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Die Zukunft, 4. Mai, Bd. 35.

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Academic year: 2022

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Berlin, den 4. Mai 190»1.

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OesterreichischeSorgen.

err vonKoerber,Oefterreichs Ministerpräsident,isteinFrühaufsteher.

J Wieunsjüngsteinsehr illustrirtesBlatt erzählte,nimmterumsechs Uhr morgenseinenTellerSuppezusichundum achtUhr KaffeemitMilch.

Umso reichlicherläßterden imReichsrathevertretenen Völkernauftischen.

FürdieLandesfondseineLiebesgabevon jährlichen20Millionen Kronen, für Eisenbahnen483 Millionen, fürKanäle 250 Millionen; für Fluß- kegulirungen, fürdieAssaniruugPrags, für allerhand Unterrichtsanstalten soll vorgesorgtwerden. Danun dasBudgetbereitsheutepassiv istund derVoranschlagdesJahres1901 nur dann denminimalen Parade-Ueber- schußvon 834241 Kronen aufweist,wenn man dieKontrahirungeiner RentenschuldimBetragevon24Millionen Kronen alsBedeckunganzu- erkennen die Gütehätte,so folgt, daßdieWiedergeburtderösterreichischenBer- fassungauseinempolitischenundnationaleneinfinanziellesProblem geworden ist—NothwendigerWeisewirdFrau Austria wieman zusagenpflegt anden Geldmarkt appelliren.UntereinerMilliardeKronen wirdeskaum abgehen,daja auchderBeitragderdiesseitigenReichshälftezurNeubewaffnung UnsererArtillerie innichtallzu ferner Zeitwirdbestrittenwerdenmüssen.

Obwohlsich diese Engagementsnur inEtappenentwickeln werden,sowird dochderZinsendienstderOperationeineneuerlicheundganznamhafteVer-

njehtllngderJahresausgaben darstellen,zu derenBegleichunggrößereSteuer- emgätlgeerforderlichsind. Schon heutesollen behufs Verabreichungjener LiebesgabeandieLandesfonds 20 Kronen perHektoliteraufdieBrannt-

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weinsteuer zugeschlagenwerden. Die Regirungwäresehrgernbereit,zu einernoch ausgiebigerenSteigerung dieserKonsumabgabedieHandzu bieten.

Undso knüpftandasfröhlicheEndedesHerrnFinanzministersDr.Kaizl, der dieZuckersteueraufGrunddesabsolntistischenParagraphen14erhöhte,der fröhlicheAnfangdesjetzigenHerrn FinanzministersDr.vonBöhnuBawerkan, der dieselbeProzedurfürdieBranntweinsteueraufkonstitutionellemWegeplant.

VondengutenLeutenzu reden,die dazahlenundkonsumiren, ist längstnicht mehrMode. Esist jarichtig: ohne sie gingeeseigentlichgar nicht, undDas ist unbequemgenug. Vieleinträglicherundklügerist es,jeneLeute reden zumachen, durchderenmitunter klebrigeFingerdererwartete Goldbachströmensoll.DasindvorAllem dieBörsenundihre journalistischen undpolitischenZutreiber. DasHerz geht ihnen aufnndderMnnd über im AngesichtdesMilliardengeschäftes.Dann dieBauunternehmer,die Lieferantenvon Eisen, Ziegeln,CementundAllem,was drum nnddran hängt.Danndie lokalenInteressenten,dieOrtschaftenanderneuen Bahn, dieStädtelängsder Kanallinie, dieEigenthümerbishervonUeberschwemmungen gefährdeterLandstriche.Sie Allegebeneinen brausendenundmächtigen Chorus. Noch sind siesämmtlichberufen, nochistKeinerauserwählt,Keiner zurückgestoßen.Siehoffen.

