• Nie Znaleziono Wyników

Jede Uniform verdirbt den Charakter. Zu Max Frisch "Dienstbüchlein" und "Blätter aus dem Brotsack"

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Share "Jede Uniform verdirbt den Charakter. Zu Max Frisch "Dienstbüchlein" und "Blätter aus dem Brotsack""

Copied!
13
0
0

Pełen tekst

(1)

A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S

F O L IA G E R M A N IC A 1, 1997

Joanna Jabłkow ska

J E D E U N IF O R M V E R D IR B T

D E N C H A R A K T E R . Z U M AX F R IS C H D IE N S T B Ü C H L E IN U N D B L Ä T T E R A U S D E M B R O T S A C K *

„Jede U niform verdirbt den C h a ra k te r“ 1, schreibt M ax F risch in seinem ersten Tagebuch. D ieser k urze Satz d rü c k t seine A bneigung nicht n u r gegen d as M ilitär und die A rm ee, sondern gegen jede A rt von U nifo rm ieru n g aus. D iese A bneigung wird in den 70er Ja h re n beinahe zum zentralen

Them a d er sich m it Politik befassenden W erke von M ax F risch.

1974 schrieb d er A u to r eine A rt F o rtsetzu n g o der eher R evision seiner

B lätter aus dem B rotsack, die er in d er Zeit des M ilitärdienstes 1939

verfaßte. In der Schweiz ist m an diesem Dienstbüchlein, wie F risch sein Buch betitelt h at, m it Skepsis begegnet. N icht zum ersten M al hab en sich die K ritik er die F ra g e gestellt, w arum F risch ein T h em a, ein M o tiv und eine F o rm w iederaufnim m t, die in seinem Schaffen abgeschlossen zu sein scheinen; äh n lich e V orw ürfe galten bereits dem zw eiten T a g e b u c h des Schweizer A u to rs. M anch ein Rezensent h at sogar b eh a u p te t, F risch wolle sich bei d er ju n g en G e n eratio n anbiedern, und aus M angel an einem besseren Einfall den aktuellen Trend zur W ehrdienstverweigerung unterstützen2.

* D e r A rtik el e n ts ta n d 1984.

1 M . Frisch: Tagebuch 1946-1949, F ra n k fu rt/M . 1974.

1 V gl., z.B. M . Beck: Eine ähnliche A usgangssituation, „ B ad e n er T a g e b la tt“ , 6.04.1974: „ U n d d o ch ist m ir, als zeige sich im n euesten W erk d as U n v erm ö g en des D ich ters, d a s A lter h in zu n eh m en und v o r d en h eutigen Ju n g en fü r die eigene Jugend u n d ih re P ro b lem e zu stehen, die n u n einm al vorbei sind. E r stellt sich in die R eihen einer G e n e ra tio n , d ie ih m seine A n n ä h eru n g sv ersu ch e n ich t einm al h o n o rie rt“ . K . O .: A lles in allem ein Id y ll und gesund, „ N eu e Z ü rich er Z eitu n g “ , 10.03.1974: „ W a r F risch d a m a ls w irklich so leer? D ie B lä tter aus

dem B ro tsa ck w iderlegen ih n . F ra g t sich, o b n ich t aus h eutiger L eere die V erg an g en h eit leer

ersch ein t o d er o b vielleicht diese Leere g a r n u r ein V orw and ist, in die V erg an g en h eit h in ein zu in terp retieren , was ihm g erad e so p a ß t“ .

(2)

T atsächlich ist Dienstbüchlein ein Altersw erk, wie vieles, was F risch seit d en 70er Ja h re n geschrieben h at, wie das bereits genannte zweite T agebuch, wie Wilhelm Tel! fü r die Schule, wie Triptychon etc. N icht jed o ch die A n b ied eru n g bei der ju n g en G e n eratio n steht im Z en tru m dieser W erke, sondern ein im mer deutlicher werdendes Bedürfnis, seine eigenen Jugendw erke zu revidieren und nicht u n b ean tw o rtet zu lassen. Diese T endenz in F rischs Schaffen scheint nicht n u r der sich m it der Z eit v erändernden ideologischen P osition des Schriftstellers, sondern auch der Ä sthetik seines W erkes zu gelten. Sow ohl B lätter aus dem Brotsack als auch Dienstbüchlein, sow ohl

Das Tagebuch 1946-1949 als auch Das Tagebuch 1966 1971 sind literarische

T ag e b ü ch er3. D er subjektive, oft private Blick des E rzählers im Jugendw erk beg in n t jed o ch nach Ja h re n einem sachlicheren und d ista n z ie rte re n zu weichen. A llerdings versuchen die beiden M ilitär-T agebücher den historischen T a tsa c h e n treu zu bleiben. Sie fälschen und verändern nicht, sie geben lediglich unterschiedliche In terp retatio n en derselben F a k te n 4. D ie W and lu n g , die neue E instellung zur G eschichte, P olitik, H eim at, die fü r D ienstbüchlein charak teristisch ist, hat sich nicht plötzlich vollzogen. D ie im ersten Satz dieses A rtikels zitierte A ussage Frischs stam m t aus dem Tagebuch 1946 1949, aus d er unm ittelb aren N achkriegszeit. D er Zw eite W eltkrieg und die E r-fahrungen, die Frisch w ährend seiner Reise gleich nach dem K rieg gesam m elt h a t, hab en seine E instellung zu vielen Z eitproblem en entschieden geändert. F risch erlebte in dieser Z eit eine A rt U m w ertung der W erte.

A ngesichts to ta litä re r A n sp rü ch e einer tech n o k ratisch en G esellschaft, d e r w issenschaftlichen N eu b estim m u n g des M enschen im Z eichen einer R e lativ ität aller W erte u n d d er E rfah ru n g zw eier W eltkriege fällt es im m er schw erer, an eine geschlossene, gesicherte und geborgene E x istenz zu g lauben, die sich un g eb ro ch en in d e r V ersicherung ,Ich b in ' zu identifizieren verm ag, sch reib t M . Ju rg en sen 5.

