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Albert Schweitzer als Theologe

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Academic year: 2021

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Alfons Skowronek

Albert Schweitzer als Theologe

Collectanea Theologica 57/Fasciculus specialis, 187-199

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C o llec ta n e a T h e o lo g ic a 57 (1987) fase, s p e c ia lis

ALBERT SCHW EITZER ALS THEOLOGE*

V or zehn J a h re n —■ 1975 — w u rd e in W a rsc h a u e in in te rd isz i­ p lin ä res S ym posion aus A nlass d e s 100. G e b u rtstag s v o n A lb e rt Schw eitzer v e ra n s ta lte t. W ä h re n d d iese r T ag ung d u rfte ich e in e n V o rtra g ü b e r S ch w eitzer als T h eo lo g en h a lte n 1. In m einer D arlegung habe ich d ie T h ese v e rtre te n , d e r V e rfa sse r des e p o c h a le n W erkes,

G eschichte d er L eb en-Jesu-F orschung 2, sei im P rinzip un d v o r allem

ein h e rv o rra g e n d e r T h eo lo g e3. In e in e r leb h aften D iskussion, die sich n ach d e r V o rlesu n g en tsp a n n , w u rd e ich b eleh rt, dass S ch w eit­ zer in e rs te r Linie d e r g rö sste und a k tu e llste S o zialeth ik er sei. Ein a n d e re r D isk u tan t m ach te d a ra u f aufm erksam , der F rie d e n s-N o b e l­ p re isträ g e r v o n 1952 sei e in e m in e n te r V e rfe c h ter d e r F rie d e n s b e ­ w egung. Eine P hilo so ph en stim m e su ch te sich G ehör zu v ersch affen mit der A nsicht, in S ch w eitzer m üsse m an e rstra n g ig d e n P h iloso­ phen und S c h riftste ller sehen. Ein M ediziner e rk lä rte ihn zum m u sterg ü ltig en M issionsarzt, Zum W o rt m eldete sich schliesslich e in M usikologe m it d er B ehauptung, für M u sikfreunde sei S ch w eit­ zers N am e d e r Inb egriff des B achforschers u n d O rg elv irtu o sen . J e n e D iskussion w a r für m ich sow ohl seltsam lieb reizen d , zw isch en d u rch hum orig, als a u ch ä u sse rst an reg end . A ls ch ristlich em T heologen w u rd e m ir sc h la g a rtig e in e s k lar: W ie gew altig u nd in sp irie ren d m uss das E vangelium sein, w e n n e in C h rist e s o hne A b stric h e sich zu eig en m acht, d.h. sein Leben v o rb eh a ltlo s n ach d er B otschaft J e s u C hristi au szu rich te n und zu g e sta lte n v ersu ch t.

V o n d e r F e stste llu n g ü b er A lb ert S chw eitzer als T h eo lo gen par

e x c e lle n c e m öchte ich h eu te, n a c h zehn Ja h re n , n ich t n u r n ichts zu­

rü ckn eh m en , so n d e rn d ie se B ehaup tu n g e h e r n o c h e rh ä rte n , e ig e n t­ lich sie m odifizieren und p rofilieren . A n k n ü pfen m öchte ich an das W o rt d e s p o ln ischen H e ra u sg e b e rs zum W e rk vo n S chw eitzer, A u s

m ein em Leben und D enken. D iesem Buch w ird ein e B em erkung v o r­

ausgesch ickt, d e r zufolge S ch w eitzer v iel b e d e u te n d e r w a r als dies

' V o rtra g g e h a lte n auf dem in te r n a tio n a le n S y m p o sio n R e s p e c t lo r Lite an d

W o r k P e a c e in K rak ów , am 24. O k tob er 1985. 1 V g l. A lfo n s S k o w r o n e k , A l b e r t S c h w e i t z e r j a k o t e o l o g , S tu d ia T h e o ­ lo g ic a V a r s a v ie n s ia 19 (1981) N r. 2, 113— 119. 2 M ü n ch en -H am b u rg, I— II, 1966. 3 A u ch im V o rw o rt zur p o ln is c h e n A u sg a b e S c h w e i t z e r s A u s m e i n e m L e b e n u n d D e n k e n (Z m o j e g o ż y c ia ... , W a r sz a w a 1981) w ird h e r v o rg e h o b e n , d ass

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„die E tik ette eines p ro te sta n tisc h e n T h eo lo g en s u g g e rie re n k ö n n te ''4. Solch e in e F o rm u lieru n g ist ü b rig en s k e in e v e re in ze lte Stim me. Die fast u n ü b e rse h b a re L ite ratu r zu A lb ert S chw eitzer p rä s e n tie rt ihn in a lle r Regel als e in e n h e rv o rra g e n d e n M en sch en freu n d u nd als das W a h rz e ic h e n u n ik a le r H um an ität. Solche p a u sch a le U rteile sind m in desten s sehr frag w ü rd ig . Sie k ö n n e n n äm lich au ch b esagen , d a ss T heologie und R eligion ü b e rh a u p t e in ä u s g e s p a rte s p riv a te s U n te r­ n eh m en sind, die als leb en sfrem d nich t v iel zu tu n h a b en m it den g ro ssen T h em en des M enschseins. C h ristsein ist in d esse n k e in peri- p h ä re s P h än om en am R ande m en sch lich er Existenz. Es v e rm a g v ie l­ m ehr u n se r D asein in v iele n D im ensionen zu b e fru c h te n un d es reifen zu lassen.

Die T hese

Die These, die ich h ier a rtik u lie re n und e rlä u te rn m öchte, lau te t:

A lb e rt S c h w e itze r w ar in erster Linie T h eolo g e und dann auch eine Fachgrösse und A u to ritä t auf a n d eren G eb ieten, aber ■— o h ne die

T heologie w ä re a lles in se in e m Leben B e d e u te n d e nicht so w ie es war, m ö g lich erw eise k ö n n te es sich überhaupt nicht e n tw ic k e ln .

Bildhaft k ö n n te d ieser S a c h v e rh a lt fo lg en d erm assen a u sg e d rü c k t w erden : Das C h ristliche, d ie T heo lo g ie ist im Leben S chw eitzers die W u rzel und d e r Baum stam m , aus dem w u chtig u nd le b e n sp e n ­ dend alle V e rä ste lu n g e n sein es u m fan g reich en D enkens und S ch af­ fens h erv o rsp rie sse n . D ieses p la k a tiv e Bild- und R eizw ort sei nun in g e b o te n e r K ürze e rlä u te rt. W e ite rfü h re n d soll au ch ein ig es üb er S chw eitzers T heologie u nd sein T h eo lo g isie re n g esag t w erden. Da diese P ro b lem atik h o c h sp ez ialisie rte th eo lo g isch e T hem en aufw irft, w erd en sie n o tg ed ru n g e n n u r stic h w o rta rtig a n g e d e u te t w erd en können.

