• Nie Znaleziono Wyników

Ein Beitrag zum geographischen Zyklus im Karst

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Share "Ein Beitrag zum geographischen Zyklus im Karst"

Copied!
48
0
0

Pełen tekst

(1)

B e i t r ä g e z u m

GEOGRAPHISCHEN ZYKLUS IM KARSTE

VON

D

k

. LUDOMIR RITTER VON SAWICKI

IN W IE N

MIT 15 FIGUREN IM TEXT

SO N D ERA BDK UCK A U S D E M X V . JAH RG ANG D E R G EO G R A PH ISC H EN Z E IT SC H R IF T

DRÜCK VON B .G .T E U B N E R IN LEIPZIG 1909

(2)
(3)

Sonderabdruck aus der Geographischen Zeitschrift. Band 15. Heft 4.

Druck und Verlag von B. G. T e n b n e r in Leipzig.

'iSöa 3. 1

Ein Beitrag zum geographischen Zyklus im Karst.

Von Ludom ir R itter v o n S aw iek i.

(Mit 16 Figuren im Text.)

Die genetischen F orschungsprinzipien, welche jedes gegebene O bjekt als P ro d u k t einer m ehr oder m inder kom plizierten E ntw icklung b etrachten, haben, wie in den anderen W issenschaften, so auch in der M orphologie der Erdoberfläche reichliche F rü c h te gezeitigt. Sie fü h rte n h ier zum V erständnis sehr vieler E inzel­

h eiten , die in einem, gewissen Gegensatz zu der heute herrschenden E n tw ick ­ lungstendenz stehen, indem sie dieselben als R udim ente und Zeugen frü h erer E ntw icklungen au ffaßten; sie leh rten uns auch m anche m orphologische V er­

hältnisse als m om entanes Spiegelbild eines oft m it großer H artn ä ck ig k e it ge­

führten Kam pfes ums D asein der sogenannten leblosen N a tu r b etrach ten und brachten sie dadurch unserem V erständnis näher. N ach und nach kom m t m an den großen, allgem einen, diese V erhältnisse beherrschenden Gesetzen im m er näher und erschließt d am it im m er n eu e , bisher von der F orschung w enig be­

rü h rte Gebiete und Form enkom plexe dem geographischen V erständnisse; denn selbst eine h eu te noch so einförm ige L andschaft erscheint uns eben als Ruine einer ursprünglichen F o rm , die w ährend einer m ehr oder m inder langen Zeit den an der Erdoberfläche m odellierenden A gentien ausgesetzt w a r, dabei v er­

schieden w eitgehenden V eränderungen unterlegen ist und dem entsprechend eine ganz bestim m te horizontale u n d v ertik ale G liederung seines Form enschatzes er­

fahren h at.

Die G rundlinien dieses geographischen Zyklus h a t vor allem der A ltm eister der P hysiographie, W . M. D a v i s , festgelegt, und zw ar sowohl für das u n durch­

lässige G ebiet m it seinem „norm alen“ Z y k lu s1) wie für den g la zia le n 3) und den W üstenzyklus3). Ebenso haben w ir schon allgem einere V orstellungen über das m orphologische W erden und V ergehen von E inzelform en und F orm enkom ­ plexen gew onnen, wie von K ü sten , Seen, B eckenlandschaften usw. H ingegen sind w ir über die die E ntw icklung einer K arstlan d sch aft beherrschenden Gesetze noch recht w enig u n te rric h tet. W ertvolle und brauchbare B eiträg e zum K arst­

zyklus finden w ir w ohl an zahlreichen S tellen der jü n g sten K a rstlite ra tu r — allerdings n ur R ohm aterial in einer m ehr oder m inder zu fällig en , aber nich t system atischen A nordnung. N u r P e n c k 4) h a t im Ja h re 1 9 0 4 den ersten und

1) W. M. D a v is , The geographical Cycle, Geograph. Journal, 1899, XIV.

2) W. M. D a v is , Glacial Erosion in France, Switzerland and Norway, Proc.

Boston Soc. Nat. Hist. XXIX, 1900, 273/322.

3) W. M. D a v is , The geographical Cycle in Arid Climate. Journ. of Geology, 1905, 381—407.

4) A. P e n c k , Das Karstphänomen, Schrift, d. Ver. zur Verbreitung naturwiss.

Kenntnisse in Wien, 1904.

--- r 7 „ i w . it 1 non * T-TWfi- 19

(4)

1 8 6 L u d o m i r R i t t e r v o n S a w i c k i ;

"bisher einzigen V ersuch gem acht, die den K arstzyklus beherrschenden Gesetze auf­

zudecken. W ir w erden diese auffallende Lücke verstehen, wenn w ir bedenken, daß vo r allem n ich t n u r einzelne, sonst unbedeutende A gentien im K arste vor­

h errschen, sondern auch daß geänderte Intensitätsv erh ältn isse der modellieren­

den V orgänge n ich t bloß die Schnelligkeit, sondern auch die Tendenz der E n t­

w icklung zu beeinflussen im S tande sind. A uch g eh t im K a rst die Entw icklung der D etailform en nich t so H an d in H and m it der E ntw icklung der Landschaft wie im undurchlässigen und unlöslichen G ebiete; h ier entsprechen einer greisen­

haften L andschaft auch senile D etailform en, d o rt aber finden w ir oft in einer senilen L andschaft gewisse jugendliche Formen.

D ie im folgenden entw ickelten A nschauungen gründen sich a u f meine in

„nicht typischen“ K arsten gem achten B eobachtungen; die Ergebnisse des im Ja h re 19 0 7 durch geführten Studium s des slow akischen K arstes1) konnte ich im J a h re 1 9 0 8 durch B eobachtungen in den südfranzösischen C ausses2), im schwei­

zerisch-französischen J u ra , in m anchen K arstgebieten der A lpen und im istrischen K arstg eb iet prüfen un d vertiefen. Ich w ill mich im folgenden d a ra u f beschränken, diese m eine persönlichen A nschauungen zuerst in allgem einen Ergebnissen zu entw ickeln, sie d ann m it dem w ichtigsten B ew eism aterial aus den m ir bekannten K arstgebieten zu belegen — dabei glaube ich auch einiges zur landeskundlichen L ite ra tu r beitrag en zu können — , w obei ich, um die Studie nicht zu verlängern, a u f die H eranziehung der einer genaueren A usbeute sehr günstigen und w ür­

digen n eueren K a rstlite ra tu r vorläufig gänzlich verzichte. E rs t wenn w ir diese A nschauungen an zahlreichen anderen O bjekten u n te r den verschiedensten kli­

m atischen un d petrographisehen V erhältnissen und in den verschiedensten E n t­

w icklungsphasen gep rü ft h ab e n , hoffen w ir zu einer abschließenden E rkenntnis ü b er den K arstzyklus zu gelangen; dazu einen B eitrag zu liefern, sei hier meine Aufgabe.

I . E n t w ic k lu n g e in e r K a r stla n d sc h a ft.

W enn w ir im folgenden versuchen w ollen, die einzelnen E ntw icklungs­

phasen eines K arstes n äh e r zu beleuchten, so m üssen w ir uns vor allem darüber k la r w erden, welche K räfte und in welchem G rade diese K räfte im K arste die Oberfläche verändern, dann aber, w ie u n te r ihrem Einfluß einzelne Form en und F orm engruppen sich gesetzm äßig um form en, dabei einem gem einsam en Endziel zustreben, näm lich dem G leichgew ichtszustand zwischen F orm und K raft; schließ­

lich, wie H and in H and m it dieser D etailum form ung das Aussehen der L and­

schaft überh au p t sich ändert, wie w eit dies gehen kann und welche Folgen dies nach sich zieht. Die im folgenden dargelegten allgem einen Sätze gründen sich v ollständig au f die in den nächsten K apiteln beigebrachten B eobachtungen und sind n u r eine system atische Zusam m enstellung und vorläufige Verallgem eine- ru n g derselben.

1) L. S a w i e k i , Skizze des slowakischen Karstes und der geographische Zyklus im Karst überhaupt (polnisch m it deutschem Resume), Kosmos, Lwow, 1908, XXXIII, 395—445.

2) L. S a w ic k i , Die Causses. — Skizze eines greisenhaften Karstes. Rozprawy Akad. Umiej., Krakow, Wydz. mat. przyr. 1909, (im Druck) deutsches Resume: Bul­

letin int. de l’Ac. des Sc. Cracovie, 1909 (Märzheft).

(5)

E i n B e i t r a g z u m g e o g r a p h i s c h e n Z y k l u s i m Kar s t . 1 8 7

A. D ie m o d e l l i e r e n d e n K r ä f t e im K a r s t .

B etrachten w ir vor allem die K räfte un d V orgänge, die in einem K arste modellierend w irken, u n d zw ar n ich t n u r, wie in anderen L andschaften, a u f der Oberfläche, sondern auch im In n ern des G ebirges, w obei ich das Gewicht a u f die U nterschiede in der Q ualität und In te n sitä t dieser K räfte im K arst und in der nicht v erkarstungsfähigen undurchlässigen L andschaft lege. Die M assenbewegungen (Bodenbew egungen), wie w ir nach dem V orgänge der am eri­

kanischen M orphologen und P e n c k s das W andern des V erw itterungsschuttes, die O rtsveränderung des zerborstenen F elsm ateriales einzig u n te r dem Einfluß der Schwere, ohne bedeutsam e M itw irkung eines anderen m orphologischen Agens (W asser, Eis, L uft) nennen, m üssen sich im K arst und in anderen Landschaften ähneln, da die G ravitation h ier wie d o rt dieselbe ist. Ü berall m üssen übersteile H änge nachbrechen, sich abböschen, sanfter w erden; S teinregen und S chutthalden sind h ier wie d o rt Zeugen dieses Prozesses. H ier wie d o rt bew egt sich der lockere S chuttm antel au f den w eniger steilen Böschungen lan g sam , oft ru c k ­ weise abw ärts, dabei N arben bildend. Die B ildung einer V erw itterungskruste u n te rlie g t bei gleichen klim atischen V erhältnissen denselben Gesetzen und den­

selben Einflüssen; ganz ähnlich äu ß e rt sich im K arst wie in der norm alen L an d ­ schaft die W irkung der In so latio n , des F ro stes usw. N u r die chemische V er­

w itteru n g spielt hier eine ganz andere Bolle als im unlöslichen T e rra in , und daher ist der Effekt der V erw itterungsprozesse überh au p t ein gänzlich anderer.

