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Die Welt im Bild 1916, Nr. 15

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Academic year: 2021

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(1)

Die Welt im M

zur ostmärkischen Tageszeitung

Ve^tcrg öer? K. Jornbvowski^scHerr 'MrrcHöruckerei irr GHorrr

U i A M S S U

1916 S o n n ta g , ö en 9. Apr'iL Wv. 15

Pliot. Berliner Zll.-Gesellscvaft

Feldmarschall v. Lindenburg im Kreise der Äerzte und Schwestern eines Krankenhauses

(2)

Phot. Berliner 5ll.-Gesellschaft

Einer von der Möwe

Korvettenkapitän Graf zu Dohna-Schlodien, der die Möwe nach erfolgreicher Kreuzerfahrt zu dem heimischen Hafen zurückgeführt hat. Neben v. Spee, v. Müller, v. Mücke und Weddigen wird auch der Name Dotina- Schlodien in der Geschichte dieses Krieges fortleben

Shot. Berliner ltt.-Gesellschaft

Appnm-Kommandant Leutnant Berg in Norfolk

Von Helden und Kindern

Drei Gedichte von Franziska Stich

KriegsgebeL der Kleinen Lieber Gott, hilf den deutschen Soldaten, die sind jetzt alle im großen Krieg!

Lieber Gott, du sollst ihnen raten.

Oh, du kannst schnell helfen zum deutschen Sieg!

Ich weiß nicht recht viel, ich bin noch so klein.

Aber beten, das kann ich vorn Herzen.

Lieber Gott, o laß doch bald Friede sein, Herr, heile die Wunden, die Schmerzen!

Ich bitte so innig, als wie ich nur kann, lieber Himmelvater, o höre:

Die deutschen Soldaten, M ann für Mann, zum Sieg, zum Siege sie führe!

Leiden

Helden, deutsche, wie sie schweigen!

Helden hier und Helden dort.

Gottes Engel niedersteigen, spenden Stärk' in einem fort.

I n der Front dem Totgeweihten, in der H ütt' der lieben Braut, auf der ganzen Welt, der weiten. — Haltet aus! Dem Herrn vertraut.

Auf der ganzen deutschen Erde klingt nur diese eine Weis':

Haltet aus! Was muß! Das werde!

Helden schweigen — beten leis.

Ein deutscher B ub Mein Vater ist tot. Gefallen im Krieg.

Und ich bin erst dreizehn im M ai:

Dort, wo wir erfochten den großen Sieg, da war mein Vater dabei.

Da bin ich stolz. Die M utter weint.

Aber unser Vater, der ist doch ein Held.

Und es geht mit ihm gar mancher Freund hinüber in die andre Welt.

Wenn ich einst groß bin, dann werd' ich Soldat.

Meine M utter! Herrgott, ich will's meinen:

Wer einen Helden zum Vater hat, dess' M utter braucht nimmer zu weinen!

Der Kommandant von 1.19, Kapitänleut­

nant Hugo Loewe, der auf so tragische Weise mit seinem Marinelustschiff in der Nordsee unterging, obgleich ein englischer

Dampfer die Luftschiffer hätte retten können Zum Abschied des Großadmirals v. Tirpitz (in der Mitte)

Admiral Haus von der österreichische ungarischen Flotte, die sich nicht nur den übermächtigen Gegner vom Leibe hält, son­

dern ihre Operationen auch so durchführt, daß man sie bewundern muß

(3)

Ablösung

Von Dr. L a n s W a g n e r Durch den Frühnebel hal- N . Tritte und verworrene stimmen. Ruhig und ernst bewegt sich ein Zug Sol­

l e n auf der dunklen Itraße. Mannschaft mit Helm, Gewehr und Sturm ­ gepäck. Sie kennen die Sträucher und die Bäume, bse zerfallenen Heiligen­

bilder und die zerschossene Ferme. Sind doch manche

^on ihnen schon über ein

^ahr ein-, zweimal in der Aoche diesen Weg gegangen.

E>re wissen, der heitere Ka­

merad liegt bei der Eiche bort an der Wegbiegung begraben, den stillen Lands- biann hat die Granate hier an der Eiche zerrissen. Ist boch fast kein Stückchen Aeges, das nicht ein traurig Ereignis erzählen kann.

Das aber ist ihnen zum All­

täglichen geworden. Ruhig, gleichmütig ziehen sie ihre

VM l l o l 0 f 0 8 3 .

Am Waldeck beginnt der

Laufgraben. Fast eine Stunde zieht er sich weiter, bern Feind entgegen. Rechts und links zweigen Gräben und Stollen, Sappen und gedeckte Gänge ob, Fuchslöcher sind in den Fels gehauen, Stufen

«Uhren zu den Unterständen. So kommt man Uach der vorderen Linie. Da stehen die Posten au ihren Schießscharten, schweigend, in Mantel gehüllt, und warten. Die Ablösung tritt an ihre Stelle, sie gehen ab.

