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Comenius-Blätter für Volkserziehung, 15 Dezember 1905, XIII Jahrgang, Heft 5

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Monatsschriften der C. G. XIV. Band. Heft 10.

Comenius-Blätter

für

Volkserziehung.

Herausgegeben von Ludwig Keller.

D r eiz e h n te r J a h rg a n g 1 9 0 5

F ü n ftes Heft.

Berlin 1905.

W e i d m a n n s c h e B u c h h a n d l u n g .

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Inhalt.

EiQgabe der Com enius-G esellschaft an das Abgeordneten-Haus in Sachen des Antrages Graf D o u g l a s ... 129 Verein für ländliche Wohlfahrtspflege in W ü rttem b erg... 131 Ziehen, B ericht über die neuere F ach literatu r zur W issenschaft der Volks-

e r z ie h ü n g ... 133 Oberstabsarzt D r. Neumann-Brom berg, Die Comenius - Gesellschaft und

die V o lksgesundheitspflege... 140 Aufruf des Deutschen Vereins für Knabenhandarbeit... 145 Dr. Paul Ssym ank - R ostock, Die Notwendigkeit allgemeiner Studenten­

ausschüsse ... 147 Besprechungen und A n z e i g e n ...150

E. M. A r n d t s F ra g m e n te ü b e r M en achenbildung, heraasg eg eb en von M ünch n n d M eisner (G-. A.). — E r n s t L e n t z , V orzüge des gem einsam en U n te rb a u es d er h ö h e re n L e h ra n sta lte n (G . A .). — J . L o e w e n b e r g , D eutsche D ich terab en d e (G . A .). — V e rh a n d lu n g en des V II. K ongresses fü r V o lk s- u n d Ju g en d sp iele. — B e i n b r a n d t , 38 R ad ieru n g en . — M eyers h isto risc h -g e o g ra p h isc h e r K alen d er. — „ D er K o m p a ß “, h erau sg eg eb en von E d . E g g e rt. — B ru stb ild des Com enius in M edaillon von J. K lein h ard . — D eu tsch er U n iv e rsitä tsk a le n d er. — Z e n tralo rg an fü r L e h r- u n d L e rn m itte l. — K. O. B eetz, U rd , D eutsche V olksm ärchen. — M aroinow ski, Im K am p f um gesunde N erven. — K ü n stlerisc h e r W a n d sc h m u c k -K atalo g von B. G. T eubner.

R u n d s c h a u ... 157

E in K asino d er F re ie n S tu d e n te n sch a ft in K arlsru h e. — Stu d en ten h eim in B reslau. — E in e S tiftu n g F rie d ric h P au lsen s fü r lä n d lic h e V olkshochschulen. — D eutsche D ich ter-G edächtnis- Btiftung.

G esellsch a fts-A n g eleg en h eiten ... 158

V o rstan d ssitzu n g am 17. O ktober 1905. — C om enius-K ränzchen in L issa. — R hem -M ainischer V erb an d fü r V olke Vorlesungen. — B esprechung d e r V o rträg e u n d A u fsätze, X I I I , 4 in den B u rsch en sch aftlich en B lättern .

P e r s ö n l i c h e s ...160

W erbeschriften der C. Gc.

die auf Anforderung, soweit der Vorrat reicht, kostenlos abgegeben werden:

Waldemar Koch, Das erste deutsche Studentenheim 1903.

Wilhelm Wagner, Der Student im Dienste der Volksbildung. 1903.

Franz Schulze, Die Studentenschaft und der akademische Bund Ethos. 1906.

Friedr. Hummel, Staatsbürgerliche Erziehung der deutschen Jugend. 1903.

Ludwig Keller, Die Comenius-Gesellschaft. Ein Rückblick auf ihre zehnjährige Tätigkeit seit 1902.

Joh. Gottfr. Herder, Comenius und die Erziehung des Menschengeschlechts. Neudruck 1903.

Ludwig Keller, Comenius. Sein Leben und sein Werk. 1904.

Ludwig Keller, Der Humanismus. Sein Wesen und seine Geschichte. Berlin 1904.

Wilh. Wetekamp, Volksbildung, Volkserholung, Volksheime. Berlin 1901.

G. A. Wyneken, Deutsche Landerziehungsheime.

Willy Pastor, Gustav Theodor Fechner und die Weltanschauung der Alleinslehre. 1904.

Ludwig Keller, Gottfried Wilhelm Leibniz und die deutschen Sozietäten des 17. Jahr­

hunderts. 1902. __________

Satzungen der Comenius-Gesellschaft. 1901.

Unser Arbeitsplan. Richtlinien für die wissenschaftlichen Mitarbeiter der C. G. 1892.

Normal-Satzungen für Comenius-Kränzchen. 1904.

Ziele und Aufgaben der Comenius-Gesellschaft.

Comenius. Festgedicht von Ahrens.

Klubhäuser und Bildungsklubs. Eine Denkschrift.

Schafft Volksheime!

Porträt des Comenius.

(3)

Die C om enius-B lätter erscheinen im F ebruar, April, Juni, Oktober und Dezember. Die M itglieder erhalten die B lätter gegen ihre Jahres­

beiträge. Bezugspreis im Buchhandel und bei d e r P ost M. 4,—.

Einzelne Hefte M. 1,—. N achdruck ohne E rlaubnis untersagt.

Eingabe der Comenius-Gesellschaft an das Abgeordneten­

haus in Sachen des Antrages Graf Douglas1).

Den sehr verehrlichen M itgliedern eines Hohen Hauses der Abgeordneten beehrt sich der Unterzeichnete Vorstand der Comenius- Gesellschaft die nachstehende kurze' Kundgebung über seine Stellungnahm e zu dem Antrage des Abgeordneten Dr. Graf Douglas betr. Schaffung einer Landeskommission für Volkswohlfahrt sehr ergebenst zu u n terbreiten, indem er es für seine Pflicht hält, auch seinerseits zu Gunsten eines A ntrages, dessen Annahme für die Bessergestaltung der inneren Verhältnisse unseres Vaterlandes von so überaus segensreichen Folgen sein würde, vom Standpunkte einer seit Jahren für die Volkserziehung theoretisch und praktisch eintretenden Organisation aus seine Stimme zu erheben. Der Unterzeichnete Vorstand knüpft an die Vorlage der nachstehenden Äußerungen die ganz ergebenste B itte , daß es den sehr verehrlichen Mitgliedern eines Hohen Hauses der Abgeordneten gefallen m öchte, in wohlwollender Berücksichtigung der in den w eitesten Volkskreisen verbreiteten Zustimmung zu dem genannten A ntrage dafür zu w irken, daß eine Landeskommission für Volks­

w ohlfahrt tunlichst bald ins Leben gerufen und dam it für die i) Der Wortlaut dieser Eingabe ist in der Vorstands-Sitzung der C. G.

vom 17. Oktober 1905 festgestellt und vor kurzem den Mitgliedern des Ab­

geordnetenhauses bekannt gemacht worden.

C o m e n i u s-B lä tte r fü r V olkserziehung. 1905. 9

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130 Eingabe d. Comenius-Gesellschaft an das Abgeordnetenhaus. Heft 5.

körperliche, geistige, sittliche und w irtschaftliche Hebung unseres Volkes eine Arbeitsstelle geschaffen w ird, deren segensreiche Be­

deutung m an in m ehreren anderen Ländern bereits m ehr als in Preußen nicht nur theoretisch erkannt, sondern auch durch organisatorische Maßregeln zum Ausdruck gebracht hat.

