• Nie Znaleziono Wyników

Die Passion Christi in den synoptischen Evangelien im Lichte der historisch-literarischen Kritik

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Share "Die Passion Christi in den synoptischen Evangelien im Lichte der historisch-literarischen Kritik"

Copied!
17
0
0

Pełen tekst

(1)

Janusz Czerski

Die Passion Christi in den

synoptischen Evangelien im Lichte

der historisch-literarischen Kritik

Collectanea Theologica 46/Fasciculus specialis, 81-96

(2)

C ollectanea T heologica 46 (1976) fasc. specialis

JANUSZ CZERSKI, OPOLE

DIE PASSION CHRISTI IN DEN SYNOPTISCHEN EVANGELIEN IM LICHTE DER HISTORISCH-LITERARISCHEN KRITIK Die Beschreibung der Passion Jesu, die in den Evangelien eine zentrale Stelle einimmt, erw eckte seit langem schon das Interesse der Exegeten. Die juristisch-historische Diskussion um den Prozess Christi w urde von H. L i e t z m a n n 1 eingeleitet, und von J. B l i n z l e r, E. D ą b r o w s k i , E. L o h s e , P. B e n o i t und J. M. V o s t é2 w eitergeführt. Es handelt sich um Festlegung von Kom petenzen des Synedrium s und der von Pilatus v ertre ten en rö­ m ischen M acht, ferner um die R ekonstruktion des V erfahrens ge­ gen Christus sowie um Feststellung, w er für Seinen Tod v eran tw o rt­ lich w ar. Diese Diskussion dauert noch an, und es m angelt nach wie vor an Lösungen, die säm tliche A utoren befriedigen würden.

W erk e von R. B u l t m a n n und M. D i b e l i u s , die die M e­ thode der ,,Form geschichte'' in die Forschung der Evangelien ein­ geführt haben, haben die A ufm erksam keit der A utoren auf histo­ risch-literarische Problem e gelenkt, w ie jenes des ursprünglichen Schemas der Erzählung des Leidens Christi, ihrer G eschichte in der m ündlichen, vorliterarischen Ü berlieferung, sowie auf Proble­ me im Zusam m enhang mit der Redaktion des Textes. M it diesen Problem en haben sich m ehrere Exegeten befasst, die verschiedene in den W erk en von J. S c h r e i b e r , E. L i n n e m a n n sowie

1 H. L i e t z m a n n , Der Prozess J e s u , in: S it z u n g sb e r ic h te der Berliner A k a ­ d e m ie der W issenschaften, 14, Berlin 1931, 313— 322.

2 J. B l i n z l e r, Der Prozess Jesu, R egensburg4 1969; E. D ą b r o w s k i , Proces C h r y s t u s a w ś w ie t le h i s t o r y c z n o - k r y t y c z n y m , Poznań — W arszaw a — Lublin3 1965; E. L o h s e , Der Pro ze ss J e s u Christi, in: Ecclesia und Res Publica; K. D. S chm id z u m 65 Geburtsta g, hrsg. von G. K r e t s c h m a r — B. L o h s e , G öttingen 1962, 24— 39; P. B e n o i t , Le p rocès Jesu ; in: E x é g è se et Théolo gie, Paris 1961, 265—289; J. M. V o s t é, De pass io n e et m o rte J e s u Christi, Romae 1937.

(3)

82 J A N U S Z C ZE R SK I

G. S c h n e i d e r kurz und knapp gesam m elten M einungen präfe- riere n 3.

Zuletzt schrieben über dieses Thema ern eu t G. S c h n e i d e r 4 sowie L. S c h e n k e 3, doch trotz v ieler w ertvoller Beobachtungen dieser A utoren, sind die historisch-literarischen Forschungen der Schilderung der Passion Christi noch nicht abgeschlossen, und ih­ re interessante Problem atik bleibt nach wie vor offen. Aus diesen G ründen soll sich der vorliegende Beitrag mit diesem Thema b e­ fassen. Es w ird dies ein V ersuch sein, die mit der Erzählung des Leidens Christi verbundenen historisch-literarischen Problem e sy­ stem atisch zu ordnen. Der Rahmen dieses Beitrags b eschränk t sich nicht allein auf die synoptischen Evangelien und auf Ereignisse, die seit der Gefangennahm e Christi bis zur Feststellung des leeren G rabes stattfanden. Im ersten Teil des A rtikels w ird das Problem des ältesten Berichtes, w elcher dem ältesten Evangelium unm ittel­ bar vorausging, unter A nw endung der literarischen A nalyse geprüft, und im zw eiten Teil — die Form geschichte der vorliterarischen Ü berlieferung der Passion Christi.

1. Der Urbericht

Die Erzählung des Leidens Christi in den synoptischen Evange­ lien stellt sich folgenderm assen dar:

M arkus M atthäus Lukas

Festnahm e 14,43—52 26,47—56 22,47—53

Prozess vor dem

Syn-edrium 53—65 57—68 54.66—71

63—65

P etrus3 V erleugnung 66—72 69—75 55—62

Prozess vor Pilatus 15,1—5 27,1—14 23,1— 16

Jesus und Barabbas 6— 15 15—26 18—256

3 G. S c h n e i d e r , Das Proble m ein er v o r m a r k i n is c h e n Passionserzählu ng, Biblische Zeitschrift, 16/1972/222— 244; E. L i n n e m a n n , Stu d ie n zur Passions­ geschichte , G öttingen 1970, 54— 68; J. S c h r e i b e r , Die M ar ku sp a ssio n . W e g e z ur Erforschung der L e id e n s g e sc h ic h te Jesu, Hamburg 1969.

* G. S c h n e i d e r , Die Passion J e s u na ch d e n drei älteren E vangelien, M ün­ chen 1973.

5 L. S c h e n k e , Der g e k r e u z ig te Christus. V e r s u c h ein er lite rarkritischen und tr adit io n sg es ch ich tlich e n B e s ti m m u n g der v o r m a r k i n is c h e n Passionsgeschichte , Stuttgart 1974.