Allmählich graut der Tag. Der Nebel geht Ui die Höhe. Rosige Lichter quellen über die Aerge vor, und die letzten Nebelschwaden zer­

stießen in der Morgenluft. Blickt man nun über bie Brustwehr weg, so sieht man die weile Land­

schaft vor sich liegen. Bewaldete Hügel in der Ferne. Davor Steinaufwürfe, Gestrüpp, zer­

splitterte Baumstümpfe. Dicht vor dem Graben

Zu den Kämpfen um Verdun: Gesamtansicht der französischen Festungsstadt Verdun Ein Flieger taucht hoch in der Luft auf. M an

sieht ihm ruhig nach, wie dem Drachen, den die Kinder im Herbststurm steigen lassen. Kleine, weiße Wölkchen wie die Zirruswolken, die „Schäf­

chen", tauchen in seiner Nähe auf und übersäen den Himmel. Das sind die Schrapnells, die dem Flieger nachgesandt werden. Sie stehen eine Zeitlang am Himmel und zerfließen dann im unendlichen Raum.

So kann ein ganzer sonndurchleuchteter Herbst­

tag vergehen, so kann eine ganze sternklare Nacht verstreichen. Nur im Zwiefeuer der Gewehre und Granaten, die nach den Neservestellungen und Etappenorten schießen. Bis mit einem Male die Minen kommen mit ihrem Schrecken. M an hört einen Abschuß im Feindesgraben. M an horcht. Ein Surren geht durch die Luft. Ohren wnre Drahtverhaue. Auf der Karte ist die Gegend und Augen sind aufs äußerste gespannt. Das als Wald verzeichnet. Nun ist sie eine Wüste, Geräusch geht ferner. Ein Knall, der den Boden durch die sich unterirdische Slädte ziehen. Kaum und die Luft erzittern macht,

fünfzig Meter sind die Franzosen entfernt. M an Eine Rauchwolke saust in die Höhe und jagt steht sie mitunter mit ihren Stahlhelmen an den Steine, Holzstücke und Balken mit sich in die Schießscharten stehen, zuweilen halten sie Plakate Luft. M an rennt davon und duckt sich ins Mit „scherzhaften" Aufschriften und Schmähworten nächste Fuchsloch. Denn es wäre sinnlos, im an Stangen empor. Em „Michel besoff" klingt

herüber, wenn in unseren Unterständen gelungen wird. Unaufhörlich schießen sie, des Tags und M der Nacht, unaufhörlich pfeifen die Quer­

schläger über den Graben, schlagen die Kugeln Prall an den Steinen an Aber man hört das kaum mehr, des Gewehrfeuers achtet man nimmer.

Nur selten vergeht eine Minute, in der kein Schuß zu hören ist. Aber man achtet es nicht.

Man nennt das ruhige Stunden, in denen nur die Gewehre reden. —

Z ukunft deutscher K unst

Entfesselt ist die Kraft. Im Friedenswerke wirkt weiter deutscher Ernst und deutsche

Stärke.

Heil deutscher Kunst! Was schwer jetzt auf ihr wuchtet, hat bald zu großen Taten sie befruchtet!

Franz Hirtler

Graben zu bleiben.--- - Wieder ein Surren. Das kommt näher. Eine neue Explosion, dicht über einem.

Steinbrocken und Felsstücke fallen in den Graben.

Das Wellblechdach eines Unterstandes fliegt in wei­

tem Bogen davon. Ein Dröhnen ist in der Luft.

M an kann jetzt nimmer auf die Abschüsse achten.

Denn von vier Seiten sau­

sen die Minen daher. Die Ohren schmerzen vorn Luft­

druck.

Das ist der Tod, der in den Lüften jagt und nach Opfern giert. Oh, es ist etwas Entsetzliches um diese Minen, die mit Sirenen­

gesang daherfliegen und alles zerschmettern. Das kann stunden-, ja tagelang so weitergehen. Und wenn das Dröhnen nachgelassen hat, schlüpft man scheu aus den Löchern, kriecht durch die verschütteten Gräben, unsicher, ob nicht die nächste Minute das Spiel von neuem beginnen läßt.

Oh, dieses Bangen um die Minute, die töten oder neue Gnadenfrist gewähren kann! Es ist etwas Zermürbendes, Nervenzerrüttendes in diesem Bangen.

Und nun kommt die Nacht, die tröstende Nacht.

Da schweigen die Minen. Die Gräben werden aufgeräumt, der Schutt wird fortgeschafft. Die Sterne steigen über dem Wald auf. Das Gewehr­

feuer wird lebhafter beim Feind, denn Patrouillen haben sich hinausgeschlichen, um wichtige Mel­

dungen zu bringen, deren verdienter Lohn ein Eisern Kreuz ist. Leuchtraketen bohren sich ins Dunkel des Himmels und schießen wie Stern­

schnuppen schräg nach der Erde nieder. Hand­

granaten fliegen in die vorderen Gräben. Nach Mitternacht wird es meist stiller. Dann kann man sich ein wenig zum Schlafe legen. Zu einem starken Schlaf ohne Träume, oder, wenn man träumt, sieht man wirre Bilder. Die heimische Stube mit dem weichen Diwan und den dunkeln Möbeln. I m Kachelofen knistert das Feuer, aber es gibt nicht warm. M an will die Tür schließen, die geöffnet ist und durch die es kalt hereinzieht.

Aber es ist keine Tür mehr da. I m Gang ist es dunkel. Sonst brennt doch immer eine Glüh­

birne da. M an will Licht machen und findet den Schalter nicht. Warum schießen sie denn immer in die Küche! Nein, da ist keine Küche mehr. Da ist ein Laufgraben, in dem Posten stehen. Was wollen sie denn? M an erwacht und stiert ins trübe Kerzenlicht des Unterstandes.

So gehen die Tage und die Nächte. Bis die Ablösung kommt. Und derweil man aufatmend zur Reservestellung zurückkehrt, beginnt für diese das Horchen und das Warten.

