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Ökonomische Interdependenz zwischen der Europäischen Union Und Mittel- Und Osteuropa 1990-2000

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Ökonomische Interdependenz zwischen der Europäischen Union und Mittel- und Osteuropa 1990–2000

Risiken – Befürchtungen – Chancen

Z

war reicht die unternehmerische Tätigkeit westlicher Auslandsinvestoren in Mit- tel- und Osteuropa in Form von Gründungen von joint ventures schon in die 70er und ganz besonders 80er Jahre zurück, doch wurden erst mit der Abschaffung planwirtschaftlicher Reglementierungen für ausländische Unternehmen die Möglich- keiten geschaffen, dort marktwirtschaftlich zu agieren. Der Aufholeffekt, der sich in diesem Teil unseres Kontinents als Folge anbahnte, ist darauf zurückzuführen, dass im Vergleich zu anderen Staaten, die ihre Grenzen schon früher für ausländisches Kapi- tal, know-how und moderne Technologien geöffnet hatten, die Transformationsländer dieses erst nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs” tun konnten.

Betrachtet man die Notwendigkeit, technologische Lücken zu schließen, so sind die mittel- und osteuropäischen Staaten nicht in der Lage, allein mit seinem Wirt- schaftspotential auf die sich ändernden Anforderungen der Weltwirtschaft zu antwor- ten. Die hinzukommende, in diesem Ausmaß bisher unbekannte Globalisierung der Produktion und der ununterbrochene Kapitalfluss stellen eine Herausforderung dar, der die Länder Mittel- und Osteuropas nur dann gewachsen sind, wenn sie ihre Wirt- schaftsstrukturen sowie ihr Unternehmensmanagement auf das Niveau des Westens anheben, wobei die zentrale Bedeutung der Auslandsinvestitionen vor allem darin liegt, dem Empfängerland Zugang zu modernen Technologien zu verschaffen1. Die- ses gilt insbesondere für die Transformationsländer, die noch nicht über komparative Vorteile bei der Produktion von neuem Wissen verfügen, jedoch bereits lohnkosten- bedingte Wettbewerbsvorteile eingebüßt haben. Es ist ebenfalls verständlich, weil die

1 Vgl. Th. Röhm, Auslandsinvestitionen und Technologietransfer in Entwicklungs- und Transformationslän- dern, [in:] ifo Schnelldienst 28 (1999), S. 8.

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Auslandsinvestitionen in der Regel ein langfristiges Engagement bedeuten, im Rahmen dessen nicht nur Maschinen, sondern auch in erheblichem Umfang know-how trans- feriert werden.

Der Nachholbedarf Mittel- und Osteuropas erstreckt sich dabei grundsätzlich auf zwei Gebiete: Zum einen betrifft er die Sektoren der Volkswirtschaft, die aufgrund der früheren staatlichen Lenkung und aus politischen Gründen bei einer Verteilung der Ressourcen vernachlässigt wurden. Hier sind nicht nur der Dienstleistungssek- tor und die Konsumgüterindustrie exemplarisch zu nennen, sondern auch Verkehrs-, Kommunikations-, Energiewirtschafts- und Forschungsinfrastruktur. Zum anderen be- steht eine Diskrepanz zwischen den im Osten und Westen angewandten Technologien.

Die Abschottung Osteuropas vom Weltmarkt sowie die durch das damalige Wettrüsten zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt bedingte westliche Embargopolitik führten zu einem Technologierückstand Osteuropas, der nach wie vor noch nicht ganz überwunden ist.

Neben den genannten Gründen spielen für ausländische Investoren bei der Mark- terschließung noch zwei weitere Faktoren eine Rolle: die Größe des Marktes und die Höhe der Produktionskosten (Lohnhöhe und Produktivität). Im ersten Fall kann man die Marktgröße durch das Pro-Kopf-Einkommen und die Bevölkerungszahl approxi- mieren. Da ein Großteil westlicher Produktionstechnik und Waren auf den Bedarf von Personen mit höheren Einkommen ausgerichtet ist, wird bezüglich der Anziehungs- kraft von Auslandsinvestitionen dem per capita – Niveau durchaus eine größere Bedeu- tung beigemessen als allein der Einwohnerzahl. Die Marktbeobachtung, beispielsweise der EU-Staaten, bestätigt, dass ein Land mit höheren Pro-Kopf-Einkommen und gerin- gerer Bevölkerung mehr Investitionen anzieht als ein vergleichbares Land mit größerer Bevölkerung, aber geringerem Pro-Kopf-Einkommen.