6 Der V ers 17 fehlt in Papyrus 75, und in einigen M ajuskeln, z.B. A, B, K, L, T, 0124 und in der M inuskel 1241. M anche Autoren sehen ihn also als spätere Ergänzung und einen V ersuch der Erläuterung der Barabbasszene an. V gl. K. A l a n d - M . B l a c k und andere. T h e G r e e k N e w T e sta m e n t, London 1966, 309; W. G r u n d m a n n, Das E v a n g e liu m nach Lukas, Berlin 1964, 427. H ingegen hält

(4)

D IE P A S S IO N C H R IST I 83

V erspottung durch

Soldaten 16—20a 27—31 —

K reuzigungsbericht:

1) der K reuzweg 20b—22 32—33 26—33a

2) die Kreuzigung 23—277 34—37 33b—34

3) die Lästerungen 29—32 38—44 35—43

4) der Tod Jesu 33—39 45—54 44—48

5) Zeugen der Ereignisse 40—41 55—56 49

das Begräbnis 42—47 57—66 50—56

das leere Grab 16,1—8 28,1—8 24,1— 12

Die Synoptiker stimmen also in der Reihenfolge der Passions- perikopen überein. Das Sondergut des M atthäus umfasst folgende Stücke:

die Zurückw eisung des W iderstandes 26,52—54

das Ende des Judas 27,3— 10

Intervention der Frau Pilatus 27,19 die H ändew aschung des Pilatus 27,24—25 Öffnung der G räber und A uferstehung

der Toten 27,51b—53

die W ache am Grab 27,62—66

der Engel öffnet das v ersiegelte Grab 28,2—4 Bei der Passion nach Lukas treten dagegen folgende Sonderstük- ke auf:

Jesus vor H erodes A ntipas

die K lagefrauen auf dem Kreuzweg der bekehrte Schächer am Kreuz

23,6— 12 23,27—32 23,40—43 Es gibt dem nach w enige Sondergutstücke und A bw eichungen in der Passionserzählung bei M atthäus und Lukas gegenüber der Passion nach M arkus. Die Erzählungen aller dreien Synoptiker sind sich auffallend ähnlich und w eisen auf eine gem einsam e literarische Q uelle hin. G eringe U nterschiede zwischen ihnen lassen sich durch die R edaktionsarbeit der Evangelisten erklären, durch eigene Kom­ position eines jeden von ihnen und eigene theologische Ziele.

Am nähesten der geschriebenen Q uelle, w elche die Synoptiker benutzt haben, ist der Bericht M arkus, w eil sein Evangelium das älteste ist8. Die A nalyse der Passion Jesu nach M arkus kann also F. G r y g l e w i c z den V ers 17 für den ursprünglichen T ext (Ew angelia w e d łu g ś w . Łukasza, Poznań—W arszaw a 1974, 343).

7 D er Vers 28 fehlt in den älteren K odexen (A, B, C, D, X) und in den Über­ setzungen. A us diesem Grunde muss man m einen, dass der V ers 28 nicht zum ursprünglichen T ext gehörte. V gl. E. S c h w e i z e r , Das E v a n g e liu m nach M arkus, Leipzig 1964, 295—296.

(5)

84 JA N U S Z CZER SK I

den W eg zum U rbericht des Leidens Christi bahnen, zur Quelle, aus der M arkus schöpfte.

In der M arkus-Erzählung von der Festnahm e Jesu (14,43—52) kann man fünf Teile unterscheiden:

Die literarische Einheitlichkeit lässt sich nach G. S c h n e i d e r lediglich in den V ersen 43—46 w ahrnehm en, w ogegen sich VV.47—52 der Erzählung locker anschliessen, w obei sie w ahrschein­ lich dem ursprünglichen Schema erst nachträglich zugefügt w or­ den w aren 9. Es fällt tatsächlich schw er zu begreifen, w arum der Eingriff mit dem Schw ert keine R eaktion seitens der W achm ann­ schaft hervorrief, oder w arum man den bereits festgenom m enen J e ­ sus noch reden liess, V.46 schliesst sich gut dem 53 an: „sie nahm en ihn fest" (V.46) und „führten zu dem H ohenpriester" (V.53).VV.47— 52 kann man also ausser acht lassen, ohne die literarische Einheit­ lichkeit der Perikope zu verletzen.

E. S c h w e i z e r und J. S c h n i e w i n d gehen in ihren Be­ trachtungen noch w eiter, indem sie behaupten, dass die gesam te V erhaftungserzählung in der Ü berlieferung selbständig auftrat, unabhängig von der Passionsgeschichte und dass sie der letzteren erst später angeschlossen w orden w ar. D arauf w ürde V.43 hinwei- sen, w elcher Judas als einen des Kollegiums der Zwölf in die Erzählung einführt10. Dies lässt sich jedoch nicht mit aller Bestimmt­ heit feststellen.

Die Szene des V erhörs Jesu vor dem Synedrium (14,53.55—65) w ird von den Synoptikern vom Standpunkt der geschichtlichen W ahrheitstreue aus betrachtet. W. K ü m m e l sieht darin einen w ahrheitsgetreuen historischen Bericht11, G. S c h n e i d e r — eine von M arkus entw ickelte ursprüngliche Erzählung12, und M. D i b e l i u s — ausschliesslich eine R edaktionsarbeit M arkus'

8 V gl. G. S c h n e i d e r , Passion, 14; J. S c h r e i b e r , T h e o lo g ie des V e r t r a u ­ ens. Eine re d a k t io n s g e s c h ic h t li c h e U n te r s u c h u n g des M a r k u s e v a n g e li u m s , Ham ­ burg 1967, 83.

9 G. S c h n e i d e r , Passion, 21.44—45. N ähere Begründungen dieser A nsicht b ietet der V erfasser in: Die V e r h a l t u n g Jesu. Trad itio n sg esch ich te v o n M к 14,43— — 52, Zeitschrift für die N eutestam en tlich e W issenschaft 63/1972/191— 193.

10 E. S c h w e i z e r , M a r k u s, 182; J. S c h n i e w i n d , Das E v a n g e li u m nach M a r k u s, Berlin8 1958, 192.

11 W. G. K ü m m e l , V e r h e i s s u n g u nd Erlüliung, Zürich 1953, 43f. 12 G. S c h n e i d e r , Passion, 22.

der Kuss des V erräters und die F estnah­ me Jesu

der Eingriff mit dem Schw ert das Logion Jesu

die Flucht der Jünger Jesu der fliehende Jüngling

14,43—46 47 48—49 50 51—52

(6)

D IE P A S S IO N C H R IS T I 85

ohne historischen W ert13. In der Forschung handelt es sich unter A nw endung der literarkritischen M ethode darum, eine A ntw ort auf die Frage zu finden, ob diese Schilderung zur ältesten Erzählung der Leiden C hristi m itgehörte, und w elche ihre ursprüngliche Form gew esen war. Die Ergebnisse dieser Forschung sind jedoch von der historischen Echtheit dieser Perikope abhängig.

Es scheint auf den ersten Blick aufgrund von Mk 15,1, dass die Schilderung des Prozesses vor dem Synedrium w ährend der N acht nicht zu dem ursprünglichen Text gehörte, sondern dass die kurze Erw ähnung bei Mk 15,1 des am M orgen gefassten Beschlusses des Synedrium s betreffend der A uslieferung Jesus an Pilatus, erst später zu einer selbständigen Perikope entw ickelt und ausgearbeitet w urde14. Die A bfassung Lukas scheint diese V erm utung zu bestäti­ gen, da sie lediglich die m orgendliche Sitzung erw äh n t15, w elcher das V erhör vor dem Pilatus unm ittelbar folgte16.