(4)

Kreuzgang in St. Hieronymos

d^m portugiesischen Volk lebt eine große histo- rische Erinnerung. Die Taten der Väter aus der Zeit, da das blauweiße Banner hochgeachtet w ar, leben im Volksliede fort. S ie überfallen uns in den wuchtigen Bauwerken der Manuelinischen Zeit, sie steigen nebelgleich aus den Ruinen der maurischen Burgen. Ein Volk mit einer derartig gewaltigen Vergangenheit, das sich zum Sklaven seines erfolgreichen, weil gewissenlosen Nach-

J m Klostergarten

Portugiesische Infanterie

folgers erniedrigt sieht, kann nicht froh sein.

Aber das Gefühl der Knechtschaft wandelt sich leicht in Haß gegen den Unterdrücker oder gegen den, der ihm als solcher vorgehalten wird . . . Dem portugiesischen S oldaten fehlt vor allen Dingen die Disziplin und das V ertrauen zu seinen Vorgesetzten, wie sich umgekehrt auch diese nicht

unbedingt auf ihren Untergebenen verlassen kön- Der Exkönig von Portügal mit seiner M utter

Begeisterte portugiesische Soldaten wacht. Den Offizieren fehlt die praktische Aus­

bildung, da M anöver und Uebungen großen Umfangs niemals vorgenommen wurden. Nur die Offiziere, die die verschiedenen afrikanischen Feldzüge mitmachten, verfügen über praktische Kenntnisse, die ihnen aber im modernen Kriege wenig nützen werden. F ü r die Flotte gilt irN großen ganzen dasselbe wie für das Landheer.

Pc Neb«

Uebungen auf dem Kasernenhof Beim Manöver

'' 'r;:::.:.::::

9- Febr heull Die Be Gesa

^ gierr Der fr Proi Zwei

kreUj und waä

^ der 2- M ä

zbsis . bei b. M ä r

.stoß Erfolc bei' Gef Kloster Bussaco

neu. Auch die Achtung, die der Untergebene vor seinen Vorgesetzten haben muß, steht in PortU gals Heer auf sehr schwachen Füßen. Der eir^

zelne S o ld at besitzt persönlichen M ut. E r ist auch im allgemeinen (wenigstens auf dem Scheibe^

stand) ein guter Schütze. I m Gefecht herrsch aber eine ungeheure Munitionsverschwendung, die eine mangelnde Feuererziehung verrät un^

die richtige Ausnutzung des Gewehres unmöglich

Bilder aus Portugal

(5)

Kriegschronik

" ^ - F e b r u a r : Dieppe, M a u c o u rt, B lanzee, M a n - heulles, C ham pion östlich V erdun genommen.

Die B eute in den K ämpfen um V erd u n : 16 800 Gefangene, 78 Geschütze und 86 M aschinen- 1 nLewehre.

^ M ä r z : E rk läru n g der montenegrinischen R e­

gierung gegen König N ikita.

Der französische T ru p p e n tra n sp o rtd a m p fe r La Provence versenkt.

Zwei französische H ilfs­

kreuzer vo r Le H avre und ein englischer B e­

w achungsdam pfer in

^ der Themse torpediert.

^ M ä r z : Vergebliche fra n ­ zösische Gegenangriffe

2 bei D ouaum ont.

o M ä r z : Englischer V or­

stoß bei I p e r n . Erfolgreiches V ordringen

bei D ouaum ont. 1000 Gefangene.

3. M ä r z : Neue amtliche deutsche Kundgebung zum O -Boot-K rieg.

4. M ä r z : Dre B eute vor V erdun steigt auf 115 Geschütze und 161 M aschinengewehre.

Glückliche Heimkehr der M öw e.

5. M ä r z : Heftige A rtilleriekäm pfe zwischen M a a s und M osel.

Russischer A ngriff bei J llu x t unterdrückt.

6. M ä r z : Deutsche M arineluftschiffe greifen die Docks von H üll an.

6. M ä r z : V or V erdun 948 neue G efangene.

A ngriffe im amerikanischen R ep räsen tan ten ­ hause gegen W ilson.

7. M ä r z : Verschärfung des deutsch-portugiesi­

schen Konflikts.

F re s n e s im W oewre erstürm t.

U ntergang des englischen Torpedobootszerstörers M u rra y .

8. M ä r z : Französische G egenangriffe bei M aison de C ham pagne abgewiesen.

D ie französischen S te l­

lungen bei B ethin- eourt, F orges, Regne- ville, am C um iere- und R abenw alde erstürm t, 4000 Gefangene.

9. M ä r z : Abbruch der deuts ch-portugiesischen Beziehungen.

Französische F lieg eran ­ griffe auf Metz.

Mexikanischer Einbruch in nordam erikanisches Gebiet.

Aus-

roßett

Nur

ischeN tische kriege lt im cheer.

