Theologisches Literaturblatt.
Unter Mitwirkung
zahlreicher Vertreter der theologisch en W issenschaft und Praxis
herausgegeben von
Dr. theol. L u d w i g I h m e l s und Dr. theol. E r n s t S o m m e r l a t h
Landesbischof in Dresden. Professor in Leipzig.
Nr. 10. Leipzig, 6. Mai 1932. LIII. Jahrgang
E rscheint v ierzeh n täg i" F re ita g s. -- Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und P o stäm ter sowie vom Verlag. — In lan d -B ezu g sp reis: Rm. 1.50 m onatlich B ezugspreis fü r das A u sla n d v ie rte ljä h rlic h : Rm. 4.50 und P o rto ; bei Z ahlungen in frem der W ährung is t zum T ageskurse um zureohnen. —A n zeig en p reis: die zwei gespaltene P etitzeile 40 G oldpfennige. — B eilagen nach U ebereinkunft. — V erlag und A uslieferung: Leipzig, K önigstr. 13. Postscheckkonto Leipzig Nr. 5287*
Schomerus, H ilko W iardo, Ist die Bibel von Indien abhängig 1 (Haas.)
Saxl, F ritz , M ithras, Typengeschichtliche U nter
suchungen. (Leipoldt.)
Jeremias, Johannes, D. D r., I. Das E vangelium nach Markus. II. Das E vangelium nach L ukas. III. D as E vangelium nach Johannes.
(Schultzen.)
P. Bruce Blrch, Ph. D. D. D., The De Sacram ento A ltaris of W illiam of Ockham. (Seeberg.) Seebass, Ju liu s, L uther als Seelsorger in seinen
K oburger Predigten, S chriften und Briefen.
(Priegel.)
Fick, R., und von Seile, G., Briefe an Ew ald.
(König.)
Jaspers, K arl, Dr., Philosophie, 3 Bände. (Jelke.) Heger, Adolf, Lic., Ju liu s K aftans theologische G rundposition im V erhältnis zu Schleier
m achers P rin zip ien leh re. (Pröhle.) Pfennigsdorf, E., P ra k tisch e Theologie. (H ilbert.) Z eitschriften.
Schomerus, Hilko W iardo, Ist die Bibel von Indien ab
hängig? M ünchen 1932, Chr. K aiser. (182 S. gr. 8.) 5,50 Rm.
Ein Buch, das d er und jener sich von m i r e rw a rte t haben mag. Ich bin es sehr zufrieden, dass ein a n d e re r, d er — das sei gleich k o n sta tie rt! — dazu w o h lv o rb e re ite t w ar, es auf sich genom m en hat, öffentlich zu sagen, w as G ebot d er S tunde w ar. W o llte m ir’s ritte rlic h e r Sinn v e r
b ieten , das Gr ob g es cihüt z und die P räzisionsm aschinerie e rn ste r W issenschaft einzusetzen gegen d ile ttie re n d e L eich tfertig k eite n und V erstieg e n h eiten einer V e rtre te rin des sch w äch eren G eschlechts, die sich küh n v erw eg en in G efah r begab, d a rin sie unfeh lb ar um kom m en m usste, so habe ich doch auch dafür ein V erstehen, dass ein an d erer, d er nicht ich ist, d e r M einung sein kann, dass, wo e rn ste In te re sse n auf dem Spiele stehen, d e r Ehrentkodex ga
la n te r R ücksichtnahm e au sser G eltung tre te . D ieser a n dere ist P ro fesso r H. W . S c h o m e r u s , Halle, gew orden.
D en ä u sseren A nlass zu A bfassung sein er S chrift b a t ihm F ra u Dr. M athilde L udendorff gegeben. G e ta n h a t sie das m it ih re r aus ungezügelter A n im o sität gegen die b ib lische R eligiosität g eb o ren en n eu erlich en literarisch en Versündigung. Ih re P am p h lete („Erlösung von Je su C hristo" und ,,Von neuem Trug zur R ettu n g d es C h risten tum s"), in denen sie au fd eck en w ollte, dass die V erfasser d er S chriften d es A lte n w ie des N euen T esta m e n ts, d ab ei auch in haltlich g ro b er F älschungen sich schuldig m achend, an indischen R elig io n stex ten w eitg eh en d e P lag iate b e gangen h ä tte n , h aben T au sen d e und A b e rta u se n d e von L esern gefunden, viele von ih n en in ih re r C h risten tu m s
verach tu n g und in ihrem Ju d e n h a ss b e s tä rk t, an d ere, auch nicht w enige, in n erlich beunruhigt, w ie m ir selb st das seit M onaten im m er w ied e r A ufschluss heischende B riefzu
schriften b e k u n d e t haben.