Der Exeget w ird also vor ein historisches Problem gestellt: ob es zwei V erhandlungen Synedrium s gab, d.h. eine nächtliche und eine m orgendliche, oder nur eine nächtliche, bzw. eine m orgen­ dliche. Dieses Problem ist kontrovers, schw er lösbar, und die A nsichten von A utoren geteilt17.

M arkus und M atthäus leiten die Erzählung von der V erhandlung vor Pilatus mit der Feststellung ein, dass der israelische Rat den Beschluss hinsichtlich der A uslieferung von Jesus an Pilatus, frühm orgens gefasst habe18. Es scheint w enig w ahrscheinlich, dass das Synedrium sich frühm orgens gesam m elt und das U rteil gefällt hätte. M an dürfte eher annehm en, dass das V erhör von Jesus länger gedauert hatte, und dass dieses V erhör, in der N acht eingeleitet, sich bis in die frühen M orgenstunden ausgedehnt hatte. Es w ürde darauf die A nm erkung im Bericht über die V erleugnung Petrus hindeuten, dass zu dieser Zeit der H ahn krähte, dass sich also der

13 M. D i b e l i u s , Die F orm geschichte d e s E vangelium s, Tübingen5 1966, 214f.

u V gl. R. B u l t m a n n , Die G esch ich te der s y n o p t is c h e n Tradition, G öttin­ gen4 1971, 290f.

15 Lk 22,66ff. 16 Lk 23,Iff.

17 Zwei Synedrium sverhandlungen nehm en an: J. B l i n z i e r , Prozess, 210 ff; E. D ą b r o w s k i , Proces, 155— 158. 171— 175; E. R u c k s t u h l , C hronolo gie und A b l a u t der Leid en s g esch ic h te, in: A m Tis ch des W o r te s , 1, Stuttgart 1965, 40ff. Die M ehrheit von Autoren sieht nur ein e V erhandlung: G. S c h n e i d e r , V e r l e u g ­ nung, V e r s p o t t u n g u nd V e r h ö r J e s u nach L u k a s 22,54—71, M ünchen 1969, 31; P. В e- n o i t, J é s u s d e v a n t le San héd rin, in: E x é g è s e et Théolo gie, Paris 1961, 290—298; X. L é o n - D u f o u r , Passion, in: D ic tionnaire d e la Bible Supplem ent 6/1960/1461; T. A. B u r к i 11, Ma rgin al N o t e s on th e Trial of Jesus, Zeitschrift für die neutesta- m entliche W issen sch aft 50/1955/222ff; E. L o h m e y e r , Das E va n g eliu m des M a r ­ ku s , G öttingen4 1954, 334.

(7)

86 JA N U S Z C ZER SK I

M orgen n äh e rte19. Die Schilderung der nächtlichen Sitzung des Synedrium s und des V erhörs Jesu ist also historisch.

In literarisch er H insicht ist der Bericht M arkus' integral. Der A nsicht L. S c h e n k e s nach, w ird diese In teg rität an zwei Stellen gestört: in den V ersen 57—59 sowie 62b. Das erste Fragm ent w iederholt und entw ickelt den Satz aus dem V ers 56 über falsche und uneinige Aussagen, w orin Jesus des A uftretens gegen den Tempel beschuldigt w urde. Der V ers 62b dagegen en th ält den zw eiten Teil der A ntw ort Jesu auf die Frage des H ohenpriesters, ob Er „Messias, der Sohn des H ochgelobten" sei (V.61). N un aber ist der erste Teil der A ntw ort in erster Person formuliert, der zw eite dagegen — in dritter. L. S c h e n k e behauptet, die V erse 57—59 und 62b seien Zusätze zum ursprünglichen T ext20. Es scheint jedoch nicht, als ob diese V erse die literarische Einheitlichkeit des Textes störten. Das Fragm ent, betreffend der Aussagen, zw ar nicht ü b er­ einstimm end, doch sich auf die A ngelegenheit des Tem pels bezie­ hend, ergibt sich logisch aus dem K ontext heraus. Es ist dies ein Beispiel von Aussagen, die im V ers 56 allgemein behandelt w er­ den. Ein zutreffendes Beispiel, denn A ussagen über die Z erstörung des Tem pels gualifizierten sich als eine mit Todesstrafe zu ahndende G otteslästerung21. Die Redew endung kai oudè oûtos (doch auch so) deutet darauf hin, dass dieses Fragm ent auf V ers 56 anknüpft, und ihn vervollständigt, dass also dieses Fragm ent nicht selbständig bestehen konnte. V ers 62b ist ebenso verständlich im K ontext des V erhörs. Die in V ers 62a enthaltene A ntw ort Jesu w äre ungenügend, um Ihn zum Tode zu verurteilen. Die Ergänzung dieser A ussage durch das Bekenntnis Jesu, reg te den H ohenpriester und das Synedrium derm assen auf, dass das V erhör mit dem ein­ deutigen U rteil endete.

Der Prozess vor dem Synedrium in der V erfassung von M arkus ist also der ursprünglichen Schilderung sehr nahe. M an kann auf seiner G rundlage mit grosser W ahrscheinlichkeit auf das ursp rü n g ­ liche, jenem von M arkus vorausgehende Schema hinw eisen: V erse 53.55—65.

Dem israelischen Prozess hat M arkus die Erzählung von Petrus, der Jesus dreim al verleugnete, hinzugefügt (54.66—72). In der Ge­ schichte des Leidens Christi ist dies eher eine N ebenepisode, und w urde hierzu sp äter angeschlossen. Denn ist es schw er vorstellbar, dass über ein den Petrus in ungünstiges Licht rückendes Ereignis bereits so früh, denn zu A nbeginn des Bestehens der Kirche berichtet w orden wäre. Der Petrus spielte doch eine überaus w ichtige Rolle in der Kirche. Eine derartige G eschichte h ättte eine A bnahm e der

« Mk 14,72.

20 L. S c h e n k e , Der g e k r e u z ig te Christu s, 27.32—44. 21 V g l. E. D ą b r o w s k i , Proces, 179— 180.

(8)

D IE P A S S IO N C H R IST I 87

P opularität P etrus bew irken und ihm die A usübung seiner leitenden Funktion erschw eren können22.

Dem V erhör des Jesus vor dem Synedrium folgt logisch das V erhör vor Pilatus (15,1—5), oder das G ericht der zw eiten Instanz. In der dam aligen geschichtlich-politischen Lage, bildet diese Episode eine unentbehrliche Ergänzung des durch das Synedrium eingeleite­ ten Prozesses. Der römische P rokurator m usste das von dem G ericht der ersten Instanz, d.h. von dem obersten israelischen Rat gefällte Todesurteil bestätigen. Die Zugehörigkeit dieser Perikope zur älte­ sten K atechese über das Leiden Christi scheint auch 1 Tim 6,13 zu bestätigen, der auf C hristus als auf denjenigen hinweist, „der u n ter Pontius Pilatus das herrliche Bekenntnis abgelegt hat".