Palmello, altes Maurenkastell um ven der Tajom ündung

Nebenstehend (M itte ): Der T urm von Belem

Klosterhof von Belem bei Lissabon Aus Portugal

ne vol P orM er ein' st auch )eiben- errscht rduug, it uu) lögli-h

Eine alte Einsiedelei im Norden P o rtu g a ls Schloß C intra bei Lissabon, einstige

Sommerresidenz König M anuels Oben (M itte): Maurenkastell

(6)

F ü r d e n F e ie r a b e n d :::::::::::::::

W ie sich Emil Edgar Stigmann in den Tod träumt

Damit war es nicht getan, wenn oberflächliche Menschen sagten, Emil Edgar Stigmann habe keinen Ehrgeiz. Aeußerlich sah es vielleicht so a u s : der Sohn eines höheren Beamten, hatte er mit mir das Gymnasium besucht, hatte doch in aussichts­

loser Fehde mit der Mathematik gelegen und so seinen ehrgeizigen Eltern den ersten Beweis seiner Lebensuntauglichkeit erbracht. Als er dann einige Jahre studiert und in einem Staatsexamen nicht das Ziel aller Ziele, sondern nur eine Gelegen­

heit, die Ueberflüffigkeit alles toten Wissens an seiner eigenen Person zu beweisen, gefunden hatte, galt er in seinem Vaterhause als ein Verlorener, den jüngeren Geschwistern als ein böses Beispiel der Undankbarkeit, war doch das Geld für Emil Edgars Studium einfach zürn Fenster hinausge­

worfen gewesen.

So lebte er kümmerlich in seiner Vaterstadt, irgendwo im vierten Stockwerk einer Mietkaserne, ganz da draußen, wo sich schon das Feld zu dehnen begann, elende Aecker, kaum mehr von ihren Besitzern gepflegt, weil man in ihnen schon den künftigen Bauplatz sah. Aber Emil Edgar Stigmann, der immer so entrückt aussah, als habe er sich irgendeinmal ganz unversehens in dieses Dasein hineingeträumt, übergoldete sich das alles, er baute sich aus dem Dunst der Ferne ein blaues Gebirge; wenn die sterbende Sonne den weißen Wolkenschaum mit ihrem Blut überspritzte, stach er auf goldenem Kahne ins weinrote Meer alter Griechenherrlichkeit. Dann ging er durch die dämmernden Straßen zum Theater, wo er kleine Rollen spielte . . . für die Augen der Menge, er aber dichtete sich um den Apotheker in Romeo und Julie ein ganzes Leben, eine Leidensbahn voller Enttäuschungen und Mißerfolge; wenn er dann in der kurzen Szene im fünften Akt, ein alter, gebeugter M ann, dem jungen Romeo ent­

gegentrat, so waren die wenigen Worte, die er zu sagen hatte, nur ein winziger

Ausschnitt aus der großen T ra­

gödie, die sich Emil Edgar leise fiebernd in der Garderobe zu- sammenphantasiert hatte und die auf dem Nachhauseweg ihren Fortgang nahm, denn dieser M ann, der das unglückselige Gift in des Veronesers Romeo Hände hatte gelangen lassen, er­

fuhr natürlich von des Trankes verheerender Wirkung und en­

dete im Meere der Verzweiflung, vom Wogendrang der Selbst- anklagen bestürmt. — Und so, im Bewußtsein, eine sehr schöne und würdige künstlerische Tat voll­

bracht zu haben, schlief Emil Edgar ein. Er träumte; wie schön, da er schon im Wachen so über den Dingen schwebte, wie durch einen Nebel von ihnen ge­

trennt.

Einmal sagte er zu mir: Du machst dir keinen Begriff, wie reich ich im Traume bin. Da umsteckt blühendes Strauchwerk die Wände meines Zimmers, eine schöne helle Luft schmeichelt vor

meinem Fenster, begierig, mir, sobald ich es öffne, mit allen Wohlgerüchen der Welt zu dienen. Aber lieber habe ich noch die Nacht um mich, denn am herrlichsten erscheint mir das Verhüllte, Ge­

heimnisvolle; Nacht wird es erst, wenn sich der Tag einen weiten blauen M antel um die Schultern gelegt hat, zusammengehalten durch die silbernen Spangen der Sterne. Kann man sich etwas Wunder­

volleres denken als die weiße Rose des Mondes in den violetten Fluten eines Sommerhimmels?

Ich gebe Stunden darum, sie aus dem blauen Strome zu fischen. Es ist eine große Arbeit, denn oft entwindet sie sich mir noch unter den Fingern.

Aber alles, was schwer und mühevoll errungen ist, lege ich zu Füßen meiner Geliebten. So stecke ich auch diese Rose an ihre Brust. Ich sühle, wie sie mir sehr nahe ist und ihr Atem über mich hinweggeht. Und da fange ich an zu zittern, wie wenn ich ein Feuer aus dem Altar

Bezirksfeldwebel Eckert in Stockach (Baden) hat Anfang M ärz sein 50jähriges Dienstjubiläum gefeiert. I m Landwehrbezirk Stockach, zu dem auch die hohenzollernschen Lande gehören, hat er während der 41jährigen Bezirtsfeldwebelzeit unverdrossen und bereitwillig gewirkt. Seine Brust schmücken:

der badische silberneSchützen-Ehrenpreis, die K riegs­

denkmünze von S tah l für 1870/71 am Heimatsbande, die Dienstauszeichnung 1. Klasse, das allgemeine Ehrenzeichen in Silber, die badische Verdienstmedaille, die K aiser-W ilhelm -Erinnerungsm edaille, das all­

gemeine Ehrenzeichen in Gold, die badische J u b i ­ läumsmedaille, die kleine goldene Verdienstmedaille, das Kreuz des I n h a b e rs des H ausordens von Hohen- zollern, die große goldene Verdienstmedaille vom Großherzog von Baden, die große goldene Ehren- medaille des Fürstlich Hohenzollernschen H ausordens.