Erich G rä sse r5, e in e r d e r b e d e u te n d ste n u n d k ritisc h ste n K enner des D enkens und Schaffens von A lb ert S chw eitzer, b e to n t e in d rin g ­ lich, das T heolo gische sei bei ihm „die alles bestim m end e M itte"6. Z ustim m ung v e rd ie n t a u ch Rudolf G rabs m it seinem p e n e tra n te n U rteil: „N ur w er S ch w eitzer als T h eo lo g en k en n t, w eiss um die tiefsten E nergien d ieses Lebens. N u r w er die g eistige G estalt S chw eitzers ersch au t, k a n n d en «T atm ystiker» v o n O gow e v e rs te ­ h e n " 7. H inzufügen m ö ch te m an b e re its hier, dass S ch w eitzers Theo- lc g isie re n sich n ich t im a b s tra k te n T h e o re tisie re n ersch ö pfte. Sein U m gang m it d e r Bibel u nd d e r O ffenbarung k a n n treffen d als b e te n ­

4 Ebda.

5 D a der V e rfa sse r d ie s e s V o rtra g s k e in F a c h -S c h w e itz e r o lo g e ist, darf er a u s g ie b ig e r aus dem d ie s e s S a c h k en n e rs v o n S c h w e itz e r W erk : E rich G r ä s s e r ,

A l b e r t S c h w e i t z e r a ls T h e o lo g e , T ü b in g en 1979, sch ö p fen .

6 A .a.O ., 2.

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de u n d k n ie n d e T h eolo g ie c h a ra k te ris ie rt w erden. V o n ein em d e u t­ schen In te rp re te n S chw eitzers, W e rn e r Picht, stam m t folgende schö ne A ussage: „W er d a s Leben A lb e rt S ch w eitzers v e rs te h e n will, d e r soll es als e in O ra to riu m m it O rg elb eg leitu n g b e g re ife n ''8. Die F röm m ig keit — w om it allerd in g s k e in e d e v o tio n e ile n P ra k ­ tik e n g em ein t sind, so n d e rn e in e w a h re M en sch lich k eit u nd M it­ m en sch lich k eit — ist in S ch w eitzers Leben e tw a s ganz b e so n d ers H e rv o rste ch e n d e s. Es ist g e ra d e z u ein feiner g o ld en e r Faden, d e r sein lan g es Leben tiefg eh en d d u rch zieh t. M it v o lle r H and m öchte man d azu u n zählig e P a ssag e n au s den E rin n eru n g en an sein e K in d­ heit u nd Ju g e n d z e it zitieren . Die frü h e ste n v e rb in d e n sich m it G o ttesd ie n ste rle b n isse n in G ünsbach, in d essen P fa rrk irc h e A lberts V ater a llso n n tä g lic h p red ig te. W ir b e sc h rä n k e n un s auf e in e d iese r h e rrlic h e n Episoden: „A us d e n G o ttesd ien sten , an d e n e n ich als Kind teiln ahm , h ab e ich den Sinn für d as F eierlich e u n d das Be­ dü rfn is n a c h Stille und Sam m lung m it ins Leben genom m en, ohne die ich m ir m ein D asein nich t d e n k e n kann. D arum v e rm a g ich d e r M einung d e re r n ich t b e iz u tre ten , d ie d ie Ju g e n d am G ottesd ien ste der E rw ach sen en n ich t te iln e h m e n lasse n w ollen, e h e sie e tw a s dav on v e rste h t. Es kom m t g ar n ich t auf ein V e rste h e n an, so n d ern auf d a s E rleben d es F eierlich en . Dass d a s Kind die E rw achsen en an d äch tig sieh t u n d v o n ih re r A n d ach t m it e rg riffe n w ird: d ies ist es, w as für es b ed e u tu n g sv o ll is t''9.

Es ist k e in F eh lu rteil, w en n W e rn e r Picht in diesem Z usam m en­ h ang folgen de B em erkung w agt: „Das Z uh ause S chw eitzers im e n ­ g e re n Sinn ist d er g o tte sd ie n stlich e Raum , ist O rg elb an k u n d Kanzel. Sein V e rh ä ltn is zu d iesem sein en e ig e n tlic h e n S tan d o rt ist v o n e in e r im P ro te stan tism u s u n g e w ö h n lic h e n In n ig k e it''10. D iese für den eh e r k ü h len P ro te stan tism u s g ar n ich t s e lb stv e rstä n d lic h e In n ig k eit b e ­ kom m t ih re b e so n d ere N o te d ad u rch , d a ss d e r ju n g e S ch w eitzer in se’in er G ym nasialzeit, die e r fern v o n G ün sb ach p e rso lv ie rte , „an H eim w eh n ach d er K irche zu G ün sb ach " litt. Er b e k e n n t: „M ir feh lten die P re d ig te n m ein es V a te rs u nd d e r m ir v o n Kind h e it h e r v e rtra u te G o tte sd ie n st" 11. D iese B indung an die K anzel h eb e ich e ig en s h e rv o r, w eil sp ä te r d a s P red ig en S chw eitzer zur lieb lich sten Pflicht w e rd e n sollte, d ie V e rk ü n d ig u n g des G ottesw o rtes w a r für ihn e in in n erlic h e s Bedürfnis, w ie e r selbst b e ric h te t: „Ich em pfand es als etw a s W u n d e rb a res, allso n n tä g lic h zu gesam m elten M enschen von d en letz te n F ra g e n d es D aseins re d e n zu d ü rfe n " 12. N ichts konnte ihn h in d ern , d ie K anzel zu b esteig en : w e d e r sein sp ä te res M edizinstudium , n o ch d ie D o zen ten tätigk eit, n och seine un erm ü

d-8 A u s dem N a c h w o rt zur p o ln is c h e n A u sg a b e A u s m e i n e m Leben..., 22d-8. 9 A u s g e w ä h l t e W e r k e in fün f B ä n d e n , B erlin2 1973, I, 228.

10 A l b e r t S c h w e i t z e r . W e s e n u n d B e d e u tu n g , H am burg 1960, 26. 11 A u s g e w . W e r k e , I, 287.

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Liche th eo lo g isch e F o rsch e ra rb e it, n o ch sein e v ielen O rg elk o n zerte, die ihm ü b e rm en sch lich e K räfte a b v e rlan g te n . Ü b er S ch w eitzers Leidenschaft für P re d ig e n w o llen w ir au sfü h rlic h er an a n d e re r S telle b erichten . .