3 Z u r T h eo rie des literarischen T ag eb u ch s siehe z.B.: A. G räser: D as literarische Tagebuch

- Studien über E lem ente des Tagebuchs als K unstform . W est-O st V erlag. S aa rb ü ck e n 1955;

R . K u rz ro ck : D as Tagebuch als literarische Form. D iss. Berlin 1955. Im L ichte dieser U n te r-su ch u n g en sind w eder B lätter n o ch D iensthüchlein n o ch die beiden T ag e b ü ch e r von F risch literarische T ag eb ü ch er. Sie tragen jed o ch Z üge dieser G a ttu n g und n ä h e rn sich e h er ih r als irg en d ein er an d eren . A u ch T ild y H a h n h a rt in ih rer D isserta tio n M a x Frisch: Z u fa ll, Rolle und

literarische F orm , neigt zu dieser M e in u n g , indem sie schreibt: „Z w eifellos d a r f m a n den

B e ric h tersta tte r dieser beiden schm alen B än d e m it dem A u to r M ax F risch d ire k t identifizieren. W o v o n er berichtet, sind seine persö n lich en E rlebnisse, B eo b ach tu n g en , R eflexionen und S te llu n g n a h m e n “ . T. H a h n h a rt: M a x Frisch: Z ufall, Rolle und literarische Form. S c rip to r, wiss. V eröffentlichungen. K ro n b e rg /T s. 1976, S. 106.

4 G e o rg K re is, H is to rik e r, b e stä tig t im G ro ß e n u n d G a n ze n F risc h s E rin n e ru n g e n . G . K reis: D er R eiter a u f dem Bodensee. Z u m Q uellenwert von M a x Frischs ,,D ienstbüchlein", „B asler N a ch ric h te n “ , 21.09.1974.

5 M . Jurgensen: D ie Erfindung eines la se rs. M a x Frischs Tagebücher, ln : D ers. (H g.):

M a x Frisch. K ritik - Thesen - Analysen. B eiträge zum 65. Geburtstag. F ra n c k e. B e rn -M ü n c h e n

(3)

M an k a n n diese existenzielle E rk en n tn is oh n e weiteres a u f politische und gesellschaftliche Ü berzeugungen, a u f die Beziehungen zu den M itm enschen ü b e rh a u p t beziehen. D as bisher A n erk an n te, das, was, m an v o r dem K rieg nie angezweifclt h at, h a t plötzlich seine B edeutung und G ültigkeit verloren. Es h an d elt sich vor allem um die K u n st und K u ltu r, die m a n bisher als G a ra n te n d e r M enschlichkeit und des H u m an ism u s an sa h . N a c h den E rfah ru n g en des Zw eiten W eltkrieges m u ß te m an einsehen, d a ß ein K ü n stler genauso zum U nm enschen taugt, wie ein A nalphabet: die M enschen m u ß ten die schreckliche und unbequem e W ahrheit hinnchm en, d a ß B ildung m it M o ra l ü b erh au p t wenig zu tu n hat.

K u n s t [...] als sittliche Schizophrenie, w enn m an so sagen d a rf, w äre jed en falls d as G egenteil u n serer A ufgabe, und ü b e rh a u p t bleibt es fraglich, ob sich die künstlerisch e und die m enschliche A ufgabe tren n en lassen. Zeichen eines G eistes, wie w ir ihn b ra u ch e n , ist nich t in erster Linie irgendein T alen t, d a s eine Z u g ab e d arstellt, so n d ern die V eran tw o rtu n g . G e rad e d a s d eu tsch e V olk, dem es nie an T alen te n fehlte und a n G eistern , die sich d e r F o rd e ru n g des gem einen T ages e n th o b e n fühlten, lieferte die m eisten o d er m in d esten s die ersten B a rb are n unseres Ja h rh u n d e rts . M üssen w ir d a v o n n ich t lernen?6

Die T atsach e, d aß die bisher an e rk an n ten W erte ihre G ültigkeit verloren haben, h a tte ihre K o nsequenz in dem deutlichen H a n g zur realtivistischen H a ltu n g in F rischs N achkriegsw erken.

D as prim äre G efühl F rischs w ährend seiner R eisen in die zerstö rten L änder w ar das N icht-B egreifen-K önnen, das Entsetzen „ein nacktes S taunen, ein w ehrloses B etroffensein, was dem M enschen m öglich ist“ 7. Im T agebuch schreibt er:

W äre es ein E rd b eb e n gew esen, ein W erk d er blinden N a tu r, m an k o n n te es eb en so w enig begreifen; a b er m an k ö n n te es h in n eh m en oh n e Begreifen*.

N ach dem E ntsetzen k o m m t die R eflexion, die in den 40er Ja h re n , von einem „unsch u ld ig en “ Schweizer ausgesprochen, seltsam erscheinen ko n n te:

W enn M en sch en , die gleiche W o rte sprechen wie ich u n d eine gleiche M u sik lieben wie ich, n ic h t d a v o r sicher sin d , U n m e n sc h en zu w erd en , w o h er beziehe ich f o r ta n m eine Z u v ersich t, d a ß ich d a v o r sicher sei?9

In den A ufzeichnungen des Jah res 1946 gibt F risch zu, d aß er w a h r-scheinlich im stande w äre, B om ben abzuw erfen. E inen M o rd von A ngesicht

6 M . F risch: Tagebuch 1946-1949, S. 114.

7 M . F risch: K ultur als Alibi. In: D ers.: Ö ffentlichkeit als Partner. S u h rk a m p . F ra n k fu rt/M . 1972, S. 19.

* M . F risch: Tagebuch 1946-1949, S. 31. 9 M . F risch: K ultur a b A libi, S. 20.

(4)

zu A ngesicht k a n n er sich nicht Zutrauen, einen D ruck a u f den K n o p f und Z erstö ru n g eines S tädtchens, das wie ein architektonisches M odell aus- sieh t-d u rc h au s. A n einer an d eren Stelle des T agebuches schreibt er:

G la u b e n sie - sagte er - d a ß sie selber n ich t m o rd en , w enn alle wissen, d a ß es Ihnen einen V orteil b rin g t und d a ß Sie jed en falls der S tärk ere sind, d a ß Sic es o h n e S trafe k ö nnen? Ich m eine, k ö n n en Sie es schw ören?10

F risch k an n es nicht schw ören. A us U nsicherheit, die die eigene Person b etrifft, w ächst auch die U nfähigkeit, über andere zu urteilen, ln dem d ritte n E n tw u rf eines Briefes an einen deutschen S oldaten {Tagebuch I) lesen wir:

W ie k ö n n e n wir ü b e rh a u p t urteilen über einen M enschen, d e r im m er ein a n d ere r sein w ird? Jedes U rteil bleibt eine A n m aß u n g . [...]