V or allem erfolgt die B ildung des V erw itterungsschuttm antels h ier viel la n g ­ sam er als im undurchlässigen und unlöslichen T errain, w eil der größte T eil des mechanisch zerkleinerten M aterials noch chemisch gelöst und w eggetragen w ird ; die Rückstände sind m eist re la tiv g erin g , m anchm al m inim al. U nd so ist der M antel von V erw itterungsS chutt in der n ic h tverkarstungsfähigen L andschaft m eist dick und nicht durchlöchert, im K arst sehr dünn u n d zerrissen, durchlocht. Es spielt auch das K lim a beim K arstzyklus eine hervorragende, j a entscheidende Rolle, weil die chemische V erw itte ru n g im hohen Maße von der L uftfeuchtigkeit und der W ärm e des W assers abhängt. D as erste versteh t sich von selbst, h in ­ sichtlich des zweiten sei a u f die B eobachtung R o t h e s 1) hingew iesen, daß m it Kohlensäure gesättiges W asser bei 0 ° C n u r 0 ,0 7 % K alk lö st, bei 1 5 ° G aber 0,1 0%.

Die R utschungs- und K rieehprozesse des losen S chuttm antels (creeping der A m erikaner) sind im K arst n u r von u n te rg e o rd n e te r B e d e u tu n g ; fehlen doch die beiden H au p tfa k to re n dieser Prozesse, das h eiß t: größere S chuttw asserm engen an der Oberfläche — das O berflächenw asser versin k t im K arste — und größere Mengen von Ton oder Lehm , in die eingebacken der S ch u tt leichter die Gehänge herabrutschen würde. Deshalb böschen sich übersteile K alkw ände zw ar leicht bis zu 30 — 3 5 ° ab, w eil bei dieser G ehängeneigung m eist die R eibung der herabgleitenden S chuttm assen die In te n sitä t der Schwere eben aufw iegt. Zu einer w eiteren Abböschung, zu einer w eiteren A usreifung des Gehänges durch K riech­

prozesse w äre F eu ch tig k eit und Lehm n ö tig , welche die innere R eibung v er­

m indern; deshalb findet dieselbe in einem typischen K arste selten und nu r in 1) R o th e , Allgemeine Geologie.

1 a*

(6)

1 8 8 L u d o m i r R i t t e r v o n S a w i c k i :

schwachem G rade, in langsam em Tem po s ta tt. D aher das häufige morpho­

logische P aradoxon im K a rst, daß m an bezeichnenderweise m anchm al große, m ächtige T äler m it eingeebneten, breiten, also sehr reifen Talböden findet, deren

G ehänge so jugendlich steil u n d felsig sind (Pig. l ) , daß m an sie als Elemente zweier verschiedener Zyklen auffassen m öchte; denn im selben Entw icklungs­

zyklus gehören zu breiten Talböden auch sanfte Gehänge. Schon bei dieser G ruppe m orphologischer modellierender A gentien sehen w ir , daß ihre T ätig k eit und die in ihrem Gefolge entstehenden F orm en sich vom nichtv erk arstu n g sfäh ig en Lande sta rk unterscheiden.

Viel g rößer sind aber die U nterschiede, w enn w ir die W irkungen des fließen­

den W assers b etrachten. In der unlöslichen L andschaft nim m t die mechanische E rosion die erste S telle ein u n te r allen m odellierenden K räften, im K arste hin­

gegen eine ganz untergeordnete. N atü rlich tran sp o rtieren die F lüsse auch im K a rst M a teria l, w irken durch die eigene kinetische E nergie und eben dieses M aterial um gestaltend a u f ih r B e tt, vertiefen es und u nterspülen die Gehänge.

A ber je d er F luß, sei es ein ober­

irdischer oder ein unterirdischer, ist im K arst ü b erhaupt in seiner Existenz bedroht. E r muß einen doppelten Existenzkam pf führen:

w enn er hoch gelegen ist im Ver­

gleiche zum N iveau des K arst­

grundw assers (Fig. 2, l ) 1), droht ihm die G efahr, daß sein W asser sich durch K lüfte diesem zu bew egt und aus dem B ette verschw indet; zahllose P onore un d K lüfte verschlucken das Wasser . und führen es der senkrechten, unterirdischen E ntw ässerung zu; Trockentäler, das E ndergebnis dieses Prozesses, sind eine charakteristische E rscheinung aller K arste.

1) Die Frage nach der Bedeutung des Grundwassers im Karste ist heute strittig;

es werden in dieser Hinsicht die widersprechendsten Meinungen geäußert, die ent­

gegengesetztesten Anschauungen verteidigt. Die Anschauungen von P e n c k , G ru n d und anderen Anhängern der „Karstwassertheorie“ werden vielfach scharf bekämpft von den Anhängern der „Theorie der K arstgerinne“ (v. K n e b e l, K a tz e r u.a.m.). loh glaube, es gehen hier beide Seiten etwas zu weit: ein Grundwasser muß im Karste ebenso vorhanden sein wie in jedem unverkarsteten, aber durchlässigen Gebiet, und muß also auch gewisse Folgeerscheinungen hervorrufen. Andererseits mögen zahl­

reiche „Karstgerinne“, an deren Existenz nicht gezweifelt werden kann angesichts unserer Kenntnisse über Höhlenflüsse, sich auch noch über dem Karstgrundwasser- niveau erhalten und in Bewegung bleiben, allerdings immer m it der Tendenz, dem Grundwasser zuzustreben; sie mögen viele Erscheinungen der Karsthydrographie, welche die Karstwassertheorie nur schwer oder gar nicht deuten kann, erklären.

Aber die Existenz des Grundwassers im Karste überhaupt zugegeben, — bleiben unsere weiteren Ausführungen aufrecht, unter welchem Gesichtspunkte immer man die Karsthydrographie betrachtet. (Es verschiebt sich eben nur je nachdem die

„Evolutionsbasis“, s. S. 197).

Fig. 2. Kampf zwischen Grundwasser und Fluß.

Fig. 1. Steilwandige breitbödige Karsttäler.

(7)

E i n B e i t r a g z u m g e o g r a p h i s c h e n Z y k l u s i m Kar s t . 1 8 9 Da g ib t es n u r zwei M öglichkeiten für die E rh a ltu n g eines Flusses im K arste: l ) w enn der F lu ß ein sehr kräftiges Gefälle besitzt, m ag das m it großer Geschwindigkeit abfließende W asser gleichsam keine Z eit h ab en , um in den K lüften des B ettes zu verschw inden, und der F lu ß w ird sich so erh alten und erodieren; 2) w enn das E inzugsgebiet des F lu ß es so w eit, u n d zw ar besonders im undurchlässigen, n ich t verk arsteten N aehbargebiete, aus dem der F lu ß kom m t, vergrößert w ird, daß nich t die ganze Masse des W assers w ährend des Laufes im K arste versin k t und w enigstens ein Teil noch erosionsfähig bleibt. L ie g t h in ­ gegen der K arstw asserspiegel im V erhältnis zum F lusse hoch (Fig. 2 , I I ) , so w ird dessen B e tt vom horizontalen, fast nivellierten K arstw asser in u n d ie rt; je g ­ liche schnellere und lo kalisierte B ew egung des W assers w ird d am it unterbunden und eine fluviatile E rosion ausgeschlossen. W ährend also die E ntw ick lu n g einer unverkarsteten L andschaft einzig von der Erosionsbasis a b h ä n g t, steht die flu­

v iatile E rosion im K arste nicht n u r im Zusam m enhang m it diesem N iveau, son­

dern auch m it dem N iveau des K arstgrundw assers und der L age und A usdeh­

nung des E inzugsgebietes der Flüsse im undurchlässigen T errain. W ährend d o rt bei geringer Menge des F lu ß w assers, bei geringem G efälle des F lu ß b ettes die W irkungen der fluviatilen E rosion n u r geschw ächt und v erlangsam t werden, w erden diese h ie r n ic h t n u r aufgehoben, sondern von anderen V orgängen — näm lich dem Prozesse der u nterirdischen E ntw ässerung — ersetzt; nich t n u r die In ten sität, sondern die Tendenz der E ntw icklung än d ert sich.