Die Landeskommission für Volks Wohlfahrt ist nach der An­

sicht der U nterzeichneten vor allem deswegen anzustreben, weil sie die geeignetste Organisation darstellt, m ittelst deren eine bis­

her sehr störende Lücke unserer K ulturpolitik in planm äßig und sicher fortschreitender Weise ausgefüllt werden kann. Es gibt zahlreiche Aufgaben der K ulturpolitik, die ihrer ganzen N atu r nach von den zur Zeit bestehenden Behörden nicht gelöst werden können; m anche überaus wichtigen Seiten unseres Kulturlebens entziehen sich vollständig der gesetzlichen Regelung und über­

h au p t jeder A rt unm ittelbarer Einw irkung von seiten der sta a t­

lichen und sonstigen öffentlichen Behörden; es gibt eine Menge hoher ideeller Güter in dem Dasein unseres Volkes, deren Pflege fast einzig und allein auf freie erzieherische Beeinflussung der Beteiligten gegründet werden m uß; eine solche erzieherische Be­

einflussung aber setzt genaueste Erforschung der zweckm äßigsten Beeinflussungsmittel wie auch klares und immer wieder nach­

prüfendes Erkennen der Ziele, die zu erstreben sind, unerläßlich voraus. W er anerkennt, daß es auch für die ideellen G üter eines Volkes eine A rt von Volkswirtschaft g ib t, deren Pflege auf die Dauer sich nicht ungestraft vernachlässigen läßt, der muß wünschen, daß für diese Nationalökonom ie der ideellen G üter mindestens ebensosehr eine zur Beobachtung und Forschung berufene Zentral­

stelle existiert, wie sie auf dem G ebiet m aterieller Dinge etw a in der physikalisch-technischen R eichsanstalt und zahlreichen ihr verw andten Organisationen gegeben ist. Es hieße nach Ansicht der Unterzeichneten sich einer geradezu verhängnisvollen Einseitig­

k eit schuldig m achen, wenn man die autoritative Beihilfe des S taates gerade an derjenigen Stelle der inneren Entw icklung unseres Volkslebens versagen w o llte , an deren Gedeihen auch die m aterielle W ohlfahrt der N ation in letzter Linie doch gebunden ist. Die den verehrlichen M itgliedern eines Hohen Hauses der Abgeordneten bereits vorliegenden Akten und D enkschriften zu Gunsten des Antrages Graf Douglas enthalten das M aterial, aus dem Zweck und Arbeitsweise der Landeskommission für Volkswohlfahrt zu ersehen sind, in so reichhaltiger Fülle, daß die Unterzeichneten

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darauf verzichten können, auch ihrerseits zu einer Vermehrung dieses Materials beizutragen oder bereits Gesagtes noch einmal vorzubringen: sie beschränken sich daher darauf, unter Beifügung einer vor drei Jahren von einem Mitgliede der Com enius-Gesell­

schaft verfaßten Schrift über „Ein Reichsam t für Bildungswesen“

ihrem festen Glauben an die dringende Notwendigkeit der von dem Abgeordneten Dr. Grafen Douglas angeregten Organisation Ausdruck zu geben und zugleich auszusprechen, daß es auch ihnen bei der augenblicklichen Lage der Dinge zweckmäßig erscheint, wenn unter Verzicht auf eine das gesam te Deutsche Reich umfassende Einrichtung zunächst von seiten des preußischen S taates eine A nstalt zur Erforschung volkserziehungswissenschaftlicher Fragen und zur praktischen Pflege der Volkswohlfahrt ins Leben ge­

rufen wird.

Verein für ländliche Wohlfahrtspflege in Württemberg.

Am 4. Oktober d. Js. h a t zu S tu ttg a rt eine Versammlung von etw a 60 Männern und Frauen aus ganz W ürttem berg getagt, die beschlossen hat, die Förderung der W ohlfahrtspflege auf dem Lande durch Schaffung eines Vereins in die Hand zu nehmen.

Ein vorbereitender Ausschuß h a tte die Einladungen ergehen lassen und h a tte beschlossen, über alle Gegensätze von Konfession und P olitik hinweg eine Organisation zu schaffen, die alle Gleich­

gesinnten zur M itarbeit auf diesem der Pflege so sehr bedürftigen Gebiete sammeln sollte. W ir geben hier den am 14. Oktober ver­

öffentlichten Aufruf des neuen Vereins, welcher die Ziele und Aufgaben desselben klar beleuchtet, seinem wesentlichen In halt nach wieder:

Wohl jedem, der seinen dauernden Wohnsitz auf dem Lande hat, drängt sich heute die Überzeugung auf, daß unter der Decke idyllischen, zufriedenen Landlebens, wie es dem flüchtigen Besucher sich darstellt, in den meisten Fällen eine beklagenswerte, geistige Öde, ein Leben ohne innere Gestalt und Frische verborgen liegt. Unter dem Druck des für das Landvolk so besonders schweren Kampfes ums Dasein, in der Abgeschnittenheit von den Bildungs- und Hilfsmitteln des gesellschaftlichen Verkehrs, die dem Bewohner der Stadt zu Gebote stehen, beginnt sich mehr und mehr auf dem Land eine Form des Gemeinlebens auszubilden, die die alten idealen Kräfte aufzehrt und in lähmende Verflachung auszulaufen droht. Das stolze Selbst- bewußtsein des ländlichen Standes alter Zeit ist einer inneren Unsicherheit und Unselbständigkeit gewichen, die auch die neu andrängenden Bildungs­

elemente nur sehr wenig von ihrer förderlichen Kraft entfalten läßt.

9*

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Schon lange stehen einzelne Frauen und Männer auf einsamem Posten draußen, um dieser Verödung und Verirrung des Landlebens Halt zu gebieten.

Aber ihre Arbeit geschieht zufällig, ohne Verbindung und Verständigung miteinander, ohne daß sie sich von einem Mittelpunkt aus stets neue Auf­

munterung, Rat und Hilfe holen könnten. Das ist eine Arbeit, die unnötig Kraft verschwendet. Längst haben sich in anderen deutschen Gebieten große Landesvereine gebildet, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, einen solchen Mittelpunkt zu bilden, für eine Umgestaltung des ländlichen Lebens sowohl nach seiner wirtschaftlichen Seite (durch Förderung des Genossenschafts­

wesens, der Spar- und Darlehenskassen, Unterrichtskurse u. s. w.) als nach seinen geistigen, geselligen und hygienischen Bedürfnissen (durch Verbreitung guter Bilder und Schriften, Einführung und Förderung von Ortsbibliotheken, von Gemeindeabenden und Volksfeiern, Hebung der ländlichen Musikpflege und Vereinsbühne, Krankenpflege, hygienische Unterweisung u. s. w.) Sorge zu tragen und einen planmäßigen Austausch der Kräfte und Erfahrungen herbeizuführen. Unser engeres Vaterland stand darinnen seither noch zurück.

Am 4. Oktober haben sich nun in Stuttgart eine Anzahl von Frauen und Männern aus allen Gegenden unseres Heimatlandes zu einem Verein für ländliche Wohlfahrtspflege in Württemberg zusammengeschlossen, und dieser Verein hat den Unterzeichneten Ausschuß damit beauftragt, in seinem Namen an die Angehörigen aller Gegenden und Stände unseres Landes und zwar ohne Unterschied des Bekenntnisses und der politischen Partei heranzutreten und sie zur Mitwirkung an seinen Bestrebungen aufzufordem. Wir rufen also hiermit einen jeden in Stadt und Land, dem das Leben unseres Land­

volkes als der unersetzliche Jungbrunnen der leiblichen und geistigen Volks­

kraft wertvoll dünkt, und der weiß, wie oft sich seither die moderne Entwicklung unseres Volkslebens auf Kosten dieser Kraftquellen vollzogen hat, auf, an unsere Seite zu treten.

Anmeldungen zum Beitritt sowie Beitragsleistungen werden von jedem der Unterzeichneten entgegengenommen.