NebenphantastischenundegoistischenProjekten findetman in dem Jnvestitionprogramm dringlicheundnützlicheDinge,wie denDonau-Oder- Kanal, dieTauernbahnund einige Lokalstrecken.Gerade diefer Umstand aberzwingt vielleichtauchdiemehrkritischveranlagtenPolitiker, so manche Contrebande mitin denKaufzunehmen,die alleinkaumpassirenwürde.

Dazu gehörteinestrategischeLinie inGalizien,die35Millionen Kronen kostet. Dazu gehörtdievon derRegirung beanspruchteRefundirungvon 80Millionen Kronen Kassenbeständen.Diehaben ihre eigene Geschichte;

undda derKampfum diese80Millionen voraussichtlichimMittelpunkt despolitischenInteresses stehenwird,istesderMühe werth, siezuerzählen.

Seit Jahren galtesinOesterreichfür besonders schlau,einfalsches BudgetaufzustellenDieEinnahmenwurden zu kleinveranschlagt.Das erschiensparsam.DieBedenkeneinzelner Parlamentarier wurdenmitdem Hinweis beschwichtigt,esseinothwendig,denStaatshaushalt nur so-somit einemknappenUeberschusfezubilanziren,weilsonstderNimmersattMili- tarismus durchdieAufzeigung namhafter Ueberfchüssezuunstillbaren Forde- rungen gereiztwürde. DieSteuereingängeflossenJahrumJahr reichlicher ein, alspräliminirtwar. JndenKaffendesFinanzministeriumswuchsen dieBaarbeständeundtrotz derVerschuldungdesStaates undderArmuth derBevölkerungschwammdieRegirungimmer imGelde. DieFolgedavon war zunächstein übelangebrachterKonservativismus in deröffentlichenGeld-

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Oesterreichische Sorgen. 177 gebahrungDerösterreichischeKassen-undBuchhaltungdienstist höchstschwer- fälligundunökonomisch.Diemodernen undpraktischenEinrichtungender k. k.Postsparkassewerden vom Staat selbstnur ingeringemMaße benutzt·

EinreichlichererErsatzderBaarzahlungenundGeldsendungendurch Check undClearingwürdenamhafteSummen ersparen.NebendemGelddienst der k. k.Post läuftjenerderösterreichisch-ungarischenBank,diedurchdas neue Statut halb verstaatlicht ist,undjenerder k. k.Finanzämterundjener der k. k.Staatsbahnen. Währenddie eineAnstaltGeldhinsendet, schickt die andereGeldher.VonübereinstimmendenIntentioneninBezug aufdie PropagirungoderZurückziehunggewisserMünzsortenundBanknoten ist nichtdieRede.-Baldüberschwemmtman einenPlatzmitHellerstücken,bald entziehtman ihmdenletztenZehnkronenschein. Unsere Währung befindet sichnämlichungefährseit zehn Jahrenineinemschier endlosen Uebergangs- stadium,daszu allerleiMünz-«undStückelungexperimentenauf Kostenvon HandelundWandel herrlicheGelegenheitbietet. WirhabeninFolgever- alteterOrganisationundsteckengebliebenerReformeneinkostspieliges,lang- sames undunbequemesZahlungwesen.

Eineandere KonsequenzdesUeberflussesunkontrolirter Baarbestände traterstunter demZeichendesEnde1897 ausgebrochenenVerfassungskon- flikteszuTage. DieErhebungderSteuern,ja,selbstdieAenderungund Erhöhungeinzelner AbgabenwurdeaufGrunddesParagraphen14durch- geführt,wobeiman allerdings,bei derOktroirungderZuckersteuererhöhung, dieErfahrung machte, daß jedesweitereFortschreiten aufdiesemWegenur unter demSchutzderBajonnette möglichsei.DieFinanzministerderKon- fliktsperiodewaren alsoaufdieregelmäßigenEingängeundderennatürliche Steigerungangewiesen. Jrgendeine größereJnvestitionkonntensie nicht machen,dasie nichtinderLagewaren,eineAnleiheunterzubringen.Sowenig