D er w ichtigste form enbildende Prozeß im K arste is t, wie b ek a n n t, die chemische Erosion des W assers u n d die durch sie und die K lüftig k eit des Ge­

steins erm öglichte unterirdische, senkrechte E ntw ässerung. Je d e r K alkstein, auch der D o lo m it1) , löst sich in geringerem oder stärkerem G rade im W asser, w o­

durch entlang von K lüften H ohlräum e un d Gänge im Gestein entstehen, durch die das Oberflächenwasser versinkt, indem es die chemisch und m echanisch tra n s ­ p o rtie rte n M aterialien, s ta tt aus dem K a rst h in a u s, in dessen Inneres entführt.

Die K ra ft un d Geschw indigkeit der chemischen E rosion im K arste h ä n g t vor allem ab 1) von der R einheit des K alkes und 2) von der K lüftig k eit desselben, also in d irek t von der In te n sitä t und Q u alität der tektonischen V orgänge, welche ihn zerbrochen haben.2) E s h ä n g t vom G rade der R einheit und K lü ftig k e it des Kalkes das Aussehen und die S chnelligkeit der landschaftlichen E ntw icklung eines K arstes so sehr ab, daß oft neben einander sich Gebiete finden, die gleich lange u n te r dem Einfluß der m odellierenden K räfte standen und doch m orpho­

logisch ganz verschieden aussehen, einzig wegen der in beiden G ebieten ver­

schiedenen A uflösungsfähigkeit des K alkes und w egen der ungleichm äßigen V erteilung der A ngriffspunkte (K lüfte) für die A ktion der m odellierenden K räfte.

Gerade die T atsache, daß im K arste die chemische E rosion eine so vo r­

herrschende S tellung einnim m t, verursacht einige w ichtige U nterschiede in der M odellierung der verkarstungsfähigen u n d der undurchlässigen un d unlöslichen Landschaft. Die w ichtigsten sind: das m echanisch n ich t m ehr w irkende W asser w irk t dort noch chemisch w eiter; das W asser k ann im K arste F orm en schaffen

1) v. K n e b e l, Höhlenkunde 1906. Dolomit als Karstgestein.

2) A. G ru n d , Karsthydrographie, S. 172.

(8)

1 9 0 L u d o m i r R i t t e r v o n S a w i c k i :

und v ern ich ten , selbst w enn es kein oberflächliches G efälle, seihst wenn es gar kein Gefälle h at. So g ib t es übersteile F o rm e n , die die chemische Erosion des stehenden W assers u n te rsc h n itten hat. A uch das G rundw asser und das Sicker­

w asser haben im K arste noch eine nicht zu unterschätzende Bedeutung in form en­

g estalten d er H in sich t, w ährend sie für die M odellierung der undurchlässigen L andschaften so ziemlich belanglos sind. Die form envernichtende und au f bauende W irk u n g des W assers ist in der undurchlässigen L andschaft a u f die Oberfläche besch rän k t, im K arste hingegen auch in die Tiefe, in das Innere des Gebirges ü b ertrag b a r. Diese E igen tü m lich k eit verursacht alle Erscheinungen des K arst­

phänom ens, sie v erursacht die V erk arstu n g der Oberfläche (D olinen, Trocken­

tä le r usw .) und der Tiefe (H öhlenbildung, T ropfsteinbildung usw .), und verur­

sacht endlich auch alle hydrographischen E rscheinungen des K arstes (K arst­

q uellen , u n te r- und oberirdische K arstflüsse, K arstw asser und seine Schwan­

kungen usw.).

E ine F orm der T albildung, die sich a u f die chemische Erosion des W assers g rü n d e t, ist strenge a u f den K arst beschränkt. Im undurchlässigen T errain ist die T alb ild u n g an die Erosionsbasis gebunden und geh t k o n sta n t und gleich­

m äßig vor sich. Im K arste k ann d urch V ersinken des W assers die oberfläch­

liche T albildung gänzlich unterbunden w erden; aber das in die Tiefe versinkende W asser verm ag sich u n te r gegebenen U m ständen Flußhöhlen, an deren Existenz w ohl nicht gezw eifelt w erden k a n n 1), zu schaffen, deren E inbruch an der Ober­

fläche eine neue und zw ar ruckw eise vertiefte T alform erzeugt: diese „unter­

m inierende“ T alb ild u n g , die an die chemische Erosion im K arste gebunden ist, kom m t in der N a tu r nich t g a r zu selten vor, so in den G rotten von St. Canzian im K üstenland, ähnlich in den Causses S üd-F rankreichs.2)

G erade die K om bination der chemischen und m echanischen W irkungen des W assers, die sieh in m a n nigfaltiger W eise u n te r einander u n d m it den übrigen m odellierenden A gentien verbinden, ist fü r den K arst charakteristisch: immer w irk t auch das vorw iegend m echanisch arbeitende W asser chemisch, immer tra n sp o rtie rt und ero d ie rt m echanisch auch das versinkende W asser. Doch eine Grenze is t der m echanischen A rb eit selbst des versinkenden W assers auch im K arste gesteckt. Die m echanische A rb eit ist an die kinetische E nergie und da­

h er an lebhafte B ew egung des W assers gebunden; diese und d am it die mecha­

1) In dieser Hinsicht möchte ich nur auf Folgendes aufmerksam machen. In Istrien ist es uns möglich, das maximale Gefälle des Karstwasserspiegels in der Nähe des Meeres zu bestimmen. Das Trockental der Draga-Leme ist trotz eines Gefälles von höchstens 1—2 °/00 vom Karstwasser nicht inundiert; dieses muß also ein klei- nereres Gefälle haben. Ebenso wurde von K re b s (Morphogenetische Skizzen aus Istrien, 1904, VI) in Istrien das Gefälle des Karstwasserspiegels an der Hand des Avens von Dignano m it 1,6 % 0 bestimmt. Sollte das Flußwasser der St. Canzianer Höhlen schon dem Karstwasserspiegel angehören, müßten wir hier ein Gefälle seines Spiegels von 60°/00 annehmen, was offenkundig m it dem obigen unvereinbar ist. Ebenso liegt das B ett des periodischen Höhlenflusses der Baradla (v. S a w ic k i, Skizze des slowa­

kischen Karstes, S. 425) in Ober-Ungarn hoch über dem Karstwasserspiegel. Der mit einem W asserfall aus einer Flußhöhle tretende Bramabiau gehört natürlich auch nicht dem Grundwasser an. Daß auch das Höhlenflußwasser ebenso wie das ober­

irdische die Tendenz h a t, im Karste dem Grundwasserspiegel zuzustreben, ist klar.

2) P e n c k , Das Karstphänomen a. a. 0.

(9)

nische L eistungsfähigkeit h ö rt dort auf, wo das versinkende W asser das G rund­

w asser erreicht. D ann b eginnt die chemische Erosion allein w irksam zu sein, bis eine S ättig u n g m it gelöstem M aterial beim m angelnden L u ftz u tritt und der dam it zusam m enhänden Zufuhr an K ohlensäure auch die chemischen W irkun­

gen des W assers ausschaltet.

So w echselt das gegenseitige In ten sitätsv erh ältn is der beiden K räfte. Beide aber schaffen im G egensatz zu den M assenbewegungen den Schatz der D eta il­

formen. M it ihnen h ä lt S ch ritt der R eichtum und die M annigfaltigkeit der K a rst­

formen einer bestim m ten L andschaft; die F o rm enm annigfaltigkeit oder vielm ehr die Zunahm e derselben können w ir als C h arakteristikum eines ju g e n d lic h e n 1) K arstes betrachten. Die M assenbewegungen hingegen vernichten überw iegend die vom W asser geschaffenen D etailform en und erzeugen große, im G leichgewicht befind­

liche Flächen. Eine K arstla n d sc h aft, in der die M assenbewegungen ü b er die W asserw irkungen vorherrschen, können w ir als alternd betrachten.

A llerdings gelten diese Sätze n ich t ganz ohne Ausnahm en. W ir wissen, daß die m echanische A rbeit im K arste ü b erh a u p t gering is t, w eil das W asser im K arste sich nich t k o nzentriert, in R innen sam m elt, sondern zerteilt un d iso­

lie rt; sie fü h rt auch oft zur A kkum ulation, die von um so größerer B edeutung ist, als das zerkleinerte, poröse M aterial, das ab g elag ert w ird, m ehr R aum ein­

nim m t als das feste Gestein. D aher können selbst bei einem M assendefekte H ohl­

räum e rela tiv leicht ausgefüllt, also vern ich tet w erden.

A uch die chemische W irksam keit der W asser schafft nicht n u r K arstform en, sondern verursacht auch deren V ern ic h tu n g , und zw ar a u f zw eierlei W eise:

1. durch die T ropfsteinbildung und 2. durch die B ildung der rückständigen V er­

w itterungskrum e. V or allem k an n das W asser sehr- oft n ich t die ganze gelöste Kalkm asse in sich erhalten, sei es, daß die T em peratur des W assers und d am it seine L ösungskraft sinkt, sei es, daß eine sta rk e V erdunstung die W asserm asse selbst v errin g ert und so den R est ü b e rsä ttig t erscheinen läßt. In beiden F ällen scheiden sich aus ihnen S interbildungen und Tropfsteine der m annigfaltigsten A rt ab und erfüllen ganz dicht h ie r K lüfte, d o rt Höhlen. Die H ohlräum e des Gebirges verringern sich im m er m ehr u n d w erden von der T ropfsteinbildung erstickt. Die S interbildung bekäm pft also die Laugungsprozesse. Noch viel w ichtiger ist die B ildung der V erw itterungskrum e; es gibt keinen so reinen K alk in der N a tu r, daß n ic h t, w enn auch noch so spärlich , unlösliche R ück­

stände nach dessen chem ischer A uflösung zurückblieben. Diese R ückstände sind m eist Tone und Lehme, die durch E isenverbindungen g erö tet sind und deshalb R ot­

erde (T e rra rossa) g enannt werden. Die Menge der sich bildenden R oterde h ä n g t vor allem von der R einheit des Kalkes ah, die G eschw indigkeit der Bildung einer Roterddecke von der In te n sitä t der Laugungsprozesse ü berhaupt, u n d end­

lich ihre E rh a ltu n g sfä h ig k eit von dem G rade der T ra n sp o rtk ra ft des fließenden W assers; denn diese R oterde k an n einzig und allein m echanisch und suspendiert w eggetragen w erden von in B ew egung befindlichem W asser. F ü r die In te n s itä t der Zersetzungsprozesse un d der m echanischen T ra n sp o rtk ra ft des fließenden

1) Jung nennt man nach D a v is eine Landschaft, die noch nicht lange den jetzigen Modellierungsverhältnissen ausgesetzt ist und daher noch weit vom End­

zustand der Entwicklung entfernt ist.