V or Verdun

Du, M utti, rück doch die Lampe mal her und zeig mir, wo jetzt der Vater steht!

I s t er da oben? — Nein, das ist das Meer, hier muß er sein, wo mein Finger geht!

Schau, Bubi, hier ist doch belgisches Land!

J a ! — dort dein Vater früher mal w ar;

jetzt ist vor Verdun er, komm, gib die Hand:

dort steht er, Junge, nun schon ein Ja h r!

Ein ganzes J a h r ist dein Vater im Krieg:

erst gestern hat er mir geschrieben von einem neuen gewaltigen Sieg, und daß er noch gesund geblieben. — Is t hier Verdun, hier? da der Junge fragt und hat seine M utter angeblickt.

Da hat sie genickt und hat ja gesagt und hat zwei Tränen dabei zerdrückt.

Hanns Baum

des Allerheiligsten entzünden sollte. Die Nahe eines Kusses ist mir wie Gottesnähe. Ma§

schaudert. Glück macht fromm. >

Daß ich malen könnte! Meine Geliebte W ein so schönes Köpfchen, daß mir das Glück brs in die Fingerspitzen rieseln müßte, entstände ihr Bild vor mir auf der Leinwand. Lächelnd bil­

dete ich sie. Anmut und Schalkhaftigkeit uM spielen sie, versprengte Atome von Orangendust

Er schwieg. Wir saßen im Dunkeln.

Komm! sagte er plötzlich, und wir gingen.

Wir gehen zu ihr, fuhr er nach einer Weile fort.

Wir fanden ihr Haus im Villenviertel. Aber

wir traten nicht ein. .

Ich kenne sie nicht, flüsterte Emil Edgar, ich habe sie nie gesprochen; ich liebe sie nur.

E r brach ein paar von den Zweigen ab, die sich vorwitzig über, die eisernen Gitter der Vor- gärten neigten, und sagte heimlich zu ihnen:

Heute morgen, als sie an euch vorüberging, hat sie euch mit ihrem Arme gestreift. I h r habt w ganz nahe gesehen und seid überduftet worden von dem Ruch ihres Haares. Aber ihr habt nA nur ein kleines voraus. Denn bald werde ich ihren Arm in den meinen geschmiegt fühlen und ihre Wangen küssen. Ich werde bei ihr sitzen in einem traulichen kleinen Zimmer, von der' Dämmerung mit verschwimmendem weichem Gold- braun ausgeschmückt. Ich werde ihr meine Ge­

schichten erzählen, indes ich ihre Hände streichle.

Wieviel Schönes mag sich aus der weißen Seide ihrer Haut locken lassen!

Und lauter, wie nun zu mir gewendet, fuhr er fort: Sie wird meine Frau werden, gewiß.

werden uns am Anfang etwas einteilen müssen.

Aber gerade das stelle ich mir so entzückend vor.

I n unseren Zimmern wird nicht viel mehr sein als Liebe. . . aber kannst du dir etwas Köst­

licheres denken?

Und w a n n . . . erlaubte ich mir einzufallen.

Einmal muß ja das Wunderbare kommen, ver­

setzte Emil Edgar gläubig, einmal wird sie ein Taschentuch verlieren oder einen Handschuh, und ich werde ihn aufheben. Ein­

mal wird so etwas bestimmt kommen.

Er tat mir leid. Aber ich wollte ihm nichts entgegnen. Doch als hätte er mir die Gedanken von der Stirne abgelesen, stieß er jetzt wie heiser und sich hin und wieder unterbrechend hervor: Möge es bald kommen, das Wunderbare!

Manchmal würgt mich die Angst nachts auf meinem Bette. Neu­

lich habe ich sie mit einem ge­

sehen, der ging neben ihr. Da mußte ich es mir wiv einen Schmerz von der Seele schreien, draußen in der Nacht, im Ein­

samen . . .

Die ganze Zeit gingen wir in ihrer Straße auf und nieder.

Stigmann redete noch viel vom Wunderbaren und redete sich endlich die Zweifel von der Seele.

Wie Wespen an einer Dolde hängen sie an mir herum, aber ich scheuche sie weg von mir.

Meine Zuversicht, meinen Glau­

ben, meine Süße, wer wollte mir die rauben?

Als er mich verließ, wußte ich, daß das Leben diesen Menschen zerbrechen mußte. Er trug den Todeskeim im Herzen. Und weil er so in Schön­

heit starb, schreibe ich diese seine Geschichte. Ich benutzte hierzu Emil Edgar Stigm anns Tage­

buchaufzeichnungen vom 17. Ja n u a r 1 9 . . , das Letzte, was seine Hand geschrieben hat.

Heute erlebte ich das Wunderbare. Es war vor ihrem Hause. Wie ich daran vorbeiging, öffnete sich die Tür. Dina trat heraus. Ich erschrak und rang nach Atem. Ich wollte ihr vorauseilen; ich hatte ein Gefühl, als müßte ich fliehen. I n meine Schläfen hämmerten sich die Worte: sie weiß alles. Da glitt ich auf dem hartgefrorenen Boden aus, dicht zu ihren Füßen.

Sie konnte für einen Augenblick nicht weiter.

Wie ein Einschlag durchzuckte es mich: das Wunderbare! Ich glaube, so kam es von meinen Lippen (unsäglich albern, aber der Augenblick lieh

(7)

NäheRan

hat bisihr bil- um- )ufi-

fort.

lber ich

mirden ich vid tzender

>ld- Je-hle.

ide

nichts Gescheiteres zusammenraffen): Gnä- F räu lein . . . dieser Kniefall ist wahrhaftig wehr als eine Fügung des Schicksals. . .