Werden die Auslandsinvestitionen hauptsächlich aus Kostenerwägungen getätigt, so ist die Lohn- und Produktivitätsentwicklung in Mittel- und Osteuropa die bestim- mende Determinante. Die realen Kostenvorteile sind allerdings – so stellen Alexan- der Protsenko und Volkhart Vincentz fest – schwierig zu erfassen, da den niedrigen Lohnkosten eine niedrige Produktivität gegenüber steht2. Dabei variieren die Produk- tivitätsschätzungen sehr stark nach Branchen. Soweit es aber gelingt, ein westliches Produktivitätsniveau zu etablieren, sind die Lohnkosten ohne Frage extrem niedrig.

Betrachtet man jedoch die Entwicklung auf dem gesamtwirtschaftlichen Niveau des Landes, so sind die Vorteile weniger deutlich. Während in Ungarn von 1993 bis 1998 die Lohnstückkosten in DM gerechnet sogar deutlich sanken, stiegen sie in Polen im gleichen Zeitraum um fast 12% und in Tschechien sogar um 31% an.

Den Ergebnissen der Umfrage3 des ifo Instituts im verarbeitenden Gewerbe in den alten Bundesländer, die man ohne weiteres auf die anderen EU-Staaten übertragen darf, ist zu entnehmen, dass neben den Lohnkosten die Firmengröße entscheidenden

2 Vgl. A. Protsenko, V. Vincentz, Direktinvestitionen und andere Kapitalströme nach Osteuropa, München 1999, S. 28.

3 Vgl. Thomas Röhm, op. cit., S. 9.

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Einfluss darauf hat, ob ein Unternehmen Auslandsinvestitionen in Transformationslän- dern tätigt. In der Größenklasse unter 200 Beschäftigten gaben nur etwa 7% der befrag- ten Unternehmen an, in dieser Hinsicht aktiv zu werden. Mit zunehmender Unterneh- mensgröße steigt der Prozentsatz kontinuierlich auf 17% bei 200 bis 500 Beschäftigten, und in der größten Unternehmensklasse (über 1.000 Beschäftigte) ist beinahe jedes zweite Unternehmen mit Produktions- oder Vertriebsstätten in Mittel- und Osteuropa vertreten. Für Unternehmen aus dem Investitions- bzw. Grundstoff- oder Produktions- güterbereich ist ein Standort in diesen Ländern vergleichsweise wichtiger als für die Hersteller von Konsumgütern. Dies gilt vor allem für mittlere und große Unternehmen (ab 500 Beschäftigten) in der Stahlindustrie, dem Fahrzeugbau, der Elektrotechnik und der Chemie. Ausnahme im Konsumgüterbereich ist die Textil- und Bekleidungs- herstellung, wo der starke Wettbewerbsdruck in erheblichem Umfang zu Standortver- lagerungen nach Mittel- und Osteuropa geführt hat.

Ein ähnliches Größenklassenmuster zeigt sich auch beim Technologietransfer ins- gesamt. Dieses überrascht nicht, weil Technologien überwiegend zwischen den ein- zelnen Unternehmen weltweit operierender Konzerne weitergegeben werden. Anders sieht es jedoch bei Lizenz- und Technologieabkommen zwischen unverbundenen Un- ternehmen aus. Da kein Kapital gebunden wird und die zeitliche Dauer geringer ist, bietet diese Form auch kleinen und mittleren Unternehmen die Chance, ihren Innova- tionsvorsprung zu nutzen. Die Umfrageergebnisse zeigen, dass vor allem mittlere Un- ternehmen (200 bis 500 Beschäftigte) Erfahrungen mit Technologietransfer gesammelt haben: In der Chemiebranche trifft dies für fast jedes dritte, im Maschinenbau und der Elektrotechnik für jedes vierte Unternehmen zu.