E i n B e i t r a g z u m g e o g r a p h i s c h e n Z y k l u s i m K a r s t . 1 9 1

(10)

1 9 2 L u d o m i r B i t t e r v o n S a w i c k i :

W assers sind klim atische F ak to re n von ausschlaggebender B edeutung, für die ersteren besonders die Insolationsverhältnisse, die F ro stv erw itte ru n g der felsigen Oberfläche usw ., fü r die letzteren die N iederschlagsm enge ü b e rh a u p t, die V er­

te ilu n g derselben im Ja h re , u n d die größten täglichen N iederschlagsm engen, die zum Abfluß gelangen. Diese V erhältnisse sind dafür m aßgebend, ob der R ot­

erdem antel sich an der Oberfläche erh ä lt und anw ächst, sich v erb reitet, bis er die ganze K arstlan d sch aft bedeckt, oder ob er vielleicht abgespült w ird in die Tiefen des G ebirges, w enn etw a w eniger T erra rossa gebildet w ird, als das W asser d a v o n trä g t, so daß die Decke von R oterde im m er m ehr durchlöchert und vern ich tet wird.

Die B ildung eines R oterdem antels ist der springende P u n k t fü r die morpho­

logische Geschichte einer K arstlandschaft, sie ist von h ervorragender B edeutung fü r die E n tw ick lu n g des K arstphänom ens, denn die T erra rossa bildet vermöge ih rer U ndurchlässigkeit gleichsam die B rücke zwischen der E ntw icklung einer K arstlan d sch aft und einer undurchlässigen Landschaft. D er E ntw icklung des K arstphänom ens w ird durch die B ildung einer zusam m enhängenden allgemeinen Roterdedecke ein H a lt geboten; denn h ier herrschen dann in der Entw icklung des Form enschatzes ganz andere Gesetze als im durchlässigen, unbedeckten Karste.

B. E n t w i c k l u n g d e r K a r s t f o r m e n .

U n ter dem Einflüsse der besprochenen K räfte erfahren alle einzelnen K arst­

form en, z. B. die D olinen, die K a rre n , die H öhlen usw ., eine bestim m te E n t­

w icklung, sie durchleben ein bestim m tes Leben. Diese E ntw icklung ist u n te r gegebenen U m ständen (R einheit und K lü ftig k e it des K alkes, H öhenlage der Oberfläche und des G rundw asserspiegels, K lim a usw .) gesetzm äßig, w iederholt sich regelm äßig und stre b t regelm äßig denselben Endzielen zu. Die einzelnen P hasen dieser E ntw icklung können w ir deren morphologisches A lter nennen (Jugend, Reife, S en ilität), da ihre U nterschiede u n te r einander sich vor allem auf die verschieden lange D au er der m odellierenden Prozesse zurückführen. Betrachten w ir kurz das Leben oder den Zyklus einiger K arsterscheinungen!1)

D as N iederschlagsw asser, das a u f die Oberfläche des nackten Felsens fällt, fließt, je d e r T ropfen einzeln, a u f der gegebenen A bdachung h erab , löst dabei verm öge der der L u ft beim F allen entnom m enen K ohlensäure etw as K alk und e n tfü h rt die Lösung in die Tiefe. Die sich au f diese W eise bildenden kleinen K arrenfurehen m it R innen und sie trennenden R ücken ziehen wie Kanellüren p ara lle l zu einander die K alk p latten hinab. So sehen die jugendlichen Karren, die „R illen“, aus. Sie sind abhängig von der A bdachung, unabhängig von der S tru k tu r. M it der Zeit findet das W asser P u n k te und Linien geringsten W ider­

stan d es, wo es in re la tiv kurzer Zeit rela tiv viel erodieren kan n ; solche A n­

griffslinien geringsten W iderstandes sind vor allem die K lüfte, die jeden Kalk durchziehen, der einst vom G ebirgsdruck g epreßt w orden ist; m eist durchsetzen ganze K lu ftb ü n d el, oft in gewissen vorherrschenden R ichtungen oder strahlen­

förm ig ang eo rd n et, das K alkpaket. W o m ehrere K lüfte sich kreuzen, liegen P u n k te ganz besonders geringen W iderstandes un d gün stig er Erosionsbedin­

1) P e n c k , Das Karstphänomen a. a. 0.

(11)

gungen. Indem sich das fließende W asser diesen stru k tu re ll angelegten V erh ält­

nissen an p a ß t, en tsteh t ein K luftkarrensystem , das in seiner A nlage die te k to ­ nische P rädisposition w iederspiegelt, sie aufleben läßt. E in solches K arrensystem , das sich schon von der ursprünglichen A bdachung em anzipiert h a t, können w ir als reiferes E ntw icklungsstadium des K arrenphänom ens betrach ten , denn es fand schon eine gewisse A usw ahl der günstigen E rosionsbedingungen s ta tt.1) In allen Jugendform en sind die Kinnen schm al und tief, ih r Boden s te llt n u r eine Linie d a r, ih r D urchschnitt h a t die F o rm V (Fig. 3 a ), die K illen haben scharfe, schmale und steile G ratform en. Im reiferen Zu­

stande weisen die K arrenrinnen eine breitere, zugerundete, U-förmige H ohlform , und eine ähn­

lich zugerundete, erniedrigte Vollform a u f (Fig. 3b).

Die w eitere E inw irk u n g der chemischen Erosion des W assers und Schnees, der W urzeln, des Pflan- zenkleides und der in der V erw itterungskrum e en t­

haltenen H um ussäuren bew irk t die E inebnung des

K arrenfeldes, die E rstic k u n g desselben u n te r einem M antel von V erw itteru n g s­

schutt (Fig. 3 c). Von dem in den H ohlräum en sich frü h er ansam m elnden und länger andauernden W asser, Schnee un d V erw itterungslehm w erden die R ücken gleichsam u nterschnitten, durch die In so latio n abgesprengt u n d in lose K arren ­ steine aufgelöst. E ine u n te r V erw itteru n g ssch u tt begrabene, von losen K arren ­ steinen bestreute K arrenfläche können w ir als g reisenhaft b e tra ch te n ; sie b leibt so lange nicht entw icklungsfähig, so lange der D eckm antel n ic h t weggeschafft, die Kalkoberfläche nicht en tb lö ß t wird. D abei ist es n ich t ausgeschlossen, daß die K arren u n te r einer noch etw as durchlässigen, etw a n ich t genügend m äch­

tigen Lehm decke sich langsam w eiter entw ickeln; aber das is t n u r ein bald er­

sterbendes N achklingen des Lebens des K arrenphänom ens, das so wie jede andere Form engruppe entsteht und vergeht.

An der K reuzung m ehrerer K lüfte findet die chemische A rbeit des W assers besonders günstige B edingungen fü r ih r W irken. B ald en tste h t d o rt eine K lu ft­

röhre , durch die das W as- ser in die Tiefe versinkt (Fig. 4 a ). Diese K luftröhre h a t so lange jugendliche Form en, als sie eng ist, ihre W ände steil sind, also so

lange das W asser noch n icht Fig. 4. Junge und reife Doline.

genug von der U m rahm ung

gelöst h a t, um sie abzuböschen. M it der Zeit (Fig. 4 b) w ird diese A rbeit des W assers, zusammen m it M assenbewegungen, die an der übersteilen U m rahm ung

1) W ir dürfen allerdings nicht übersehen, daß wir über die Bedingungen, wann vorwiegend Kluftkarren und wann Abdachungsrillen entstehen, noch nicht ganz klar unterrichtet sind. Ich möchte nur erwähnen, daß ich z. B. gelegentlich der Exkursion des IX. intern. Geographen-Kongresses 1908 auf das Desert de Plate unter Führung Prof. E. C h a ix ’ feststellen konnte, daß hier trotz der geologischen Jugendlichkeit des prachtvollen Karstphänomens (postglazial) und trotz der steilen

E i n B e i t r a g z u m g e o g r a p h i s c h e n Z y k l u s i m Ka r s t . 1 9 3

Fig. 8. Entwicklung des Karrenphänomens.