...der bloße Verzicht, sich in das W agnis eines U rteils einzulassen, ist ja noch keine G erechtigkeit, geschw eige d e n n G ü te o d e r so g ar L iebe. Es ist einfach u n verbindlich, w eiter nichts. N u n ist a b e r gerade die U nverbindlichkeil, d as Schweigen zu einer U n ta t, die m an weiß, w a h rs c h e in lic h die allgem eine A rt u n serer M itsc h u ld " .

D as D ilem m a, das F risch in d er Entw ürfen des Briefes an den deutschen S oldaten nicht lösen kan n , ist fü r den Schweizer A u to r sehr ch arakteristisch: einerseits seien wir nicht berechtigt, über andere zu urteilen, andererseits d ü rfen wir angesichts der begangenen V erbrechen nicht schweigen - dies bedeutete eine A rt Z ustim m ung und w ürde uns zu M itschuldigen m achen.

Ein M ittel, das K riegen und U n taten a u f ewig ein E n d e setzen k ö n n te, weiß Frisch freilich nicht. E r versucht nicht, Lehren zu erteilen, im G egenteil, er bekennt sich auch als m itschuldig. E r ist bem üht, m it seinen W erken begreiflich zu m achen, d aß G leichgültigkeit und Indifferentism us die F lu c h t vor d er W irklichkeit bedeuten. W ir belügen uns, wenn wir den F aschism us als n u r ein deutsches P h än o m en behandeln, es sei auch eine S chande der ganzen M enschheit und m an d ü rfe m it ihm die D eutschen nicht a u f ewig b ra n d m a rk en .

...die spielenden K in d er [...]. W ir schulden ihnen m eh r als E rb arm en : w ir d ü rfen sie nich t einen A ugenblick lan g anzw eifeln, o d er es wird unsere Schuld, w enn sich alles w ie d erh o lt12.

N ach dem K rieg k ö n n te ein aufm erksam er Leser den E in d ru ck gew innen, d a ß sich F risch viel m ehr m it d er verm eintlichen o der potentiellen Schuld d er S chuldlosen beschäftigt, als m it den U ngeheuerlichkeiten des K rieges, d a ß er auch die D eutschen m ehr schont, als sie es verdient haben.

10 M . F risch: Tagebuch 1946-1949, S. 138. 11 E b d ., S. 148.

(5)

Ich bin restlo s überzeugt, d a ß auch w ir, w äre uns d e r F asch ism u s nich t v eru n m ö g lich t w orden d u rc h d en glücklichen U m sta n d , d a ß er von vorn h erein u n sere S o u v e rä n itä t b e d ro h te , g en au so versagt h ä tte n , w enn n ich t schlim m er, zum indest in d e r d eu tsch en Schw eiz1’.

M it solchen A nsichten k o n n te sich F risch bei dem Schweizer D u rc h -schnittsleser unm öglich p o p u lär m achen, wie er sich auch viel sp äter m it dem Dienstbüchlein unm öglich p o p u lä r m achen k o n n te. D en n d as späte M ilitär-D iariu m ist u n ter anderem eine A uslegung des oben zitierten Satzes aus dem ersten T agebuch. Frisch versuchte nach dem K rieg nichts anderes, als dem U ngeheuren a u f die Spur zu kom m en und die O pfer vor R acheakten zu w arnen. E r plädierte für die V eran tw o rtu n g jedes M enschen fü r sein T u n und lehnte die voreiligen U rteile ab. D er besonders nach dem K rieg a b su rd erscheinende G ed an k e, d aß M enschen, die in ihrem Leben nie ein V erbrechen begangen haben, nicht aus angeborener E hrlichkeit, so n d ern aus M angel an G elegenheit rein geblieben sind, läß t F risch nich t in R uhe. Zugleich aber verliert er nie seine hum ane, verständnisvolle E instellung zum M itm enschen. In dieser H a ltu n g , die sich gewiß zum indest zum Teil du rch die E rsc h ü tte ru n g des K rieges kristallisiert hat, m ögen auch F rischs zu n e h -m en d er Pazifis-m us und die A bneigung gegen die U nifor-m ierung ihre W urzel haben.

W as in den Blättern aus dem Brotsack schon a u f den ersten Blick dem Leser auffällt, ist d as kollektive W ir14 und im Dienstbüchlein d as persönliche, subjektive Ich. Es läß t erahnen, d aß sich F risch in den früheren A ufzeich-nungen m it d er M an n sch aft einigerm aßen einig fühlte, d aß er im G ru n d e genom m en m it seinem D ienst einverstanden war. Die T atsac h e, d aß er ablehnte, Offizier zu w erden, beweist nicht n u r, d a ß ihm die Perspektive „v o n unten nach ob en “ 15 angenehm er w ar, sondern, d a ß er auch in dem einfachen Soldat-Sein einen Sinn sah. D ieser Sinn lag in d e r P flichterfüllung, in dem D ienst für die H eim at, d er m an etw as schuldig w ar. Seine G efühle ko n n ten die eines d urchschnittlichen Schweizers sein, d er entschlossen w ar, sein V aterland zu verteidigen. Sie w aren in hohem G ra d e repräsen tativ . Dies k an n m an von Dienstbüchlein nicht b eh a u p te n 16. F risch versucht nicht,

13 E bd., s. 331.

14 Vgl. M . Jurgensen: M a x Frisch: D ie Rom ane. F ra n c k e. Bern 1972, S. 12. 15 Vgl. r.: B lä tter aus dem D ienstbüchlein, „D ie T a t“ , 4.05.1974.