erfreulicherWeise derKredit desösterreichischenStaates unter den UngeschicklichkeitendesHerrn GrafenBadeniund seinerNachfolger gelitten hat- so beharrlichbliebderinternationale GeldmarktgegenüberdemPara- graphen14zurückhaltendundmißtrauischDennderösterreichischeAbsolutis- mus desParagraphen14unterscheidetsichsehr wohlvondemgrundsätzlichen AbsolutismuseinesStaates wieetwaRußland.DerFall,daßeinNach- folgerdesZarendievon seinen Borgängernkontrahirten Schulden nicht anerkennenoder daßdieJnaugurirungeinesBerfassunglebens nach west- eUlkvpäifchemMusterinRußlandmitZerreißungderaltenSchuldtitresbe- gonnen würde,istvollkommen ausgeschlossen.Das Gegentheilwäremit Staatsbankerott gleichbedeutend. Ganzanders liegtdieSacheimReichdes Paragraph14-Absolutismus. Bekanntlich bestimmt dieser Paragraph,daß die mitBerufungaufdasvon ihm statuirte Nothverordnungrechterlassenen

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kaiserlichenVerordnungennur solangeinKraft sind,wieihnen nichtdie VolksvertretungdieZustimmung versagt hat.Es schwebt alsoüberjedem VertragundjederVerpflichtung,die derStaat Oesterreich aufGrund des Paragraphen14eingeht,dieGefahr, daßdasParlamentdenbetreffendenVer- tragoder diebetreffendeVerpflichtung fürnullundnichtigerklärt. Eine Anleihe,dieohnedieErmächtigungdesösterreichischenReichsrathes auf Grund desParagraphen14begebenwürde, kannvonderVolksvertretung gutgeheißen,aberebenso gut nachträglichfür unverbindlicherklärtwerden.

OesterreichischeParagraph14-Rente wärealsoeinedurchaus nicht sichere Kapitalsanlage.DieHerrenFinanzministerderKonfliktsperiodehabendeshalb kluggenugdarangethan,von derBegebung solcherRenteabzusehen,wobei ihnenallerdingsdieentschiedeneundauch durchdasAnerbieten sehr hoher AuszeichnungennichtzubesiegendeWeigerung sonst keineswegspruderwiener FinanzrnännerzuHilfegekommenist.

JndieserZeitdesVörsencölibateswaren die inbesserenTagenan- gesammeltenKassenbeständeTrostundZufluchtdesFinanzministeriums.Und sogründlichwurdejenem Trostzugesprochen,daßderjetzigeSchatzkanzler

amzwölftenFebruar diesesJahresimAbgeordnetenhauserklärte, dieKassen- beständeseienverthan;oquaemutatio rerumi DieGeldnothsderHerrscher war von je hereinBollwerk desParlamentarismus. Die Gelduothdes österreichischenFinanzministeriums isteinederHauptursachengewesen,warum dieregirendenKreiseinOesterreichihr konstitutionellesHerzwiederentdeckt haben, nachdem sievierJahre langdenParagraphen14Orgien feiern ließen.

Herrvon Koerber isteinFrühaufsteher.Als erdas schwereAmt desösterreichischenMinisterpräsidentenübernahm, galteiner seiner ersten GedankenderfinanziellenKräftigung seines Regimes. Je wenigererder dauerndenWiederbelebungdesösterreichischenParlamentarismustrauenkonnte, um so mehr mußteeraufeinen Kriegsschatzbedachtsein,derihm ermög- lichenwürde,neuerliche PeriodendesParagraphen14unversehrtzuüber- stehen.SeineHoffnung hatteerbereitsaufdasRiesenschiffderJnvestition- vorlagegesetzt.Wollten dieAbgeordnetenBahnenundKanäle,dannmußten sie politischenZankundnationalen Hader zurückstellen.Auf dieser Logik beruhtHerrnvon Koerbers Sanirungplan fürdenReichsrath. Auf dieser Logikberuht auch sein Sanirungplan fürdenReichsschatz.Wollendie Ab- geordnetenEisenbahnenundKanäle,dannmüssensiedemStaat 80Millionen Kassenbeständebewilligen.AllesUebrigeist Formalität.Der Titelfürein solchesGeschäftsindet sichimmer. Diesmal istmanfehr plumpvorgegangen, wohlindernichtganzunrichtigen Erwägung, daßdieklarsten Lügenam Leichtestengeglaubtwerden. DieRegirung sagt: Jm Laufdervierjährigen Konfliktsperiodewurdenfürallerlei Eisenbahninvestitionen114 Millionen