Ich k an n m ir nun ja n icht denken, dass d e r stre itb a re n D am e nicht längst die E rk en n tn is aufgedäm m ert sein sollte, dass sie sich ü b elst v e rra n n t und b e m itleid en sw ert blossgestellt hat. Ih r se lb e r m üssen die k ritisc h e n V e r
dikte, die ih re religionsgeschichtlichen V erlau tb aru n g en
ihr in M asse zugezogen haben, doch wohl den S ta r ge
stochen haben*), Schom erus h at es m it seinem Buche auch n icht d arau f abgesehen, du rch au fk lären d e B elehrung ih rer S chw achheit aufzuhelfen. F ra u L udendorff g eh ö rt ihm, geradeso w ie ihre H a u p ta u to ritä t Th, J, Plange (meines W issens ein vorm aliger E ssen er B uchhändler, ganz und gar n icht etw a Indologe) zu den „leichtgläubigen L aien auf indologischem und theologischem G eb iet, die k ritik los als w ah re M ünze hinnebm en, w as von ganz und gar unw issenschaftlicher S eite (hier von dem F ran zo sen Louis Jacolliot, den vor einem h alben J a h rh u n d e rt b e re its De H arlez w issenschaftlich to ta l abgetan) auf G rund von M ateria l h ö ch st zw eifelhafter H erk u n ft und noch zw eifel
h a fte re n C h a ra k te rs zu b e h a u p te n gew agt w o rd en ist".
A uf G rund dessen, w as sie sachlich zu d er F rag e des V erh ältn isses d e r Bibel zu Indien v o rzu trag en gew usst hat, will sie ihm ganz und gar n icht die E h re verdienen, dass m an ihr auch n u r eine M inute d er W iderlegung oder auch nu r eine S pur von B eachtung vergönne. (S. 29.)
W a s Schom erus w ollte, sagt er selbst: in re in sach
licher W eise d er Ö ffentlichkeit d as für die B eurteilung der F rag e ein er etw aigen A bhängigkeit d er Bibel (oder w enig
sten s gew isser B estan d teile derselben, d a ru n te r ins
b eso n d ere d er evangelischen E rzählungen vom L eben Jesu ) von Indien, vom Buddhism us und vom K rischnais- mus notw en d ig e T a tsa c h e n m ate ria l zu u n te rb re ite n .
Das h aben b e re its n icht w enige an d e re v o r S chom e
rus in g rö sserer o d er g erin g erer A usführlichkeit und m it m ehr oder w eniger G eschick getan, beso n d ers das seit 1882, in w elchem J a h re d er L eipziger P hilosophieprofessor R udolf S eydel m it sein er e rste n einschlägigen P u b lik atio n die F rag e in Fluss g eb rach t hat. Ich v erw eise auf m eine an die h u n d e rt S p alten um fassende „B ibliographie zur F rag e nach den W echselbeziehungen zw ischen Buddhis-
*) Hätten sie das am Ende doch noch nicht fertiggebracht, so wird das ohne Zweifel die gründliche Nachprüfung ihrer Aufstel
lungen tun, die Kollege J. Hertel, unser Leipziger Professor der indischen Philologie, anzustellen sich überwunden hat und ihr wie den durch sie Beunruhigten und Irregeführten demnächst schon zugänglich gemacht haben wird.
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mus und C h risten tu m " (Leipzig 1922) und auf m eine S chrift „B uddha in d er abendländischen L e g en d e?" (Leip
zig 1923), w o ein W ink zum A uffinden w e ite re r L iteratu r, d e re n H inzunahm e m eine bloss ap p ro x im ativ e Zusam m en
stellung v ervollständigt, gegeben ist.