16 M . Ju rg en sen n e n n t Dienstbüchlein re p rä se n tativ , a b er in einem a n d ere n Sinne: „F risch s

Dienstbuch/ein m o ch te [...] im D ien ste d er A u fk lä ru n g einen M y th o s, eine L egende e n tlarv en ,

analysieren, in terp retieren : selbstkritisch - re p rä se n ta tiv “ , M . Jurg en sen : M a x Frisch..., S. 243. Ju rg e n se n sc h reib t a b e r au ch : „ ...e r u n te rs u c h t [...] d ie eigene, a u sd rü ck lich zu g eg eb en b esch rän k te E rfa h ru n g a u f ih ren gesellschaftlichen M o d e llc h ara k ter h in , oh n e d o g m atisc h eine a n d ere G esellschaftsform zu p ro p a g ie re n “ , ebd., S. 243, w as m eine Ü b erleg u n g en zum Teil b estätig t. C. C. in seiner K ritik : Z e it in U niform schreibt: „E s fällt schw er, d a s B üchlein sachlich zu lesen, d e n n fast ein je d e r L eser ist ja v ersucht, d en T ex t au s seiner eigenem m ilitärischen E rfah ru n g , E rin n eru n g und Stellung zu d euten und zu verstehen - o d er um zudeuten

(6)

d as Bild der Schweizer G eschichte um zustürzen, sondern beabsichtigt m it seinem Buch, den Leser zur selbständigen E rin n eru n g zu zw ingen, die von seiner auch abw eichen kan n . D as S olidaritätsgefühl m it d er M eh rh eit seiner L andsleute, das Frisch offen b ar in den Blättern aus dem B rotsack an den T a g legte, h at den Schweizer A u to r bereits verlassen.

Im G ru n d e , w er w ollte sich in dieser S tu n d e ausschließen? [...] Es gibt d o c h keinen U rla u b v o n d e r Zeit!

A u ch zu H ause n ic h t17.

D iese W orte schrieb F risch 1939 und cs w ar für ihn selbstverständlich, d a ß er sich nicht ausschließen wollte. ,,lch h abe nie an D ienstverw eigerungen g ed a ch t“ , bestätigt er selbst im Dienstbüchlein, und schreibt weiter:

D a s V ersprechen des B u n d esrates und aller, die fü r unsere A rm ee sprechen k o n n te n , die B eteu eru n g , d a ß die Schweiz sich m ilitärisch verteidigen w erde, d e ck te sich m it m einem B edürfnis und p ersönlichen W illen. [...]

M a n rech n ete m it dem d eu tsch en Ü b erfall. Ich h a tte A ngst. Ich w ar d a n k b a r fü r alles, w as n a ch W affe au ssah . Ich verw eigerte m ich jedem Zweifel an u n sere A rm e e 1*.

D er 35 Ja h re ältere F risch sieht sich selbst aus einer D istan z, er m u stert seine eigene H andlungsw eise, wie die eines frem den M enschen. E r kom m t zum S chluß, d a ß ihn d am als seine v erd rän g te A n g st v erh in d e rte, die Sachlage k lar zu sehen. E r sagte sp äter im G espräch m it II. L. A rn o ld , d a ß m an nicht fähig sei, S elbstkritik zu betreiben, w enn m an m it dem R ücken an d er W and stehe; und dam als stand er m it dem R ücken an der W and. E r verspürte eine instinktive A bneigung gegen d en F aschism us und w ollte seine H eim at vor dem F aschism us verteidigen, som it duldete er keine K ritik an der H e im a t19.

Dienstbüchlein ist jedoch auch keine K ritik an d er Schweiz sensu stricto.

W as hier b ea n stan d et w ird, ist auch nicht die T atsach e, d aß ein L and eine A rm ee besitzt, wenn es auch so neutral ist, wie F rischs H eim at.

W aru m eine Schweiz oh n e A rm ee n ich t d e n k b a r ist, h a b e ich noch keinem A u slä n d e r zu e rk lä ren versucht; ich weiß es20.

u n d m ißzu v ersteh en . A n diesem D ienstbüchlein w erden sich jedenfalls die G eister n o c h scheiden - und d a s ist seine A b sich t“ , C . C.: Z e it in U niform, „ D e r B u n d “ (B ern), 31.03.1974. D ie Po lem ik C h. G eisers m it d er oben zitierten R ezension ist u . E. U nangem essen: „ ...u n d C. C. vo m „ B u n d “ stellt salom onisch fest, d a ß sich an diesem B uch die G eister scheiden w erd en “ , C h risto p h G eiser: A bbau einer Legende, „ V o rw ä rts“ , 11.04.1974.

17 M . F risch: B lätter aus dem B rotsack. In : D ers., G esam m elte W erke. W erk au sg ab e. F r a n k fu rt/M . 1976, Bd. I. 1., S. 116.

" M . Frisch: D ienstbüchlein. S u h rk a m p . F ra n k fu rt/M . 1976, S. 14f.

19 Vgl. H . L. A rn o ld : Gespräche m it Schriftstellern. Beck. M ü n ch en 1975, S. 20f. 20 M . F risch : Dienstbüchlein, S. 118.

(7)

D en m eisten K ritik ern w ar es bequem er, diesen S atz zu übersehen, weil es zu ihrem Bild des sein eigenes N est beschm utzenden F risch nich t p aß te.

M it dem vollen Bew ußtsein, d a ß die A rm ee sow ohl in d er Schweiz als auch in anderen L ändern in unserer Z eit noch eine trau rig e N otw endigkeit ist, versucht F risch ab er einige P hänom ene zu entlarven, die n ich t n u r für d as M ilitä r typisch sind, d o rt ab er besonders k ra ß zum V orschein kom m en.

Sehr treffend bem erken einige K ritik er, d aß F risch in D ienstbüchlein „einen beispielhaften gesellschaftlichen D ien st“ an alysiert21. D ie Schweizer A rm ee ist n u r ein Beispiel, ein M odell, wie es auch einst A ndorra w ar. Es ist nur, im G egensatz zu Andorra, ein sehr w irklichkeitsbezogenes Beispiel, eines, das d er R ealität entnom m en w urde. „D ie A rm ee als M odell sei nicht identisch m it d er G esellschaft, sie zeichne jed o ch diese verschärfend n a c h “ 22, schreibt U rs Jaeggi.