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Oesterreichische Sorgen. 179 Kronen ausgegeben.EigentlichhättedasParlament sieganzzuersetzen.

EdelmüthigbegnügtsichdieRegirungmit80Millionen. Esliegtmir fern,dieThatsachezubezweifeln, daßdieverschiedenenRegirungender Konslittsperiodenachundnachfür114Millionen Kronen im österreichischen StaatseisenbahnwesenJnvestitionengemachthaben. Wohlaberistzufragen:

AufGrundwelchenGesetzeswurdediese Summe verausgabt? AufGrund keinesGesetzes, sondern aufGrund jenerkaiserlichenVerordnungen,laut derensichdieRegirungenmitHilfedesParagraphen14selbstdasBudget bewilligt haben. Diese Verordnungenkönnenvom Reichsrath genehmigt oderauch abgelehntwerden. AufkeinenFallgehtesan, eineneinzelnen Theil dieserBudgetverordnungen,einzelneAusgabendesParagraphen14- Eisenbahn-Präliminaresherausnehmenund durch nachträglicheKreditbe- willigungenfundirenzu wollen. DerRegirung handeltessichnichteinmal umdie ErtheilungderJndemnität, sondernnur umdieErtheilungdes Kredites Mansieht:dieRegirung hat sichdieverfassungrechtlicheBegründung ihrer Anforderungen sehr leicht gemacht; sie wußteeben,daßesindieser Frage nicht auf juridische, sondern auf politische Erwägungenankommt.

ListundGewaltgeltennun einmalmehralsdieschönstenGründe.

Die Regirung hat daher zwischenderJnvestitionvorlageund der RefundirungderKassenbestündeeinsogenanntes Junktim geschaffen.Das ist wieichglaube einspezifischösterreichisch-ungarischerAusdruck. Er soll besagen, daßdieRegirungnicht gesonnenist, daß Gesetzüber dieJn- vestitionvorlagezurAllerhöchstenSanktion vorzulegen,wenn ihrdaraus der 80Millionen-Kredit gestrichenwird. Unter demBann dieserDrohung stehend,würden dieAbgeordneten,inSorgeum ihreverschiedenenKanäle undBähnchen,gezwungensein,einenReserve-undDispositionfondszu be- willigen,derHerrnvonKoerber für absehbare Zeit gestattete,die Völker Oesterreichsdurch seine Ministerpräfidentschaftzubeglücken,auch wenndes widerspenstigenParlamentes Zähmung sich alseinTheatertraum herausstellen sollte. Freilich istzubefürchten,daßderselbeGedanke, mit dem derPremier diewirthschaftlichenNeigungendesReichsrathesvorseinenWagen spannt, auch ihmgegenüberingewissenKreisen gehegtwird.

NebendenzahlreichengeschriebenenPrivilegiendesböhmischenFeudal- adelsgiebtesaucheinungeschriebenes,abermitdergrößtenHartnäckigkeit vertheidigtes.EsistdasPrivilegium dieser Kaste,dieerstenStellen im Staat mit ihren Angehörigenzubesehen.Jn denAugender »achzig Familien« istderjetzigeMinisterpräsidentnichtvielmehrals einTrocken- Wohner.SeineAufgabe bestehtdarin, dasRegirungsgebäudewiederwohnlich zUmachen, auf daßEinervon denganzExklusivendie»Chose«wieder über- nehmen könne,ohne sichmitallzu großerundallzuordinärer Arbeitabgeben

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undinsbesondere nichtmitsinanziellenVerlegenheiten,,sretten«zumüssen.

