio n von „ S teig eru n g ” als ästh e tisc h e r K a te g o rie . R . M usil, Tagebücher, 2 Bd, hrsg. von A . Frisé, R einbek 1981, Bd II, 982.

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nen n en , b efindet sich u n ausgesetzt in diesem V org an g d er A u sd eh n u n g und Z usam m enziehung. In ihm h a t d ie K u n s t die A ufgabe u n au fh ö rlich er U m fo rm u n g und E rn eu eru n g des Bildes d er W elt u n d des V erhallens in ihr, indem sie d u rch ih re E rlebnisse die Fo rm el d er E rfa h ru n g sp ren g t (II, 1151f).

U lrich realisert die K o n zep tio n des „inneren M enschen” , der sich im m er w ieder selbst übersteigt, sich in feste F orm en nicht einfangen lassen will, der im m er neue M öglichkeiten entw irft, ohne sich a u f sie festlegen zu lassen. E r übersteigt schöpferisch die p räfo rm ierte F o rm d er sozialen W irklichkeit und deren konventionellen O rientierungsvorstellungen m it ihrem falschen G anzheitsanspruch. D as ist n u r dad u rch m öglich, d aß er m it seiner schöpferischen M oral d er G enialität ü ber eine grundlegende G anzheitsorientierung im Subjektiven verfügt. D er zweite Teil des „M an n ohne E igenschaften” versucht m it H ilfe des H yper-R ealism us die Synthese zu erreichen. D arin entlädt sich eine „O m nipotenzphantasie” 6.

Diesem transzendentalen W achstum stehen regressive Tendenzen entgegen, die einer p rära tio n alen W eitsicht und ihren vorkonventionellen Im pulsen und Bedürfnissen verhaftet bleiben. Es sind für Musil die beiden Seiten der M edaille, die er im Begriff des „anderen Z u stan d s” zum A usdruck bringt.

In der untersten Dimension des angesprochenen hierarchischen Steigerungs­ prozesses hab en w ir m it m ateriell-sensorischen P hänom enen zu tun. M a n beo b ach tet hier die D inge m it einer objektiven, einer „em pirischen” oder positivistischen H altung. D ieser W eg h ält sich an sensorische U nm ittelbarkeit und läß t in seine T heorien n u r d as eingehen, was m it den „äu ß eren ” Sinnen oder ihren „V erlängerungen” w ahrgenom m en w erden kann. M usil bezeichnet diesen E rk en n tn isb ereich als d as „R atioi'de” . R a tio id ist fü r ih n das „wissenschaftlich Systematisierbare, in Gesetze und Regeln Zusam m enfaßbare” (II, 1026f.). H ier ist kein D ialog erforderlich, kein gegenseitiger A ustausch von Tiefe, weil m an n ur das Ä ußere und System atisierbare betrachtet. A uch diese A rt der Theoriebildung, bedient sich durchaus apriorischer Setzungen und innerlich getroffener V orentscheidungen, aber stets im H inblick a u f die U nm ittelbarkeit äußerlich w ahrgenom m ener Ä ußerlichkeiten. In der Bindung an die m ateriellen, gesellschaftlichen, em pirisch beobachtbaren K om ponenten des Lebens verm ag d er M ensch nicht dauernd wirklich zu sein, er reduziert sich selbst a u f diese K om ponenten. D ie Parodie eines solchen „reduzierten M enschen” stellt M usil bereits in den Verwirrungen des Zöglings Törleß dar, in der Figur des Bahnhofvorstandes1. D ie H andlungen eines solchen M enschen

s J. Schm idt, a.a.O ., Bd. II, 282.

7 „V o n Z e it zu Z eil, in gleichen In te rv allen , tra l d er B a h n h o fv o rsla n d a u s seinem A m tszim m er h erau s, sah m it d e r gleichen W en d u n g des K opfes die weite Strecke h in a u f nach d en Signalen d e r W äch terhäuschen [...], m it ein und derselben Bew egung des A rm es zog er so dan n seine T a sc h en u h r hervo r, sch üttelte den K o p f und verschw and wieder; sowie die Figuren ko m m en u n d gehen, die au s alten T u rm u h re n treten , w enn die Stu n d e voll ist” . (II, 7).