^chte nur und eilte weiter. Ich hatte nur as eme Gefühl, daß ich sie jetzt halten müsse.

Klewes" tastete ich nach dem Saume ihres Unverschämter! stieß sie böse hervor und bog

^ l i r Haus zurück. Die Tür schlug schwer ins

^Awß. Und damit zersprang der Sinn meines Gebens. Ich rannte davon, als ob ich einen

^tord begangen hätte. Ich rannte, bis ich in ,^Mem Zimmer war und den Schlüssel in Wahnsinniger Angst im Schlosse umgedreht hatte.

Aver mein Verfolger war mir schon auf den Msen. Wer wollte sich vor seinen eigenen Ge- danken retten? -

^.ch weiß eine Stelle droben in den Hügeln, gerne im Sommer ein Loch in den Himmel Heträumt habe, dort wollte ich begraben sein.

Avrt will ich hinaufwandern, vorsichtig durch Schnee und E is, denn ich trage eine köstliche

^äst. Wenn ich droben bin, will ich auf die ver­

schlafene S tadt hinabsehen und es ihr ins Ohr Men wie eillen letzten Triumph: und nun besitze M sie doch! Hier auf meinem Arme trage ich Ue, Meine D in a! Die da

vrunten ist nicht mehr

?^ls eine Schwester voll ,Ach werde namenlos glücklich sein. Das Sil-

^rglöcklein ihrer Stim ­ me wird meinen Feiertag Anläuten. Wir werden Als betrinken in unserer Glückseligkeit, wir wer­

den uns ill die Arme

^Unrein, eines lechzend

^ach dem Körper des M ^ren. Unsere Leiden­

schaft wird so adelig und

?^ln sein wie der Schnee, vbr uns umflockt. Wir Werden niedersinken und

^ s so schön aus dem

^eben Hinausträumen, wir unter Träumen

^eingew andert sind.

Auf der Bühne spielte

*ch Episoden, nicht mehr As eine solche war mein Adenleben. Was vor meser Bahn liegt und Anker ihrem Ende, das A das Wunderbare.

Wenn ich Asche bin, Hegt sie mich in jedem Blumentöpfe, treibe ich

rhr mit jedem Sonnenstäubchen ins Haar. Ich Werde eines vieler sein, und jedes dieser vielen wird sie besitzen. Fast zittere ich davor, so ins Erhabene hineinzuwachsen. Ob ich die Lust solcher Seligkeiten zu ertragen vermag?

^Als ich nach ein paar Tagen erfuhr, daß Emil W gar Stigmann droben im Hügelgelände erfroren Aufgefunden worden war, beneidete ich ihn fast, weil er sich seinen Tod zu seinem schönsten Traume ZU machen verstanden hatte. — Wilhelm Zentner.

Abendstimmung Die Abendsonne ist hinabgestiegen,

Und langsam senkt die Nacht sich auf das Land.

Ich seh' den Wald im Zwielicht vor mir liegen, ein Schattenriß am fernen Wiesenrand.

Kein Lufthauch stört, kein Vogelruf das Schweigen, es dehnt sich das Gefild' in tiefer Ruh'!

Blaßgraue Nebelstreifen seh' ich steigen, den Duft der Wiesen trägt die Nacht mir zu.

2 Hans Horn

W er's lesen mag!

Manche werden entsetzt sein, wenn sie es lesen, andere wieder werden mit dem Kopfe nicken und sagen: J a , er hat recht! Ich weiß, wer über Mich schimpft, wenn sie es lesen: die Frauen und Fräulein, die die Hüte tragen, von denen ich sprechen möchte. Nicht viel; denn es lohnt sich Nicht. J a , also die kleinen Hüte, die jetzt von

den Frauen getragen werden, die die Mode mit­

machen, sind nicht schön. Ich will mich gelinde ausdrücken und nicht aus der Rolle fallen. Sonst müßte ich ein andres Wort sagen. Sie sind nicht schön, nein; und wer sich einredet, daß sie es doch wären, der betrügt und belügt sich. Ich fühle es in diesem Augenblick: auf dem Gebiete der Mode bin ich ein arger Banause. Ich habe mir niemals viel daraus gemacht, ob das, was ich trage, Mode ist oder nicht. Ich bin ein biß­

chen altmodisch, auch in meinen Kleidern, und am liebsten ginge ich so wie unsere Väter vor hundert Jahren. Doch ich wollte ja von den Frauenhüten sprechen: ein Frauenhut ist an sich schon etwas Gewagtes, da die wenigsten in der Wahl ihrer Kopfbedeckung einheitlich sind. Eines schickt sich nicht für alle! Gut! Das stimmt!