Der Ö k u m en ik er

M eines W issen s ist n ich t v iel ü b e r S ch w eitzers E instellung zur Ö k um en e b ek an n t. M it dem gro ssen sch w ed isch en Ö kum eniker, dem lu th e risc h en E rzbischof N a th a n Söderblom , v e rb a n d ihn zw ar eine tiefe F reu n d sch aft; ökum en isch e F ra g e n k am en jed o c h nicht zur S p ra ch e 13. In d e n m anchm al m in u tiö sen A u fzeichnu n gen zu se in e r A u to b io g ra p h ie v e rr ä t S ch w eitzer e in w arm es V e rh ä ltn is zum K atholizism us. Die G ü n sb ach er P farrk irch e, in d e r d e r ju n g e S chw eitzer aufw uchs und sich relig iö s e n tw ic k e lte , w ar ein e Sim ul­ tan kirch e, d.h. sie w u rd e sow ohl v o n P ro te sta n te n als au ch v o n K a­ tho lik en benutzt. A uf d e n im n ü c h te rn e n p ro te sta n tisc h e n K ult her- a n w a c h sen d e n k le in e n A lb ert w irk te d er k a th o lisc h e T eil des G ü n sb ach er G o ttesh au ses w ie e in Zauber. N a c h v iele n J a h re n k leid et er sein e F aszin atio n in fo lgen d e W o rte: „Der k a th o lisc h e Chor, in d e n ich h in ein sch au te, w a r für m eine k in d lich e P h a n tasie d e r Inbegriff d e r H errlich k eit. Ein g o ld farb en a n g e stric h e n e r A ltar m it m äch tig en S trä u sse n k ü n stlich e r Blum en darauf; an d e r W and, üb er dem A ltar, zw ischen d en b eid en F en stern , zw ei g rosse g o ld ­ farb e n e S tatu en , die für m ich Jo s e p h u n d J u n g fra u M aria b e d e u te ­ ten; d ies alles u m flu tet v o n dem Lichte, d a s d u rc h die C h o rfen ster kam... Stille und F rie d e ü b e rk a m en m eine S e e le "14.

D iese in d e r K indheit e in g e p rä g te n k a th o lisc h e n E rin n eru n g en bestim m en sp ä te r S ch w eitzers K irchenbild. Er v e rm a g k e in V e r­ stän d n is ein em n ü c h te rn p ro te sta n tisc h e n K irch en ty p u s e n tg e g e n ­ zubringen, dem ein arc h ite k to n isc h e s B au w erkideal e in e r a u s ­ sch liesslich en „P red ig tk irch e" v o rsch w eb t. Ein K irch en rau m m it einem alles b e h e rrsc h e n d e n R ed n erp u lt ist ein e se ele n lo se F e h lk o n ­ struktion, die S ch w eitzer „w eh um s H erz" tut, denn: „Eine K irche ist viel m ehr als ein Raum, in dem m an ein e P red ig t an h ö rt. Sie ist ein O rt d er A ndacht. A n sich, als O rt, m uss sie zur A n d ach t an h alten . Das k a n n sie aber nicht, w en n d er Blick rin g su m auf M au ern auf­ prallt... Der C hor ist also n ich t etw as K atholisches, so n d ern er g e ­ h ö rt zum W e se n d er K irche ü b e rh a u p t" 15.

Bis in die H erzen sm itte des Ö k u m en isch en stö sst S chw eitzer vor, w e n n e r die „relig iö se V e rsö h n lic h k e it” s ta rk h e ra u sp o in tiert. A uch diese ö k u m en isch e G ru n d k a te g o rie d e r V e rsö h n u n g ist tie f im ü b e ra u s sch ö n en E rlebnis v e ra n k e rt, dass zu G ü n sbach K atholiken

13 V g l. A u s g e w . W e r k e , V , 186. 14 A u s g e w . W e r k e , I, 289 f.

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und P ro te sta n te n ih re G o ttesd ie n ste in ein em K irch en g eb äu d e feiern konn ten. J e n e s k u ltisch in te rk o n fe ssio n e lle M itein an d er gilt S chw eitzer „als Sym bol dafür, d ass d ie k o n fessio n ellen U n tersch ied e e tw a s sind, d a s b estim m t ist, ein m al zu v e rsc h w in d e n ”16. Dieses p a u sch a le u nd sim plifizierend w irk en d e U rteil ü b e r d as E ndergebnis d e r öku m en isch en B em ühungen v e rd ie n t g e ra d e h e u te e in e b e s o n ­ d e re B eachtung. In in te n siv g e fü h rten D ialogen w u rd e n zw ischen dem P ro te stan tism u s u n d K atholizism us nie zu erh o ffen d e A n n ä h e ­ ru n g en , K o n v erg en zen und sogar K o nsense in k o n tro v e rs-th e o lo g i­ schen G ru n d frag en e rzielt. Der fin alen Einigung sch ein t jed o c h ein e n tsc h ied e n e s F eh len an V e rsö h n u n g sg e ist im W ege zu steh en , der M angel an S p iritu alitä t im in te rk o n fe ssio n e lle n M itein an der. S chw eitzers ö k um en isch e G ru n d h altu n g ist rich tig un d so llte im m er w ied er n e u re fle k tie rt w erden.

Der B a ch in terp ret

W e ltb e k a n n t ist S ch w eitzers L eiden schaft für O rg e lb a u und O rg elsp iel m it V o rlieb e für In te rp re ta tio n e n B achscher C horäle. N icht alle B ew u n d erer S ch w eitzers In te rp re ta tio n sk u n st sind sich d essen bew usst, dasç fü r ihn das O rg elsp iel im P rinzip theologisch, g e n a u e r g o tte sd ie n stlich b e g rü n d e t ist und nie rein ä sth e tisc h b e ­ tra c h te t w e rd e n kan n . Die O rg el g e h ö rt in d ie K irche; sie in einem K o n zertsaal e rk lin g en zu lassen, bleib t im m er e in N otbehelf. Im b esten K o n zertsaal k a n n d iese s ty p isc h k irc h lic h e In stru m e n t n ie ­ m als sein en G lanz und sein e F ülle en tfalten . T rotzdem spielt S chw eitzer m it g ro sse r G e n u g tu u n g in festlich en K onzertsälen. Be­ w egend und h o c h in te re ssa n t ist die A rt und W eise, w ie d e r grosse O rg e lv irtu o se d iese se in e B erufung w ah rn im m t u n d sie zum A u s­ d ru c k b rin g t: „Im K o n zertsaal die O rg el m it dem O rc h e ste r e rk lin ­ gen zu lassen ist m ir eine F reude. Kom m e ich in d ie Lage, sie h ier als S olo in stru m en t spielen zu m üssen, so v e rm e id e ich e s nach M öglichkeit, sie als p ro fan es K o n z e rtin stru m e n t zu behand eln . D urch die W ah l der S tü ck e u nd d ie A rt d e r W ie d e rg a b e suche ich d e n K o n zertsaal zur K irche zu m achen. Am lie b ste n lasse ich, in d e r K irche w ie in dem K onzertsaal, d u rc h H e ra n zie h u n g e in e s C hors das K onzert zu e in e r A rt v on G o ttesd ien st zu w erd en, in w elchem d e r C hor auf d ie C h o ra lv o rsp ie le d e r O rg el d u rc h d en g e su n g en en C horal resp o n d iert. D urch ih re n gleich m ässig und d a u e rn d a u sh alt - b a re n Ton h a t die O rgel etw a s v o n d er A rt des Ew igen an sich. A uch in dem p ro fan en Raum k a n n sie n ich t zum p ro fan en In stru m en t w e rd e n " 17.