Dienstbüchlein sollte m an also anders lesen als Blätter aus dem Brotsack. Es

geht ü ber die B eschreibung des M ilitärdienstes hinaus, es reflektiert das Benehm en, R eaktionen, die D enkw eise eines d urchschnittlichen M enschen in einer Z eit, in einer M enschengem einschaft, wo es gilt, seine In d iv id u alität zugunsten einer K o llektivität aufzugeben. Som it h a t d as 1974 geschriebene Büchlein eine andere A ufgabe als die A ufzeichnungen aus dem Jah re 1939. Es ist nicht n u r eine kritische E rin n eru n g an die schon einm al beschriebenen Tatsachen. Frisch stellt sich in Dienstbüchlein keine geschichtliche, sondern eher eine psychologische A ufgabe: wie d en k t der M ensch zum Beispiel in d er Schweizer A rm ee, w enn der „ E rn stfa ll“ im m er n äher rü ck t. D ie Schw eizer A rm ee ist in diesem F all ein M odell. Desw egen h a t auch F risch B lätter aus

dem Brotsack aus seinen Gesammelten W erken nicht streichen lassen, wie vieles

andere. Sie stehen gleichberechtigt m it dem Dienstbüchlein da, sie sind ebenfalls gültig, denn sie handeln von etwas anderem . Fragen, die Frisch nach 35 Jahren stellt, Problem e, die er je tz t aufw irft, sind in den Blättern nicht en th alten .

D ie reale B edrohung verursachte, d aß weder F risch noch die m eisten seiner Zeitgenossen sich G ed an k en über das W esen des M ilitärs, ü b er die U niform ierung, über die K asten in der A rm ee m achten. Es w ar dam als nicht die Zeit, sich psychologische oder ethische F ra g e n zu stellen. Es w ar ü b e rh a u p t besser, nicht nachzudenken.

21 M . Ju rg en sen : M a x F risch..., S. 244; vgl. a u c h F. B ondy: M a x Frisch und der

A ktivd ien st, „Schw eizer M o n a tsh e fte “ 1974, H . 9, S. 690: „ D e r A pell a n prim itiv e M ä c h te

s ta tt an ein politisch klares B ew ußtsein w ar offen b ar ein viel allegem eineres P h ä n o m en als d asjenige d er bürgerlichen G esellschaft d e r Schw eiz“ . Vgl. au ch M . Eifler: M a x Frisch a b

Z e itk ritik e r . In: M a x Frisch. A sp e kte des Prosawerkes. H g. v. G . P. K n a p p . L an g . B erlin

1978, S. 185.

22 U. Jaeggi: D ie gesam m elten E rfahrungen des Kanoniers M a x Frisch, „T ex t und K ritik “ 1975, N r. 47/48, S. 70.

(8)

Ich w agte n ich t zu d e n k en , w as d e n k b a r ist. G e h o rsa m au s S tu m p fsin n , a b er auch G e h o rsa m aus G la u b en a n eine E idgenossenschaft. Ich w ollte ja als K a n o n ier, w enn es losgeht, n ic h t d rau fg eh en o h n e G la u b en . Ich w ollte n ich t wissen, so n d ern glauben. So w ar d a s, g lau b e ich “ .

1939 m ag er bereits etw as Ä hnliches geahnt haben. D am als ab er k o n n te e r cs sich nicht leisten, als ju n g er M an n , d er vielleicht noch ein p a a r T age, vielleicht noch einige M o n a te Leben vor sich h atte, kritisch zu denken. Hr h a tte sich m it dem S tum pfsinn des M ilitärs ausgesöhnt, w ar la st froh d arü b er:

E r regt sich im m er w ieder a u f [...], d a ß m an hier, als S o ld at ü b e rh a u p t n ich t zum D en k en k o m m e, ü b e rh a u p t nicht...

V ielleicht ist d as d e r Segen...24

Es w äre dam als eine unsinnige Idee gewesen, selber als S oldat die M a n n sc h aft kritisch zu beobachten, zu überlegen, ob d as V erhalten d er Schweizer B ehörden nicht zu „vorsichtig“ w ar, oder ob die F u rc h t vor dem Individuellen, vor der Persönlichkeit in der A rm ee vielleicht nicht zu weit ging. Solche Reflexionen kom m en erst später und kom m en im Z usam m enhang m it anderen Erscheinungen.

In teressan t ist, wie F risch in den beiden T ex ten seinen F a h n e n e id beschreibt. D er junge Frisch scheint den E rn st d er S tunde begriffen zu haben. Er ist sich dessen bew ußt, d aß er jetzt eine V e ran tw o rtu n g a u f sich genom m en hat, die schwer wiegt. E r stellt nichts in F rage.

E igentlich ist es n u r eine A b rech n u n g : all die J a h re h a t m an e m p fan g en , als E idgenosse o h n e E id , und n u n k o m m t die S tu n d e, w o wir vielleicht zahlen m üssen. D e r Preis ist allerdings g ro ß . U nser ganzes, einm aliges und unw iederholtes D asein

[...]. Zwei L eu te h ab en d en Eid n ic h t geleistet. D e r H a u p tm a n n ru ft sie, frag t u n te r vier A u g en . D ie Sache ist in O rd n u n g . Sie treten ein, und n iem and frag t w eiter25.

V on solchem unerschütterten G lauben an die Ehrlichkeit des m ilitärischen Lebens und an die N otw endigkeit des O pfers ist in Dienstbüchlein keine Spur geblieben. D ie E rinnerung gilt nicht dem Fahneneid, sondern H auptm ann Wyss. Vom F ah n en eid zitiert F risch n u r den W o rtlau t, w eiter fällt ihm d az u nichts ein.

A uch der H a u p tm a n n wird in den beiden B üchern an d ers geschildert. In den Blättern schreibt Frisch, Wyss h abe a u f ihn einen vorzüglichen E in d ru ck gem acht. D a ß er von ihm gescholten w urde, h abe ihn zw ar betroffen, er finde es ab er in O rdnung. V on diesem guten E in d ru ck bleibt

23 M . F risch : D ienstbüchlein, S. 54. 24 M . F risch: B lätter..., S. 134. 25 E b d ., S. 117.

(9)

im Dienstbüchlein nichts m ehr. N ach und nach beginnt F risch zu analysieren, w arum der H a u p tm a n n eben ihn gescholten hat. E r m eint, er sei als A kad em ik er fü r ihn au to m atisch verdächtig gewesen.