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h a b e n einen flachen und p la tte n C h a ra k te r, sie sind o h n e B edeutung, Bedeutsam keit und D eutbarkeit, ohne Tiefe und ohne jede Sublim ität. Es ist ein a u f seine Präsenz und seine F u n k tio n reduzierter M ensch, der keine Innenseite, kein reifes Bewußtsein besitzt. D en a u f subjektunabhängige, objektive E rkenntnis zielenden wissenschaftlichen Objektivism us them atisiert M usil in d er generellen „U nterscheidung” von „lebenden” und „ to te n ” „G ed a n k en ” (I, 1914)a. Zu den „ to te n ” G edanken zählt M usil rein logische, m athem atische, wissenschaftstheoretische, wie deskriptiv erfahrungsw issens­ chaftliche G edanken, aber auch diejenigen ‘objektiv geltenden’ N orm en, denen der M ensch gew ohnheitsm äßig sein Leben u n d E rfahren u n terstellt5. In d er W elt des E m pirism us p o ch t m a n a u f m onologische W ah rh eit, objektive O berflächen, em pirisches V erhalten. In dem erfundenen „G espräch m it R o b e rt M usil” äußert M usil in bezug a u f die W elt der F akten: „D ie T atsach en sind überdies vertauschbar” (II, 939) und im M ann ohne Eigens­

chaften spricht er von der ,,fürchterliche[n] G ew alt der W iederholung”

(I, 1672). Musils Polemik gegen die Kausalrelation bedeutet nicht das In-Frage- -Stellen dieser E rkenntnisebene, denn ohne die N aturw issenschaften ist die E xistenz des M enschen für ihn nicht d en k b ar. D ie W ichtigkeit dieses Bereiches wird von U lrich m it aller D eutlichkeit form uliert. „E indeutigkeit ist das Gesetz des wachen D enkens u n d H andelns, [...] und sie entspringt d er N o td u rft des Lebens, die zum U ntergang führen w ürde, w enn sich die V erhältnisse nicht eindeutig gestalten ließen” (I, 593)10.

Im zweiten Bereich der L eiter-M etapher, der herm eneutisch-phänom eno­ logischen C h a rak ter besitzt, sind w ir an Bewußtsein, G efühlen, A ntrieben, W erten, A bsichten, H offnungen und Ä ngsten interessiert. D as G efühl und som it die „G efuhlspsychologie” (I, 1941) spielen hier die entscheidende Rolle. Im G egensatz zu den em pirisch-m ateriellen K om p o n en ten des Lebens setzt sich das Psychische für M usil nicht aus einzelnen Elem enten zusam m en. Seine O ptik des G efühls vereinigt in sich die subjektive Innenw elt m it der subjektunabhängiger Außenw elt. D ie B edeutung eines G efühls ist von der Beziehung, in d er es steht nicht ablösbar. F ü r M usil sind G efühle reale D inge, die aber keinen einfachen O rt haben, sie existieren a u f Ebenen des Innenraum s. D a sie nu r von innen e rk an n t w erden können, k a n n hier nu r d as interpretative Forschen, das Verstehen von Bedeutungen subjektiver und intersubjektiver A rt, erm öglichen. In dieser D im ension h ab en w ir m it „lebenden G edanken” (I, 1914) zu tun, die d as „innerlich G eschehene selbst” (T I, 117) sind. D as lebendige D enken m it seinen G leichnissen, Sym bolen und Vergleichen hält die Spannung zwischen S ituativität u n d der

8 Vgl. I, 1914-1920. 9 Vgl. I , 1919.

10 Zu M usils V erh ältnis zum Positivism us vgl. T . M eh ig an , R o bert M usil, Ernst M ach und das Problem der K ausalität, „D eutsche V ierteljahresschrift” 71 (1997), 264—287.