(12)

1 9 4 L u d o m i r R i t t e r v o n S a w i c k i :

besonders w irksam sein können, die S teilheit derselben verringern und den Boden d er H ohlform verschütten. So w ird als reife F orm die typische D oline entstehen, die ihre E n tste h u n g der vertikalen E ntw ässerung und der chemischen Auf­

lösungsarbeit des W assers dankt. A n ihrem G runde sam m elt sich m it der Zeit der R ückstand des bei der B ildung der Doline gelösten Kalkes an. Eine geböschte, an ihrem G runde von T erra rossa erfü llte, an den Gehängen noch nackte D oline können w ir als re if betrachten. In der w eiteren Entw icklung

(Eig. 5) werden einzelne der die D olinen trennenden Rücken erniedrigt und die Böden der Dolinen auf­

geschüttet, besonders wenn dieselben m it Roterde so ver­

schm iert sind, daß ihre Un­

durchlässigkeit dem W as­

ser nicht g estattet, gelösten K alk zu r Tiefe zu entfüh­

ren, und dam it die W eiter­

bildung der Doline u n te r­

bindet. Gewöhnlich erniedrigen sich einzelne Teile der D olinenum rahm ung, die durch E xposition oder Schichtbau dazu besonders prädisponiert erscheinen, rasc h er als andere, u n d so verw achsen benachbarte D olinen zu Großformen (Fig. 6), die O v i j i c U v a le n 1) g en an n t h a t; d am it ist ein w eiterer S chritt zur

A usreifung getan. End- lieh w ird durch bestän-

" .Ä dige E rniedrigung der

••., U m w allung und durch

%>„ ' .! -. M beständige A ufschüttung des D olinenbodens die

k ganze D olinenlandschaft

eingeebnet und m it Fig. 6. Bildung von Uvalen aus Dolinen. einer m ehr oder minder

m ächtigen, lokal in den D olinenböden anschw ellenden Y erw itterungsschicht bedeckt w erden; diese w eit­

gehende E inebnung einer K arstlan d sch aft d urch die norm ale Dolm enentw icklung u n te r B ildung eines M antels von R oterde, können w ir als seniles Stadium des D olinenzyklus betrachten.

Ä hnlich k an n m an eine gesetzm äßige E ntw icklung beim Höhlenphänom en feststellen. An einer S telle, die sich der unterirdischen A uslaugung günstig erw eist, besonders entlang einer K lu ft, w ird sich ein H ohlraum bilden. Das durchsickernde oder durchström ende W asser w ird entlang den W änden den K alk­

Abdachungen des über 2000 m hoch gelegenen Geländes der Charakter der Kluft­

karren weitaus überwiegt. W ir sind noch weit entfernt von der Lösung aller hier­

her gehörigen Fragen.

1) C v ijic , Morphologische und glaziale Studien aus Bosnien usw. Abdhl. d.

Geogr. Ges. W ien III, 2, S. 76.

Fig. 5. Umformung von Dolinen zu Uvalen (und Talungen).

(13)

stein auflösen und so die H öhle erw eitern. E ine noch w achsende H öhle nennen wir eine jugendliche Eorm. Doch bald, oft schon gleichzeitig m it dem E rw e ite ru n g s­

prozeß, h in te rlä ß t das verdunstende W asser in der H öhle Sinterdecken und Tropfsteinbildungen; zugleich werden die oft ubersteilen und von der L augungs­

arbeit der Gewässer unterm inierten H öhlenw ände n ac h stü rze n , sich abböschen, und so der Boden der H öhle m it V erw itteru n g ssch u tt bedeckt werden. E ndlich w ird die anderorts gebildete T erra rossa in die H öhle in F orm sa n fte r Schwemm- kegel eingelagert w erden und den Boden erhöhen. W enn diese A usfüllungs­

prozesse der T ropfsteinbildung, der T erra rossa-Einschw em m ung und der S ch u tt­

bildung ungefähr gleichen S ch ritt h alten m it der H öhlenbildung, kann m an vom Reifestadium der H öhle sprechen; w enn sie hingegen überw iegen und die H öhle zu ersticken beginnen, ist das greisenhafte S tadium dieser Form enreihe im Anzuge.

N icht n u r einzelne F orm en — ich habe ih re r n u r einige ausgew ählt — haben ihre gleichsinnige, zusam m enhängende E n tw ick lu n g auch im K arste, sondern auch ganze G ruppenerscheinungen, Komplexe von Phänom enen w andeln sich u n te r dem Einflüsse der m odellierenden K räfte gesetzm äßig um. Als Beispiel führe ich das hydrographische N etz des fließenden W assers an. In der ersten Zeit kann sich, dank der N ähe des G rundw asserspiegels, und selbst w enn dieser gesunken ist, dank der relativen Enge und geringen F assu n g sk ra ft der K lüfte, die oberirdische horizontale E ntw ässerung erhalten. M it dein w eiteren Sinken des G rundw asserspiegels, wie es die B egleiterscheinung eines sich hebenden K arstes ist, und der E rw eiteru n g der K lüfte, w ird die oberflächliche, horizon­

ta le E ntw ässerung unterbunden; das ganze N iederschlags- und F lu ß w asser ver­

sinkt in den K lüften u nd w endet sich der senkrechten, unterirdischen E ntw ässerung zu. Oberirdische Flüsse w erden eine lokal und fallweise bedingte A usnahm e bilden; a u f den H öhen des K arstes herrsch t T rockenheit, in dem tiefen In n ern des Gebirges und wo der G rundw asserspiegel von der Oberfläche geschnitten w ird, also in den Poljen und tiefen T älern, überm äßige F euchtigkeit und W asser­

reichtum . Die hochgelegenen T äler w andeln sich in T rockenbetten u m , hin­

gegen entw ickelt sich im In n ern u n te r günstigen U m ständen ein H öhlenfluß.

Im L aufe w eiterer E n tw icklung w ird m anches H öhlendach einstürzen un d aus dem Höhlenfluß ein kom plexer, aus ober- und unterirdischen T alstücken sich zusamm ensetzender F lu ß werden. Zu B eginn w ar das hydrographische N etz oberflächlich zusam m enhängend, dann m it dem teilw eisen V ersinken der fließenden Gewässer zerriß es und zerfiel in einzelne G lieder; m anchm al kennen w ir n u r den E in tr itt, m anchm al n u r den A u s tritt des H öhlenflusses, j a in der B a ra d la in U ngarn kennen w ir einen hoch ü b er dem G rundw asser gelegenen periodischen Höhlenfluß von 6 km Länge, von dem w eder B eginn noch E nde derzeit b ekannt sind. E ndlich m it dem E in stu rz des H öhlendaches t r i t t der u nterirdische F lu ß w ieder an die Oberfläche, die einzelnen G lieder schließen sich w ieder zusam m en zu einem einheitlichen oberirdischen System.

Und so können w ir überh au p t von der Ju g en d einer K arstlan d sch aft sprechen, wenn der V erkarstungsprozeß im Zunehm en begriffen ist, wo also Rillen, K lu ft­

röhren, Dolinen sich bilden und scharfe F orm en haben, H öhlen w achsen, Flüsse versinken, usw.; von ih rer Reife, w enn zw ar die V erk arstu n g noch fortschreitet, aber auch schon die die K arsterscheinung vernichtenden Prozesse k rä ftig en t­

E i n B e i t r a g z u m g e o g r a p h i s c h e n Z y k l u s i m Ka r s t . 1 9 5

(14)

1 9 6 L u d o m i r R i t t e r v on S a w i c k i :

gegenarbeiten, wo D ank der V erw itterung, den K riec h -u n d A bsturzprozessen, den W irkungen der Ab- u n d Einschw em m ung die K arren sich abrunden, die Dolinen verflachen und versch ü tten , U valen sich bilden, die H öhlen durch T ropfstein­

bildung un d E inschw em m ung von T erra rossa zu ersticken beginnen, H öhlen­

flüsse eine Z erstücklung des hydrographischen N etzes verursachen u s w .; und endlich von der S en ilität derselben, wo diese vernichtenden Prozesse das Ü ber­

gew icht haben, alles u n te r einer undurchlässigen V erw itterungsschicht begraben und den K a rst durch V ernichtung einzelner K arsterscheinungen wieder dem A ussehen einer undurchlässigen L andschaft nahe bringen.

0. D ie E n t w i c k l u n g d e r K a r s t l a n d s c h a f t .

In einer Landschaft, wo das rinnende W asser und das Kriechen des Schuttes die herrschenden m orphologischen A gentien sind, herrscht eine großartige und einheitliche K oordination aller Form en. A lle S eitentäler stehen in ihrer E n t­

w icklung in engem Z usam m enhang m it den H a u p ttä le rn : w enn diese sich ein­

tie fen , folgen alle N ebentäler in der E intiefungsarbeit nach und suchen die gleichsohlige M ündung in die H a u p ttä le r zu bew ahren. Diese aber richten ihre E rosionsarbeit nach einer fü r die ganze L andschaft m aßgebenden Erosionsbasis, dem tiefsten P u n k te derselben. So lange die T äler überwiegend in die Tiefe arb eiten , so lange haben sie schm ale Böden, steile Gehänge und oft unregel­

m äßiges Gefälle. W enn die T iefenarbeit schwächer w ird, verb reitert die Seiten­

erosion die Talböden, gleichzeitig böschen die nun überhandnehm enden Massen­

bewegungsprozesse die G ehänge ab: alle Prozesse arbeiten an der Ausgleichung der U nregelm äßigkeiten, sei es im Gefälle der T äler, sei es in der Böschung der Gehänge. So erzeugen sie schließlich das Gleichgewichtsgefälle der T äler, die Reife der H ohl- und Vollform en der betreffenden Landschaft. H aben diese Prozesse endlich eine gewisse H arm onie und eine gewisse B eständigkeit der Form en zu erzielen verm ocht, so sprechen w ir von einer reifen Tallandschaft.