M an m u ß sich fragen, o b sich F risch in den Blättern verstellt h at, ob er vielleicht sein M iß trau en gegen die O ffizierskaste dam als v erdrängte, o d er ob ihm w irklich die B edenken erst sp äter gekom m en waren?

In dem obengenannten Beispiel fällt auf, d aß F risch d am als an die D e m o k ratie in der A rm ee glaubte, d aß er vom B estehen dieser D e m o k ratie, soweit sie n u r m öglich w ar, soweit sie also keine G efahr bedeutete, überzeugt war. D a v o n zeugt die beinahe stolze B em erkung über die K a m e rad e n , die d en Eid nicht geleistet haben und die E ntschuldigung H a u p tm a n n Wyss.

D reißig Ja h re sp äter rü ttelt er an d er D em o k ratie im M ilitär:

D er W id ersp ru ch , d a ß die A rm ee zur V erteidigung d e r D e m o k ra tie in ih rer ganzen S tru k tu r an tid e m o k ra tisc h ist, erscheint n u r als W iderspruch, solange m an die B eteu eru n g g lau b t, sic verteidige D e m o k ratie , und d a s g lau b te ich allerdings in diesen Jah ren .

[...] D ie O ffiziere w aren eine K aste. W ie m an in dieser K a ste w irklich d a ch te, k o n n te die m an n sch a ft nie e rfa h re n “ .

Es fällt auf, d aß F risch hier nicht ü ber die Schweizer A rm ee, sondern ü ber das System d er A rm ee ü b erh au p t schreibt. Dieses System sei a n -tid em o k ratisch und es bleibe auch fraglich, ob es zu r V erteidigung der D e m o k ratie diene.

Es ist selbstverständlich, d a ß Frisch 1939, als er seine B lätter aus dem

B rotsack schrieb, überzeugt w ar, die Schweizer A rm ee diene zu r E rh a ltu n g

d er D e m o k ratie, denn sie sollte doch sein V aterland, die freiheitsliebende Schweiz, vor dem Faschism us verteidigen, d er V erk ö rp eru n g einer a n -tidem o k ratisch en R egierungsform war. E rst nach dem K rieg k am F risch allm ählich d er G edanke, d a ß sich die Schweizer A rm ee von d en A rm een an d e rer L än d e r nicht unterscheidet, und d aß sie auch dieselbe A ufgabe erfüllt, wie die A rm een an d erer L änder: sie dien t d er S taatsgew alt zur E rh a ltu n g ihrer M acht. D ie B efreiung von einem Idealbild d e r Schweizer A rm ee und d er A rm ee eines R echtsstaates ü b erh au p t läu ft parallel m it d er W andlung im Schaffen F rischs, die K arl Schm id eine E ntw icklung im W iderspruch zu seiner N a tio n 27 genannt hat.

N ach dem K rieg und besonders seit den 60er Ja h re n w ar auch F risch im m er weniger geneigt, sich m it einer G ru p p e , wenn auch G leichgesinnter, solidarisch zu fühlen, zugunsten einer G ru p p e a u f die eigene E ntw icklung zu v erzichten, m an ch es k ritik lo s an zu n eh m en , w as ihm selber m ißfiel.

26 M . F risch : Dienstbüchlein, S. 54.

2' Vgl. K . S ch m id : A n d o rra u n d die E n tsch eid u n g . In : Ü ber M a x F risch I. H g.

(10)

D a v o n zeugt auch die zunehm ende S ubjektivierung seiner R o m an e, die völlige V ereinsam ung seiner späten H elden, seine eigene A ufleh n u n g gegen feste B indungen wie N atio n , E he o der gegen d as S olidaritätsgefühl m it den eigenen A ltersgenossen. D avon zeugt auch die A b lehnung d e r R olle, die die M itm enschen einem Individuum zuschreibcn und d er D ra n g nach d er Befreiung aus den engen Schranken, die die M enschen der nächsten U m gebung o d er auch die ganze G esellschaft jedem Individuum aufzw ingen.

1939 w ar er noch zu Z ugeständnissen bereit, und er fand es d am als selbstverständlich, d aß m an sich den G esetzen, die die N otlage d ik tierte, u n tcro rd n en m ußte. In den Blättern aus dem Brotsack w ar F risch m it seinem Schicksal einverstanden. E r w ar der A rm ee nicht abgeneigt, er v erstand den D ienst als seine eigene und allgem eine Pflicht und verurteilte die D rü ck eb erg er28.

D abei w ar F risch in den frühen A ufzeichnungen nicht völlig unkritisch. Seiner K ritik fehlte jed o ch die K onsequenz; es w ar eine K ritik an einigen E rscheinungen des m ilitärischen Lebens und nicht an seinem W esen. Es fehlte ihm in dem frühen D iarium die entschiedene A bneigung gegen jede F o rm von G ew alt, die sich in F rischs Schaffen erst später, nach dem K rieg h erauskristallisiert hat.

Die B lätter enth alten jed o ch R eflexionen, die F risch schon d am als zu einem Z eitk ritik er m achten. Sic sind allerdings sehr zaghaft und zu rü ck -haltend.

F ü n f M ilionen kostet täglich unsere A rm ee. U nd eine M illion k o sten täglich unsere K rü p p e l und Schw achsinnige29.

Schon d am als ergriff F risch m anchm al das Bewußtsein d er L ächerlichkeit ihrer Lage, d er Lage der A rm ee, die a u f den Feind w artete, w ährend inzw ischen w oanders S tädte b o m ab ard iert, M enschen um g eb rach t w urden. F risch begann sich seiner priviligierten Position eines V erschonten bew ußt zu w erden.

G ew iß: es gibt an d ere, die zur gleichen S tu n d e gegen ein M asch in en g ew eh r an ren n e n , gegen eine R eihe von T a n k s , die ü b e r ihre G ra b e n h in ein b rech en [...]

M a n d e n k t: n u r keine A u sflu ch t ins Schöne.