K urzum k ö n n e n w ir sagen: A uch an d e r O rg elb an k sass in e r ­ ste r Linie nich t d e r K o n zertm eister u nd g e n ia ler In te rp re t, sondern

16 Ebda. 17 A .a .O ., 97.

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v o r allem S chw eitzer, d e r Theologe. W ie seh r d iese B ehauptung theo lo g isch fu n d iert ist, e rh e llt folgende Episode: C h arles M arie W i- dor, S ch w eitzers b e rü h m ter O rg e lle h re r in Paris, m achte seinen Schüler d a ra u f aufm erksam , dass ihm m an ches an sein en B ach in ter­ p re ta tio n e n u n k la r sei. S ch w eitzer e rw id e rte ihm: „ N atü rlich m uss Ihnen in d e n C h o rä le n v iele s d un k el bleiben, d a sie sich nu r aus d e n zug eh ö rig en T e x te n e rk lä re n " 18. N ach S ch w eitzers M ein u ng ist die M usik v o n Jo h a n n S eb astian Bach ,,T o n sp rac h e '', v e rto n te s W ort, n atü rlich : in T ön e g esetztes W o rt d e s E vangelium s. O h n e w e ite res m öchte ich h ie r die Ä u sse ru n g risk iere n , d ass eine rein m usikalisch e A n a ly se Bachs W e rk e und ih re r In te rp re ta tio n v o n S chw eitzer d em e in e n n o ch dem a n d e re n g e re c h t w ird; h in zu ­ kom m en m uss die th eo lo g isch e K om ponente. Ü b rig ens k ö n n te m an fragen, und die F ra g e offen lassen, ob die Ä sth e tik in sich ü b e rh a u p t pro fan ist, ob sie n ich t in ihrem tie fste n W e se n in d e n B ereich des N um inosen h in ein g eh ö rt.

In einem sein er Briefe aus dem J a h re 1931 m ach t S chw eitzer e in e B em erkung, die ric h tu n g w e ise n d für sein ganzes Leben gelten kann: „Ich bin seh r z u rü c k h a lte n d in Ä u sse ru n g e n ü b e r m ein r e li­ giöses Em pfinden. A ber alles liegt im S ch lu ssw o rt d er L eben-Jesu-

-Forschung: Je su s d e r H err. F ried e in C hristo! Je su s h a t m ich e in ­

fach gefan g eng eno m m en seit m einer K indheit... M eine E ntw icklung ist ohne jed e n B ruch v o r sich g e g a n g e n " 19.

Der Urwaldarzt

Eine g era d e z u n a h tlo se V ersch m elzu n g S chw eitzers Existenz m it d e n G esch ick en J e s u C hristi e n th ü llt sein e A rztberu fung . Der Entschluss, U rw ald arzt zu w erd en , stiess auf heftig en W id e rsp ru c h S ch w eitzers U m gebung, auf die d iese E n tsch eid ung w ie e in Blitz vom h e ite re n Him m el g e w irk t h atte. V e rw ic k elt in zah lreic h e fam i­ liä re und freu n d sch aftlich e K o n tro v erse n en tsc h u ld ig t sich d e r k ü n f­ tige M issio nsarzt m it d e r B erufung auf Paulus, d e r im G alaterb rief betont, d ass e r n iem an d en in das e in z u w eih e n pflegte, w as e r selb st für Je su s zu tu n b e a b sic h tig te 20. Der b a h n b re c h e n d e Entschluss, selbst A rzt zu w erd en , w ird th eo lo g isc h g ere c h tfe rtig t. Er b e g in n t sich zu k ris ta llis ie re n b e i d er B e trach tu n g d e r W o rte Jesu , „W er sein Leben w ill beh alten , d e r w ird e s v e rlie re n , u n d w e r sein Leben v e rlie rt um m einet- u n d d es E vangelium s w illen, d e r w ird e s b e ­

18 N a c h E. G r ä s s e r , a.a.O., 21. 19 N a c h E. G r ä s s e r , a.a.O., 22.

20 V g l. A u s g e w , W e r k e , I, 103. E tw as w e ite r sch re ib t S c h w e i t z e r : „In d en v ie le n D isk u s sio n e n , d ie ich d a m a ls m it als c h r is tlic h g e lte n d e n L eu ten als e in m üd er P artn er d u rch zu fech ten h a tte, berührt e s m ich m erk w ü rd ig , w ie fern ih n en der G ed a n k e la g , d ass das S treben , der v o n J e su v e r k ü n d e te n L ieb e zu d ien en , e in e n M e n s c h e n aus se in e r Bahn w e r fe n k ö n n e, o b w o h l sie es im N e u e n T estam en t la s e n u n d es dort g a n z in O rd nu ng fanden".

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h a lte n " (Mk 8,35). Das ra d ik a le Fazit dieses ein fü h lsam en Sich-Hin- e in v e rse n k e n s in J e s u W o rt fasst S ch w eitzer b ü n d ig zusam m en: „Jetz t w ar sie (die B edeutung) gefunden. Zu dem ä u sse re n G lücke b esass ich n u n das innerliche. W e lc h e r A rt das für das sp ä te r g e­ p la n te W irk e n sein w ü rd e, w ar m ir d am als n o ch nich t klar... Fest stan d m ir nur, dass es ein u n m itte lb are s D ienen sein m ü sse "21.

Der allgem ein g efasste Plan w ird alsbald k o n k re tisie rt: M issio­ n ä r zu w e rd e n u nd zw ar in d e r E igenschaft als A rzt. Die th eo lo g isch e B egründung für d iese k o p e rn ik a n isc h e W en d e in S chw eitzers Le­ ben ist n ich t m inder frap p an t. Er ste llt sich h in te r d ie A uffassung Jesu , d a ss ein e n u r w o rth afte V erk ü n d ig u n g des E vangelium s ein un zulän g lich es U n tern eh m en ist. S ch w eitzer sch reib t dazu: „A rzt w ollte ich w erd en, um ohne irg e n d e in R eden w irk en zu k önnen. J a h re la n g h a tte ich m ich in W o rte n ausgeg eben. M it F reu d ig k eit h a tte ich im Beruf des th eo lo g isch en L ehrers und des P red ig ers g e ­ stand en. Das n e u e Tun aber k o n n te ich m ir n ich t als ein R eden von der R eligion v o rstellen . Ä rztlich e K en n tn isse erm ö g lich ten m ir d ie ­ ses V o rh a b e n in der b e ste n u n d u m fa ssen d ste n W e ise ”22.