Der Text Mk 15,1—5 ist dennoch nicht einheitlich. M an kann hierhin drei Teile unterscheiden: V .l, V.2, VV.3—5. Die Integrität dieser Teile ist eine k o n trov erse Frage. V ers 1 führt in die V er­ handlung der zw eiten Instanz ein, und erw ähnt den m orgens gefassten Beschluss des Synedrium s, Jesus dem Pilatus zu ü ber­ liefern. Da die Schilderung des Prozesses der ersten Instanz bei M arkus durch die Erzählung von der V erleugnung Petrus, die im u rsprünglichen Schema nicht erh alten w ar, unterbrochen w urde, m usste M arkus im V. 15,1 an die Erzählung von der Synedrium sver- handlung des Jesus anknüpfen, und Seine A uslieferung dem Pilatus begründen. Die M ehrheit der Exegeten b etrachtet also Mk 15,1 als den M arkus eigenen Text, der der ältesten Schilderung des Leidens C hristi nicht angehörte23.

V.2 schliesst sich dem K ontext auch nicht gut an. Pilatus fragt Jesus, ob er ein König sei, und diese Frage wird durch die vorherige A nklage nicht begründet. M an w eiss dem nach nicht, w eshalb Pilatus Jesus nach seiner königlichen W ürde fragte. Pilatus ist sogar von der Unschuld Jesu überzeugt und versucht, Ihn freizulassen (VV.9— 10). Die A ndeutung der von den israelischen Ä ltesten erhobenen A nklagen erscheint erst in V ers 3. M arkus spricht von ihnen kurz und bündig und gibt an, der Pilatus prüfe sie, und fragt den Christus (V.4), doch Er antw ortet nicht (V.5). Das M otiv von Christus dem König erscheint noch dreim al im Zusam m enhang mit dem röm ischen Prozess (VV.12.16—20.26). Dies w ürde darauf hinweisen, dass die Beschuldigung des Christus seiner königlichen A nsprüche eine gew isse Rolle gespielt und das Fällen des Todesurteils auf irgendw elche W eise beeinflusst hätte. Be­ zeichnend in dieser H insicht ist insbesondere V ers 26. V ers 2 darf dem nach nicht aus dem Bericht der Pilatusverhandlung allein

22 V gl. E. S c h w e i z e r , M ar ku s, 189; J. S c h n i e w i n d , Das E va n g eliu m nach M a r k u s, Berlin8 1958, 197.

23 V gl. L. S c h e n k e , Der G e k r e u z i g te Christus, 31; X. L é o n - D u f o u r , Passion, 1461; E. L o h m e y e r , M ar ku s, 334.

(9)

88 J A N U S Z CZER SK I

aus diesem G rund gerstrichen w erden, weil er sich dem K ontext nicht vorteilhaft fügt. A nderseits aber kann man auch dem V o r­

schlag von L. S c h e n k e und E. S c h w e i z e r schlecht zu­ stimmen, den V ers 2 nach dem V ers 5 zu setzen24. Dies w äre viel­ leicht logisch, w äre man nach den allgem einen A nklagen gegen C hristus (V.3) zur D arlegung von konkreten V orw ürfen vor Pilatus übergegangen. In diesem Falle jedoch könnte man die A ntw ort J e ­ sus im V ers 2 schlecht begreifen, wo doch laut V ers 5: ,,Er an tw o r­ tete nicht mehr". V erm utlich also umfasste das ursprüngliche Schema der G erichtsverhandlung vor Pilatus die V erse 2—5.

Dem V erhör vor Pilatus schliessen die Synoptiker die Episode mit Barabbas an (Mk 15,6— 16 und par.)25. Der Inhalt dieser Episode knüpft zw ar auf den röm ischen Prozess von Jesus an, doch ist sie mangels gem einsam er Umstände hinsichtlich der Zeit und der O rtes, nicht mit dem vorhergehenden Fragm ent organisch verbunden. Die Erzählung fängt an mit einer allgem einen Feststellung der T at­ sache einer Begnadigung: „zum Fest aber liess er ihnen einen Ge-, fangenen frei" (V.6), die zu fordern das Volk erschienen war. Dabei ist der Gesuch um A m nestie nicht deutlich präzisiert (V.8). Erst im V.9 w ird Jesus in die Erzählung eingeführt. Diese Perikope konnte also selbständig auftreten, bevor sie in die Passionserzählung mit einbezogen w urde26.

Das ursprüngliche Schema des röm ischen Prozesses w äre also nach M arkus V.15b folgend abgeschlossen: „Pilatus ... liess Jesus geissein und übergab ihn zur Kreuzigung".

Nach A nsicht von G. S c h n e i d e r , gehörte die Szene der V erspottung Jesus durch röm ische Soldaten ( W . 16—20a) auch nicht zur ursprünglichen Passionserzählung, sondern sie w urde dort später eingesetzt, w ahrscheinlich um die Schilderungen zu paralleli- sieren: jene des israelischen und die des röm ischen Prozesses27. Es scheint jedoch, dass diese Szene mit der Pilatusverhandlung dank den gem einsam en U m ständen hinsichtlich der Zeit und des O rtes gut übereinstim m t. Die V erspottung folgte unm ittelbar auf die Geisselung, und fand innerhalb des Pilatus-Palastes im Prätorium (V.16) statt. Die V erspottung eines V erurteilten, der königliche A nsprüche erhoben hatte, ist ebenfalls auf dem H intergrund der

24 V g l. L. S c h e n k e , Der gekreuzigte Christus, 54; E. S c h w e i z e r , Mar­ kus, 193.

25 Hier taucht ein historisches Problem auf, ob sich der Brauch einer r e g e l­ m ässigen P assa-A m nestie nachw eisen lässt. Für die Passa-A m nestie sind: J. В 1 i n z- l e r , Prozess, 220ff; E. D ą b r o w s k i , Proces, 206. Gegen: E. L o h s e , Die G e ­ sc h ic h te des Leid ens u nd S te r b e n s J e s u Christi, G ütersloh 1964, 92. D iese A n ­ sichten sind aber für die literarischen Forschungen ohne Einfluss.

26 V gl. J. S c h m i d , M a r k u s, 291.

(10)

D IE P A S S IO N C H R IST I 89

dam aligen Epoche und Sitten verständlich29. Der Leitgedanke dieser Schilderung ist das M otiv des Königs, der w ährend des V erhörs vor Pilatus (V.2) und w ährend der Kreuzigung (V.26) zum V or­ schein kommt. Den M angel dieser Schilderung bei Lukas erklären die redaktionellen und theologischen Erw ägungen des V erfassers. Die V erspottungsszene gehörte mit Bestimmtheit zur ursprünglichen Leidensgeschichte C hristi mit29.