W as ab er n ü tz t es all jen e n , w enn w ir d asitzen , d e n H im m el und d en F eldw eibel in d ie H ölle flu ch en - n u r weil u n sere S uppe n ich t m eh r heiß ist?30

D asselbe M otiv nim m t sp äter das erste T agebuch auf, und in diesem Sinne h at M anfred Jurgensen recht, w enn er schreibt, d aß sich in den

28 Vgl. M . F risch: B lätter..., S. 152, 118. 29 E b d , S. 122.

(11)

Blättern aus dem B rotsack „zahlreiche A ntizip atio n en sp äterer A rb e ite n “

fin d en 31.

D as Dienstbüchlein bestreitet zw ar n ich t die Pflicht, stellt aber, wie schon gesagt, das System der A rm ee in F rage. D as, was in d er Zeit des W eltkrieges F risch verborgen bleiben m u ß te, dringt je tz t durch: die A rm ee sei ein W erkzeug d er U n terd rü ck u n g und V e rkörperung d er A n tid em o k ra tie, auch, wenn sic notw endig ist. R ichtig schreibt H erm an n B urger, d a ß F rischs E rin n eru n g en m it D efaitism us nichts zu tu n haben, sondern

...sie [bezeugen] die U n fä h ig k e it, in ein e m a b s u rd e n T h e a te r m itz u sp ie le n . D a m it k ein M iß v e rstän d n is a u fk o m m t: n ich t die L and esv erteid ig u n g als solche ist a b su rd , vielm ehr die T atsa ch e , d a ß es eine L an d esv erteid ig u n g b ra u ch t. E s wird verm u tlich nie gelingen, a u fg ek lärte M enschen fü r d a s V em ich tu n g sh an d w erk zu m otivieren, d e sh a lb m u ß die A rm ee, will sie w eiterexistieren, an ihrer a u to ritäre n S tru k tu r festhallen. Sie k a n n sich den m ündigen W ehrm ann [...] gar n ich t leisten, er e rträ g t [...] d a s von W ahn sin n ig en inszenierte In fern o n u r im Z u sta n d p e rm a n e n te r B e tä u b u n g 52.

Jetzt läß t sich F risch nicht m ehr betäuben. Die A rm ee ist ab su rd und ihre S tru k tu r m u ß auch diese A b su rd itä t w iderspiegeln. Desw egen k o m m t F risch nach Ja h re n zu d er E insicht, d aß m an im M ilitärd ien st in den m eisten F ällen n ich t diszipliniert ist, so n d ern d a ß m a n g e h o rch t. D ie D isziplin sei ein bew ußtes E inverständnis, zur D isziplin gehöre die innere Ü berzeugung von d e r R ichtigkeit des G anzen. M an gehorche n u r aus A ngst.

D as P rinzip d e r A rm ee sei die Intoleranz. M a n k a n n einen, d er sich ausschlicßt, einen „ a n d e re n “ nicht dulden, weil er im E rnstfall tatsächlich eine G e fah r fü r die ganze M an n sc h aft bedeuten w ürde. In d e r A rm ee m u ß m an gehorchen, ohne zu fragen, und ohne Einsicht für d as eigene Anders-Sein zu verlangen.

D ie Blätter zeugen d av o n , d aß F risch d am als noch diszipliniert w ar, vielleicht nicht im m er in den kleinen D ingen des m ilitärischen A lltags, aber bestim m t in dessen allgem einen Prinzipien. D as ist es eben, was e r nach Ja h re n korrigieren will.

Ü ber eine K rieg serfah ru n g k an n F risch nicht viel sagen, den n ihn h at der K rieg verschont. Sein E rnstfall bedeutet etw as anderes als d er E rnstfall der V ölker, die d am als von D eutschland tatsächlich angegriffen w urden. D ie A ufzeichnungen F rischs, sowohl jene aus dem J a h re 1939 als auch diese aus dem J a h re 1974, sind d a h e r m it der deutschen A b re ch n u n g slite ratu r o d er m it der K rieg sliteratu r an d erer L änder nicht zu vergleichen. D e n n d o rt w erden E rfah ru n g e n verm ittelt, die die Schriftsteller in den b o m b ard ie rten S täd ten o der im F eld, als G efangene o der M itschuldige gesam m elt haben. D as prim äre M o tiv ist d er T od, m anchm al die ab su rd e M ac h t, die den

31 M . Jurgensen: M a x Frisch..., S. 27.

(12)

M enschen zum M orden zw ingt. D er M ilitärdienst als E rscheinung tritt entw eder ganz zurück oder wird verherrlicht. Weil bei F risch die p rim äre, sehr stark e E rfah ru n g des K rieges fehlte, k o n n te er einsehen, was die an deren ü b erh au p t nicht bem erkt haben: d aß der D ienst für etw as A bsurdes und U nm enschliches selbst ab su rd und unm enschlich w ird. Im K rieg k äm pfe m an nicht für die G erechtigkeit, m eint jetzt F risch, sondern im m er n u r fü r die eigene Existenz” und um die M acht, M ach t für wenige, die d er K rieg m eistens am wenigsten kostet.

F risch w ar [...] Z eitgenosse vieler [...] K riege und M ilitä rak tio n en [...]. M ilitä rak tio n cn bed eu ten im m er Z w an g und G e w a lt, K rieg ist überall K rieg und b rin g t Z e rs tö ru n g einm aligen u n d u n w ied erh o lb aren D asein s m it sich,

schreibt H elm ut G ro ss34.

F risch en tlarv t im Dienstbüchlein eine Legende, nicht n u r die Legende d e r Schweizer A rm ee, sondern auch die des A benteuers im M ilitär, daß seine hauptsächliche E rin n eru n g die E rinnerung an Leere sei, d a n n berichtigt er sich, und m eint, d a ß seine hauptsächliche E rin n eru n g ist, „w ie die U niform uns das Gewissen abnim m t, ohne d aß jem an d cs als G ew issen ü b e rn im m t“ 35.