Das M edizinstudium , d a s S chw eitzer m it seinen 30 J a h re n a n ­ fing, glich ein em g e su n d h eitlich e n R aubbau. Es b e g a n n „ein Ringen mit der M ü dig k eit", w ie er selbst feststellt, d e n n als T h eo lo g en kam ihm nich t d e r G ed an k e in den Sinn, sein e th eo lo g isch en V o rle su n ­ gen, d ie er an d er U n iv e rsitä t hielt, aufzugeben. Er las in d iesen J a h re n ü b er d ie T heologie d e s A p ostels P aulus, w as ihm v iel K raft ab v erlan g te, und a rb e ite te an seinem L eben sw erk G esch ichte der

Leben-Jesu-F orschung. D arü b er h in au s p red ig te e r jed e n S onntag

und tra t seh r h äufig m it seinen a n e rk a n n te n B ach -O rg elrecitalen auf. Dies alles, k o m p o n iert und liiert m it dem M edizinstudium , h a tte auch e tw a s S p assiges an sich: u n e rh ö rt w ar die T atsache, d ass ein Dozent an d e rse lb e n U n iv e rsitä t zugleich als S tu d en t im m atrik u liert w erd en sollte. ' M an su ch te Z uflucht zu v e rsc h ied e n e n fast a k ro b a ­ tischen A usw eg en, bis sich d ie Lösung abzu zeich nen begann. Die P ro fesso ren d er m ed izin isch en F a k u ltä t besch lo ssen , dass ihr K o lle­ ge v o n d er th eo lo g isc h e n F a k u ltä t die V o rlesu n g e n u n e n tg e ltlic h hören kö n n e und die R eg ieru n g e rla u b te S chw eitzer, die P rü fu n ­ gen au fg ru n d sch riftlich er B escheinigungen der P ro fesso ren ableg en zu d ü rfe n 23.

"Ehrfurcht vor dem Leben"

In S ch w eitzers Leben und W irk e n su cht m an g e rn e n ach e in e r d iese v ielse itig e Existenz b estim m en d en Regel. W ä h re n d in d er K indheit u n d Ju g e n d z e it d iese R egel n o ch ano nym w ar, b e g a n n sie sich jetzt, in d e n J a h re n des M edizinstudium s, zu a rtik u lie re n und

21 A .a.O ., 99. 22 A .a .O ., 109. 23 V gl. a.a.O., 112 ff.

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nach einem N am en zu greifen. Es ist zu n ä ch st das M itleiden und d ie u n ü b e rh o lb a re F ä h ig k eit zum M ittrag en . D ieses G ru n dcharism a w ird sp ä te r S ch w eitzer selb st auf d en Begriff bringen, d er ihm zu einem G ebot d es D en ken s ü b e rh a u p t w ird: „E hrfurcht v o r dem L e­ ben". In dem selb en A tem zug m üssen w ir a b er sofort hinzufügen, d ass dieses p rag m a tisch e D enken für S ch w eitzer nie ein Rivale, so n d ern stets V e rb ü n d e te r d e s G laubens an Gott, d e r sich in d er W e lt als „ u n p ersö n lich e K raft” , in uns d a g e g en als „eth isch er W ille ” , als „ P e rsö n lic h k e it” o ffen b art24. Auf e in e K urzform el g e ­ b racht, ist zu sagen, dass S chw eitzers D enken ein „an d ächtiges D en k en ” ist, ein D enken, das m it dem G lauben S ch ritt hält, ab e r vom G lauben n ich t ab so rb ie rt wird.

M ann k a n n w e ite rh in d a rü b e r streiten , ob S ch w eitzers F o rm u ­ lie ru n g „E hrfurcht v o r d em L eb en ” d u rch seine V e rsen k u n g in die E schatologie u n d die E thik J e s u b eein flu sst ist, oder ob e r u m g e ­ k e h rt v o n seinen p hilo so p h isch en P o sitio nen h e r zum V e rstän d n is d e r E schatologie u n d der Id een w elt J e s u kam . Die K ateg o rie des Ethischen ist für S chw eitzer auf alle Fälle zu g leich e in v o llw ertig e s relig iö ses Prinzip. E hrfu rch t gilt näm lich dem U n v erletztb aren , dem H eiligen, dem Leben, d a s nich t nu r d a s O rg an isch e einschliesst, so n d e rn au ch Gott, d e n „U rgrund des W eltsein s". P rä g n a n t sag t es M artin Lönnebo: „E hrfurcht v o r dem Leben ist d a h e r E hrfu rcht vor G ott und sein er Schöpfung. M an k a n n auch sagen, d a ss Schw eitzer die fu n d am e n ta len P räm issen sein er T heologie u n d R eligion als «natürliche» d a rste llt. M ittels seiner V e rn u n ft k a n n der M ensch bis zu g ew issen g ru n d le g e n d en relig iö se n W a h rh e ite n g e la n g e n " 25. Dazu m öchte ich hinzufügen, d a ss S chw eitzer e in u n erm ü d lich er W a h rh e itssu c h e r w a r und d ab ei ein M ann v on tiefer Fröm m igkeit. Es k a n n bei ihm v o n e in e r A n b etu n g d e r W a h rh e it gesp ro ch en w erden. Eben d ieser K ult d e r W a h rh e it k o n n te ihn gen au so gut zum Kult des m en sch lich en Lebens h in g efü h rt haben. „Ich bin die W a h r­ h eit und das L eben ” (Jo 14,6) — la u te t das W o rt seines g elieb ten Jesus.

Ein h e rrlic h e s Z eugnis stellt S ch w eitzer der g ro sse lu th e risc h e S y stem atik er, H elm ut T hielicke, aus. Er schreibt: „A lbert S ch w eit­ zer, d e r h ier ein e gew isse p ara d ig m a tisc h e B edeutung h a t un d sicher b efäh ig t w äre, sp e k u la tiv e U topien zu e rsin n e n , k o n z ip ie rt k e in e id eale G esellsch aftso rd nu n g , in der die E h rfu rcht v o r dem Leben o b e rste r V erfa ssu n g sg ru n d sa tz w äre, so n d ern er g eht n ach Lamba- re n e u nd leb t die E hrfurcht v o r dem Leben so, d a ss sie als Leitbild dem A k te e in e s seh r k o n k re te n Liebens e n tste ig t und auf diesen A kt b e g re n z t bleibt, also nich t lieblos und u to p isch u m h e rg e is te rt”26.