Die w eitere T ätig k e it der m odellierenden Prozesse a rb e itet nun daran, das Land zu erniedrigen und die U nebenheiten seines Reliefs m öglichst auszugleichen, die relativ en H öhenunterschiede zu verringern, bis zu einer so w enig geböschten L andschaft (F astebene), daß deren G efälle den fließenden Gewässern nicht m ehr kinetische E nergie genug g ib t, um noch reicheres M aterial tran sp o rtieren zu können. Diese greisenhafte L andschaft zeichnet sich auch durch greisenhafte Einzelform en aus, ganz sanfte, breite, w enig erhabene Rücken, w enig vertiefte, breitsohlige T äler. A llerdings finden w ir selten den ganzen Form enschatz einer L andschaft so einheitlich a u sg esta lte t, daß w ir es nu r m it jungen oder reifen oder alten F orm en zu tu n hätten. Ganz abgesehen von der durch die ver­

schiedene W iderstandsfähigkeit des M aterials und das E m porw andern der A us­

reifung von der Erosionsbasis gebirgseinw ärts bedingten M annigfaltigkeit der F o rm en , finden w ir überdies oft ju n g e Form en eingesenkt in alte, andererseits reife und alte F orm en, welche durch die heutige E ntw icklung v ernichtet w er­

den; sie gehören einer älteren E ntw icklung, einem älteren Zyklus an, die jungen hingegen einem z w e ite n , jü n g eren Zyklus. W ir sprechen dann diese E rschei­

n u n g als V erjüngung an , hervorgerufen durch eine relative V erschiebung der Erosionsbasis.

(15)

N icht so einfach un d k la r v erlä u ft der geographische Zyklus im K arst. Die obige D eduktion (A bschnitt B) leidet an einer F ehlerquelle: jed er einzelne der aufgestellten Sätze ist allerdings fü r sich rich tig u n d durch zahlreiche Beobach­

tun g en aus allen K arstgegenden belegt; wenn w ir n u r eine einzelne F o rm nehmen, können w ir w irklich von ih re r E ntw icklung, ihrem A lter, ihrem Zyklus sprechen.

A ber w ir können die E n tw ick lu n g einer F orm engruppe im K a rst nich t der E n t­

w icklung einer anderen p ara llel setzen, denn es fehlt die tiefere A bhängigkeit aller von der eigentlichen U rsache alles K arstphänom ens; die einzelnen F orm en bedürfen zu ih rer U m w andlung so verschiedener In ten sitäten oder W irkungszeiten der m orphologischen Prozesse, daß sie ihre Reife- und A ltersstadien in von einander ganz verschiedenen Zeiten erlangen. W ir finden oft in ein und dem selben K arste neben F o rm en , die nach dem obigen Schem a als re if oder a lt zu bezeichnen w ären, ganz jugendliche F o rm en , ohne daß letztere etw a einer V erjüngung, einem jü n g eren Zyklus zu danken w ären : jugendliche K arren a u f den H ängen ausgereifter D olinen, senile U valen über ganz jugendlichen H öhlen, eine ge­

alterte Oberfläche über einem zerrissenen hydrographischen N etz usw . Kurz gesagt, es fehlt die E in heitliekkeit dieser F orm enentw icklung, die beim „norm alen Zyklus“ im undurchlässigen Gebiet h errsch t und die G ruppierung und V er­

w ertung verschieden alte r F orm en dort so leicht, sicher und lohnend m acht.

A uf solchen G rundlagen kann m an den geographischen Zyklus im K arste nicht entwickeln und aufbauen, m an m uß sich nach anderen K riterien um sehen und zwar nach den eigentlichen letzten U rsachen der E n tste h u n g und V ernichtung des K arstphänom ens überhaupt. In der nich t verk arsteten L andschaft h än g t die Entw icklung, R ichtung und In te n s itä t der m odellierenden K räfte vor allem von der Lage der Erosionsbasis ab, des niedrigsten P u n k tes der Oberfläche der Landschaft, dem die aus der G ravitation ihre E nergie schöpfenden E rosions­

und Denudationsprozesse von allen S eiten zustreben. In der K arstlandschaft spielt n ich t ein P u n k t, sondern eine F läche eine ähnliche R olle, das ist der Spiegel des G rundw assers; au f dem kürzesten W ege, d aher auch durch K lüfte und Höhlen in oft v e rtik ale r R ichtung eilt ihm das L ösungen chemisch und R ückstände m echanisch transportierende W asser zu. Und diese B ew egung dau ert so lange an, bis das N iveau erreicht wird. Ich nenne es deshalb E vo­

lutionsniveau. D a m it der B ew egung die T ra n sp o rtk ra ft des W assers verloren geht, ste llt das Evolutionsniveau auch die Grenze dar, an w elcher die A blagerung der R ückstände erfolgen m u ß , und w o, — da das d o rt stagnierende W asser nicht m ehr neue K ohlensäure aus der L u ft aufnehm en kann, — auch der Lösungs­

prozeß unterbunden wird. Von der relativ en Lage des E volutionsniveaus h ä n g t die ganze M öglichkeit der V erkarstung ab; bei re la tiv tiefer L age desselben ist der V erkarstungprozeß intensiv, frisch u n d k räftig , die v ertik ale E ntw ässerung herrscht unangefochten, oberflächliche Flüsse verschw inden; bei re la tiv hoher Lage desselben erlahm t der V erkarstungsprozeß, die Tendenz der E ntw ässerung streb t von der v ertikalen der horizontalen zu. U nd m it diesen Tendenzen der E ntw ässerung h än g t die ganze E ntw icklung der L andschaft zusammen. W ir können daher als jugendlichen K a rst denjenigen bezeichnen, der sich durch tiefe L age, als greisenhaft denjenigen, der sich durch hohe L age des E volutions­

niveaus auszeichnet.

E i n B e i t r a g z u m g e o g r a p h i s c h e n Z y k l u s i m K a r s t . 1 9 7

(16)

1 9 8 L u d o m i r R i t t e r v o n S a w i c k i :

D em V erkarstungsprozeß arbeiten l . d e r die K lüfte und H öhlen ausfüllende P rozeß, und 2. der die Oberfläche m it einer undurchlässigen Schicht bedeckende, verschm ierende Prozeß entgegen: sie verw andeln die durchlässige K arstlandschaft in eine undurchlässige „norm ale“ Landschaft. E in undurchlässiger D eckm antel an der Oberfläche k an n n u r d o rt sich bilden, wo a) der K alk rela tiv unrein und die chemische V erw itte ru n g k rä ftig ist, und wo b) die M öglichkeit der H inaus­

schaffung der entstandenen V erw itterungskrum e so gering als m öglich ist, wo also die K lü ftig k eit des Kalkes klein ist, und wo die N iederschläge (die tra n s­

portierende K raft) gering und schwach sind. W ir sehen, daß neben der petro- graphischen Beschaffenheit des M aterials und seiner K lü ftig k eit auch das Klim a eine ganz wesentliche, ja entscheidende Bolle spielt. Und je nachdem der die R ückstände, die undurchlässige T erra rossa bildende Prozeß oder der dieselbe denudierende Prozeß überw iegt, können w ir zwei Typen in der Entw icklung der K arstlandschaften u n tersch eid en ; in E u ro p a verbinden sich m it den klim a­

tischen Existenzbedingungen der K arste auch petrographische V erhältnisse in der W eise, daß ich die beiden T ypen vorläufig nach den Gegenden, wo sie am besten ausgebildet sin d , als m itteleuropäischen un d m editerranen K arst be­

zeichnen möchte.

W enn ich im folgenden den in jedem der beiden T ypen sich abspielenden geographischen Zyklus kurz zu charakterisieren versuchen w erde, so m uß ich erinnern, daß fast die ganze K a rs tlitte ra tu r sich bisher nu r m it dem Typus des m ed iterran en K arstes beschäftigt h a t; die E n tw icklung der m itteleuropäischen

„nicht typischen K a rste “ k ann ich n u r au f G rund m einer, im slowakischen K arste gew onnen und au f einige andere m itteleuropäischen K arste erw eiterten A nschauungen ableiten.

a) D e r g e o g r a p h i s c h e Z y k l u s im m e d i t e r r a n e n K a r s t t y p u s . In den m editerranen Gegenden E uropas ist das K lim a allerdings nicht gerade niederschlagsarm (lie g t doch z. B. bei C attaro die regenreichste Gegend E u ro p a s); aber die B egenverteilung au f die Jahreszeiten ist sehr ungleichm äßig, zeigt hohe M axim a u n d tiefe M inim a; w eiter zeichnet sich dieses Klim a durch eine höhere L u fttem p eratu r ü b erh a u p t und große T em peraturschw ankungen aus.

D a überdies die m editerranen K arste der D inariden durch hohe K lüftig k eit und R einheit des Kalkes hervorragen, so ist 1. der A uslaugungs- un d Lösungsprozeß in te n siv , dagegen 2. die B ildung einer V erw itterungskrum e gering und lang­

sam ; und sogar diese w ird 3. von den reißenden Schlagregen bei der oft klim a­

tisch bedingten V egetationslosigkeit in die zahllosen K lüfte rasch denudiert und eingeschwem m t.