Der geschäftsftihrende Ausschuß:

1. Vorsitzender: Oberamtmann von Soden, Weinsberg — 1. Schriftführer:

E rn st K ran ss, Stuttgart, Werastraße 87 — Schatzmeister: Chefredakteur Dr. Jä c k h , Heilbronn — Lehrer J. B ass, Stuttgart — Schultheiß Brecht, Oberrot — Lehrer F ran k , Heilbronn — Pfarrer G astpar, Unterriexingen — Pfarrer S andberger, Wittlensweiler — Plärrer S chott, Frankenhofen —

Frau A. Supper, Stuttgart.

W ir empfehlen dieses Vorgehen unserer Freunde in W ürttem ­ berg auch unseren M itgliedern in anderen deutschen S taaten und Provinzen. W ir haben von Anfang an seitens der Comenius- Gesellschaft gerade auch der l ä n d l i c h e n W ohlfahrtspflege unsere Aufm erksam keit gewidmet und begrüßen jeden S ch ritt, der im Sinne des tätig sten Vorkämpfers dieser Sache, H e in r . S o h n r e y s , geschieht, m it besonderer Genugtuung.

13 2 Verein für ländliche Wohlfahrtspflege in Württemberg. Heft 5.

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Bericht über die neuere Fachliteratur zur Wissenschaft der Yolkserziehung.

Es ist ein für die Entw icklung der Volkserziehung ziemlich bedeutungsvoller Moment, in dem dieser erste Versuch einer laufenden B erichterstattung über die F achliteratur zur Volks­

erziehungswissenschaft zu erscheinen beginnt. Noch schweben die Verhandlungen über den höchst bedeutsam en A ntrag des Abgeordneten Dr. G raf Douglas, der auf die Errichtung eines Volks Wohlfahrtsamtes in Preußen abzielt; der kommende W inter wird voraussichtlich die Entscheidung darüber bringen, wie sich die Staatsregierung zu diesem Antrage stellen und wie dann w eiter die vertretenden Körperschaften die eventuelle Durch­

führung des Gedankens beschließen und durch Bewilligung der nötigen M ittel in die Wege leiten werden. Die Bedeutung des Antrages erhellt für jeden, der selbständig nachprüfen w ill, in völlig unanfechtbarer Weise aus den Ausführungen, die der A ntragsteller selber wie auch andere Abgeordnete, u. a. P astor von Bodelschwingh, und der M inister des Inneren bei den B eratungen des Abgeordnetenhauses (am 24. November 1904 und 1. April 1905) zu dem Antrage gegeben haben. U nter dem M aterial, das den Volksvertretern zum Zwecke der näheren Orientierung über den Grundgedanken des Graf Douglasschen Antrages zur Verfügung gestellt werden konnte, verdient wohl besondere Hervorhebung der Entw urf einer systematischen Ordnung der in Frage kommenden Gesichtspunkte der Volkswohlfahrt (Salus populi [Salutologie]), den Geh. M edizinalrat Dr. R o b e r t B e h la m it glücklichster Beherrschung und Gliederung des gesamten Materials ausgearbeitet h a t (vergl. auch den Artikel desselben Verfassers „Ueber die Notw endigkeit der Errichtung eines Volkswohlfahrtsam tes“ in N r.24 der „ D e u ts c h e n M e d ic in a l- z e i t u n g “ ). Ferner konnten die Abgeordneten u. a. hingewiesen werden auf den ausführlichen Artikel des Abgeordneten P r o f . Dr.

F a ß b e n d e r über „W ohlfahrtspflege“ in dem V. Bande des bei Herder in Freiburg erscheinenden S taatslexikons, und es w ar selbstverständlich, daß auch die überaus segensreiche T ätigkeit der im Jahre 1891 gegründeten Zentralstelle für A rbeiter-W ohlfahrts­

einrichtungen bei der Vorlage des Graf Douglasschen Antrages

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134 Ziehen, Heft 5.

ihrer hohen Bedeutung entsprechend gew ürdigt wurde. Wie sich das V erhältnis dieser letzteren, bekanntlich von m ehreren Vereinen u nter M itwirkung der preußischen M inisterien für Handel und Gewerbe und der öffentlichen Arbeiten gegründeten V eranstaltung zu dem vom Grafen Douglas beantragten Volkswohlfahrtsam t gestalten w ird, muß der weitere Verlauf der Dinge zeigen. Der P lan eines Reichsam tes für Volkserziehung und Bildungswesen, für den der Verfasser des vorliegenden Berichtes vor zwei Jahren in den Veröffentlichungen der Comenius-Gesellschaft eingetreten ist, m ag zugunsten des Graf Douglasschen Antrages zunächst in den H intergrund trete n ; die Gründe und G esichtspunkte, die ich zugunsten des Reichsamtes geltend gem acht habe, dürften sich zum weitaus größten Teil auch für eine staatlich-preußische Ver­

an staltung m it gleichem Rechte geltend m achen lassen, und die D urchführung des G raf Douglasschen Antrages würde daher bis zu einem gewissen Grade auch eine Verwirklichung der von mir vorgetragenen Gedanken und W ünsche bedeuten. Doch auch ganz abgesehen davon begrüße ich diesen A ntrag m it der allergrößten Freude und glaube, daß er auf dem Gebiet unserer K ulturpolitik den Ausblick zu ganz neuen Bahnen und M öglichkeiten öffnet, die im Interesse unserer Volks Wohlfahrt ganz sicher nicht ver­

nachlässigt werden dürfen. Mit dem Hinweis auf einen A ntrag von so großer Tragw eite für das gesam te Gebiet der Volks­

erziehung den vorliegenden B ericht eröffnen zu können, kann ich nur als eine sehr freundliche Fügung betrachten.

W as ich zur Einführung dieses Berichtes sonst noch vor­

zubringen habe, darf sich auf einige wenige Bem erkungen beschränken. N icht die Bilanz der Volkserziehungsfortschritte selber — dazu bedürfte es umfassenderer Unterlagen — wohl aber wenigstens die Bilanz dessen, was an wichtigeren v o l k s ­ e r z i e h e r i s c h e n G e d a n k e n u n d V o r s c h l ä g e n in d e r L i t e r a t u r d e s v e r f l o s s e n e n J a h r e s a b s c h n i t t e s z u t a g e g e t r e t e n i s t , soll in diesen B lättern gezogen werden. Ich b itte , nicht daran Anstoß zu nehm en, daß ich an m anchen Stellen und für einige Teilgebiete der Volkserziehung, auf frühere Zeit zurückgreifend, reichlich viel F achliteratu r im T ext wie in den Anmerkungen herangezogen habe; ich t a t es, um in diesem Berichte, der eine regelm äßige Reihe periodisch w iederkehrender B erichterstattungen eröffnen soll, eine m öglichst breite Basis für sp ätere, kurz gehaltene Ausführungen zu schaffen. Kein Zweifel — ein jeder Leser dieses Berichtes wird sich zu m ehr als einem Auslassungs­

zeichen veranlaßt sehen, wird manches hinweg und dafür anderes an seine Stelle wünschen; ich b itte demgegenüber zu bedenken, daß es sich hier der N atur der Sache nach nicht um eine auch nur annähernd vollständige Aufzählung, sondern daß es sich nur um die Vorführung einzelner besonders wichtiger V ertreter der F achliteratur handeln kann, von denen ausgehend der Leser sich den Ueberblick über das G esam tgebiet der Volkserziehung am

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leichtesten selbst erarbeiten kann; hoffentlich werden sich diese Berichte im Laufe der Jah re immerhin zu einem nicht allzu lückenhaften Bilde der volkserziehungswissenschaftlichen Fach­

lite ratu r zusammenschließen. Zu Anfang wird es nam entlich darauf ankom m en, daß die verschiedenen Teile des weitverzweigten Gesam tgebietes allm ählich durch Vorführung der ihnen gewidmeten Schriften in dem Kreis der B etrachtung zur Geltung kommen.