W i e Schom erus die von ihm hier neu b e h a n d e lte A ufgabe anfasst, sagt e r S. 7. E r zeigt zunächst lediglich berich ten d , von w elchen B e stan d teilen des N euen und des A lten T e stam en ts b e h a u p te t w o rd en ist, dass sie aus In
dien stam m ten, und w ie m an die E ntlehnung v o r sich ge
gangen d en k t, d. h. A ufschluss ü b e r die G eschichte und d en V erlauf d e r diesbezüglichen D iskussion. W e ite r w ird die F rag e aufgew orfen, ob und w ie w eit von ein er M ög
lich k eit d er E ntlehnung von Indien gesprochen w erd en kann, d. h. es w ird u n te rsu ch t, w as m an von dem U m fang und von dem C h a ra k te r d er B eziehungen zw ischen Indien und dem W esten von den ä lte ste n Z eiten h er bis zum zw eiten nach ch ristlich en Ja h rh u n d e rt w eiss und w as der W esten von Indien w usste. S odann w erd en die b e h a u p te te n E ntlehnungen, .soweit dies nötig erscheint, auf ihre T atsä c h lic h k eit hin geprüft. U nd endlich w erd en noch, um jeden L eser in die Lage zu v e rse tzen , sich ein eigenes U r
teil zu bilden, die w ich tig sten so g en an n ten indischen P a rallelen m itgeteilt.
M an sieht, die hier e rte ilte B elehrung e rs tre c k t sich auf alle S eiten des Them as, und sie w ird, diese V ersiche
rung k ann ich geben, e rte ilt auf G rund w irk lich er, solider S achkenntnis, also in durchaus zuverlässiger W eise. Die Frage, um die es geht, ist, w ie ich in m einem B uche „Das Scherflein d e r W itw e und seine E n tsp rech u n g im T rip ita k a "
(Leipzig 1922) gezeigt habe, au sse ro rd e n tlic h kom pliziert, so sehr dies, dass n ic h t zu e rw a rte n ist, dass jed er ein zelne auf G rund des gleichen T a tsach en m aterials, selbst bei allerred lich stem B em ühen um W ah rh eitseru ieru n g , n o t
w endig auch zu dem gleichen U rteil, zu d e rse lb e n S tellu n g nahm e kom m en muss.
M ich stellt Schom erus in die R eihe d er A u to ren , die einer E ntlehnung evangelischer E rzählungen aus d er b u d dhistischen L eg e n d e n lite ra tu r in w eitere m o d e r engerem Umfang d a s W o rt g e re d e t h aben. D as h at au ch F ra u L udendorff in ih rer letztv erö ffen tlich ten S chrift getan, wo ich zu m einer nicht geringen V erdutzung ihr als K ronzeuge h e rh a lte n m uss. Ihr w ie dem H e rrn V erfasser des v o r
liegenden Buchs darf ich zu P räzisieru n g m eines S ta n d p u n k ts in K ürzung ein p a a r S ätze w ied erg eb en , in denen ich in „B uddha in d er ab en d län d isch en L eg en d e?" S. 34 das F az it gezogen habe: Von einem S chöpfen aus dem B orn des Buddhism us, w ie ein st R. S eydel m einen konnte, lässt sich n ich t red en . D as sollte m an je tz t n ach g era d e w issen. N icht angängig will es m ir a n d e re rse its erscheinen, zu b e h au p ten , dass bis auf die Jo asap h -B arlaam leg en d e gar k ein e buddh istisch en In filtratio n en in das C h risten tu m erfolgt seien. Im N euen T e sta m e n t w age ich p ersö n lich solche m i t S i c h e r h e i t in keinem F alle zu b eh au p ten , m it v o l l e r S ich erh e it au ch n icht angesichts d e r von m ir selbst eingehend b e h a n d e lte n b u ddhistischen P a ra lle le zum Scherflein d er W itw e, so viel m ir hier fü r d ie T a tsä c h lic h k e it ein er solchen zu sp rech e n scheint, n a c h d e m m a n i n d i e s e m F a l l u m d i e A n e r k e n n u n g e i n e s b e s t e h e n d e n A b h ä n g i g k e i t s v e r h ä l t n i s s e s n i c h t w o h l h e r u m k o m m t . ( I s t zuzugeben, dass d er B uddhism us als religionsgeschichtliche E rscheinung ü b e rh a u p t einen Einfluss auf d ie k an o n isch en E vangelien
ausgeübt hat, so k ann das nur ein m itte lb a re r, m ündlicher gew esen sein.)