Mk 15,20b—41 enhält den K reuzigungsbericht, w orin fünf F rag­ m ente enthalten sind: der K reuzweg (VV.20b—22), die Kreuzigung (VV.23—26) die V erspottung des G ekreuzigten (VV.27.29—32), der Tod Jesu auf dem Kreuz (VV.33—39), die Zeugen der Kreuzigung (VV.40—41). Diese Schilderungen w erden durch gem einsam e Zeit- und O rtsum stände m iteinander verknüpft. Die H andlung, die auf dem G olgatha spielt, dauerte etw a sechs Stunden. M arkus gibt dreim al die Zeit an: „Es w ar aber die dritte Stunde, als sie Ihn kreuzigten" (V.25), „und von der sechsten Stunde an kam eine Finsternis über das ganze Land" (V.33a), und: „in der neunten Stunde rief Jesus mit lau ter Stimme" (V.34) „und verschied" (V.37).

Die A utoren bestreiten jedoch die Integrität von Mk 15,20b—41, und unterziehen dieses Fragm ent einer eingehenden literarischen A nalyse, deren Ergebnis jedoch verschiedene A nsichten sind. Es gibt demzufolge verschiedene M einungen zum Thema des Bereiches des vorm arkinischen K reuzigungsberichtes.

J. S c h r e i b e r erblickt in Mk 15,20b—41 Dubletten, und unterscheidet aufgrund dessen zwei K reuzigungsberichte: VV.20b— 22a.24.27 sowie 25—26.29a.32c.34a.37—38. Dem gegenüber stellen die V erse 22b.23.29b—32b.34b—36.39—41, seines Erachtens, ledig­ lich einen theologischen Kommentar dar. Der A utor bedient sich in seiner Forschung der W ö rterstatistik 30. Diese M ethode scheint p ro ­ blem atisch zu sein und die Schlussfolgerungen schwach begründet. E. L i n n e m a n n 81 lehnt sie also entschieden ab, und schlägt eine andere Lösung vor. Ihm zufolge, sind es die Stundenangaben nach M arkus, w elche das Urschema der Leidensgeschichte abzeichnen. Texte, die sich mit den V ersen w orin die Stundenangaben enthalten sind, nicht verknüpfen, gehörten nicht, nach A nsicht von E. L i n - n e m a n n, zum Urbericht. Auf diese W eise hat er den u rsp rün g­ lichen Text rekonstruiert: V erse 22a.24a.25a.33.34a.37—38. Die V erse 20b—21.23.24b.26—27.29—32.34b—36.39—41 h at E. L i n n e - m a η n als selbständige Stücke anerkannt, w elche zum Schema des Leidens Christi nicht g eh örten32.

28 V gl. e b d . , 105— 106; E. D ą b r o w s k i , Proces, 210. 29 V gl. L. S c h e n k e , Der g e k r e u z ig te Christu s, 55. 30 J. S c h r e i b e r , Theolo gie, 22—82.

81 E. L i n n e m a n n , Stu dien, 139— 168. 82 Ebd., 136— 170.

(11)

90 J A N U S Z C ZE R SK I

Die in dem Bericht angegebenen Stunden zeichnen zweifellos ein Schema ab, doch lässt es sich schlecht bew eisen, dass lediglich diejenigen Erw ähnungen seien ursprünglich, die mit den Stunden v erknüpft sind. Daher scheint die von E. L i n n e m a n n v o rg e­ schlagene Rekonstruktion des U rberichts über die K reuzigung eben­ so willkürlich.

L. S c h e n k e zählt auf G rund der literarischen A nalyse, zum ältesten K reuzigungsbericht, die V erse: 20b.22a.23—24.26—27.29a. 31b—32.34a.36a.37.39. Er v e rtritt die Meinung, dass die obener­ w ähnten V erse eine Einheit bilden und dass sie gut m iteinander harm onisieren. Die übrigen V erse seien dagegen dem u rsprüng­ lichen Schema später zugefügt, als theologische, bzw. redaktionelle Ergänzungen33. M it m anchen Schlüssen von L. S c h e n k e kann man einig w erden. So ist die Erw ähnung im V ers 21, Simon von K yrene w äre ,,der V ater von A lexander und Rufus" gewesen, bestimmt eine Redaktionsnote M arkus. M an darf ebenso annehm en, dass die griechischen Ü bersetzungen hebräischer oder aram äischer Term ine (V.22b und 34b), obwohl noch vor M arkus in den Text eingeschlossen, doch eher spätere N achträge darstellen, die ü b ri­ gens mit Rücksicht auf die griechische Umwelt, in w elcher über das Leiden Jesu b erich tet w urde, unerlässlich w aren. Von M arkus stam mt ebenso der V ers 25, w orin der V ers 24a deutlich w iederholt ist, und w orin „dritte Stunde” in den Bericht eingesetzt wird. Dieses Detail sowie die W iederholung der Phrase „sie kreuzigten Ihn” (VV. 24,25), erscheinen w eder bei M atthäus noch bei Lukas. Indem er drei Uhr einführte, w ollte M arkus die Erw ähnung von sechs (VV.33a) sowie von „neun U hr” (VV.33b und 34a) ergänzen und den gesam ten K reuzigungsbericht in ein knappes Schema fassen.

Als einen späteren N achtrag, jedoch frü heren als V ers 25, kann man ebenso den V ers 33 betrachten. Der Passus „kam eine F in ster­ nis über das ganze Land” ist eine literarische Redew endung mit theologischen Tendenzen. Theologische A bsichten erblickt man auch in dem V ers 38, der aus diesen G ründen mag erst zu einem spä­ teren Zeitpunkt in die Erzählung von der K reuzigung eingeschlossen w orden sein. W ahrscheinlich ist fernerhin die Behauptung von L. S c h e n k e , dass das ersprüngliche Schema die Perikope von den Frauen-Zeuginnen der K reuzigung nicht enthielt (VV.40—41). Diese Perikope w urde erst später verfasst, zwecks H arm onisierung der Schilderung des Todes mit der N achricht von dem leeren Grab (16,1—8). Die Liste der Frauen in 15,40 ist identisch mit derjenigen nach 16,1. D arüber hinaus schliessen sich die V erse 40—41 dem K ontext nicht gut an, und m achen tatsächlich den Eindruck eines N achtrags. Der nachgebildete vorm arkinische Text w ürde also folgenderm assen aussehen: die V erse 20b—24.26—27.29—32.34—37.