24 V g l. E. G r a s s e r , a.a.O ., 22. 28 A .a.O ., 241.

26 D er E v a n g e li s c h e G la u b e . G r u n d z ü g e d e r D o g m a t ik , I: P r o l e g o m e n a . Die

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Der Prediger

Ein k u rz e r Einblick in S chw eitzers P re d ig te n soll d as L etztge­ sag te b ek räftig en . Seine P red ig ten ste h e n und fallen m it d e r e r ­ w ä h n te n E xistenzm itte dieses M annes. A n e rs te r S telle sei h e rv o r­ gehoben, dass das g e p re d ig te W o rt die Fröm m igkeit w e ck en und v e rtiefe n soll. In einem Brief an H. C asp aris (24.11.1960) sch reib t Schw eitzer: ,,Die F röm m igkeit, n ich t d e r «Glaube» ist das F u n d am en t der Religion. Die Fröm m igkeit ist d ie E nergie des G la u b e n s”27.

W ie S ch w eitzers Leben, so sind au ch sein e P red ig ten stre n g situ atio nsbezog en, die K an zelw o rte w e rd e n u n erm ü d lich in k o n ­ k rete S itu atio n en hin ein g esp ro ch en . Das P red ig en e ra c h te te e r als die sch ö n ste A ufgabe sein es Lebens, e s w a r für ihn e in e „stete Q uelle d e r F re u d e ”28. Er em pfand es als etw as F aszin ieren des, jed e n S onntag v o r d e r v ersa m m e lte n G em einde die letz te n F ra g e n des D aseins e rk lä re n zu dürfen. D iese „letzten F ra g en " b etre ffe n im m er die g ru n d le g e n d e E inheit v o n R eligion u n d Leben. In ein e m Brief an M. W e rn e r (12.10.1923) b e to n t S chw eitzer, „dass alles k o n se q u en te D enken relig iö s u n d e th isc h w ird ”29. E thik ist ü b e rh a u p t die T rie b ­ k raft a lle r P re d ig te n v o n S chw eitzer. Sow ohl sein e P re d ig tth e o rie als auch das P red ig tziel sind v o n d e r E thik g etrag en . Er w ill J e su W o rte so ausleg en , „dass sie p ra k tisc h im L eben v e rw e n d b a r sin d "30. Im m er w ied er sch ärft e r sein en Z u h ö re rn die u n a b w e isb a re „E hr­ furcht v o r dem L eb en” und das „M itleid en ” m it allen vom Schm erz G ezeichn eten ein.

K lar um rissen ist z u n äch st d as Ziel S ch w eitzers P red igten: Je su s soll die H e rrsc h a ft ü b e r d ie H erzen d e r M enschen gew innen. In e in e r d er S p ita lan d a c h ten zu L am barene k le id e t S chw eitzer diese e v a n g elisc h e Z ielv o rstellu n g in d ie sch lich te S p rache d e r E inheim i­ schen :.„D ie H erzen d e r M en sch en sind alle gleich. Sie w ollen stille und g lü ck lich sein, die d e r W e isse n e b en so w ie die d e r Schw arzen. Und das H erz w ird e rs t still u n d glücklich, w en n Je su s m it alle n g u ten G ed ank en H e rr d a rin n e n ist. Er allein k a n n m achen, d ass u n ser H erz ihm folgt u n d still und g lü ck lich ist. U nd d e sh alb m üsst ihr eu ch bei allem , w as ih r m acht, frag en : E rlaubt e s u n se r H ä u p t­ ling? U nd d e sh alb sage ich jed em v o n e u ch : Je su s m uss d e r H ä u p t­ ling d e in e s H erzen s sein. U nd d iejen igen , d ie w ollen, d a ss Je su s w irklich d er H e rr ih res H erzen ist, die w e rd e n still und glücklich sein, und sie w e rd e n w issen, w as es heisst, das R eich G o ttes im H erzen tra g e n . U nd d e sh alb sage ich h e u te zu e u c h allen : Betet, dass d a s R eich G ottes in die W e lt kom m e, d ass es in e u re H erzen kom m e"31. 27 N a c h E. G r ä s s e r , a.a.O., 20f. 28 A u s g e w . W e r k e , I, 46. 29 N a c h E. G r ä s s e r , a.a.O., 211 30 A .a .O ., 212. 31 A u s g e w . W e r k e , V , 383.

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D ieses lä n g e re Zitat m öge für v iele a n d e re stehen. Der darin e n th a lte n e Z ielg ed an k e d u rch z ieh t alle P re d ig te n S chw eitzers. In d e r B egegnung m it Jesu s, d e r all das e rle b t hat, w as w ir erleb en , sieh t S ch w eitzer d e n Sinn u n d den eig e n tlic h en Segen aller V e r­ kündigun g. V öllig a u sse r a c h t lässt e r d en so g e n an n te n d o g m ati­ sch en C hristus. Er m eint, d a ss e in e A pologie d e r B otschaft J e su ü b e rh a u p t n ich t G eg en stan d d e r P red ig t sein kann. Ein Prediger, der sein en G läu big en Z w eifel a u szu red en oder eine L ehre zu v e r ­ teid ig en w o llte, w ä re e in tro stlo se s Ind iv id uu m un d sein A m t „das tra u rig ste u n d tro stlo se ste " , ru ft S ch w eitzer in e in e r sein er S tra s s ­ bu rg er Pred ig ten . „W illst du an J e su glauben, so tu etw as für ihn. Es gibt für u n se re zw eifelnde Zeit k e in e n a n d e re n W eg zu ihm "32. N ur im W irk e n k a n n m an in das G eheim nis ein d rin g en.

F ür S chw eitzer ist das E vangelium sittlich e B otschaft sc h le c h t­ hin. Der Sinn d e r relig iö se n Fröm m igkeit ersch ö p ft sich in W ahrer M enschlichkeit. D ieser G ru n d satz kom m t am d e u tlic h ste n zum A u s­ d ru ck in d er A rt u n d W eise, w ie S chw eitzer das W e se n d er M is­ sio n stä tig k eit sieht. Die M ission ist für ihn „zuerst ein e A ufgabe d e r M en sch lich keit und g a r n ich t in e rste r Linie eine aussch liesslich e Sache d er R eligion". P o in tie rt d rü ck t S ch w eitzer d iesen S a c h v e rh a lt so aus: das Jü n g e r-Je su s-S e in ist „die einzig w a h re K ultur". Der hilfsb ed ü rftig e M ensch soll um sein er selb st e rn st genom m en w e r ­ den. Die ganze S endung des C h risten tu m s zielt ab und m ün det in die K ultu rau fg ab e d e r M en sch h eit33.