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sie übersteigender S ituationsunabhängigkeit aufrecht. Es „bleibt ein weder subjektiver no ch objektiver Z usam m enhang, w ohl aber einer, d er beides sein k ö n n te ” (T I, 664). O bw ohl beides funktionell aufeinander bezogen ist, übersteigt d as denkende Ich den gedachten Sachverhalt. D a n k dieser Fähigkeit ist d er M ensch im stande die vorhandenen Z usam m enhänge zu transzendieren. H ier liegt seine ganze Lebenswelt, sein eigentliches G e­ w ahrsein, seine Tiefe. D er entscheidende P u n k t ist, d aß d er Zugang zu d er Tiefe durch die T äuschung blockiert w erden kann. D as falsche Selbst bildet die „künstliche Ic h k o n tin u itä t” (T I, 577). D as Ich ist für M usil a n sich unbestim m t, d arin liegt sow ohl die C hance als auch die G efahr. „D ie Seele des M enschen ist eine hauchähnliche M asse, die sich an fes­ ten Berührungsflächen niederschlägt u n d selbst fest w ird” . (I, 1628) „A lle unsere G efühlseinstellungen sind halbfest; und noch weiter innen ist et­ was ganz U nbestim m tes. M a n stellt das im m er um gekehrt dar, als ob innen das Feste wäre, der C h arakter, die Ü berzeugung; so wie aber G o tt rotierende glühende K ugeln geschaffen hat, die er ihrem w eiteren Schick­ sal überließ, m uß m an annehm en, daß auch der M ensch als eine Blase geschaffen ist, und es h än g t von den U m ständen ab, was d arau s wird. O der auch der M ensch h a t es völlig selbst in d er H a n d .” (I, 1629f.) A u f dieser Stufe kan n m an als das tatsächliche Selbst in d er A ufrichtigkeit oder als das falsche Selbst in d er T äuschung existieren. Die E rkenntnis d er U nw ahrhaftigkeit des Ich wird von M usil u n ter verschiedenen Per­ spektiven wie M o ral, C h a rak ter, Eigenschaften, D enkgew ohnheiten them a­ tisch. In der alltäglichen E rfah ru n g sind es die ,,präform ierte[n], stabilejn] V orstellungen” (II, 1146), gem äß deren vorzeichnender T endenz E rfa h ru n ­ gen erw artet w erden. D ie „D en k g e w o h n h eiten ” , „die fest erw orbenen G ew ohnheiten des B ew ußtseins” , bilden „die S ch ab lo n en ” , „d u rc h die alle W ahrnehm ungen hindurchgehen” (I, 1435). Sie h aben die T endenz, sich zu einer „A rt perspektivische[n] V erkürzung des V erstandes” (I, 648) zu verfestigen. Einerseits trag en sie zu r E rh a ltu n g d er In te g ritä t und S tabilität d er Selbstgrenze bei, andererseits sie „sind die unsichtbaren und starrsten S chranken” . (T I, 23) So zeigt sich, d aß die Parallelaktion im „M a n n ohne Eigenschaften” , tro tz ihrer pazifistischen A nsprüche, dem W eltkrieg nicht bloß vorangeht, sondern ihn geistig vorbereitet. D en n die „W irklichkeit” in diesem Bereich ist gerade das erstarrte D enken und W erden; sie besteht aus den festgefahrenen F o rm en des D enkens, des W ollens, des L ebens, die M usil u n ter dem S tichw ort „Seinesgleichen” auffaßt. D ie W elt des „Seinesgleichen” folgt d er ihr innew ohnenden re­ gressiven T endenzen bis hin zur K atastro p h e, die den Schluß des R o ­ m an s bilden sollte. U lrich denkt ü ber diese erstarrten F o rm en n ach und unterzieht sie in seiner Reflexion einer kritischen Ü berprüfung. E r iden­ tifiziert sich n ich t m ehr m it ihnen, sondern steht in einer kritischen D is­

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tan z zu ihnen. E r „differenziert” sich von seinen R ollen in der P arallelak­ tio n und rü ck t von ihnen ab.