Auch dieser Umfrage zufolge wird sich an der regionalen Aufteilung der Direkt- investitionen deutscher Unternehmen in den nächsten fünf Jahren nur wenig ändern.

Weiterhin bildet für über die Hälfte der befragten Firmen die Präsenz in Mittel- und Osteuropa einer ihrer regionalen Schwerpunkte.

Dass Mittel- und Osteuropa nicht nur ein regionaler Schwerpunkt für deutsche Industrieunternehmen ist, beweisen Anwesenheit und Aktivitäten westlicher Versiche- rungsgesellschaften in dieser Region. Da sie zu Recht als Lackmustest für die Stabilität eines Marktes gelten, ist es interessant, ihr Expandieren in Mittel- und Osteuropa zu analysieren. Die mittel- und osteuropäischen Versicherungsmärkte ziehen – stellt Mar- co Rüstmann fest4 – auf Grund ihres hohen Wachstumspotentials und der weitgehend liberalisierten Märkte Investitionen ausländischer Versicherer an, und zwar in einem solchen Maße, dass die großen ausländischen Versicherer 1999 in den mittel- und ost- europäischen Ländern Prämien von über 2.6 Milliarden USD generierten.

Die wichtigsten Märkte waren dabei Polen und Ungarn, wo insgesamt über 70%

der Prämien erzielt wurden. Fast alle untersuchten mittel- und osteuropäischen Län- der weisen sowohl im Leben- als auch im Nichtlebenssegment ein hohes Wachstum aus. Im Lebenssegment konnten – mit Ausnahme Tschechiens – durchweg zweistellige

4 Vgl. M. Rüstmann, Globale Konzerne in Osteuropa etabliert: Ausländische Versicherer bauen Marktantei- le aus, [in:] Versicherungswirtschaft 16 (2000), S. 1239–1241.

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reale Wachstumsraten erzielt werden. Im Nichtlebenssegment bietet sich ein differen- ziertes Bild: Während Kroatien und Ungarn negative oder geringe durchschnittliche reale Wachstumsraten aufweisen, lag sie für Polen im zweistelligen Bereich. Sowohl im Leben- als auch Nichtlebenssegment wurden im Fall von Polen in den Jahren 1992–1999 folgende reale Wachstumsraten erzielt: 16,0% im ersteren und 11,7% im letzteren. Wenn auch diese Zahlen auf Grund des tiefen Ausgangsniveaus relativiert werden müssen, ist es gut, die entsprechenden Daten für Deutschland im Vergleich zu zeigen. Im Lebenssegment wiesen sie im vergleichbaren Zeitraum 5,7% und im Nicht- lebenssegment 2,0% auf.

Quelle: Konjunkturumfrage des ifo Instituts (Februar 1999), [in:] Th. Röhm, Auslandsinvestitionen und Technologietransfer in Entwicklungs- und Transformationsländer, [in:] ifo Schnelldienst 28 (1999), S. 10

Die schon mehrmals erwähnte wirtschaftliche Liberalisierung in Osteuropa und die gegenseitige Öffnung der west- und osteuropäischen Märkte führten zu einer Um- lenkung der Außenhandelsströme in dieser Region. Dieses belegen die Daten des Ost- europa-Instituts in München, nach denen die Exporte der EU-Beitrittskandidaten in die Gemeinschaft 1999 zwischen 50,1% (Litauen) und 76,2% (Ungarn) schwankten, gleichzeitig pendelte sich der Import bei 46,5% (Litauen) bis 68,6% (Slowenien) ein.

Das bedeutet, dass etwa zwei Drittel der Aus- und Einfuhr mit der EU abgewickelt Schwerpunkte der Auslandsinvestitionen der deutschen Industrie

Prognose für 1999–2003

Osteuropa und Südostasien 10%

Nur Osteuropa 41%

Nur Südostasien 25%

Südostasien und Lateinamerika

4%

Osteuropa und Lateinamerika

6%

Nur Lateinamerika 11%

Sonstige 3%

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wurden. Es wäre nicht so bedeutsam, ließe man außer Acht, dass noch vor zehn Jahren diese Zahlen völlig anders ausfielen: Haupthandelspartner der Ostblock-Staaten waren die Sowjetunion bzw. die RGW-Staaten.