Es sind gar mannigfache Schriften von zum Teil recht sehr disparater inhaltlicher Beziehung, die auf den nachstehenden B lättern besprochen werden; vielleicht drängt sich manchem Leser die Frage auf, ob es wohl eine innerlich befriedigende Arbeit w ar, dieses Vielerlei literarischer Erzeugnisse durchzulesen und zum Gegenstand eines nach Uebersichtlichkeit strebenden Berichtes zu machen. Ich möchte solchen F ragen gegenüber hervorheben, daß sich aus der inneren Beziehung dieser Schriften zu dem gemeinsamen Grundgedanken der Volkserziehung eine Einheit ergibt, die — nach meiner Ansicht wenigstens — völlig aus­

reichend ist, um ihr Nebeneinandererscheinen an dieser Stelle zu rechtfertigen, und daß dieser selbe Umstand auch die Durch­

arbeitung der Schriften vor dem Unbehagen geschützt h a t, das m an dem Vielerlei gegenüber so leicht empfindet. Es wird in diesen Berichten hoffentlich gelingen, allmählich die Einheit hervortreten zu lassen, zu der sich auch scheinbar völlig von einander getrennte Schriften unter dem volkserzieherischen Gesichtspunkte vielfach verbinden. Bloßer Polyhistorie soll mit dem Heranziehen so verschiedenartiger Literaturerzeugnisse gewiß am allerwenigsten gedient sein.

Ehe wir uns den einzelnen Gebieten der Volkserziehung zu wenden, betrachten wir kurz einige W erke, die das Gesam t­

gebiet betreffen oder wichtige Fragen derjenigen Hilfswissenschaften behandeln, auf deren M itarbeit die W issenschaft der Volkserziehung angewiesen ist. Da wir danach streben müssen, K u l t u r g e s c h i c h t e und Volkserziehung immer aufmerksamer als zwei W issens- oder Arbeitsgebiete zu betrachten, zwischen denen die fruchtbarsten inneren Zusammenhänge herzustellen sind, so sei nicht versäum t, einige der neueren Arbeiten anzuführen, die in der letzten Zeit auf dem Gebiete der erstgenannten W issenschaft erschienen sind:

Die Geschichte der griechischen K ultur haben in sehr ansprechender Weise F r. B a u m g a r t e n , P o la n d und R. W a g n e r behandelt;

das rech t gut und reichlich illustrierte W erk ist vor kurzem in B. G. Teubners Verlag (Berlin und Leipzig 1905) erschienen und soll später in einer römischen K ulturgeschichte seine Ergänzung finden. Die Zustände des späteren A ltertum s sind eingehend und m it gutem Verständnis für die leitenden Gesichtspunkte ku ltur­

historischer Forschung dargestellt in G e o rg G r u p p s „Kultur­

geschichte der römischen K aiserzeit“ (2 Bände, München 1902-4.

Allgemeine Verlags-Gesellschaft); eine vortreffliche „Geschichte der deutschen K ultur“ h a t der verdiente Herausgeber der Zeit­

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136 Ziehen, Heft 5.

schrift für Kulturgeschichte G e o rg S t e i n h a u s e n im Verlag des Bibliographischen Institutes (Leipzig und Wien 1904) erscheinen lassen. Wenn die Kulturgeschichtsschreibung in früheren Zeiten sehr stark der Gefahr unterlag, in eine ziemlich wahllose Anhäufung einzelner antiquarischer Details auszuarten, so lernt sie neuerdings m ehr und m ehr die springenden G esichtspunkte aus der Entwickelungsgeschichte der Menschheit hervorzuheben. Das

„Wesen der K u ltu r“, wie es L. Z i e g l e r in einem vor zwei Jah ren erschienenen Buche darzustellen versucht h a t, wird schärfer ins Auge gefaßt und dam it auch die Bedeutung der kulturhistorischen Forschung für die Volkserziehungswissenschaft beträchtlich verm ehrt; die Kuriositätensamm lung t r itt zugunsten der „Philo­

sophie des Gegenstandes“ in den H intergrund, und die gesam te B etrachtung stellt sich u nter das Zeichen der F rage nach dem W esen der Zivilisation, deren „Ursachen und H eilung“ u. a.

Edw ard Carpenters vor zwei Jahren in deutscher Uebersetzung erschienene Studie nicht m it Unrecht zu ergründen verlangt h at, ohne freilich dabei den Weg zu gehen, den ich für den fördem dsten und richtigsten halten muß.

Neben der Kulturgeschichte ist es die S o z i o l o g i e , die für die volkserziehungswissenschaftliche Forschung als höchst bedeutsam e Hilfswissenschaft erscheint. R u d o lf E i s l e r s Soziologie (Webers Illustrierte Katechism en, Band 31, Leipzig 1903, J. J. Weber) m ag zur ersten Einführung in das immerhin noch recht wenig geklärte G ebiet hier empfohlen werden. Daneben sei vor allem L u d w ig S te i n s „Soziale Frage im Lichte der Philosophie“

genannt (zweite, verbesserte Auflage. S tu ttg a rt 1903, F. Enke) als ein Buch, an das wir immer wieder bei unseren Forschungen anzuknüpfen haben werden. Stein h at die neue, H erbert Spencer gewidmete Auflage dieser „Vorlesungen über Sozialphilosophie und ihre Geschichte“ unter das Zeichen der Kürzung gestellt;

ich bin der Meinung, nicht nur daß dies sehr richtig ist, sondern daß es noch in w eit höherem Grade h ä tte zur Durchführung kommen müssen; letzteres nicht etw a in bezug auf die An­

m erkungen, die eine höchst wertvolle Fundgrube neuerer Fach­

literatu r darstellen, wohl aber in bezug auf den T ext, in dem noch zahlreiche W iederholungen von der Entstehung m ancher Teile des Buches aus Einzelarbeiten Zeugnis ablegen. Ich rate denen, die dem jedenfalls groß angelegten und tro tz m ancher Bedenken im einzelnen der dankbarsten Anerkennung würdigen W erke näher trete n wollen, von der Schlußvorlesung auszugehen, die den „sozialen Optim ismus“ behandelt und an eine Darstellung des Pessimismus im 19. Jahrhun dert die kurze C harakteristik derjenigen, auch für unsere Arbeit so wichtigen Bestrebungen anschließt, die die „Höherbildung des Typus Mensch“ zum Endziel haben. Im Anschluß daran mag der zweite A bschnitt (Vorlesung 13 bis 33) m it seinem „Umriß einer Geschichte der Sozialphilosophie“

besonders geeignet sein, von der Fülle der Problem e eine Vor-

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Stellung zu g eb en , bei deren L ösung einer plan m äß ig g eordneten V olkserziehung schließlich die entscheidende Rolle zufallen m u ß 1).