Je empfindlicherdaskonstitutionelleGewissendesösterreichischenAbgeordneten- hauses,je härter seine HandbeiGeldbewilligungen,je schwierigerdeshalb anscheinenddieSituation derRegirung seinwirdundje unentbehrlicherder ApparatdesCentralparlamentes bleibt,umso wenigerwirdjeneGrand- seigneursdieLustanwandeln,einTänzleinzuwagen, dasunter solchen Verhältnissendochimmernur einviel Selbstverleugnung,GeschickundAus- dauererforderndesEiertänzleinsein müßte.WennderösterreichischeMinister- präsidentklug ist, so läßterdemReichsrath seinevollen Bedenkenundsein gutesRecht, soerblickterin demErstarlendesMachtbewußtseinsderVolks- vertretungdiebesteSchutzwehr für sein eigenesKabinet,so verzichteterauf das80-Millionen-Junktim. Herrvon Koerber isteinFrühaufsteher.Man kannmanchmal auchzufrüh ausstehen-

Wien. Dr.Otto Lecher,

MitglieddesösterreichischenReichsrathes.

M

Lenz

Man. muß ichwieder Blumenglocken läuten, qu Silberstrahlen durchdieWälder gehn, 21115SonnenfädenFlügelmir bereiten Und mit denFalternüberRosen wehn.

Jn weißen Kelchen muß ich ruhnundträumen, Wieweiße Schwäne aufdem dunklen Teich, Und wenn am Strand dieWellen müdverschäumen, Tancht stillempor daSblasse Ziiärchenreich

WoVeilchen duften,dort willichmir wählen- Jn blauer NachtdieStättefürden Schlaf... Goldelfenkann imTraum ichdann erzählen, Daßich aufErden ihrereinetraf.

Ha111b11179. Theodor Suse.

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MillalsKritikerderDemokratie 181

Mill als Kritiker der Demokratie.

Maigroße europäischeDenkerschulenhaben fich bemüht,denBegriffdes politisch Sachverständigenzuschaffen:diePosttivisteninFrankreich, die Utilitarier inEngland,dieHistorikerinDeutschland.Alle dreiSchulen knüpfenanaltewissenschaftlicheTraditionen an. Alle dreispiegelndenGeist der Nation,aus derenSchoß sie geboren sind.Alle dreisuchen,mitallen HilfsmittelnderGelehrsamkeit,derwissenschaftlichbearbeitetenErfahrung, dessystematischgeschultenDenkens und der«national wirksamenBeredsam- keit,denBolksgenossenihre Bemühungenzugänglichundmundgerechtzumachen, ja, scheuen,aus taktischenGründen, mitunterselbst nichteinmalkleine Ge- wissensopfer, huldigen sogar,um dieallgemeineBeachtungzuerzwingen, nationalenBoreingenommenheiten,die in der reinenAtmosphäreihrerStudir- stuben nicht bestehenkönnen.Und alle dreiSchulen stehenbestürztvordem selbenkläglichenErgebnißihrer Bemühungen:von derMehrheit nichtge- kannt undbei einerneunenswerthenMinderheit nichtanerkannt zusein.