Anteile am Gesamtexport in die EU der Beitrittskandidaten 1999 [in %]

Bulgarien 52,5

Estland 62,6

Lettland 62,5

Litauen 50,1

Polen 70,6

Rumänien 66,0

Slowakei 59,5

Slowenien 66,1

Tschechien 69,2

Ungarn 76,2

Quelle: Osteuropa-Institut München (Hrsg.), Wirtschaftsentwicklung in ausgewählten mittel- und osteu- ropäischen Ländern 1999/2000, S. XIV–XV

Die wirtschaftliche Interdependenz zwischen der EU und ihren Beitrittskandida- ten lässt sich gut am deutsch-polnischen Beispiel erläutern. Polen exportierte nach Deutschland, seinem wichtigsten Abnehmerland, 1999 36,3% aller Waren. Deutsch- lands Anteil an den polnischen Importen betrug wiederum im gleichen Jahr 25,2%, was bedeutet, dass es sich den ersten Platz unter den einführenden Ländern eroberte.

Anders gesagt, führte Deutschland 1999 Waren im Umfang von 24.156,5 Millionen DM nach Polen aus, während es sieben Jahre zuvor noch 8.233 Millionen DM waren5. Die- se Verdreifachung wirkt sich auf die Beschäftigungszahlen in Deutschland aus, denn gemäß einer Formel des U.S. Department of Commerce sorgt ein Exportvolumen von einer Milliarde Dollar für 20.000 Arbeitsplätze6. Im Falle Deutschlands wären dies etwa 120.000 Arbeitsplätze, die nur vom Export nach Polen abhingen. Dazu kommt aber noch die deutsche Ausfuhr 1999 in die übrigen neun EU-Beitrittskandidaten in Höhe von 53.160,5 Millionen DM, was sich in 260.000 Arbeitsplätze in Deutschland umschlägt.

Diese Zahlen eignen sich gut, um eine besonders belastete Seite der Beziehungen zwischen EU und Mittel- und Osteuropa aufzuzeichnen. Die Rede ist von verbrei- teten westlichen, insbesondere deutschen und österreichischen, Befürchtungen vor

5 Vgl. Statistisches Jahrbuch der Bundesrepublik Deutschland 1994, S. 317; und 2000, S. 284.

6 Vgl. J.T. Dori, Over Four Million American Employed through Trade with Asia in 1996, [in:] The Heritage Foundation 149 (1997), S. 1.

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einem Zustrom billiger Arbeitskräfte in die Union nach dem Beitritt mittel- und ost- europäischen Staaten. Es lohnt, sich in diesem Zusammenhang, die Abschaffung der Visumspflicht für Länder des Schengener Abkommens für polnische, tschechische und ungarische Staatsbürger 1991 in Erinnerung zu rufen. Trotz aller Schwarzmalereien7 stellte sich heraus, dass die Zahl der Grenzüberschritte in beiden Richtungen – ver- ständlicherweise – erheblich anstieg und weiterhin ansteigt, der befürchtete Ansturm insbesondere polnischer Schwarzarbeiter auf dem deutschen Arbeitsmarkt jedoch aus- blieb, und dies sicherlich nicht nur aufgrund jener deutscher Hooligans in Ostdeutsch- land, die zu Beginn des visafreien Verkehrs Wagen mit polnischen Kennzeichen mit Steinen bewarfen.