(12)

D IE P A S S IO N C H R IST I 91

39. D em gegenüber kann man nur schlecht L. S c h e n k e zufol­ ge, die N ichtintegrität von V ersen: 21.29b—31a.35.36b einsehen. Der V ers 21 spricht von Simon von K yrene und diese Tatsache zitieren auch M atthäus und Lukas. Es scheint nicht, als w äre dieses Detail erst nachträglich angeschlossen, um Simon als ein für die Jünger Jesu typisches Bild der Jüngerexistenz vorzustellen. Eine theologisch-paränetische Intepretation dieser Tatsache gibt erst Lukas an (23,26). Bei M arkus findet man lediglich eine knappe Notiz darüber, ohne Interpretation. W enig überzeugend erscheint auch die A nnahm e von L. S c h e n k e , M arkus habe den Simon, einen zu Jerusalem Fremden, aus Rücksicht auf Christen heid­ nischer Abstamm ung erw ähnt.

Die V erpflichtung Simons Jesus zu Hilfe w ar einfach eine b e­ zeichnende Einzelheit, die der A ufm erksam keit von Zeugen nicht entging. M an erzählte also davon als von einer interessanten Epi­ sode des Leidens Christi.

L. S c h e n k e beschränkt ebenso die Reichweite der Ursprünge liehen Perikope von Lästerungen gegen Jesus, indem er die Versg 29b—31a daraus ausklam m ert. L. S c h e n k e v erw eigert folge­ richtig die K enntnisnahm e von dem V ers 29b, weil er eine A nspie­ lung auf 14,58 enthält, der seines Erachtens nicht zur ursprünglichen Erzählung gehörte. Die A nspielung auf 14,58 ist ausser Zweifel, je ­ doch dieser Text ist ursprünglich. M an kann sich somit nicht w undern, dass die nur in A nw esenheit des Synedrium s abgelegte A ussage von Zeugen zur öffentlichen Kenntnis gelangte. Die Beschuldigung Jesus der Absicht, den Tempel zu zerstören, w ar äusserst ernsthaft und sensationell, kein W under also, dass sie eilig w eitergeleitet w urde, und man darf annehm en, dass es den M it­ gliedern des Rates daran gelegen war, viel Aufhebens davon zu machen.

Ä hnlich schreibt L. S c h e n k e den V ers 31a der R edaktions­ arbeit von M arkus zu, indem er die A nsicht vertritt, dass die M ehrzal ,,die H ohenpriester" sowie die Erw ähnung der Schriftge­ leh rten Eigenschaften sind, w elche die R edaktionsarbeit von M ar­ kus bezeugen. Diese Bezeichnung findet man ebenso bei M t 27,41. Aus dem W ortlau t des V erses 31a ergibt sich jedoch nicht, als sollten ,,die H ohenpriester und Schriftgelehrten" unter dem Kreuz gestanden haben. Dieser V ers ist dem nach reell und fügt sich gut dem K ontext an.

Ein Problem stellen für L. S c h e n k e auch die V erse 35 und 36b dar, w orin M arkus von dem Irrtum der Zeugen des Todes Jesu spricht, die die W orte des Sterbenden ,,mein Gott" (aram. Eloi) als einen Ruf nach Elias begriffen hatten. Der A utor behauptet, man w eiss nicht w arum, dies sei unmöglich. Die W orte: Gott und Elias haben in der hebräischen und in der aram äischen Sprache falls leise ausgesprochen, einen sehr ähnlichen Klang, und

(13)

deswe-92 JA N U S Z C ZER SK I

gen ist ein Irrtum leicht möglich. Diese in O riginalaussprache angeführten W orte verleihen der Erzählung von dem Leiden Jesu einen recht archaischen Kolorit.

Den Bericht über das Begräbnis C hristi (VV.42—47) betrachten m anche A utoren als eine spätere und selbständige Perikope. Dafür sollte eine andere Liste der Frauen-Zeugen in V ers 47 als in 16,1, sprechen, w as eine Spur der nachträglichen R edaktionsarbeit d ar­ stellt34. M an muss jedoch beachten, dass das älteste christliche G laubensbekenntnis bereits einen A rtikel über das Begräbnis C hri­ sti enth ielt33. Diese Episode m usste also auch in der ältesten Erzäh­ lung von dem Leiden enthalten sein38. Dem gegenüber kann man die A bw eichungen zwischen 15,47 und 16,1 als einen M angel an lite­ rarischer V ollendung dieser Perikope auslegen.

Zahlreiche Schw ierigkeiten liefert die Schilderung des leeren G rabes (16,1—8), w elche die Passionsgeschichte abschliesst37. U nverständlich ist daher die Erw ähnung von der Einsalbungsabsicht drei Tage nach dem Tode (16,1). Eine Totensalbung zirka 40 Stunden nach dem Tode ist in Palästina kaum denkbar. Dann ist es nicht klar, w arum die Frauen erst unterw egs nach dem Grab überlegen, wie sie hineingehen, wo es doch mit einem Stein verschlossen ist (V.3). Sie hätten dies früher voraussehen sollen. Sonderbar ist auch ihre R eaktion nach H inausgehen: ,,Da gingen sie hinaus und flohen vom G rabe w eg.”, ,,und sie sagten niem andem etw as” (V.8), sie haben also die A nw eisungen des Engels nicht erfüllt. A lle Un­ k larheiten bezeugen die Schw ächen der literarischen A bfassung diser Perikope und der N achträge.

Einen V ersuch der R ekonstruktion der ältesten Erzählung hat L. S c h e n k e durchgeführt, indem e r deren Umfang auf die V erse 1—2.5—6.8a38 beschränkte. M an dürfte jedoch den V ers lb auch als eine spätere redaktionelle N ote betrachten, die darüber Aufschluss geben sollte, w arum sich die F rauen nach dem Grab begaben. V ers 4 dagegen ist verständlich. Die Frauen hatten zw ar keine Absicht gehabt, in das Grab hineinzugehen, als sie jedoch den Stein beiseite fortgew älzt sahen, gingen sie aus N eugier hinein. M an dürfte also annehm en, dass der ursprüngliche Bericht über das leere Grab, sich nach dem folgenden Schema gestaltete: la .2.4—6.

34 V gl. W . G r u n d m a n n , Das E v a n g e li u m nach M ar ku s, Berlin3 1965, 317; E. S c h w e i z e r , M a r k u s, 209.

35 V gl. 1 Kor. 15,3b— 5.

36 V gl. L. S c h e n k e , Der g e k r e u z ig te Christu s, 102.104.

37 Eine m oderne A n alyse der G eschichte vom geöffneten Grab bie'tet I. В r о e r, Die U rg e m e in d e u nd da s le ere Grab Jesu. Eine A n a l y s e der G rableg u n g s g esch ich te im N e u e n T e sta m e n t, M ünchen 1972.

38 L. S c h e n k e , A u ie r s t e h u n g s v e r k ü n d i g u n g un d leeres Grab, Stuttgart2 1969, 54f. V gl. G. S c h n e i d e r , Passion, 145.