W enden wir uns je tz t den progressiven Tendenzen, die den M a n n ohne Eigenschaften a u f dem Weg zum inneren M enschen begleiten. D ie „Seele” o der d er „G eist” ist für M usil das, was die W irklichkeit übersteigt und w as in keiner Verw irklichung aufgehen k a n n 11. D er tran sratio n ale Z ustand des „inneren M enschen” wird zum inhaltlosen B rennpunkt der gleichnis­ haften dichterischen Struktur. Es ist jenseits des R om ans liegende G ru n d ­ problem des Erzählens und d er dichterischen Sinngebung ü b erh au p t. Alles im R o m an D argestellte und noch die in ihm entfalteten großen Problem ­ kreise ist som it a u f eine andere, hinter ihm liegende, selbst nicht darstell­ bare, aber die D arstellu n g bestim m ende P ro b le m a tik zu beziehen. D ie R eflexion ist nicht im satnde den translogischen „anderen Z u sta n d ” zu analysieren, ihn a u f seine Bedeutung zurückzuverfolgen, sondern sie m ach t H a lt vor der fast m ystisch gedachten „E inheit des G efühls” . W as G egen­ stand des ganzen R om ans ist und einzig durch die F o rm u n g verm ittelt w erden kann, ist das Sagbare12, das das U nsagbare nicht ausdrücken, sondern lediglich abgrenzen kann. U lrich bezeichnet dies als einen Z u sam ­ m enhang oder eine R elation zwischen dem G eist und dem , was über den G eist hinausgeht. „ U n d m it einmal stellte sich U lrich d as G anze kom is­ cher W eise in der F rage dar, ob es nicht am Ende, das es doch sicher genug Geist gebe, bloß d aran fehle, daß der Geist selbst keinen Geist habe?” (1,155) Alle die D inge, Geschehnisse, Bilder, Ideen, Begriffe, W ü n ­ sche sind Objekte, die G eist besitzen, der G eist selber besitze aber keinen Geist. Dem inneren M enschen, der als „eine M öglichkeit” (1,1599) die natürliche W elt beobachtet und darstellt, ist es gegeben, sich d a n k dem schlechthin U nbedingten m it Allem zu entidentifizieren. Dieses tiefinnere Selbst (reines B ew ußtsein o der reines G ew ahrsein) ist n ich t ein reales Subjekt, es ist kein D ing, keine Q ualität, keine E n tität - es ist im höchs­ ten M aße unqualifizierbar, im höchsten M a ß e eigenschaftslos. Es ist „ n u r etw as [...], d as die G ed an k e n p assieren ” (T II, 1148). D e r „ in n e re M ensch” beobachtet die äußere W elt und beobachtet die inneren G e d a n ­ ken. All dies zieht „ v o r” ihm vorbei. D iese O bjekte sind gerade das, was er nicht ist. E r ist „der ideale B eobachter” , er ist der reine U rsp ru n g des Gewahrseins. Diese D im ension ist in äußerstem M aße zeitlos, raum los, objektlos. A lexander H onold fu h rt die U nterscheidung zwischen der ver­

11 Vgl. I, 1517.

12 D ies erfolgt nach dem selben M o d u s, wie W ittgenstein die N atu rw issen sch aft d u rch die P hilo so p h ie einzugrenzen sucht: „ D ie Ph ilo so p h ie beg ren zt d a s b e stre itb a re G e b ie t d er N aturw issenschaft. Sie soll d a s D e n k b a re abgrenzen und d a m it d as U n d e n k b a re . Sic soll das U n d e n k b a re v o n innen d u rch das D e n k b a re begrenzen” ; L. W ittgenstein, Tractatus logico- philosophtcus, F ra n k fu rt/M a in 1984, 33.

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w ahrten und entsprungenen Zeit im W erk M usils ein13. D ie verw ahrte Zeit ist die D om äne des „inneren M enschen” .