So bleibt die Oberfläche des m ed iterran en K arstes im m er oder sehr lange Z eit n ac k t (n ack ter K arst), oder bedeckt sich höchstens m it dem reichen, durch die In so latio n und in F olge der großen T em peraturschw ankungen mechanisch abgesp litterten S cherbenm aterial (Scherbenkarst). Da heute bei diesen K arsten auch die E volutionsbasis sehr tie f liegt, entw ickelt sich h ie r das K arstphänom en in ganz vorzüglicher und rein e r F o rm ; tie f hinab greifen die D olinen m it ihren steilen Gehängen, scharfe, oft zu G raten um gebildete Scheiden trennen sie (Vele- bit). A uf der H öhe h errsch t vollkom m ene W asserlosigkeit, in der Tiefe energische

(17)

H öhlenbildung. W ie lebhaft auch heute die E n tw ick lu n g des K arstphänom ens in diesen hochgelegenen K arstlandschaften sein m a g , auch sie w ird ih r Ende erreichen, w enn die u n aufhörlich sich erniedrigende Oberfläche, die durch die K arrenentw icklung und D olinenbildung abgetragen, j a eingeebnet w ird, sich dem Evolutionsniveau nähert. D enn die m echanische un d chemische E rosion und T ransportation h ö rt in dem A ugenblicke, wo das fließende W asser das G rund­

wasser erreicht, auf. A ber d am it ist n ic h t g esag t, daß die E n tw icklung des K arstes ih r E nde erreic h t, w en n , — n atü rlic h bei A bw esenheit jeg lich er te k ­ tonischer V orgänge, — die Oberfläche das h e u t i g e E volutionsniveau erreicht.

Dieses hebt sich näm lich im L aufe der E ntw icklung selbst, w eil das an ihm seine B ew egung einbüßende W asser die bis hieher tra n sp o rtie rte n R ückstände und zum Teil auch die L ösungen fallen lä ß t, die K lüfte und H öhlen, in denen das G rundw asser steht, au sfü llt u n d d am it dieses em portreibt. U nd so erfolgt im m editerranen K a rst die Z uschüttung von unten gegen oben; n ic h t n u r die Oberfläche sinkt, sondern das E volutionsniveau heb t sich auch. N ach den wenigen bisher bekannten Ziffern m üßten w ir — ganz schem atisch — die erste Bewegung, das Sinken der Karstoberfläche, als fünfm al so schnell vor sich gehend betrachten als die zw eite, die H ebung des E volutionsniveaus. W enn w ir näm lich nu r ganz beiläufig m it G r u n d 1) die K lüftig k eit gew isser m editerraner K alke m it 0 ,5 °/0, und die V erunreinigung selbst der reinsten K alke m it v. K n e b e l 2) zu 0 ,1 % annehm en, so ist k la r, daß die Oberfläche um 5 m abg etrag en w erden muß, um , m it ih ren R ückständen die K lüfte in der Tiefe ausfü llen d , das E v o ­ lutionsniveau um 1 m em porzutreiben. W ir erkennen auch, daß bei einem über dem prim ären E volutionsniveau 1 2 0 0 m sieh erhebenden K alkblock die D enudierung von 1 0 0 0 m des Blockes genügt, um die K lüfte der übrig en 2 0 0 m auszufüllen, das E volutionsniveau um 2 0 0 zu heben, so daß dasselbe sich m it der Oberfläche begegnet und in -j- 2 0 0 ü b er dem p rim ären N iveau der V er­

karstungsprozeß ausgeschaltet wird. Mögen auch die Ziffern selbst in ungefährem Umfange sich als haltlos erw eisen, das W esen der E n tw ick lu n g , die Tendenz derselben bleibt davon u n b e rü h rt; im m er w ird in einem solchen K arste der V er­

karstungsprozeß bis zur völligen und endgültigigen U nterbindung desselben an der Oberfläche vor sich gehen, dieselbe regelm äßig ab tra g en , dagegen die V er­

nichtung der E ntw icklung von unten h e ra u f m it der V erringerung des durch die H ohlräum e eingenom m enen V olum ens erfolgen.

b) D e r g e o g r a p h i s c h e Z y k l u s im m i t t e l e u r o p ä i s c h e n K a r s t t y p u s . Ganz anders lä u ft der geographische Zyklus in einem m itteleuropäischen K arste ab. D er Einfluß des K lim as äu ß e rt sich h ie r in einer ganz anderen W eise:

die N iederschläge sind bedeutend g eringer u n d ihre V erteilung au f das J a h r ist viel regelm äßiger, die M axima und M inim a von einander n ic h t so verschieden, die faktischen täglichen N iederschlagsm engen viel geringer als im M ittelm eer­

gebiet. A us diesem Grunde ist die A bspülungsm öglichkeit des V erw itteru n g s­

m antels durch die sanften, schwachen „L andregen“ viel kleiner. H ingegen be­

günstig t die andauernde L uftfeuchtigkeit un d die bedeutsam e W irk u n g d er Schnee­

1) G ru n d , Karsthydrographie 1903 1. c. 174.

2) v. K n e b e l, Höhlenkunde 1903 1. c. 30.

E i n B e i t r a g z u m g e o g r a p h i s c h e n Z y k l u s i m JKarst. 1 9 9

(18)

2 0 0 L u d o m i r R i t t e r v o n S a w i c k i :

decke die chem ische, die ausgiebige P ro stw irk u n g die mechanische Zersetzung des K alkes, beschleunigt die B ildung einer V erw itterungsrinde, die wegen der sanften N iederschläge nich t so leicht denudiert w erden kann und überdies durch eine m eist lückenlose und reiche V egetationsdecke festgehalten wird. W enn über­

dies, wie das in M ittel-E u ro p a oft der P a ll ist, der K alk nich t sehr rein und seine K lüftig k eit nich t sehr bedeutend is t, so bedeckt sich seine Oberfläche m it dem undurchlässigen M antel einer V erw itterungsdecke. Zwischen die Oberfläche des K arstes un d seine Tiefen h a t sich eine isolierende, undurchlässige Schicht eingeschoben; sie verschm iert und schließt die oberflächlichen Öffnungen der K lüfte u n d tre n n t die Oberfläche von der Tiefe. V or allem w ird d am it im A ugen­

blick, wo die K lüfte an ihrem A usgang m it T erra rossa verschm iert werden, die vertikale E ntw ässerung u n terbunden; das N iederschlagsw asser kann nicht m ehr zur Tiefe gelangen. D eshalb h errsch t in der Tiefe je tz t völlige E ntw icklungs­

starre. Sowohl die L augungs-, wie die Tropfsteinbildungsprozesse können nicht vor sich gehen, H öhlen bilden sich n ic h t w eiter und können auch nich t erstickt w erden; m it A usnahm e der durch die Schwere bew irkten Massenbewegungen herrsch t d o rt S tillstan d der m orphologischen Prozesse. D er Spiegel des K arst­

wassers fällt, da die Z ufuhr des Oberflächenwassers unterbunden wird, h ö rt aber gleichzeitig auf, E volutionsniveau zu sein; die an der Oberfläche arbeitenden P ro ­ zesse, durch eine undurchlässige Schicht vom K arstw asser getrennt, richten sich n ic h t m ehr nach dessen H öhlenlage. Die K arstquellen werden zugleich ärmlicher, schw ächer un d auch geringer an Zahl.

Inzw ischen h a t sich auch a u f der Oberfläche das Aussehen der L andschaft vollständig geändert. Die R oterdedecke, die sich h ie r als V erw itterungsrinde gebildet h a t, w an d ert fo rtw ä h re n d , gezogen von der Schw ere, von den V oll­

form en in die H ohlform en des K arstes h in a b ; dank der D urchfeuchtung des roten Lehm es k ann die innere R eibung bei der Bew egung des Schuttm antels leichter überw unden w erden. D er B oden der H ohlform en w ird dadurch nicht n ur vor

w eiteren Angriffen der V erw itterungs- prozesse geschützt, sondern sogar er­

höht (Pig. 7 ), die Oberfläche der V ollform en dagegen dauernd ange­

griffen u n d erniedrigt. D adurch ver­

rin g ern sich fortw ährend die rela­

tiven H öhenunterschiede (7q — />2) ; die K arrenfelder w erden eingeebnet und u n te r einer V erw ittem ngsdecke begraben, die K arströhren zugeschüttet und verstopft, die R ücken zwischen den sich zu im m er größeren U valen verbindenden Dolinen abgetragen.

Die V erw itterungsdecke is t bis zu einem gewissen Grade geschichtet (siehe Eig. 7) insofern, als in der obersten Schicht sich am m eisten ungelöstes, nur m echanisch zertrüm m ertes Gestein findet, w ährend je tiefer, desto m ehr die che­

m isch unlöslichen R ückstände des K alkes, die undurchlässigen Lehm e überwiegen.

In der äußeren S chutthülle sam m elt sich das Niederschlagsw asser, fließt a u f der undurchlässigen G rundschicht gem äß dem G efälle derselben ab u n d sam m elt sich an den tiefsten S tellen , te ils u n te r der Oberfläche als S chuttw asser, das zahl­

(19)

reiche aber schwache, leicht und oft versiegende S chuttquellen verursacht, teils als oberflächliches W asser in D olinenseen; die S ch uttquellen sind an keine be­

stim m te H öhenlage gebunden und verursachen m eist eine lokale V ersum pfung der K arstlandschaft. Wenn das E inzugsgebiet einer D oline genügend groß ist, so w ird der Dolinensee perennierend sein, sonst k an n er auch periodisch, be­

sonders nach heftigen Regengüssen oder in der Z eit der Schneemelze, au ftreten ; zu anderen Zeiten nim m t die Stelle des Sees ein S um pf oder eine Lache ein.