Bei der Diskussion über den Beitritt der Staaten Mittel- und Osteuropas zur EU muss man sich ständig vor Augen halten, dass die volle Freizügigkeit aller Arbeitneh- mer in der Union8 und die Niederlassungsfreiheit für alle Personen9 unabdingbare Ele- mente der EU-Mitgliedschaft sind. Die Verhandlungen können sich also nur darauf be- ziehen, ob es Übergangsregeln bis zur Gewährung der vollen Freizügigkeit geben sollte und wie diese gegebenenfalls zu gestalten wären10. Die Beantwortung dieser Fragen hängt nicht zuletzt davon ab, wie viele Zuwanderer erwartet werden. Man sollte sich in diesem Zusammenhang daran erinnern, wie die Frage nach der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu früheren Zeiten gehandhabt wurde. Für die sechs Gründungsmitglie- der galt sie erst seit 1968 uneingeschränkt. Im Zuge der Erweiterung um Griechenland (1981) sowie Spanien und Portugal (1986) wurde den neuen Mitgliedern die volle Frei- zügigkeit sechs bzw. sieben Jahre nach dem Beitritt gewährt. Gerade das letzte Beispiel ist für die Bestrebungen der Beitrittskandidaten von Bedeutung, denn die damals auf Druck von Frankreich eingeführte siebenjährige Übergangsfrist wurde verkürzt, als sich herausstellte, das wesentlich mehr Nordeuropäer den Wunsch verspürten, sich in Spanien oder in Portugal beruflich niederzulassen, als umgekehrt.

Lässt sich diese Variante auch nicht mit dem gleichen Optimismus auf osteuropä- ische EU-Beitrittskandidaten übertragen, so kommt doch eine verschiedene Szena- rien und Berechnungsmodelle berücksichtigende Analyse11 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW) bezüglich der Auswirkungen einer EU-Os- terweiterung zu folgendem Schluss: „Befürchtungen, dass die EU nach Einführung

7 Vgl. die Titelseite der BILD-Zeitung am ersten Tag nach Einführung des visafreien Verkehrs: „43 km Stau. Polen da!” (9 April 1991). Ähnlich lauteten die Schlagzeilen der Münchner Abendzeitung: „Steine und Abschleppwagen gegen polnischen Touristen” und „Gewerkschaft schürt die Angst vor Schwarzarbeitern”

(9 April 1991, S. 2). Dagegen bemerkte die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Polen nutzen die neue Reise- freiheit nur zögerlich” sowie „Randalierer bedrohen Touristen an der Grenzübergängen” (9 April 1991, S. 1).

8 Vgl. insbesondere Art. 18 (1) und Art. 39 (1) des Amsterdamer Vertrages vom 2 Oktober 1997, [in:] ABl.

Nr. C 340 vom 10 November 1997.

9 Vgl. Art. 43 des Amsterdamer Vertrages vom 2. Oktober 1997, [in:] ABl. Nr. C 340 vom 10 November 1997.

10 Vgl. R. Heidenreich, Transnationale Arbeitsmärkte in West- und Osteuropa, [in:] Sozialer Fortschritt 2 (2001), S. 41–45.

11 Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), EU-Osterweiterung: Keine massive Zuwan- derung zu erwarten, in: Wochenbericht 21 (2000), S. 315–326.

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der Freizügigkeit mit Migranten ‘überschwemmt’ werden könnte, sind nach diesen Berechnungen unbegründet”12. Eine genauere Betrachtung dieser Analyse ist auf- schlussreich, denn sie führt zu Recht an, dass das Einkommensgefälle im Falle von Griechenland, Spanien und Portugal ein Verhältnis von 60–70% gegenüber dem da- maligen EU-Durchschnitt ergab, während die jetzigen Beitrittskandidaten 30–40% er- reichen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich der befürchtete Ansturm ausländi- scher Arbeitnehmer aus Mittel- und Osteuropa13 durch die Erfahrungen der früheren Migrationsbewegungen nicht belegen lässt. Es hat sich im Gegenteil gezeigt, dass sich der Bestand an ausländischen Einwohnern und Arbeitskräften in den Einwanderungs- ländern auch bei hohen Einkommensunterschieden zu den Herkunftsländern nur lang- sam an sein langfristiges Niveau anpasst. Wichtige Gründe dafür sind die beschränkten Absorptionsmöglichkeiten in den Zielländern und die nicht unerheblichen Fixkosten, die mit einem Wechsel von Arbeitsplatz und Wohnort ins Ausland verbunden sind.