D ieser Z u sta n d ist „n iem als von D a u e r” , er ist n ach M u sil „ein hypotetischer G renzfall, dem m an sich an n äh ert” (II, 1154). F ü r U lrich ist diese E rfah ru n g eher eine „Z ipfel’’-Erfahrung. E r erhascht ein Zipfelchen von D im ensionen, die er a u f die D au er vielleicht n o ch gar n ich t aufnehm en kann. D as V erhältnis von Id en titä t und N ich t-Id en tität von m annigfach verschränktem G egensatz erreicht seine Id en titä t m it dem W irklichen in der Erfülltheit d er Liebe oder in d er spekulativen G enauigkeit des V erstandes. Es ist die Einsicht, d aß seine G rundlage - wie M usil es von d er M ath em atik behauptet - im Im aginären liegt14·.

U lrich lehnt wie Peter P ü tz schreibt - „die klassische G anzheitsvorstel­ lung, wie sie A rnheim verkörpert, ab. N icht die E inheit des Z usam m en­ hangs, die m eh r ist als die Sum m e aller Teile, ist das Gegengew icht zur Vielheit, sondern E inheit m eint A ufhebung aller Einzelheiten, ohne d a ß eine bestim m te D en k - und L ebensform A usdruck dieser G anzheit sein könnte. Wie U lrich gläubig ist, aber nicht glaubt, wie er eine M o ral fü r nötig hält, aber keine bestim m te, so ist der ‘andere Z u stan d ’ für ihn eine D im ension ohne Eigenschaften” 15. D ieser Z u stan d des kontingenten Bewußtseins ist die Ebene des p aradoxen V erstandes, der ü ber nichtverm itteltes oder nichtsym ­ bolisches W issen nachzudenken versucht. Im M ann ohne Eigenschaften heißt es dazu: „H e rr dieses Z ustandes w erden zu wollen, kam U . jetzt oft ganz lächerlich vor. - Ich bin ja seine F ra u geworden - sagte er sich - W ir sind drei Schwestern, Ag, ich und dieser Z u stan d ” (1523). Bezeichnend ist, d aß schon Schelling diesem paradoxen M odus des Bewußtseins A usdruck gibt: „Es ist nichts, das es wäre, und es ist nichts, d as es nicht wäre. Es in einer u naufhaltsam en Bewegung, in keiner G estalt einzuschließen, das U nfaßliche, das w ahrhaft U nendliche” 16. A uch im W erk Schellings befinden sich Präm issen fü r den von uns them atisierten Ü bersteigungsprozeß im W erk M usils. D ie höchste Id e n titä t ist fü r Schelling nicht das Eine abseits von Vielen, sondern das E ine im Prozeß des Sich-Entfaltens in den Vielen und durch die Vielen; er ist ein unendliches W irken, d as sich im endlichen Prozeß der E ntw icklung oder E volution zum A usdruck bringt. D as A

b-11 Vgl. A. H o n o ld , ,,Die verwahrte und die entsprungene Z e it. P aul Kellers, Ferien von Ich und die ZeitdarStellung im W erk R obert M u sils", „D eu tsch e V ierteljahresschrift" 67 (1993), 302-321, hier: 312.

14 Vgl. II, 1006.

11 P. Pu tz, Robert M usil, [in:] D eutsche Dichter der M oderne, hrsg. von B- von Wiese, Berlin 1975, 327-349, hier 343Г.

16 F. W . Schelling, Initia philosophiae universae. Erlanger Vorlesung, W S 1820/21, hrsg. von H o rs t F u h rm a s, B o n n 1969, 16.

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solute ist für Schelling die selbstranszendierende Triebfeder des G esam tp ­ rozesses11.