D as W asser dieser Dolinenseen ste h t in keiner V erbindung m it dem eigentlichen G rundw asser des K arstes. S chuttquellen und D olinenseen sind es, welche die Oberfläche des verschm ierten, ausgereiften K arstes durchaus nich t so w asserarm erscheinen lassen wie die des nack ten , m editerranen K arstes. A ber noch eine zweite w ichtige E rscheinung steht m it diesen V erhältnissen im Zusam m enhang:

die an W annenform en so reiche Oberfläche der K arstlan d sch aft verhindert, w enn durch die V erschm ierung derselben die vertik ale E ntw ässerung unm öglich ge­

m acht ist, auch die horizontale; das N iederschlagsw asser, das sonst in der gleich­

sinnig geböschten L andschaft in einem oberflächlichen hydrographischen Netze zum Abfluß kom m t, sta g n ie rt h ier in dem sich m it ihm ansaugenden S chutt­

m antel und v erursacht eine viel lä n g er w ährende, d aher w irksam ere V erdun­

stu n g des N iederschlagsw assers als sonst. N icht k lim atische, sondern m orpho­

logische Gründe, der M angel an A bflußrinnen v errin g ert in einem verschm ierten K arste den Abfluß ganz ungeheuer dadurch, daß zw ar nich t die V erdunstungs­

in te n sitä t, d afü r aber die V erdunstungsdauer v erg rö ß ert wird. W enngleich m ir genaue zahlenm äßige Beweise m angeln, glaube ich annehm en zu dü rfen , daß der Abfluß aus dem slovakischen K arste n u r 1 — 2 % , sicher nicht ü b er 5°/0 be­

tr ä g t, w ährend in dem um liegenden Theiß-, Alpen- un d E lbegebiet die Abfluß­

faktoren 25, respektive 4 0 — 50 und 2 7°/0 betragen.

Die bezeichnenden Züge der K arstform en an der Oberfläche m üssen gleich­

zeitig im m er m ehr verschwim m en und verschw inden: die M assenprozesse, die je tz t das Ü bergew icht h ab en , vernichten sie und ebnen sie ein. Aus den in U valen um gew andelten D olinen w erden bei reihenförm iger A nordnung T alungen, die also w eder m it D eckeneinbrüchen noch m it tektonischen V orgängen etw as zu tu n haben. Sie enden in einer Doline blind, und dort verursacht das träg e Bächlein, das von Schuttquellen gen äh rt die T alung durchzieht, einen D olinen­

see oder einen Sumpf. E ndlich w erden sich die T alu n g en , besonders zuerst die peripherisch gelegenen, in echte T äler um w andeln dadurch, daß sie einer­

seits von dem norm alen hydrographischen N etz der nachbarlichen, u n verkarsteten Landschaft angezapft werden, andererseits u n te r gewissen klim atischen V erh ält­

nissen die von W asser erfüllte T alu n g ü ber ihren das blinde E nde abschließen­

den Grenzwall überfließt. Jedenfalls w ird dieser W a ll auch im m er schon durch die flächenhaften A btragungsprozesse bedeutend erniedrigt. Die T alungslandschaft w andelt sich langsam in eine T allandschaft um. D a die Erosionsbasis in dem verschm ierten, noch nicht sta rk abgetragenen Lande noch sehr tie f liegen kann, müssen die sich entw ickelnden Bäche un d Elüsse sofort einer intensiven T iefen­

erosion unterliegen; dadurch w ird 1. der nackte F els im T algrunde w ieder bloß­

gelegt, die u n te r dem V erw itterungsm antel unverschm ierten K arsthöhlungen und Klüfte aufgeschlossen, und 2. w erden durch U nterschneidung der Gehänge und

E i n B e i t r a g z u m g e o g r a p h i s c h e n Z y k l u s i m K a r s t . 2 0 1

(20)

2 0 2 L u d o m i r R i t t e r v o n S a w i c k i :

dadurch beschleunigte Kriechprozesse auch die G ehänge und Rüekenfläehen en t­

blößt. E s w ird also der M antel der undurchlässigen V erw itterungsschicht wegen seiner losen Beschaffenheit von der lebhaften fluviatilen Erosion und der flächen­

h aften D enudation schnell ab g e trag e n , die felsige Oberfläche des K arstes von neuem vom V erkarstungsprozeß ergriffen. D ie T allandschaft verw andelt sich u n te r seinem Einflüsse bald w ieder in eine K arstlan d sch aft, es entwickeln sich wie­

der Trockentäler, D olinen, Ponore, H öhlen usw., und die ganze vorhin skizzierte E ntw ick lu n g beg in n t von neuem.

W ir haben es h ier offenkundig m it einem sekundären, nicht durch te k ­ tonische V orgänge in a u g u rierten Z yklus zu tu n , der sich des öfteren wieder­

holen k a n n , bevor das Endziel des H au p tz y k lu s, die E inebnung der K arstland­

schaft im N iveau des G rundw asserspiegels, erreicht wird. Das Ergebnis jedes einzelnen sekundären Zyklus ist die E rn ied rig u n g der K arstoberfläche um so v ie l, als in der ersten H älfte desselben durch die vertikale E ntw ässerung zur Tiefe, und in der zw eiten H älfte des Zyklus durch die horizontale E ntw ässerung aus dem K arste h inausgetragen wurde. Die sekundären Zyklen der V erkarstung und V erschm ierung w erden sich so oft wiederholen, bis die Oberfläche das Evolutions­

niveau erreicht, bis die endgültige E inebnung stattfindet. Je rein er der K alk, je g rößer die K lü ftig k e it desselben und je energischer die Lösungs- und T rans­

p o rtk rä fte w irken, desto lä n g er w ird ein sekundärer Zyklus w ähren, desto größer w ird die durch ihn geleistete A rb e it, die durch ihn bew irkte A b trag u n g sein.

W ir erkennen auch, daß die E ntw ick lu n g des m ed iterranen K arsttypus n u r ein Grenzfall der allgem einen E ntw icklung is t, indem h ier der einzige sekundäre Zyklus m it dem H auptzyklus zusam m enfällt. D ie zykloidale E ntw icklung des m itteleuropäischen K arstes ist wohl die erste d era rtig e, bisher erkannte E n t­

w icklung einer m orphologischen L andschaft ü b erh a u p t und ließe sich n u r etwa m it den oft zahlreichen, durch lokale Erosionsbasen bedingten sekundären E n t­

w icklungsphasen einer undurchlässigen L andschaft vergleichen. Das Schema der K arstentw icklung können w ir also in nebenstehender Tabelle zusammen­

fassen.

Neben dem noch ins Einzelne zu untersuchenden Einflüsse des K lim as, be­

sonders der N iederschlags- un d T em peraturverhältnisse und des m it der Tem­

p e ra tu r w achsenden Lösungsprozesses des W assers, dann der q u an tita tiv e n Be­

deutung der K lü ftung un d der Löslichkeit des Gesteins, is t ein noch in der Größe seines Einflusses u n bekannter F a k to r in derK arsten tw ick lu n g d ie V egetationsdecke.

Ih re B edeutung grü n d et sich a u f drei bekannte T atsachen: 1. Die V egetations­

decke h ä lt die einm al entstandenen L ösungsrückstände m it dem V erw itterungs­

sc h u tt fest, so daß dessen A bspülung in die Tiefen sta rk behindert wird. 2. Die V egetation verm ag teils durch die in ihren W urzeln enthaltenen, teils durch die bei der V erw esung der abgefallenen B estandteile entstehenden Säuren das Gestein zu lösen, w enigstens dessen Lösung zu beschleunigen und auch durch die ab­

gefallenen B lä tte r u n d die gefallenen verm odernden Stäm m e die undurchlässige Decke zu verstärken. E c k e r t 1) h a t der ersteren E igenschaft eine bedeutende

1) E c k e r t , M. Das Gottesackerplateau. Wiss. Erg.-H. zur Ztschr. des D.-Ö.

Alpenvereins.

Cytaty

Powiązane dokumenty

sich folglich auch nicht zu dom hier beschriehenen. chvaIl ülierlagcrn könnten. Der Einfluß

lityczne uniem ożliw iły publikację, Speier w yem igrow ał do Stanów Zjednoczonych, stał się jednym z licznej grupy intelektualistów niem iecko-am erykańskich,

Die Preiserhöhungen in den Jahren 1991—1992, die durch Zuschußbeschränkung und Einführung der höheren Steuer verursacht wurden, waren im Vergleich zu anderen ehemaligen

Das kann auch eine Weg­ weisung für die Verfassung der neuen Ordnung des sich integrierenden Europas83 werden, in dem auch nicht die Diktatur des Relativismus, sondern Verbundenheit

d er geistlichen G erichte unterw orfen w erden sollen.. erforderte eine Reform derselben. hat sie Bischof P ran do ta durch die Bestellung eines Offizials

Rozegrały się bowiem dalsze etapy dyskusji nad katechizmem holenderskim, wystąpił problem amsterdamskich duszpasterzy studenckich2, pojawiły się postulaty zniesienia

Fotobiologia jako dział biologii zajm ujący się badaniem procesów zachodzących w organizmach pod w pływem św iatła słonecznego (w i­ dzialnego, ultrafioletowego),

Es überrascht, bei Plinius, der auch selbst Norddeutschland besucht hat, so wenig zu finden, was für unsern Zweck zu verwerthen wäre. Doch das eine können wir aus ihm entnehmen,