Statistische Daten der EU und Mittel- und Osteuropas belegen dieses. Trotz hoher Arbeitslosigkeit in Spanien (14,2%) oder Italien (11%), die vor allem Jugendliche unter 25 Jahren betrifft (25% in Spanien und 32% in Italien)14, beobachtet man keinen Mas- senexodus in andere Mitgliedstaaten, die bessere Arbeitsmöglichkeiten anbieten. Man stellt fest, dass die Mobilität innerhalb der Union sehr gering ist: Obwohl jeder EU-Bür- ger das Recht hat, überall in der EU zu leben und zu arbeiten, nutzen nur weniger als zwei Prozent der Menschen diese Möglichkeit15. Als wichtige Barrieren sind hier zu nennen: nicht ausreichende Sprachkenntnisse, Mangel an Informationen über Rechte und Arbeitschancen, Probleme bei der Anerkennung von Qualifikationen, Schwierig- keiten beim Wechsel in unterschiedliche Steuer- und Sozialsysteme, mangelnde Ver- gleichbarkeit von Gehältern und Arbeitsbedingungen sowie eine Vielzahl rechtlicher und administrativer Schwierigkeiten, die schon bei der Anmeldung eines Fahrzeuges beginnen können. Diese Hürden müssen darüber hinaus nicht nur vom Arbeitnehmer selbst, sondern auch von seinem Partner oder seiner Familie überwunden werden.

Was das Beispiel Polens betrifft, so gibt es seit Jahren kaum Abwanderer von den strukturschwachen Regionen Ostpolens in die Regionen mit hohem Wachstum16. Wenn also die Leute nicht einmal im Inland mobil sind, warum sollten sie plötzlich ins Ausland gehen? Weiterhin zeigen Statistiken, dass viele Polen, die vor Jahren in

12 Ibidem, S. 324.

13 Vgl. „Ökonom Sinn warnt die Bundesregierung vor Massenimmigration nach EU-Osterweiterung“, [in:] Financial Times Deutschland vom 27 März 2000. Es ist interessant zu erfahren, dass Sinn im Tagesspie- gel vom 8 Januar 2001 seine frühere Aussage insofern relativierte, als er sich folgendermaßen äußerte: „Es wird eine Flut von Einwanderern geben. Aber sie droht nicht. Es ist ganz vernünftig, dass Arbeitnehmer aus Osteuropa zu uns kommen. Von solchen Wanderungen profitieren Gastland und Zuwanderer gleichermaßen.

In der Summe gibt es einen Verteilungsgewinn für alle Beteiligten, auch für Deutschland. (…) Übrigens wäre auch ein sehr rascher Beitritt der ersten Länder, etwa 2003, kein grundsätzliches Problem”.

14 Vgl. A. Neuner, Arbeitsmarkt Italien, [in:] Uni-Magazin 5 (2000), S. 45.

15 Vgl. F.  Bolkenstein, A.  Diamantopoulou, Mobilität ist Schlüssel zu Vollbeschäftigung in Europa, [in:] Financial Times Deutschland vom 29 Januar 2001.

16 Vgl. Schwierige Anpassung. Polens neuer Finanzminister Jarosław Bauc über seine Erwartungen an die EU und die schwierige Aufgabe, Polen wirtschaftlich zu stabilisieren, [in:] Wirtschaftswoche 33 (2000), S. 32–33.

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den Westen gegangen sind, derzeit in die alte Heimat zurückkehren. Wenn sich also die wirtschaftliche Lage in Polen fortlaufend bessert (was allgemein angenommen wird), wird dieser Trend sicherlich weiter zunehmen. Selbst wenn diese Einschätzung zu optimistisch wäre, so lässt sich auch unter Berufung auf die oben genannte Ana- lyse annehmen, dass der Anteil an Ausländern aus den zehn mittel- und osteuropäi- schen Assoziationsländern von 865.000 Personen 1998 auf 2,9 Millionen im Jahr 2010, 3,7 Millionen im Jahr 2020 und knapp 3,9 Millionen im Jahr 2030 steigen wird. Dieses bedeutet, dass der Anteil an Bürgern aus den Assoziationsländern innerhalb der Union 1998 0,2% betrug und bis zum Jahr 2030 auf 1,1% steigen würde17.