Hier ein paar Beispiele: Dort, wo die Nähe der S tadt ungünstig auf viele Landleute einwirkt, wird man häufig finden, daß Mädchen und Frauen Hüte tragen, die nicht für sie gemacht worden sind. Wir haben sie alle schon gesehen, diese Hüte, und mancher von uns hat sich wohl im stillen darüber geärgert, daß auf dem Lande die Frauen überhaupt neumodische Hüte tragen. Am schlimmsten ist es, wenn Federn drauf sind —

Phot. Presse-Bureau, Leipzig

D as neue Städtische Konzerthaüs in Karlsruhe oh, wie ich diese Federnhüte hasse! Die mögen meinethalben Frauen tragen, die Zeit und Geld haben, sich jedes J a h r ein paar von dieser Sorte zu kaufen; die nichts anderes zu tun wissen, als ihre Kopfbedeckung spazieren zu tragen: auf der breitesten Straße der Stadt, auf den belebtesten Plätzen und Märkten, überall dort, wo sie ge­

sehen werden. Denn weshalb kaufte sich wohl die reiche Frau W und X und U und Z ein neues Kleid, einen neuen Hut? Doch nicht etwa, weil die alten Sachen nicht mehr gut genug wären — bewahre: damit die Freundinnen und die lieben Bekannten und Verwandten sie sehen und sich ärgern sollen, deshalb muß ein neues Gewand, ein neuer Kopfdeckel her! Und nun haben sie wieder was ganz Neues! Diese kleinen schwarzen Hüte hängen so schief auf den Zöpfen, als hätte der Wind sie darauf geworfen — der Wind — nein, der macht so was nicht. Der wäre eher imstande, sie davonzutragen! Ich weiß nicht, weshalb ich mich über diese Puppchenhüte so aufrege! Doch ich weiß es jetzt; well sie dem deutschen Empfinden hohnsprechen, weil sie nichts mit dem deutschen Wesen zu tun haben. Diese Hutform ist nicht deutsch! Die Hüte mögen meinethalben in Paris, in London oder sonstwo getragen werden; aber eine deutsch empfindende Frau sollte sie nicht auf den Kopf setzen, ganz abgesehen davon, daß sie sich selbst damit ver­

unstaltet. Ein deutscher Künstler kann diese Kopfbedeckung nicht entworfen haben — und wenn es doch der Fall sein sollte, so will ich's

nicht glauben. Wenn manche F rau wüßte, wie sie in einem solchen Hute aussieht, ich glaube, sie nähme ihn schamrötend ab. Aber sie wissen's nicht und wollen's nicht wissen. Und Karikaturen hat es ja immer gegeben.

Ach ja, das wollte ich auch noch sagen: neu­

lich fuhr ich mit einem Landstürmer, der in Heimaturlaub ging und einem ihm im Zuge gegenübersitzenden Bürger erzählte, daß er es ganz gut gehabt habe im Felde. Er sei Bursche bei einem Sanitätsarzt, und sie hätten sich gut miteinander verstanden. Das käme daher, so be­

tonte der Brave mit leisem Ansinge von Selbst­

bewußtsein, weil er (der Erzähler) alles könne, was es zu machen gibt. Er kenne sich in Haus und Küche aus, wisse Bescheid in vielen hand­

werklichen Dingen und so fort. Ich las in einem Buch und horchte mit einem Ohr auf den Wackeren.

Der Bürger, der ihn wegen seiner Vielseitigkeit fragend ansah, erhielt denn auch die Antwort:

J a , sagte der Landsturmmann, das will ich Ihnen sagen: ich bin früh in die Welt hinausgegangen, habe mich umgesehen, wo es was zu schaffen gibt, und habe immer an das Wort meines Vaters gedacht, das da lautet: Mach die Augen auf und halt's M a u l!...

Also der alte Feldgraue!

Was er dann noch weiter berichtete, überhörte ich, weil ich fortwährend an den tiefen Sinn dieses kraftvollen Ausspruches denken mußte. Was liegt nicht alles in dem Satze:

Mach die Augen auf und halt's M aul! Es kommt ungefähr dem Sprich­

wort nach: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold! Oder: M it dem Hute in der Hand kommt man durch das ganze Land! oder noch vielen anderen. Aber mir ge­

fällt dieser Spruch besser als alle anderen Winke und Sinnsprüche dieser Art. Das Wort sollte man in Gold fassen und in seine Stube aufhän­

gen. M an sollte es jedem mitgeben, der in ein neues Lebensverhältnis eintritt, der in die Welt zu fremden Menschen geht, der als Neuling in einen Kreis tritt, mit dessen Sitten und Ge­

bräuchen er noch nicht vertraut ist. Kurz und gut:

man kann den Spruch überall gebrauchen. M an soll gar nicht glauben, daß ein Vielschwätzer auf die Dauer angenehm wirkt. Bewahre! J e mehr einer schwatzt, desto hohler wird er dem Fein­

hörigen erscheinen, der gewohnt ist, mehr auf den In h a lt als auf die Form zu geben, der den Kern mehr liebt als die Schale, der mit einem Satz mehr spricht als einer, der dir eine halbe Stunde von deiner kostbaren Zeit stiehlt. Und das ist immer so gewesen: je weniger einer spricht im Lernen und beim Schaffen, desto mehr wird er für sich gewinnen; desto segensreicher wird auch seine Arbeit sein. Wenn mich heute einer früge: Wie wird man ein tüchtiger Mensch? — ich wüßte ihm kein besseres Wort mit auf den Weg zu geben als das: Mach die Augen auf und halt's M aul! — Hanns Baum

Bulgarischer Spruch

Die Kerze brennt, nicht um dich zu verbrennen, ihr stilles Leuchten sollst du nur erkennen.

Das ist die Liebe, sprach ein fremder Greis, die nicht verbrennt und doch zu leuchten weiß.

J a , richtig wohl scheint diese alte Wahrheit, die Jugend aber spricht mit junger Klarheit:

Ach, traurig um die Kerze, die nur das Leuchten kennt,

und traurig um die Liebe, die leuchtet und nicht brennt.