Bei aller nich t ü b e rh ö rb a r e th isc h e n g a g ie rte r D iktion S ch w eit­ zers P re d ig te n ist m an ziem lich ü b e rra sch t, dass auf sein er K anzel p o litisch e T hem en a u sg e sp a rt bleiben. D iese F e stste llu n g gilt nich t n u r für sein e P red igten . „M ein ganzes Leben h ab e ich m ich d a v o r geh ü tet, öffentliche E rk läru n g en üb er öffentliche A n g eleg en h eiten zu m achen. Das h ielt ich im m er so, k ein esw eg s aus G leich g ültigkeit an d e r Politik. M ein In te re sse und m eine S orge in bezu g auf die A n g e le g en h e ite n d e r W e lt w a re n stets seh r gross. Ich d a c h te aber, m eine V erb in d u n g m it d er A u ssen w elt w ü ch se ganz aus m einem W erk. Ich w o llte n ich t in d en S treit d e r G ru p p en und M äch te h in ­ e in g ezo g en w erden. So v e rsu c h te ich einfach, e in M ensch zu sein, d er zu a n d e re n M en sch en ü b er die ew ig en P roblem e zu sp rech en v e rsu c h t, die in un s und zw ischen uns d e b a ttie rt w e rd e n " 34.

D iese E in stellun g S ch w eitzers ä n d e rte sich erst, als es W a ss e r- stoffbom ben-E xperim ente auf d er Erde gab. D u rchgehen d d o m iniert bei ihm die In d iv id u aleth ik . Der K an zelred n er S ch w eitzer v e rtritt d ie M einung, d ass m an relig iö se und p o litische F ra g en v o n e in a n d e r tre n n t. Es w a r für ihn e in e S e lb stv e rstä n d lich k e it, dass es ihm v e r ­ w e h rt ist, im G ottesd ien st, sich politisch zu en g ag ieren , b e so n d ers

32 N a c h E. G r a s s e r , a.a.O., 216 un d 218. 33 A .a.O ., 220.

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d a n n nicht, w en n ,,die M einun g en v e rsc h ie d e n sein k ö n n e n " 35. A lle sein e P re d ig te n sind v o n einem L eitg ed an k en b e h e rrsch t: „Das E vangelium d e r h erz lic h e n N a tü rlich k e it, d e sse n u n se re W e lt so seh r bed arf, zu v e rk ü n d e n u n d zu leben. Es trä g t d azu bei, die n e u e G esinnu n g d er M en sch h eit h e ra u fz u fü h re n ''36.

W ir ste h e n h ie r aber v o r e in e r m erk w ü rd ig en P arad ox ie: obw ohl S ch w eitzer d ie D inge d e r P op u larp h ilo so p h ie des 18. J a h r ­ h u n d e rts sieht, e rk e n n t m an ihn h e u te als den „g rö ssten, a k tu e ll­ sten " S o zialeth ik er sein er Zeit an. Es ist und bleib t h o c h in te re ssan t, d ass g e ra d e in u n se re r Zeit, in d er w ir m it d e n a p o k a ly p tisc h e n W affen tech n o lo g ien k o n fro n tie rt w erd en , „kaum e in e m en sch lich e­ re e in d rin g lich e re u n d a k tu e lle re Stim m e zu h ö re n ist als die des E thikers d e r «E hrfurcht v o r dem L eb en » "37. Es ist und b leib t w ahr, dass In d iv id u a le th ik v o r S ozialethik geht. H ier sch ein t in S ch w eit­ zers P e rsö n lich k eit etw a s vom P ro p h e tisch e n aufzuleuchten. Die h ier an z u b rin g en d e F ra g e lau te t: Sollte m an n ich t alle V o rw ü rfe fallen lassen, die S chw eitzer b ezichtigen, e r sei „zu individ uali- stisc h -in te lle k tu alistisc h -ra tio n a listisc h , w en n m an zugleich sagt, er sei d er E n td eck er «einer n e u e n e th isc h e n D im ension», näm lich d e r D ritten W e lt? "38

S ch w eitzers S tellu ng in d e r T heologie

Zum S chluss sei no ch in aller K ürze auf die B edeutung S ch w eit­ zers in d er T h eo logie selb st hing ew iesen . Seine E rru n g en sch aften sind auf diesem G ebiet so gross, dass ih re r W ü rd ig u n g e in m e h r­ tä g ig e s fach th eo lo g isch es S ym posion g ew idm et w e rd e n kö nn te. Die N e u e n td ec k u n g des e sch a to lo g isch e n C h a ra k te rs d e r B otschaft J e s u b leib t bis h e u te u n lö sb a r m it dem N am en v o n A lb e rt S chw eitzer v e rb u n d e n 39. M it sein en esch a to lo g isch e n A n sch au u n g en h a t S chw eitzer nich t n u r e in e S chule g eschaffen, m it seinen m äch tig en Im pulsen h at e r d ie th eo lo g isch e F o rsch u n g für Ja h rz e h n te b e ­ fruchtet. K arl B arth c h a ra k te ris ie rt ihn schlüssig: „N icht e in e Schule stiftete er, so n d e rn ein Z e ita lte r" 40.

In e in e r G esch ich te d e r T heologie des 20. J a h rh u n d e rts, w e n n sie einm al g e sch rieb e n w e rd e n w ird, w ird S chw eitzer n ich t n u r als V erfasser e p o c h ale r W e rk e e rw ä h n t w erd en, so n d e rn als In sp irato r aller w ich tig en n e u te stam e n tlic h e n Problem e. O. C ullm ann ist d a ­ von üb erzeug t, d a ss S ch w eitzers B eitrag zum V e rstä n d n is d e r

35 Ebda.

36 N a c h E. G r a s s e r , a.a.O., 237. 37 N a c h E. G r ä s s e r, a.a.O., 259. 33 Ebda.

89 V gl. W . T r i l l i n g , F ra g e n z u r G e s c h i c h t li c h k i e t Jesu , L eip zig 1966, 112; d e r s., G e s c h i c h t e u n d E r g e b n i s s e d e r h i s t o r is c h - k r i ti s c h e n J e s u s io r s c h u n g , in: F. J. S c h i e r s e (Hrgj), J e s u s v o n N a z a r e th , M a in z 1972, 187 £f.

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c h rlistich en B otschaft alles ü b e rra g t, w hs e r auf irg en d ein em a n d e ­ re n G ebiet sein er A k tiv itä te n g e le iste t h a t41.

B leibenden W e rt h a t v o r allem S ch w eitzers O b jek tiv ism u s in der B ehan d lung sw eise d e r J e su s fra g e 42. In d e r A usleg u n g sm eth o d e ist für uns d e r T heologe S ch w eitzer e in w a h re s Beispiel. E inhellig v e ra n sc h a u lich t e r d ie T atsach e, dass d ie e in z e ln e n V e rfa sse r g era d e in d e r T h em atik um Je su s ihm ih re e ig e n e n F ra g en und P roblem e zuzu sch reib en v e rsu c h ten . In diesem seltsam en V e rfa h re n w u rd e die B otschaft des E vangelium s v erzerrt. Das W e rk G eschich te der

L eben-Jesu-F orschung zeigt p a ra d ig m a tisc h auf, w ie J e s u L ehre v o n

v e rsc h ied e n e n T h eo logen n ach ih rem e ig e n e n G u td ü n k en m o d er­ n isie rt w urde. S ch w eitzer m ah n t eindringlich, m an m ü sse in e rs te r Linie d ie ob jek tiv en , h isto risc h e n und zeitg en ö ssisch en V e rfle c h tu n ­ gen des T e x tes b e fra g e n u n d sie freileg en, b e v o r m an zu sein er e x iste n tia le n B edeutung, d ie e r für u ns hat, v o rstö sst.