M usils alle Bem ühungen zielen darauf, dieses „ G efü h l” des „anderen Z u stan d s” zu spezifizieren, er m acht die form alen Eigenschaften seiner D ichtung von diesem „G efühl” abhängig und h ebt die Eigengesetzlichkeit dieses paradoxen Bereiches d er literarischen D arstellung. H ier gibt es keine subjektive Freizügigkeit. M usil sucht den M enschen in seiner autonom en S ubjektivität zu begreifen, die keineswegs einer anarchischen W illkür huldigt, sondern Gesetzen untersteht, „die nicht weniger streng sind, als die zart u n d unaussprechlich erscheinen” (I, 253).

Dem progressiven Weg zum inneren M enschen steht der regressive entgegen. D ie gewaltsame P rä ratio n alität läß t M usil zum ersten M al im

Törleß zum A usdruck kom m en, indem er eine au to n o m e Internatsw elt

erschafft. D ie Schüler erleben ihre Um gebungsw elt weitgehend unverm ittelt in höchstem M a ß e physisch ohne R ekurs a u f V erstandes- oder M o ra l­ kategorien. Im M ann ohne Eigenschaften haben wir m it regressiven E ntw ic­ klungen a u f verschiedenen E benen zu tu n , die in einzelnen G estalten dargestellt w erden. Sie finden sich aber auch in den verschiedenen Positionen U lrichs wieder. Es ist für ihn das spannungsreiche In ein an d er d er beiden von A nfang an in ihm angelegten H altungen. „In diesen beiden Bäumen (‘G ew alt’ und ‘L iebe’) w uchs getrennt sein L eb en .” (I, 592) E s sind gegenteilige T opoi der P rä- und T ransrationalität, die sich in den A usdrücken „G ew alt” und „L iebe” widerspiegeln.

D iotim as Interessen wandeln sich vom Seelischen zum K örperlichen, Fischei läß t die Ideale des Liberalism us fallen und wird am E nde zu einem rücksichtslosen Spekulanten, Clarisse verwirklicht in ihrer W eise die V or­ stellung einer „sinnfreien T a t” (vgl. I, 778). D ie M oosbrugger-PIandlung verläuft fast k o ntrapunktisch zu der eigentlichen, um die P arallelaktion zentrierten H an d lu n g des R om ans. Sie spiegelt sich verzerrt und ü berdeut­ lich in der F ig u r dieses halb verrückten M örders. Viel Licht fallt a u f die F aszination, welche das Böse, in der G estalt M oosbruggers, aber auch der G ew alt des Krieges, a u f die unschuldigen M enschen der P arallelaktion ausübt. Zu den „falschen G estalten” des „anderen Z u stan d s” gehören nicht n u r M oosbrugger und Clarisse, aber auch die von H ans Seep und M ein- gast, die intellektuell zw ar fortgeschritten sind, w ährend sie m oralisch auf d er niedrigen Stufe stehen.

M usil stellt sich seit den frühesten W erken im m er w ieder die F ra g e nach dem U nterschied zwischen den kran k h aften , perversen, verbrecherischen

17 Vgl. Schellings W erke, hrsg. von M . Schröter, M ü n chen: Beck u n d O ld en b u rg , 1927, Bd. 1, 449.

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H an dlungen und d er unirdischen G ü te 18. M usil h a t fü r beide P hänom ene die F orm el des „anderen Z u stan d s” verw endet15. D a sow ohl das P rä - als auch das T ransrationelle a u f je eigene Weise unpersönlich sind, erscheinen sie dem ungeschulten Auge leicht als ähnlich oder gar identisch, ln beiden Z u ständen hab en wir m it der Ichlosigkeit zu tu n und in beiden w ird die Befreiung von den Fesseln d er Persönlichkeit gesucht. D a sow ohl die T ra n sra tio n a litä t als auch P rä ratio n alität das N icht-Ich bedeuten, besteht die G efahr der Verwechslung der T ranszendenz m it d er R egression. D ie T ran sra tio n alität als der „V organg der A usdehnung” (II, 1151) entsteht durch die Transzendenz der vorigen Ebenen. Sie werden von ihr eingeschlossen und integriert. D ie P rä ra tio n a litä t hingegen e n tste h t als V organg der „Z u sam m en zieh u n g ” (II, 1151) durch das gew altsam e E lim inieren des grundlegenden D ualism us d er Welt. Indem w ir in d er hierarchischen E n t­ w icklung zu positver K ontingenz m it der D ifferenzierung, T ranszendierung und Tiefe zu tu n haben, ist in der negativen K ontingenz der D ran g zu der D issoziation und V erdrängung zu beobachten. U lrich ist seinen gesellschaf­ tlichen R ollen nicht ausgeliefert. E r ist im stande sie zu differenzieren und zu transzendieren. E r integriert sie, erringt ihnen gegenüber eine gewisse Freiheit. Som it steht ihm der W eg zum „inneren M enschen” offen.