Einige wenige W orte noch über einige Neuerscheinungen der e t h i s c h e n L i t e r a t u r ! F r . P a u l s e n hat bekanntlich seiner Zeit seinem vortrefflichen, nun schon zur 6. Auflage gelangten „System der E th ik “ einen „Umriß der S taats- und Gesellschaftslehre“ bei­

gegeben; erfreulicher Weise wird die E thik in ihrer engen Be­

ziehung zu den Fragen des praktischen Lebens immer ziel­

bew ußter ausgestaltet. Das Nebeneinander von W erken wie P a u l B e r g e m a n n s „Ethik als K ulturphilosophie“ und R u d o lf G o ld - s c h e id s „Zur Ethik des Gesam tw illens“ (I. Bd., Leipzig 1902, Reisland) zeigt deutlich, in wie verschiedenartiger Weise sich die Fragen der Sittenlehre an eine Untersuchung der bestehenden Verhältnisse in S ta a t, Kirche und sonstigem Gemeinschaftsleben anknüpfen lassen. Wenn die Fäden der Gedanken in beiden Büchern noch nicht allenthalben durchaus klar und übersichtlich neben- und ineinander geordnet sind, so liegt dies an der über­

aus großen Schwierigkeit der Aufgabe, die natürlich um so ver­

wickelter w ird, je m ehr diese ethischen Untersuchungen zu den Einzelerscheinungen des Lebens Stellung zu nehmen suchen.

Von älteren Erscheinungen auf dem G ebiet ist J o s e p h W. N a h lo w s k y s i. J. 1870 zuerst hervorgetretene „Allgemeine Ethik m it Bezugnahme auf die realen Lebens Verhältnisse“ dankens­

w erter Weise nach dem Tode des Verfassers (f 1885) in 3. Auf­

lage herausgegeben worden (Leipzig 1903, Veit & Komp.); wir werden wiederholt Anlaß h ab en , auf dies W erk zurückzukommen, das die von H erbert gefundenen „praktischen Ideen“ im Sinne einer „bessernden Um gestaltung unserer gesellschaftlichen Zustände“

darzulegen und auszugestalten sucht. Daß neben allen diesen W erken W. W u n d ts i. J. 1903 in 3. Auflage erschienene „E thik“

ihre führende Stellung behalten h a t, bedarf kaum besonderer Hervorhebung.

Wie soll eine E thik aussehen, die, auf w eiteste Kreise be­

rechnet, die Grundzüge der Sittenlehre in allgem einverständlicher Form darlegt? Vor kurzem ist in der „W issenschaftlichen Volks­

bibliothek“ von H e r m a n n S c h w a r z eine E thik erschienen, die, dem Zwecke des Unternehm ens entsprechend, die überaus schwierige Aufgabe einer kurz zusammenfassenden populären Darstellung des Gebietes zu lösen versucht (Leipzig o. J . , S. Schnurpfeil).

W enn die innere Gediegenheit der D arstellung schon durch die Persönlichkeit des Verfassers aufs beste verbürgt ist, so darf man die Form der Darbietung in A nbetracht der Bestimmung des Buches vielleicht noch etwas leichter wünschen. Erstaunlich

!) Nur durch Anzeige ist mir bekannt P. Rossi, Sociologia e psicologia collettiva. Roma 1904. Ueber A. W. Smalls Aufsatz The significance of sociology for ethics, s. Tönnies’ Anzeige in „Deutsche Literatur-Zeitung“, 1904, Sp. 1437 ff. Von den dem Andenken Herbert Spencers gewährten Artikeln sei der von Gustav Rageot in der Revue des deux mondes vom 15. 8. 1904 genannt.

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138 Ziehen, Heft 5.

aber bleibt im m erhin die K unst, m it der hier die Grundzüge der Sittenlehre auf 134 Seiten in durchaus lesbarer Form vorgeführt werden. Einen ähnlichen Versuch h a t J. S. M ü lle r m it seiner

„Praktischen E thik für Schule und Haus, m it Berücksichtigung des S trafgesetzes, der S taatenkunde, der Gesellschaftslehre und des Religionsw esens“ (Berlin, Ferd. Dümmler) unternom m en. „Die Hauptproblem e der E th ik “ behandelt vom S tandpunkt der die G egenw art beschäftigenden Fragen auch P. H e n s e l in einem bei B. G. Teubner u n ter diesem Titel erschienenen Buche. Man kann sich nur freuen, wenn solche Schriften Eingang finden in den w eiteren Volkskreisen, auf die sie berechnet sind. Denn m it R echt sagt Schwarz zu Eingang des oben angeführten Büchleins, daß „die H ochhaltung der überlieferten sittlichen W erte in weiten Kreisen gesunken is t, jeder leben und genießen, niem and Pflichten anerkennen will“. Bei solcher Sachlage h a t eine E thik, die sich an das Volk w endet, ganz besondere B edeutung, es ist ein A kt der Selbstbesinnung, zu dem sie zu führen suchen muß.

Auch m it den Forschungen über Geschichte und Theorie des Idealism us h a t die sozialpädagogische W issenschaft natürlich enge Fühlung zu unterhalten. Viele Anregung bieten vor allem die älteren Arbeiten über den G egenstand, besonders das i. J. 1901 neu aufgelegte Buch von C h r i s t i a n M u ff sowie O t t o W illm a n n s großangelegte Geschichte des Idealismus. Von den Schriften der neuesten Zeit, die dem Gegenstand gewidm et sind, möge R. H e in e s

„Idealism us als Bildungs- und Lebenselem ent,“ eine sozial­

pädagogische Studie auf historischer Grundlage (Langensalza, Beyer & S.), hier als dankensw erter Versuch genannt sein. Als einen „Beitrag zum W irklichkeits-Idealism us“ h a t D a v id K r i g a r seine Arbeit über „Die K ulturanschauung des Sozialism us“ ver­

öffentlicht (Berlin, Ferd. Dümmler); die B etrachtung der po­

litischen Verbände als Träger der Volkserziehung wird uns Anlaß geben auf dies Buch zurückzukommen.

V ertreter volkserzieherischer Bestrebungen und Ideale müssen so oft den Vorwurf hören, daß sie Utopien nachjagen, daß es recht gu t ist, wenn man sich in ihren Kreisen den Blick für das W esen und die geschichtliche Entw icklung der Utopie schärft.

An älteren Arbeiten über den Gegenstand ist kein Mangel: die vor 12 Jahren im Grenzbotenverlage erschienene „ S c h l a r a f f i a P o l i t i c a , Geschichte der Dichtungen vom besten S ta a te “ werden auch je tz t, noch Freunde sozialpädagogischer Grundfragen m it N utzen in die Hand nehm en; eine interessante Uebersicht über die Utopien gibt unter Zufügung zahlreicher Literaturnachw eise auch S t e i n in seiner oben besprochenen Sozialphilosophie. Von neueren Erscheinungen verdient das Buch von E. H. S c h m i d t „Der Idealstaat“

(Berlin 1904, J. R üde) als interessanter Versuch einer G esam t­

darstellung des Gebietes genannt zu w erden1). Als Motto solcher

*) Vgl. auch E. F o u rn ifere, Les thöories socialistes au 19® sifccle.

De Babeuf ä Proudhon. Paris 1904.

(13)

B etrachtungen mag man sich doch immer ein gutes W ort M ic h e le ts vor Augen halten, das den Reformgedanken der Ein­

leitung zu seinem Buch über die „F rau“ als eine Art Parole bei­

gegeben ist. Que de choses ne se pouvaient pas qui se sont faites pourtant! Es ist nur eine Variante zu dem Ergebnis, das am Ende jeder B etrachtung über die Geschichte der Utopien stehen m uß: die Utopie von heute ist nicht selten die W irklichkeit von morgen.