- H U - ___

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'

Kleinigkeiten

W ille

Treu sich selbst, treu dem Gebot trotzen sie den Todesschrecken.

S o ließ uns die Zeit der Not, w as ein Wille kann, entdecken.

^ Franz Hirtler

Flandrischer Lehm

W ir sitzen im Lehm und verbringen in ihm lange Tage und endlose Monde. E s gab lang­

sam eine Lebensgemeinschaft m it diesem Kerl, und der zähe Bursche zwingt zum Nachsinnen.

M a n endet, wie so oft an seiner Schulweisheit, kommt vom S tam m §1i8 — §1iti8 auf das fran ­ zösische §l3i8e und hat plötzlich das schöne deutsche glitschig vor Augen, macht ein p aar Schritte — sinnend, gedankenvoll — ist „ausgeglitscht" und hat dam it nicht nur mit dem Namen, sondern auch mit dem äußeren Wesen dieses flandrischen Drecks — Lehm genannt — Bekanntschaft gemacht.

E s ist schon lange her, daß w ir die Schulbank und die Schullasten uns gedrückt haben. Die Errungenschaften in Geologie und Geognosie sind m it den Ja h re n entschwunden. Ueber Lehm hat man auch nicht allzuviel gesprochen. Lehm w ar von untergeordneter N atur, hat nichts I n te r ­ essantes, keine große Vergangenheit, keine Ahnen, die von einstiger Pracht und Macht zeugen, ein gewöhnliches Sedimentprodukt, das vom Töpfer verarbeitet wird.

Uns ist der Lehm, mit dem w ir in eine Lebens­

gemeinschaft getreten sind, mehr als eine tote Masse geworden. E r redet mit uns, w ir mit ihm. Seine Sprache ist nicht schön. Wenn du durch die verschiedenen, tief im Lehm eingeschnit- tenen G räben mühsam watest und stapfst, hörst du ihn lallen und erzählen. E r hat einen Sprach­

fehler, wahrscheinlich eine schwere Zunge, und schmatzt wie ein ungezogenes Kind, das seine

<»>berbaurat Wilhelm Maybach in Cannstatt

^ feierte seinen 70. Geburtstag. E r ist der älteste Automobilkonstrukteur Deutschlands, und seine bekannteste Schöpfung ist die-Mer- eedes-Konstruktion, die für viele Techniker des

I n - und A uslandes tonangebend blieb.

S uppe löffelt und in Hast und Gier in d.e"

Teller kleckert. E r ist manchmal recht unwillO und je nachdem man ihn ungeschickt tritt, säB er auf seine A rt — faucht pst! — pst! — rM aus W ut spritzt er aus seinem weiten M au l eim dreckflüsstge Masse — tff, tff - , die an Kleider"

zäh hastet. D ann hat der Kerl eine A rt Klept"' manie, und zwar geht diese Sucht des Stehle"^

hauptsächlich auf das wertvolle Leder, Stiefels sohlen, Absätze, ja ganze Stiefel hat man sch""

bei ihm gefunden. Wie m it eisernen Zange"

hält er diese fest, und wenn du dich wehrst, ver­

doppelt er seine Kräfte und sucht dich selbst l"

die Erdentiefe zu ziehen. Vielleicht liegt in ihr"

eine neue A rt Erdm agnetism us. Andere wied^

sagen, es sei ein Heißhunger auf Stiefel. Ehr man sich versieht — nur ein gurgelnder Ton ""

ein schsch — pst, und verschlungen schon ihn der braune M und. E r muß einen gute"

M agen haben. Des Lehmes bester Freund G der Regen, dieser flandrische Regen, der täglich auf uns niederrieselt, fein, nebelfein, dann wie­

der in Ström en auf uns gießt, in Ström en, die nicht enden wollen. Ueber uns grau und wolkew schwer den düsteren Himmel, Wolken bleiern, die uns zu erdrücken scheinen, vor uns Haß uiw Tücke, die sich hier verbissen, um uns Dreck uiw Lehm — der Weggenosse.

Einen Feind hat der Lehm. E r untergräbt seine Existenz. Aber er ist in diesem flandrisch^

Erdstrich gar selten zu finden. D ort der große helle Fleck am düsteren Himmel, dort muß die Sonne sein, da verbirgt sich des Lehmes größter Feind. W arum so schüchtern und zaghaft, d"

Sonne? W arum geizest du mit deinem Sonnew gold? Sonne, segnende Sonne, sei uns hold urid grüße uns wieder, Sonne, gnädige ^onne, b r iE uns deinen Glanz und dein Gold und gib der"

wüsten Gesellen, dem Lehm, das Grabgeleit. Wir sind seiner so überdrüssig und des lästigen Bursche"

so müde. Sonne, alles belebende Sonne, töte ihn, den flandrischen Lehm! — K. Hermann.

"

— ^1

Der preisgekrönte Entwurf zu einem Kriegs- und Siegesdenkmal in Wien von Bildhauer Josef Müllner

Nachdruck aus dem In h alt dieser Zeitschrift wird strafrechtlich verfolgt. — Verantwortlicher Schriftleiter: A d o lf P e t r i in Stuttaart. — Druck der Deutschen Verlaas-Anitalt in Stuttgart. — Papier der Papierfabrik Wildbad in Wtldbad, Württemberg. — Die für dieses Unterhaltungsblatt bestimmten Briefe und Beiträge wolle man an den Sck rntleiter adressieren.

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