A ls u n b e s tritte n k a n n w ohl auch jen e In tu itio n S ch w eitzers g e l­ ten, d erzu fo lg e e r im R ahm en d e s N e u e n T estam en ts e in e gew isse E ntw icklung in d e r D atieru n g des R eich-G ottes-A nbruchs annim m t. S chw eitzer m eint, J e su s selb st h a b e sein e A u ffassung k o rrig ie rt. Als e r seine J ü n g e r a u ssa n d te (Mt 10,5), re c h n e te e r m it d e r A n ­ kunft des G o ttesre ic h e s n o ch w ä h re n d ih re r M issionsreise. A ls sie ab e r z u rü c k k e h rte n u n d d ie E rw artu n g au sg eb lieb en w ar, b eg an n Je su s zu v e rk ü n d e n , d e r A n b ru ch erfo lg e in sein er S terb estun de. M it P au lu s g eh t die E ntw icklung w e ite r: n a c h sein er L ehre ist d as Reich G o ttes b e re its an g eb ro ch en , n äm lich m it dem T od J e s u und sein er A u fersteh u ng.

M it B ew u n d eru ng e rfü llt den h e u tig e n T h eo log en die T atsache, dass S ch w eitzer sich vom h isto risc h e n Je su s e rg re ife n , faszin ieren und sein ganzes Leben v o n ihm b estim m en lässt. In u n se re n T agen kan n m an d e s ö fteren h ö re n und lesen, B edeutung h ä tte fü r un s nicht d e r h isto risc h e Je su s, d e r dam als in P a lästin a leb te u nd w irkte, so n d e rn d e r J e su s d e s K erygm as, d as in je n e r Zeit die U rgem einde predigte. S ch w eitzers V e rd ie n st ist es — u n d e b e n h ier h a t e r uns auch in u n se re r h e u tig e n th eo lo g isch en S itu atio n e tw a s zu sagen ·—■ d ass e r sich im G lau b en m it dem h isto risc h e n J e su s u nd sein er gesch ich tlich en V erk ü n d ig u n g k o n fro n tie re n liess.

N ich t alles v o n S ch w eitzers th eo lo g isch en A u ffassun gen ü b e r­ nehm en w ir h eu te, w o ra u f an d ie se r S telle n ich t e in g e g a n g e n w e r­ den kann. U nd d och d a rf h ie r g esag t w erd en , dass w ir e rs t h e u te im stand e sind, S ch w eitzers B eitrag zur Je su s-F o rsch u n g in a lle r Ruhe u n d U n v o rein g en o m m en h eit einzuschätzen. Sein g rosses W erk ,

G eschich te der Leben-Jesu-F orschung e n tfe sse lte ein e Law ine v o n 41 A l b e r t S c h w e i t z e r s A u f f a s s u n g d e r u r c h r i s t l ic h e n R e ic h s g o tt e s h o f f n u n g ,

H am b u rg 1967, 37.

42 A. S k o w r o n e k , a.a.O., 116 ff. F o lg e n d e Ü b e r le g u n g e n s c h lie s s e n sic h an d ie s e n V o rtra g an.

(14)

R ezensionen. Der k o n se rv a tiv e F lü g el g e rie t in Euphorie, w eil S chw eitzer die lib e ra le n Je su s-F o rsch u n g e n v e ru rte ilt h atte; d e r ­ selbe F lü g el setzte sich zug leich von S ch w eitzers e n d z eitlich e r V i­ sion ab u n d n a n n te ihn „ein en esch a to lo g isch e n S ch w ärm er". N ich t m inder h eftig re a g ie rte n lib e rale und relig io n sg esch ich tlich e K reise.

Zur Schlussbetrachhm g

U n sere B etrach tu n g w ollen w ir m it ein em W o rt von S chw eitzer über d ie Ethik, ih r W e se n und ih re W eg e scbliessen. Die Ethik m öchte e r foilgenderw eise d efinieren: G ut ist die A u frec h te rh a ltu n g und F ö rd e ru n g des Lebens, bö se u n d sch lech t ist die S chäd igu ng und V e rn ic h tu n g d es Lebens. Dies ist d e r Sinn des G rundprinzips „E hr­ furcht v o r d em Leben". M ag die E thik w id e rstre b e n so g ut sie es kann, sch liesslich kom m t es u n u m g än g lich zu e in e r B egegnung m it Je su Religion. Die E thik m uss begreifen, dass es k e in e a n d e re sin n nvo lle R elatio n zu a n d e re n gibt a u sse r dem Bezug der Liebe. „S chw eitzers B eg ründung d e r E hrfu rch t v o r dem Leben ist alles a n d e re als m ystisch, w ie im m er w ied er u n te rs te llt w o rd e n ist. Sie ist in einem ra d ik a le n Sinn ökologisch, w enn Ö kologie die R efle­ xion auf d ie B edingungen d er M öglichkeit d es U n terw eg sein s d es Lebens zw ischen W e rd e n u n d V e rg e h en darstellt... N atur... k a n n und d a rf n ich t nu r O b je k t u n d S ach e sein, G e g en stan d m en sch lich er N utzungs- und A u sb e u tu n g sin te re sse n " 43.

Es w ä re ein fatales M issv erständ n is, w o llte m an in d iese n m ei­ nen A u sfü h ru n g en ein en V ersu ch d e r V e rein n ah m e S chw eitzers d u rch die T heo lo g ie h e ra u sh ö ren . Im G egenteil: Im Spiel w ar v ie l­ m ehr die E n tlassun g S chw eitzers aus d e r T heologie. B eabsichtigt w ar lediglich d er H inw eis auf d en N ä h rb o d e n und d ie W u rzeln seines v ielse itig e n D enkens u n d Schaffens, die au s d er T heologie und aus dem C h ristlich en h erau sw ach sen . U nd g era d e d e sh alb g e ­ hört d er M issio n sarzt v o n La m härene, d e r K u lturphilosoph, B ach­ forscher und -in terp ret, E thiker — A lb e rt S chw eitzer zu d e n M e n ­ schen, „an den en d ie W e lt d en im m er b e d ro h te n G lauben au frich ten kann, es sei d er M ühe w ert, e in M en sch zu s e in " 44.

43 G. A l t n e r , T e c h n is c h - w is s e n s c h a f t l ic h e W e l t u n d S c h ö p l u n g , in: C h r i s t ­

l ic h e r G l a u b e in m o d e r n e r G e s e l ls c h a f t, B and 20, 21982, 107.

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