Um noch einige Arbeiten zu nennen, die geeignet sind, als Einführung in die Gedankenkreise volkserziehungswissenschaft­

licher Bestrebungen zu dienen, so ist sehr dankensw ert, daß Dr. G. F r i t z , der unseren Lesern w ohlbekannte Bibliothekar der Charlottenburger Volksbibliothek, durch einen kurz und lichtvoll zusammenfassenden Aufsatz über „Aufgaben und Organisation der m odernen Volkserziehung“, der in der „Deutschen Monats­

schrift für das gesamte Leben der G egenw art“ (Bd. III, 1904, S. 858 ff.) erschienen ist, weite Leserkreise für sozial-pädagogische Fragen zu interessieren gew ußt hat. Ferner ist recht g u t ge­

schrieben und zur ersten Orientierung vortrefflich geeignet das kleine Buch, das P. B e r g e m a n n als Bd. 3 der Hillgerschen

„Illustrierten Volksbücher“ über „Volksbildung“ h at erscheinen lassen. Eine bequeme Ergänzung zu dieser Schrift bieten die Hefte der Sammlung „ S o z i a l e r F o r t s c h r i t t “ , die, eingeführt durch eine Skizze von W. S o m b a r t (W arum sollte sich heute jederm ann für Fragen der Volkswirtschaft und Sozialpolitik interessieren?), bei Felix Dietrich in Leipzig seit zwei Jah ren er­

scheinen; auch durch ihren bescheidenen Preis sind diese Hefte sehr wohl geeignet, im eigentlichsten Sinne des W ortes volks­

tüm lich zu werden und das Interesse für Volkserziehung in die w eitesten Kreise hereinzutragen. Hoffentlich ist ihnen ein guter Erfolg beschieden!

Zum Schlüsse dieser Vorbemerkungen darf ich vielleicht noch erwähnen, daß ein in Lübeck von m ir gehaltener Vortrag über

„ V o lk s e r z ie h u n g im n a t i o n a l e n S i n n “ (München 1904, Lehmann) den Versuch m acht, das Gesam tgebiet volkserzieherischer Arbeit im Anschluß an die früher (Comenius-Blätter 1903, S. 83 ff.) von mir vorgeschlagene Gliederung des Gebietes kurz zu kenn­

zeichnen. Unter B eibehaltung dieser Gliederung gehen wir nun­

m ehr dazu über, die L iteratur über die verschiedenen Träger der Volkserziehung im einzelnen zu überblicken.

W as die F a m ilie a ls T r ä g e r i n d e r V o lk s e r z ie h u n g an­

geht, so h a t H e in r ic h P u d o r einen glücklichen Gedanken gehabt, indem er eine illustrierte M onatsschrift für die „K ultur der Fam ilie“

ins Leben rief. (Selbstverlag, Steglitz.) Es ist sehr wahr, daß auf diesem Gebiete noch überaus viel, ja m it das W ichtigste für unsere Volkserziehung zu leisten ist, und an einem Organ, das den Interessen der Fam ilienkultur dient, h a t es in der T at bisher gefehlt. Ueber die Art, wie P udor seinen Gedanken durchführt,

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1 4 0 N eumanu, Heft 5.

vermag ich noch kein U rteil abzugeben. Ein Einleitungsw ort des Herausgebers berichtet über die „wenigen in der Oeffentlichkeit uns begegneten Versuche einer Neubelebung und Vertiefung des Fam iliensinnes“ ; K. Chr. Fr. Krauses „U rbild der M enschheit“

(1811 zuerst erschienen), dann — neben W. J. Thierschs Schrift über christliches Familienleben — W. H. Riehls schönes Buch über die Fam ilie (1855) und endlich F. Tönnies’ 15 Eisenacher „Thesen über die Erneuerung des Fam ilienlebens“ sind die literarischen Arbeiten über das Gebiet, die Pudor — abgesehen von der päda­

gogischen Seite der F rage — aufzuzählen vermag. Dieser nur allzu kurze K atalog läß t sich in der T at kaum erw eitern ; auf einige ausländische Arbeiten über das Gebiet h ä tte vielleicht der Vergleichung halber hingewiesen werden k ö n n en ; wir werden Anlaß haben, auf einzelne dieser Arbeiten zurückzukommen.

Von den einzelnen Gebieten des Fam ilienlebens ist das der H auspädagogik bekanntlich seit 20 Jahren Gegenstand sehr eifriger literarischer Bearbeitung. Der Verfasser dieses Berichtes h a t eines der bahnbrechenden Bücher auf diesem Gebiete, K a r l 0 p p e is Buch der Eltern (Frankfurt a. M., Diesterweg) m it Rücksicht au f die große Bedeutung dieses R atgebers für das deutsche B ürgerhaus neu herauszugeben übernom m en; diese neue, m it einem Lebensbilde Oppels begleitete Ausgabe ist soeben als 5. Auf­

lage des Elternbuches erschienen; eigentüm lich ist dem Oppelschen Buch die sehr enge Beziehung, in die der Verfasser seine Gedanken über Kindererziehung zu der Frage des G esam tfortschrittes der Menschheit gestellt h a t ; eine Lücke ist in seinen Ratschlägen und Anweisungen insofern zu finden, als er das Gebiet der religiösen Erziehung nicht berührt hat. Hier mag denn als Ergänzung dienen, was O tto B a u m g a r te n in seinen Vorträgen über „Kinder­

erziehung“ (Tübingen 1905, J. C. B. Mohr) gerade über diese Seite der Erziehung als berufenster Beurteiler dargelegt h a t .1)

Die Comenius-Gesellschaft und die Volksgesundheitspflege.

Von

O berstabsarzt Dr. N e u m a n n in Bromberg.

Zweck und Ziel der Comenius-Gesellschaft ist die Pflege der W issenschaft und der Volkserziehung. Aus diesem Grunde lassen sich leicht Beziehungen knüpfen zwischen der Comenius-Gesellschaft und der Volkshygiene. Die auf dem Boden der W issenschaft gewachsenen Ergebnisse der Gesundheitslehre sollen dienstbar

*) Von anderen beiträgen zur Hauspädagogik sei noch genannt E. Ernst, Elternpflicht. Beiträge zur Frage der Erziehung der Jugend zur Sittenreinheit (Kevelaer 1905, Bützo & Bercke).

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gem acht werden für die Yolkserziehung. Ebenso wie ein Volk erzogen werden muß zur sittlichen Reife, so muß es auch erzogen werden zur gesundheitlichen Reife. Auch diese Erziehung zur Gesundheit ist ein unum necessarium! Eins ist n o t, nämlich gesunde Körper zu schaffen, weil nur im gesunden Körper sich ein gesunder, sittlicher Geist entfalten kann. Der berufene Erzieher zur Gesundheit ist der A rzt, der wissenschaftlich gebildete Hygieniker, der Schulmann, der A rchitekt u. s. w., kurz und gut, der unter w i s s e n s c h a f t l i c h e r F ührung und auf streng w i s s e n ­ s c h a f t l i c h e r Grundlage m itarbeiten soll an dem großen Werk, hygienische Belehrung in das Volk zu tragen.

Wenn sich die C om enius-G esellschaft nicht direkt m it der Volkshygiene befassen kann und w ill, wenn sie die A u s f ü h r u n g dieser Arbeit an der gesundheitlichen Volkserziehung anderen Arbeitern überlassen m uß, so kann es doch der Zweck dieser kurzen Zeilen sein, anregend zu wirken auf einem Wohl­

fahrtsgebiete, das wichtig genug ist, auch im Rahm en der Comenius- Gesellschaft besprochen zu werden. Bieten sich doch Analogien in Menge — ich erinnere nur an die Landerziehungsheim e, an den Heim schutz, an die Arbeiten von Z im m e r. Gibt es denn überhaupt ein Gebiet der Volkserziehung, wo die Frage der Gesundheit nicht zur Sprache kommen m uß? Maßgebend ist der w i s s e n s c h a f t l i c h e S tand punkt, d. h. das, was die berufenen V ertreter der W issenschaft zu sagen haben.

Es verlohnt sich der Mühe ganz kurz, in gedrängter historischer Entwickelung anzugeben, was bisher auf dem Gebiet der Volks­

erziehung zur Gesundheit von seiten der Wissenschaft, der Hygiene geschehen ist.

Die Anfänge gehen auf Hufeland, Bock, Niemeyer zurück.