Anders sehen allerdings diese Zahlen im Fall von Deutschland aus. Die Einführung der Freizügigkeit für alle zehn Beitrittskandidaten wird – so die Analyse des DIW – eine anfängliche Zunahme der ausländischen Bevölkerung aus den mittel- und ost- europäischen Beitrittsländern um knapp 220.000 Personen p.a. in Deutschland be- wirken. Rund 30 Jahre nach Einführung der Freizügigkeit werden sich die Ein- und Rückwanderungen vermutlich ausgleichen und mit 2,5 Millionen Einwohnern aus den Kandidatenländern in Deutschland konstant bleiben. Dies entspricht einem Anteil von 3,5% an der deutschen Bevölkerung. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist ein demographischer Rückgang in Deutschland. Den vorsichtigen Progno- sen folgend, kann man sagen, dass infolge der Überalterung der Gesellschaft und ihrer demographischen Rückläufigkeit der Mangel an Arbeitskräften bereits um das Jahr 2010 spürbar wird. Will man dabei die gegenwärtige Wachstumsdynamik beibehalten, so bedarf die deutsche Wirtschaft bereits heute des Zustroms von 50.000 Ausländern pro Jahr. Dass dies gerade hoch-qualifizierte Arbeitskräfte betrifft, beweist am besten die am 1. August 2000 eingeführte Praxis der green card.

Ein anderes Problem stellen befürchtete Lohnsenkungen in Deutschland (oder auch anderen EU-Staaten) aufgrund der billigeren Konkurrenz aus dem Osten dar. Auch hier kann man sich auf die bereits erwähnte Analyse berufen, die für die Zukunft an- nimmt, dass Kapitaleigner und qualifizierte Erwerbspersonen von der Zuwanderung profitieren, aber für Arbeitnehmer mit niedrigem Ausbildungsniveau die Konkurrenz mit Einwanderern zu Lohnsenkungen und Beschäftigungsrisiken führen kann. Diese Effekte sind jedoch gering: Auf der Basis empirischer Erkenntnisse der internationalen Forschung über die Lohn- und Beschäftigungseffekte infolge von Migrationen wird eine Zuwanderung in der prognostizierten Größenordnung die Lohnzuwächse der we- niger qualifizierter Beschäftigten nur geringfügig beeinträchtigen und ihre Beschäfti- gungsrisiken nur marginal erhöhen18.

Diskutiert man im Rahmen der Arbeitsmarktöffnung in der EU den Zufluss zahl- reicher billiger Arbeitskräfte aus dem Osten, so darf man nicht die Kehrseite der Me- daille unerwähnt lassen, wenngleich sie auch zahlenmäßig weniger ins Gewicht fallen

17 Vgl. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (Hrsg.), EU-Osterweiterung: Keine massive Zuwan- derung zu erwarten, [in:] Wochenbericht 21 (2000), S. 324.

18 Ibidem, S. 325 und insbesondere in der gleichen Ausgabe: Arbeitsmarkteffekte der Zuwanderung nach Deutschland, S. 327–332.

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wird. Die Rede ist von EU-Bürgern, die in einem der Beitrittsländer arbeiten. Schon heute schätzt man ihre Zahl auf etwa 120.00019, wobei kein Zweifel besteht, dass sie in Zukunft infolge der oben beschriebenen wirtschaftlichen Verflechtungen wachsen wird. Hierbei muss man den Einwand gelten lassen, dass die Restriktionen, die für mittel- und osteuropäische Staatsbürger gelten sollen, analog auch auf EU-Bürger in Osteuropa angewandt werden müssen. Dieses könnte die Expansion westlicher Firmen in dieser Region ernsthaft hemmen und wäre besonders schädlich, wenn man in Be- tracht zieht, dass vor allem Führungskräfte und Fachleute auf noch wenig entwickelten Gebieten betroffen wären.

19 Vgl. J. Bielecki, Drażliwa sprawa [Eine heikle Sache], [in:] Rzeczpospolita vom 22 August 2000, S. B3.

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