Schom erus selb st will, w ie ü b erall, so au ch in diesem F all unabhängige E n tstehung anneihmen und c h a ra k te ris ie rt die von m ir b e h a u p te te (?, n e i n ! n u r für sehr w a h r
scheinlich erk lä rte ) E ntlehnung als a u f w i e s c h w a c h e n F ü s s e n steh en d (S. 121). A uch in einem schon vo r dem vorliegenden Buche in den M ünchener N eu esten N ach rich ten vom 7. J a n u a r 1932 ersch ien en en A ufsatz:
„Ist die Bibel von Indien abh än g ig ?" lässt er sich in A n sehung m ein e r B eurteilung des T a tb e sta n d e s beim S cherf
lein d er W itw e aus, seines E ra c h te n s m üsse m an sagen, dass schon eine ziem lich b lühende P h an tasie dazu gehört, so w eitg eh en d e Ä h nlichkeiten festzustellen, dass m an von E ntlehnung o d er A bhängigkeit re d e n darf, ein U rteil dies, das jeden w ird b efrem den m üssen, d e r auch nu r das auf sich w irk en lässt, w as Schom erus auf S. 120 f. seines Buches k u rz re fe rie re n d den L eser ü b e r m ein A rg u m en tieren w issen lässt. Es g e reich te m ir doch zu einiger G enug
tuung, vo r k urzem sehen zu dürfen, dass, w ie sein erzeit schon W in te rn itz m eine B ew eisführung in seiner A nzeige m eines B uches zw ingend und ihn überzeugend gefunden hat, jetzt w ied er ein a n d e re r Indologe, W a lth e r W üst, nicht um hinkonnte, zu schreiben, das angeführte U rteil von Schom erus sei ihm u n verständlich.
Die um sichtige A bhandlung „Buddhism us und C h risten tum auf v o rd e ra sia tisc h -an tik e m B oden", die W alth e r W üst, ein Schüler W ilhelm G eigers, in d er Ztschr. f. Mis- sionsk. und Relw., Jah rg . 47 (1932), H eft 2, S. 33—63, v e r
öffentlicht hat, b ie te t dem L eser eine sehr w e rtv o lle E r
gänzung zu dem B uche von Schom erus, d er diese seh r ge
diegene A rb e it noch nicht g e k an n t hat. V ergleichen mag m an auch W üsts k n ap p en V o rtrag sb erich t im 8. Jah rg an g der „F orschungen und F o rts c h ritte " (Berlin, 10. J a n u a r 1932). F e rn e r sei zur E rgänzung hier noch aufm erksam ge
m ach t auf A lfred Sarasin, D er H andel zw ischen Indien und Rom zur Z eit d er röm ischen K aiser (Basel 1930).
Zum Schluss noch eine Bemerkung, von der ich annehmen darf, dass sie bei einer (wohl nicht ausbleibenden^Neuauflage den Ver
fasser zur Streichung einer Parenthese, die er Seite 42 zu setzen für nötig befunden hat, bestimmen wird. Er gibt a. a. 0 . zu lesen : Haas spricht Seite 79 von einem „ganzen Rattenkönig (soll doch wohl heissen Rattennest) von Irrtümern, die bei der Diskussion der [von mir] behandelten'Einzelparallele bis jetzt sich eingenistet1' [bei mir steht f e s t genistet] hätten. Zu dem, was da in runden Klammern steht, muss mir die Glosse verstattet sein: Nein, nicht Ratten n e s t ! Das wäre eine Berichtigung, die mir mein sehr wohl
überlegtes Bild ganz jämmerlich ruinieren würde. R a t t e n k ö n i g nennt man (ich verweise auf den vierbändigen Brockhaus) eine Anzahl (bis über 20) von Jugend an mit den Schwänzen verschlun
gener, wohl auch krankhaft verklebter Ratten (vergl.: „ein Ratten
könig von Prozessen“ I).
Zu Seite 43 noch die kleine Berichtigung: Das Buch von R.
Pischel ist betitelt „Leben und Lehre'(nicht Lehren) des Buddha".
H a n s H a a s , Leipzig.
Saxl, F ritz, Mithras, T y pengeschichtliche U n tersu ch u n gen. B erlin 1931, H einrich K eller. (X, 124 S. gr. 4) m it 235 A bb. auf 43 T afeln. 40 Rm.
Saxls W e rk ist v ielleich t die w ichtigste U ntersuchung ü b er M ithra, die w ir seit dem grossen B uche von C um ont erh a lte n haben. D as liegt n icht d aran, dass Saxl neue D en k m äler e n td e c k t. Z w ar w eist er oft auf E ntlegenes und U n b e a c h te tes hin. A b e r sein eigentliches V erdienst b e ste h t darin, dass e r eine b estim m te A rb e itsw e ise das erstem al folgerichtig auf die m ith risch en D enkm äler a n
A