S p ä te r war es der schweizer Arzt Sonderegger, ein hygienischer Menschenfreund, der in seinem berühm ten Buche: Vorposten der Gesundheitspflege warm für die Volkserziehung auf hygienischem Gebiet eintrat. Werde Schulmeister, so ruft er dem Arzt zu, sei nie müde, dir und anderen die Augen zu öffnen für das was vor uns lieg t; bekämpfe den Fatalism us, der K rankheit und Seuche als Verhängnis ansieht, zeige im täglichen Leben an jedem einzelnen, wie m an sich gesund oder krank m acht.

Anfang der 70 er Jah re sind es zunächst Laien gewesen, die unter dem Namen „Vereine für naturgem äße Lebensweise“ den Versuch m achten, den Sinn für Hygiene in den Volksmassen zu

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142 Neumann, Heft 5.

erwecken. Zwei Momente waren e s , die diese B estrebungen begleiteten — einmal die sogenannte Freigabe der Heilkunde, d. h. strenger gesagt, die Freigabe der Behandlung E rk rank ter infolge der Gewerbeordnung seit 1869, so daß jederm ann im Deutschen Reiche E rkrankte behandeln konnte, und zweitens die Erneuerung der hygienischen Anschauungen hervorgerufen nach englischem Vorbild und auf Grund der bakteriologischen Errungen­

schaften seit P asteur, Pettenkofer und Koch.

Die Ärzte h ätten damals — ich habe dies an anderer Stelle näher auseinandergesetzt — in diese gesunde Bewegung, die den Sinn für ein naturgem äßes, d. h. einfaches, mäßiges Leben und für die Errungenschaften der Hygiene weckte, eingreifen und sich an ihre Spitze stellen sollen — eingedenk ihrer wichtigen Aufgabe, volkshygienische Erzieher zu sein. Dies geschah nicht. Die Ärzte lehnten es in ihrer G esam theit in vornehmer R eserviertheit ab, populäre Medizin zu treiben, von der schon ein Virchow s. Z.

gesagt hatte, sie müsse zur Volkswissenschaft werden. Die Folge w ar die, daß das Laienelement sich der Sache bem ächtigte und ohne wissenschaftliche F ührer naturgem äß vielfach auf Abwege geriet.

Es ist hier nicht der O rt auf die unendlichen Segnungen hinzuweisen, die so vielfach die wissenschaftliche Hygiene gebracht h at, wie sie speziell in der Lage gewesen ist, nam entlich bei uns in Deutschland die S terblichkeits- und Erkrankungsziffer bei der Armee herabzusetzen. Die Verbindung der W issenschaft m it dem Laientum schuf der deutsche Verein für öffentliche Gesundheits­

pflege, der seit den 70 er Jahren besteht, und die ihm verw andten Vereine: er b esteht in der H auptsache aus Ä rzten, Medizinal­

beam ten, Ingenieuren und k lä rt wissenschaftliche Fragen. Seine naturgem äße Ergänzung bildet der 1900 von B ödiker, Leyden, D ouglas, Beerwald, R ubner gegründete d e u t s c h e V e r e in f ü r V o lk s h y g ie n e . In seinen „B lättern für Volksgesundheitspflege“

bezeichnet Beerwald als sein Ziel: Verständnis im Volke zu erringen für Gesundheitspflege, ein Gedanke, der einer weiteren Ausführung hier nicht bedarf, so selbstverständlich ist er. Auch hier ist die deutsche Armee vorbildlich vorangegangen, denn bei uns bestand schon längst ein System der hygienischen Belehrung der Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften. Als Ergänzung des m ehr auf dem rein wissenschaftlichen Boden bestehenden gelehrten Vereins für öffentliche Gesundheitspflege, handelt es sich für die führenden

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Geister des deutschen Vereins für Volkshygiene, als soziale Hygiene, ein von Breitung m. W. geprägtes W ort, das Gold der medizinischen Wissenschaft, wie B reitung sag t, umzusetzen in gangbare Münze. Denn der Nutzen der besten Einrichtungen für öffentliche Gesundheitspflege w ird, wie Dr. Karl Singer in seiner Schrift: Soziale Fürsorge, der Weg zum W ohltun, sag t (S. 211), illusorisch, wenn nicht die Bevölkerung selbst Verständnis für hygienische Fragen besitzt. Ich glaube diesen Gedanken nicht w eiter auszuspinnen zu brauchen: ist es doch Tatsache, daß selbst in w eiten, auch in gebildeten Kreisen krasse Mängel au f dem Gebiet der Kenntnis in der Hygiene vor­

handen sind: prüft man näher, so bem erkt m an, daß wohl gewisse Schlagworte eingedrungen sind, daß es aber an einem tieferen Verständnis in der T at m angelt. Hier will und soll der deutsche Verein für Volkshygiene m it seinen Zweigvereinen ein- setzen, in W ort und Schrift soll er Belehrung schaffen, er will, das ist es, was ihn so w ohltätig von den Naturheilvereinen trennt, auf lediglich w i s s e n s c h a f t l i c h e r Grundlage Lehrvorträge halten, er will keine uferlosen Laiendebatten, er will den Arzt, als ge­

borenen Lehrer des Volkes, hinstellen auf die Stelle, wo er hin­

gehört, auf die hygienische Lehrkanzel. Hygienische Volks­

erziehung auf wissenschaftlicher Basis soll er treiben — und dam it sind die verbindenden Fäden auch gezogen zwischen der Comenius-Gesellschaft und der Volkshygiene. Diese Lehraufgabe der Ärzte ist die wichtigste Waffe gegen den Aberglauben, gegen die Kurpfuscherei, gegen gewisse Richtungen der sogenannten Naturheilmethode, gegen die Aftermedizin, gegen den Geheimm ittel­

unfug, den Annoncenschwindel u. s. w. Ja, es g ibt auf diesem erzieherischen Gebiete gar kein .anderes M ittel gegen diesen Unfug, der das Volk schädigt und aussaugt, der es irreführt, als die Belehrung durch W ort und Schrift.

Der deutsche Verein für Volkshygiene veranstaltet Vorträge und Kurse in Vereinen, an Elternabenden, an Volksunterhaltungs­

abenden, er richtet in Schulen system atische Kurse ein, wie ich z. B. als erster solche Kurse in Bauschulen, in Fortbildungs­

schulen eingerichtet habe. Das ist hygienische Volkserziehung auf wissenschaftlicher Grundlage.

Der deutsche Verein für Volkshygiene zieht alles in B etracht, was bisher an verwandten Bestrebungen sich dargeboten hat, Volksbadeanstalten, Volksspiele, Vereine gegen die Säuglings-

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Sterblichkeit u. s. w. Es gibt, kurz gefaßt, kein Gebiet, auf dem die Volkshygiene nicht etwas zu sagen h ätte, und somit begrüßen wir Männer des Vereins für Volkshygiene sym pathisch alles das, was sich auf wissenschaftlicher Basis verwenden lä ß t zur gesund­

heitlichen Volkserziehung Auch das ist eine soziale, hum ane A rbeit am M enschheitsbau. Und wenn der große kaiserliche Dulder Friedrich III gesagt h a t (Ludwig Keller: Die Comenius- Gesellschaft, Ein Rückblick auf ihre 10jährige W irksam keit, 1902), nur auf der Grundlage gesunder Volkserziehung kann gesunde Volks Wohlfahrt gedeihen, so unterliegt es keinem Zweifel, daß die Gesundheit des Volkes die erste Grundlage der Erziehung und W ohlfahrt bildet.