(14)

D IE P A S S IO N C H R IST I 93

8a. Dieses Schema ist integral, und die einzelnen V erse fügen sich darin gut aneinander.

Die als Ergebnis dieser Forschungen rek o n stru ierte älteste Erzählung von dem Leiden und Tode Christi, w ürde also die fol­ gende Struktur auf weisen:

die Festnahm e M k 14,43—46

der Prozess vor dem Synedrium 53.55—65

der Prozess vor Pilatus 15,2—5

die V erspottung Jesu 16—20a

der K reuzigungsbericht 20b—39 1) der Kreuzw eg 20b—22 2) die Kreuzigung 23—27 3) die Lästerungen 29—32 4) der Tod 34—37.39 die G rablegung 42—47

das leere Grab 16, la .2.4—6.8a

Diese V orlage hat w ahrscheinlich M arkus gekannt und benutzt. Die Passionserzählungen M atthäus und Lukas, die auf der M arkus- V orlage beruhen, haben das M arkus-Schema beibehalten. Dass M atthäus und Lukas M arkus Evangelium benutzt haben, lässt sich unabhängig von der Passionsgeschichte beweisen.

Ein Problem für sich bildet die Q uellenanzahl. G. S c h n e i d e r erk lä rt sich für eine Quelle. V. T a y l o r behauptet, dass es deren mehr als eine gab39. Dieses Problem ist alles als leicht zu lösen, und es bleibt nach wie vor streitig. Jedoch gewisse N achträge zum ursprünglichen Schema, wie zum Beispiel die V erleugnung Petrus, oder die Episode mit Barabbas, scheinen eher für eine grössere Anzahl von Q uellen zu sprechen.

2. Die Formgeschichte

Eine literarische A nalyse der Leidensgeschichte Christi h at es ermöglicht, annähernd auf die geschriebene Q uelle vorm arkinischer V orlage hinzuweisen. Der R edigierung der Passionsgeschichte ging eine lange Zeit der V erkündigung der A posteln sowie der münd­ lichen Ü berlieferungen der Taten und des Lebens Jesu voran. Viele Jah re w aren verflossen seit der historischen Tatsache bis zur A bfassung des Textes des Leidens Christi. H eutzutage verfügen wir über Berichte, die w ährend der letzten G estaltungsphase der evangelischen Ü berm ittlung entstanden w aren. Die Tatsachen und W orte aus dem Leben Jesu w urden erst in der nachösterlichen

39 G. S c h n e i d e r , Passion, 31—35; V. T a y l o r , The Formation oi th e Tradition, London 1933, 50— 55.

(15)

94 JA N U S Z CZER SK I

Kirche niedergeschrieben. Die A utoren haben sie in theologischer Perspektive erscheinen lassen, und fassten sie ab in A bhängigkeit von den eigenen Interessen und von Bedürfnissen "des Milieus, für w elches sie schrieben. Über die Schilderungen von Evange­ listen hindurch, können w ir jedoch bis zum historischen Jesus Vor­ dringen, zu Seinen W orten und Taten, zur geschichtlichen T atsache Seines Leidens und Seines Todes auf dem Kreuz. Die nachösterliche Jüngergem einschaft ist identisch mit jen er vorösterlichen. Es ist dies dieselbe Gemeinschaft, w elche Jesus um sich versam m elt hatte, die sich zu Ihm bekannte, Ihm folgte und Ihn nachahm te. Diese Gemeinschaft bew ahrte die Ü berlieferung des Leidens Christi treu auf, und überm ittelte sie der K irche40.

Die Form geschichte g estattete den Exegeten, zahlreiche lite ra ­ rische Einheiten in den Büchern des N euen Testam entes zu u n te r­ scheiden, und verschiedene Form en der ursprünglichen W iedergabe und Ü berlieferung der Tradition zu erm itteln. D ank dieser M ethode kann man die Entwicklung der Ü berlieferung verfolgen, und einen V ersuch der R ekonstruktion der vorliterarischen P assionsdar­ stellung unternehm en41.

Der älteste aller Texte, der über dass Leiden und die A ufer­ stehung Christi berichtet, ist 1 Kor 15,3—8. Dieser Text ist in Form eines G laubensbekenntnisses abgefasst worden, das Paulus auf dem W ege der Ü berlieferung ereilte (V.3a). Auf diese W eise w urden die W ahrheiten des Glaubens den sich auf die Taufe vorbereitenden K atechum enen beigebracht. Kurze und geschlossene A rtikel des Glaubens bilden somit die älteste Form der apostolischen Lehre. Die G eschichte des Leidens, des Todes, und des Sieges Christi, w ar in drei A rtikeln erfasst. Er starb (V.36), w urde begraben (V. 4a), ist auferstanden (VV.4b—8).

Der d ritte G laubensartikel ist hierin entw ickelt und begründet w orden. Die A uthentizität und G laubw ürdigkeit der T atsache der A uferstehung w erden durch zahlreiche C hristophanien bestätigt, sowie durch persönliche Erfahrung der A postel. Das G laubensbe­ kenntnis in 1 Kor 15,3—8 en thält zwei Details, w elche auf die W eise hindeuten, auf die die älteste Erzählung von dem Leiden Christi in terp retiert w urde. Das erste Detail ist die Formel: „nach der Schrift" (VV.3b und 4b). Diese Formel erscheint zweimal, und sie betont, dass der Tod sowie die A uferstehung Jesu die Erfüllung der alten V ersprechen und die V erw irklichung des Plans Gottes gew esen w aren. Das Leiden Jesu bestätigt die V oraussagen der Propheten, es bezeugt die G laubw ürdigkeit und die U nfehlbarkeit

40 V gl. H. S c h ü r m a n n , Das G e h e im n is Jesu. V e r s u c h e zur Jesu slrage, Leipzig 1972, 27.

41 V gl. R. S c h n a c k e n b u r g , Zur io r m g e s c h ic h tlic h e n M e t h o d e in d en E v a n g e lie n to rs c h u n g e n , Zeitschrift für k atholische T h eologie 85/1963/16— 32.

(16)

D IE P A S S IO N C H R IS T I 95

der Hl. Schrift. Auf diese W eise v erlieh das erste apostolische Kerygma, der Erzählung von dem Leiden und dem Tode des Erlösers, das biblische K olorit42.

In den Schilderungen von Synoptikern erscheinen sowohl Zitate aus dem A lten Testam ent, wie A llusionen darauf. Es sind dies vor allem Texte, die einen m essianischen C harakter haben, w elche die Leiden M essias ankündigen, die an gew isse Einzelheiten Seines Leidens erinnern. Zu derartigen T exten gehören die Psalmen: 22 und 69 sowie das Lied vom Leidenden Ebed-Jahw e aus Js 53. Die Texte der Hl. Schrift bilden die älteste Stufe des Berichtes über das Leiden. Sie erschienen bereits in der ursprünglichen, mündlichen Katechese, und dann in der literarischen Q uelle, w elche die Sy­ noptiker benutzten.