In dem Satz „Jede U niform verdirbt den C h a ra k te r“ , d er als M o tto für diesen Artikel dient, steht, d aß nicht Schweizer Armee, oder Arm ee überhaupt, o d er d as M ilitär den C h a ra k te r verderben, sondern die Uniform. A uch das

Dienstbüchlein m üssen wir breiter angelegt verstehen als n u r eine K ritik der

Z u stä n d e im M ilitär. W enn der M ensch m it sich selber identisch w erden will, m uß er zu seinem Ich selbständig gelangen. D er bew ußte V erzicht a u f d as eigene, von individuellen Z ügen geprägte Ich, d as Leben „in U n ifo rm “ ist fü r F risch so viel wie d er Verlust d er M enschenw ürde. D as W ort „ U n ifo rm ie ru n g “ bedeutet m eh r als n u r M ilitärdienst und die d am it ver-b u n d en e n E n tver-b e h ru n g e n ; es sei V erzicht a u f die eigene P ersö n lich k eit, A n p assu n g an die G ruppe.

N icht auffallen, als E rsch ein u n g im m er v ertau sch b ar bleiben, d as lern t sich in w enigen W o ch en “ .

D as Dienstbüchlein w äre also im gewissen Sinne eine neue V ariante der alten M otive der F lucht vor der Rolle und der Identitätssuche im Frischschen Schaffen. D er M ilitärdienst bedeutet eine d er S ituationen, in denen d er M ensch a u f die Ich-Suche zugunsten der S o lidarität m it einer G ru p p e , des

33 Vgl. M . Frisch: D ienstbüchlein, S. 43f.

14 H . G ross: M a x Frisch und der Frieden, „T ex t und K ritik “ 1975, N r. 47/48, S. 77. 35 M . F risch : Dienstbüchlein, S. 153.

(13)

V crschw indens in der M enge, verzichten m uß. Bei F risch verliert d er D ienst den C h a ra k te r von A benteuer.

M ilitärd ien st, wie er tatsäch lich ist, b ed eu tet E n tm ü tig u n g , E in tö n ig k eit u n d U n terw erfu n g , M ilitärd ien st, wie er h in te rh e r darg estclll w ird, M an n h a ftig k eit und A b en teu er. E r ü b t d a d u rc h eine A n zieh u n g sk raft a u f viele M än n er, die u n ter B a n alitä t ihres zivilen A lltags leiden17.

F risch schreibt 1974, d a ß er ungern S o ld a t w ar. F ü r ihn soll d e r M ilitärdienst keine A nziehungskraft gehabt haben. M it einigen Passagen seiner Blätter ist diese F eststellung jed o ch schwer zu vereinbaren. E r gab d a m a ls auch A nsichten zum besten, die in seinem N achkrieg ssch affen u n d e n k b a r w ären 3*.

W as w ar uns d e r F riede, solange w ir ihn h atten ? O h n e die F in stern isse d e r N a ch t, wie k n ieten w ir vor d er S onne? O h n e d as G ra u e n vor dem T o d e, wie begreifen w ir jem a ls d as D asein? Alles L eben w äch st au s d e r G e fä h rd u n g 5’.

E rst nach dem K rieg h a t F risch verstanden, d aß m an das Leben lieben k an n und das D asein viel eher begreift, wenn m an n ich t gefährdet wird.

Joanna Jablkow ska

K A Ż D Y M U N D U R W Y P A C Z A C H A R A K T E R !

M A X F R IS C H - D I E N S T B Ü C H L E IN (K siążeczka w ojskow a) i B L Ä T T E R A U S D E M B R O T S A C K (K a rtk i z plecak a)

P re z en to w a n y a rty k u ł zajm u je się d w o m a d z ie n n ik am i М а х а F risc h a , k tó r e o p isu ją przeżycia p isarza w czasie jeg o służby w ojskow ej w okresie II w ojny św iatow ej: B lä tter aus

dem Brotsack (K artki z plecaka) pisane w 1939 r. i Dienstbüchlein (K siążeczka wojskow a) z 1974 r.

N a p o d sta w ie p o ró w n a n ia o b u u tw o ró w m o żn a prześled zić ro z w ó j św ia to p o g lą d o w y F risc h a . S o lid arn o ść z g ru p ą , nie k o m en tu jące posłuszeństw o w obec p rzeło żo n y ch , p a trio ty z m i w iara w sens służby w ojskow ej ch ara k te ry zu ją zapiski F risc h a z m łodości. W sp o m n ien ia pisane w latach siedem dziesiątych odznaczają się krytycznym dystan sem d o własnej m łodzieńczej naiw ności, a przede w szystkim d o instytucji arm ii, k tó ra w edług F risc h a sw ą is to tą przeczy idei d em o k racji. Przeciw ko uniform izacji, k o lektyw nem u m yśleniu i z atarc iu in d yw idualności zw raca się F risch , p o d o b n ie ja k w Dienstbüchlein, w w iększości p o w o jen n y ch u tw o ró w .

57 H . G ross: M a x Frisch..., S. 77.

38 Vgl. M . Jurgensen: M a x Frisch..., S. 13. 39 M . Frisch: B lätter..., S. 115.

Cytaty

Powiązane dokumenty

Jak zauważa Dudzińska-Głaz celem strategicznego zarządzania zaso- bami ludzkimi jest dążenie do stanu, w którym wszystko (czyli tradycja, styl pracy i struktury

Університети вважали за необхідне проводити підготовку з іноземних мов і культури, корпорації професійно- го навчання акцентували увагу на підготовці

До аналітичного компоненту; виявлення специфіки змісту конкретного на- вчального матеріалу; аналіз рівня підготовленості майбутніх

Prawo go- spodarcze publiczne natomiast reguluje przepisowe pojecie działalności gospo- darczej, określa zbiór podmiotów, które mogą podejmować i wykonywać działal-

The politicians might either seek to limit media’s harmful influence on the society (as it has been just mentioned) or they might treat media as a tool to shape the society in a way

E a proximidade é ditada pelo facto de que o seu ser “estrangeiro” me incumbe, me acusa de uma falta, que não cometi livremente, pondo em questão a  identidade do

The same applies to the concept and purpose: the aim of the theory of social work is the cognition, whereas the aim of the practice is a targeted impact on the individual and

S tąd oba ro ­ dzaje odkształceń zwykle sobie towarzyszą, jakkolwiek przypuścić możemy, że na pewnej głębokości (to je st pod pewnem ciśnieniem) wszystkie