Ich beabsichtige nicht, w eiter hier auf dieses Thema ein­

zugehen, als es der Zweck der Comenius-Gesellschaft erfordert, aber der Kampf gegen den Alkoholismus, gegen die Tuberkulose, gegen die G eschlechtskrankheiten, die Hebung der W iderstands­

k ra ft, der W ehrpflicht und M ilitärtauglichkeit, das sind alles wichtige Momente, die m it der Volkserziehung in Verbindung stehen und die gleichartige Bestrebungen zeigen zwischen der Volkshygiene und der Comenius-Gesellschaft.

Neben den Veröffentlichungen des deutschen Vereins für Volkshygiene gibt es noch eine gute volkserzieherische Literatur, ich nenne die W itthauersche Sammlung im Verlag von Marhold, Halle, das ärztliche Hausbuch von Reißig im Verlag von Vogel- Leipzig, die B ibliothek der Gesundheitspflege von Rubner, an der Männer wie Eichhorst, Forel, Schottelius, Orth, Grawitz m it- arbeiten, im Verlag von E rn st Heinrich Moritz in S tu ttg art.

Das sind volkserzieherische Gesundheitsbücher auf wissenschaft­

licher Grundlage. Die Absicht meiner Zeilen war, auf das ver­

w andte G ebiet in großen Umrissen hinzuweisen zwischen der Comenius - Gesellschaft und der Volkshygiene — ein G ebiet, welches der fleißigen Arbeiter noch harrt.

144 Die C om enius-Gesellschaft und die V olksgesundheitspflege. Heft 5.

(19)

Aufruf des Deutschen Vereins für Knabenhandarbeit1).

Volkserziehung und Volksbedürfnisse in Einklang zu bringen, ist von jeher das ernste Ziel einsichtiger Pädagogen und Volks­

freunde gewesen.

In W ahrheit wird dies so lange schon als richtig erkannte Ziel in der heutigen Schule, die vorwiegend der g e i s t i g e n Aus­

bildung dient, nur zum Teil erreicht. Die k ö r p e r l i c h e Ausbildung, die die in der Entwicklung stehende kindliche N atur, besonders auch in Rücksicht auf die einseitig geistige Schularbeit, unab­

w eisbar fordert, bleibt w eit hinter der ihr gestellten Aufgabe zurück. Ganz unberücksichtigt ist heute in säm tlichen Knaben­

schulen aber noch die methodische Ausbildung aller Anlagen und K räfte, die dem praktischen Tätigkeitstriebe zu Grunde liegen, und deren Pflege doch von so außerordentlicher Bedeutung für die gesam te geistige Entwicklung ist.

Diese erziehlichen Grundgedanken h a t der D e u ts c h e V e re in f ü r K n a b e n h a n d a r b e i t seit langen Jahren aufgenommen; er folgte dam it nur den bahnbrechenden Pädagogen C o m e n iu s , R o u s s e a u , S a l z m a n n , B a s e d o w , G u ts M u th s , P e s t a l o z z i , H e r b a r t und F r ö b e l , die säm tlich die planm äßige H andtätigkeit als Erziehungsm ittel fordern.

Aber auch wichtige national-w irtschaftliche Gründe machen die Entw icklung der praktischen Anlagen und K räfte heute not­

wendig. W ird eine solche w erktätige Erziehung erst einmal in Deutschland in den Knabenschulen allgemein eingeführt sein, so wird nicht nur jeder Einzelne für seine Person selbständiger und erwerbsfähiger w erd en , sondern es wird dam it auch eine Hebung der volksw irtschaftlichen Leistungskraft der Nation im ganzen erreicht. Daß dies keine utopischen Ansichten sind, bew eist der U m stand, daß die volkswirtschaftlich am m eisten vorgeschrittenen S taaten England, Nordam erika und F rankreich, also unsere stärk sten Konkurrenten auf dem W eltm arkt, dies Erziehungsm ittel schon in weitem Umfange seit mehr als einem Jahrzehnt in ihren Schulen eingeführt haben. So liegt alle Veranlassung auch für Deutschland vor, dieser Frage ohne Verzug näher zu treten. Das Kaiserliche Reichsam t des Innern teilt diese Auffassung durchaus,

!) Wir bringen den nachstehenden Aufruf im Auszuge an dieser Stelle gern zum Abdruck und verweisen im übrigen auf die „Allgemein unter­

richtenden Mitteilungen“, die dem letzten Hefte unserer Monatsschriften als

Beilage beigegeben waren. Die Schriftleitung.

C o m en iu s-B lätter fü r V olkserziehung. 1905. JQ

(20)

indem sein hochverdienter L eiter, H err G raf von Posadowsky, in einem an unsern Vorsitzenden gerichteten Schreiben vom 20. November 1904 sa g t, er halte diese Bestrebungen

„für so bedeutsam , daß er ihnen im Interesse der w irt­

schaftlichen Leistungsfähigkeit unsers Volkes den besten Erfolg wünschen m öchte“.

Die soziale G esetzgebung h a t seit Jahrzehnten die gewerbliche Arbeit der Jugendlichen m ehr und m ehr eingeschränkt. Festere Form en hierfür sind durch das Reichsgesetz, betreffend die Kinder­

arbeit in gewerblichen B etrieben, vom 30. März 1903 geschaffen.

Ähnliche gesetzliche Maßnahmen stehen für die Beschäftigung der Kinder im H aushalt und in der Landw irtschaft in den nächsten Jahren noch bevor. Diese Jugendschutz-G esetzgebung wird von jedem Jugend- und Volksfreunde auf das freudigste begrüßt, denn sie beseitigt eines der schwersten Hemmnisse, die der körperlich und geistig gesunden Entwicklung der Jugend seither entgegenstanden, ja sie stellt sich schützend vor die frohe glückliche Jugendzeit, die eine so wertvolle Mitgabe für das Leben ist! Man kann eine Neben­

wirkung dieser Gesetzgebung aber nicht übersehen. S either gab im größeren Umfange nur noch das w irtschaftliche Leben dem so lebendigen praktischen T ätigkeitstriebe der Jugend N ahrung; diese Beschäftigung wird künftig eingeschränkt werden, ja wahrscheinlich in höherem Maße, als der Gesetzgeber es beabsichtigt. Der Tätigkeitstrieb der männlichen Jugend wird daher künftig m ehr und m ehr auf die rein geistige Arbeit der Schule angewiesen sein!

So b itten wir aus diesen erziehlichen, volksw irtschaftlichen und sozialen Gründen alle Volks- und Jugendfreunde, sich dem Deutschen Verein für K nabenhandarbeit anzuschließen. Nach langer pädagogischer Vorarbeit ergeht der Ruf zur Sam m lung hinaus in das Land. Unsere organisierte T ätigkeit besteht in Deutschland nun fast ein V ierteljahrhundert. Aber in keinem anderen Lande käm pft sie m it so großen Schw ierigkeiten, als in dem Lande der Denker.

Möchte es uns nach dieser langen grundlegenden Vorarbeit gelingen, diese Ideen je tz t zum Siege zu führen, unserer Jugend zum Heil und unserm Volke zum Segen!

Der Gesamtansschuss des Deutschen Vereins für Knabenhandarbeit.

E. von Schenckendorff, Görlitz, Mitglied des Hauses der Abgeordneten, Vorsitzender. Dr. L enz, Landrat, Beuthen O.-Schl., 1. stellv. Vorsitzender.

Scherer, Kreisschulinspektor, Büdingen, Oberhessen, 2. stellv. Vorsitzender.

B rin k , Bürgermeister, Glauchau i. Sa., Schatzmeister. Dr. Loeweneck, Stadtschulrat, Augsburg, Beisitzer. N o eg g erath , Oberrealschuldirektor,

Hirschberg i. Schles., Ehrenmitglied des Vorstandes.

146 Aufruf des Deutschen Vereins für Knabenhandarbeit. Heft 5.

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