Das zw eite Detail in 1 Kor 15,3—8, ist die A nm erkung, dass ,,Christus ist für unsere Sünden gestorben" (V.3) Sein Leiden und sein Tod w aren das Sühnopfer für Sünden. Das Leiden Jesu hat also einen heilbringenden, soteriologischen C harak ter43. In den Be­ richten der Synoptiker begegnet man jedoch nicht einer soteriolo­ gischen In terp retatio n des Leidens. Dies w ürde darauf hindeuten, dass man vor Paulus den sühnopferischen C harakter des Todes Jesu nicht betonte. Deutlich spricht davon erst der Bericht über das letzte Abendmahl: „Das ist mein Blut des Bundes, das für viele v e r­ gossen w ird" (Mk 14,24). Dieser Bericht erschien zunächst selb-' ständig, und w urde später in die Passionsgeschichte eingeschlossen44 Obwohl also die soteriologische Bedeutung des Todes Jesu keinem Zweifel unterliegt, und sie auch in dem ältesten paulinischen G laubensbekenntnis erw ähnt wird, m üssen w ir doch mit G. S c h n e i d e r darüber einig sein, dass in dem archaischen Schema noch keine Spuren einer derartigen Interpretation vo rh an ­ den w aren 45.

Eine nächste Etappe in der Entwicklung des Passionskerygm as w ird durch die Reden in der A postelgeschichte gekennzeichnet, w elche die archaische Ü berlieferung der ursprünglichen Kirche

42 V gl. K. H. S c h e l k l e , Passion Chris ti — G eschic hte und D eutu ng, in: T h e o lo g ie des N e u e n T e sta m e n ts, Bd. 2: G ott w a r in Christus, D üsseldorf 1973, 106— 107; R. S c h n a c k e n b u r g , N e u t e s t a m e n t l i c h e Th eolo gie. Der Sta nd der F orschung, Leipzig 1969, 68. G. S c h n e i d e r ist der A nsicht, dass die in der P assion sgesch ich te zitierten T exte des A lten T estam ents nicht die Erfüllung der V oraussagen G ottes b ew eisen sollen, sondern die V ollziehung der von Gott g e ­ planten H eilsgesch ich te (Passion, 25).

43 V gl. W. T r i l l i n g , Der To d Jesu. Ende der alten W e l t z e i t (M k 15,33—41), in: C h r i s tu s v e r k ü n d ig u n g in den s y n o p t is c h e n E vangelien, Leipzig 1968, 205; H. Z i m m e r m a n n , N e u t e s t a m e n t li c h e M e t h o d e n le h r e . Darstellung der historisch- - kritischen M e t h o d e , Leipzig 1967, 158.

44 V gl. W. T r i l l i n g , Tod, 207.

45 G. S c h n e i d e r , Passion, 26. Siehe auch S. S c h u l z , Die S tu n d e der B otschaft, Hamburg—Zürich2 1970, 122.

(17)

96 J A N U S Z C ZE R SK I

anführen. In seiner ersten A nsprache am Pfingsttag kündet Petrus: ,,Jesus den N azoräer ... habt ihr durch die H ände der G esetzlosen ans Kreuz geschlagen und um gebracht. Ihn hat Gott auferw eckt ' (Apg 2,22 24) . Die Leidenserzählung ist hierin um neue Tatsachen

b ereich ert w orden: Jesus w urde ausgeliefert und an das Kreuz angenagelt. Zum Tode, zum Begräbnis und zur A uferstehung Christi, kommen die Kreuzigung und die A uslieferung an Pilatus, d.h. der röm ische Prozess noch hinzu. Die neuen Elemente in dem K erygma vom Leiden des Erlösers hatten jedoch keine historische sondern eine theologische Aussage. Jesus w urde hier als unschuldig leidend und von allen verlassen gezeigt.

Die historische Bearbeitung erfolgte w ährend der Schlussphase der G estaltung der m ündlichen Ü berlieferung, Das Passionskerygm a w urde dann chronologisch geordnet und um viele Tatsachen b e­ reich ert46.

M an kann somit dank der M ethode der Form geschichte gewisse Etappen der Entwicklung der Erzählung von dem Leiden Christi verfolgen. W ährend der ersten Phase bekundete man den Tod Jesus auf dem Kreuz, und seine Grablegung. Der Bericht über diese Ereignisse ist der älteste. W ährend der zw eiten Phase fügte man die Kreuzigung und den Prozess vor Pilatus hinzu. Die dritte Etappe h atte die Szene des Synedrium verhörs beigesteuert und w ahrscheinlich die Perikope von dem leeren Grab. Die letzte Stufe bildeten Ergänzungen von historichem C harakter sowie die Ein­ fügung von verschiedenen geringfügigen Episoden, die bis dahin ein­ zeln überm ittelt w urden, wie die Episode mit Barabbas. Der Entste­ hung des ersten literarischen Textes über die Passion Jesu, des M arkus Passionskerygm as ging w ahrscheinlich die Episode der Salbung in Betanien (Mk 14,3 9) und die A bendm ahlserzählung (14,22 25) voran.

So ist w ahrscheinlich der W erdegang der synoptischen Erzäh­ lung von dem Leiden und Tod des Erlösers gewesen.

46 V gl. H. Z i m m e r m a n n , J e s u s Christus. G eschichte un d V e r k ü n d ig u n g , Stuttgart 1973, 28.

Cytaty

Powiązane dokumenty

Można więc powiedzieć, że kształtowaniem kreatywności dzieci i młodzieży zajmują się głównie osoby, które „wykazują niską motywację do innowacji [...],

The fact that the border and border crossings are going to play an im- portant role in the story can be inferred from the first pages of the book with Grande’s

Thus, the aim of this article is to explore, present and clarify the cultural differences between East (represented by Muslim countries, specifically Iran and Afghanistan) and

Opinie ekspertów będą zgodne co do wartości logicznych zdań atomowych: dla wartości bliższych 0 zdania te będą oceniane jako prawdziwe, natomiast zdania takie będą oceniane

Taking into consideration the fact that during rescue oper- ations, fire-fighters may be exposed to terrorist situations, the aim of this study was to determine whether or

"Die Lehre der hochmittelalterlichen Theologen von der vollkommen. Erkenntnis Christi",

Szaleństw o m ordów ludności polskiej p rzez nacjonalistów ukraińskich obejm ow ało całe tery to riu m Południow o-W schodniej II R zeczpospolitej Polskiej..

Consequently, a common social and economic interest in revitalization is understandable in any scale, especially in respect of degraded urban areas, including the