W łodzimierz Wiśniewski

D R O G A K U „ W E W N Ę T R Z N E M U C Z Ł O W IE K O W I” W C Z Ł O W IE K U B E Z W Ł A Ś C I W O Ś C I R O B E R T A M U S IL A

R o b e rt M usil należy d o g ro na wybitnych pisarzy, k tó rz y zrezygnow ali z kariery n aukow ej n a rzecz p isarstw a. W łaśnie w twórczości literackiej d o strzegał M usil m ożliw ość w yrażenia tych stanó w św iadom ości, k tó re przek raczają zwykły racjonalizm .

D ro g a , k tó rą p o d ą ż a U lrich - głów na p o sta ć Człowieka bez właściwości - p ro w adzi poprzez ró żn e płaszczyzny możliwości poznaw czych człow ieka, k tó re p o zw alają ułożyć się w form ę hierarchicznego spektrum. Z literaturoznawczego pu n k tu widzenia są to trzy paradygm aty poznaw cze o kluczow ym znaczeniu d la d zieła p isarza. Pierw szy to p a ra d y g m a t odzw ierciedlenia o c h arak terze em piryczno-sensorycznym służący wielu pożytecznym celom , je d n a k m ający pow ażne ograniczenia. D ru g i zaw iera św iadom ość, uczucia, nadzieje, lęki ilp. W przeciw ieństw ie do pierw szego, k tó reg o właściwością je s t m onolog, je s t p a rad y g m atem realizującym się p o p rzez dialog. K luczem d o a sp ek tó w tej płaszczyzny je s t h e rm e n e u ty k a . Trzeci p a ra d y g m a t to p a ra d y g m a t tran sp erso n aln ej tożsam ości. Płaszczyzna ta je s t „n ied u alisty czn a” , co m o żn a

la Vgl. U lrichs N ach d en k en zu dieser Frag e. (I, 823f.)

19 Vgl. dazu: P. H . Beard, „C larisse und M o o sb ru g g er vs. U lrich /A g ath e: d e r andere Z ustand au s neuer Sicht” , „ M o d ern A u strian L ite ra tu re ” 9 (1976), N r. 3/4, 114-130.

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1 0 8 W łodzim ierz W iśniewski

in terp reto w ać ja k o przekraczanie dychotom ii p o d m io tu i p rzedm iotu. D la m istycznych m ędrców i filozofów jest to św iadom ość b ezpośrednia i pozajęzykow a. M iędzy tym i pozio m am i n ie m a sprzeczności, o d zw ierciedlają one zupełnie realn e ró żnice po m ięd zy p o z io m a m i sp e k tru m św iadom ości.

R ealizacja koncepcji „w ew nętrznego człow ieka” nie d o k o n u je się sam oistnie i bez tru d u . R egresyw nym aspektem „innego sta n u ” są preracjo n aln e tendencje i im pulsy. P oniew aż i one leżą p o z a m ożliw ościam i logicznej in terpretacji, często m ylone są z progresyw nym i tendencjam i tran sracjon aln y m i. A u to r a rty k u łu używ a d la ro zróżnienia tych dw óch aspektów M usilow skiego „in nego sta n u ” term inów pozytyw nej i negatyw nej kontyngencji.

Cytaty

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