Mir scheint diesebetrübendeErscheinungnicht genügenddurchdie Schwierigkeitenerklärt, die denVersuch begleiten,daspolitischeMeinen und Sollenzuobjektiviren,dennesgiebtkeinenirgend mehralsäußerlichge- bildetenMenschen,der nichtdieHobbes, Comte, Mill, Carlyle, Taine, Mommsen,MarxmitdauerndemNutzen gelesenundausderBekanntschaft mitihnen seine politischeReife hergeleitethätte.Diesozialphilosophischeund historischeLiteratur enthältwenig paragraphirtes Wissen,abersie istreichan Mittheilungen,die dasUrtheil richten,denGesinnungenMark,denBegriffen Gewichtgeben; sie besitztkeineLehrbücher,wohlabereineSchatzkammervon Lern- undLesebüchern,die zuGeistern überzeugenderredcnalsjedeSumme demonstrirbarerWahrheiten.AberDas istsjaeben: dieGeister fehlen, weilesanZeit gefehlthat, siezubilden,bissie, geläutertdurchalleZwischen- stuerelementarer Erziehung, fähig sind,dieöffentlichenAngelegenheiten mitderGewissenhaftigkeitzubehandeln,diesie fürdaspersönlichsteInter- essestetsbereithalten. DieDemokratisirungdereuropäischenDenk-und Lebensgewohnheitenist so schnellüberuns gekommenundgreift, manchmal fast ohne äußerlicheUebergänge,so rasch aufalle anderenVerhältnisseüber, PaßdieMassederZucht jener Urtheilsbildner entwachsenist, ohne je durch Ihre Schulegegangen zusein.JohnStuart Mill war einerderersten Denker,dieaufdie dereuropäischenGesellschaftdaraus erwachsendenGe- fahrenhingewiesenhaben,war derersteDemokrat von überragenderBedeu- tfmgsder dieGefahrenderDemokratie ebensogründlicherforschtwie rück- sIchtloserörterthat. Dasmacht seineKritikdauernd lehrreich.

DerjüngereMill starb1873 und hinterließdenRuf, einer der

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radikalsten politischenDenkerundPraktikerEuropas gewesenzufein.Er hinterließauchdenRuf,einerderradikalstenAnti-Metaphysikergewesenzu fein.Erwar ichhabeesimvierzehntenBandevonFrommansKlassikernder Philosophiezuzeigen versucht wederdasEinenochdasAndere. Er war überhauptkein radikalerNeuerer, sonderneinegeniale Kompromißnatur, dieaus allen ihr zugänglichenMittelnderBelehrungeineShnthefezu schaffensuchte, stets bemüht,jedesDetail derWissenschaftwiedesLebens für diese Synthefezu nutzen. SomußtedieNatur beschaffensein,die be- rufen-war, achtzehntesmitneunzehntemJahrhundert,Rationalismus und AufklärungmitErkenntnißkritikundHistorismuszuversöhnen. Auchim Politischen.WerdieEntwickelungseines Geistes kennt, weiß,daß sie einer stetig fortschreitendenBereicherungdesvonJeremias BenthamundvomVater ererbten Utilitarismus gleichtundsoweitfortschritt,bisderCharakterder zuletzt gehegten,wenn auch noch nicht öffentlichbekanntenMeinungen (der Todtratdazwischen)dereigenenSchule Aergernißgaboder unverständ- lichblieb. KurzsichtigeBeurtheilerMills wollengeradeanfeinen politischen Meinungen Sprunghaftigkeit; jähen, objektivnichtmotivirten Stimmung- wechfelentdecken undsind geneigt,inihneneinnicht organischesGemengfel vondemokratischen,liberalistischenundsozialistischenElementen,einSchwanken zwischenFreiheitundGebundenheit,Jndividualismus undSozialismuszu sehen.Weraber,ohnevon diesemVorurtheilblindgemachtzufein,andas Studium vonMills eigenenSchriften herantritt,wird mitUeberraschung bemerken,daßervon seiner PhilosophiederPolitik seitderUeberwindung desBenthamismus zwischen1830 bis40keinenPunktvon prinzipieller Bedeutung mehr aufgegeben hat. DiesenBeweisliefern,nebensämmt- lichenkleinerenSchriften,dieAufsätzeüber dieEivilisation(1836),über TocquevillesBuchüber die Demokratie inAmerika(1840),überBentham (38)undEoleridge(40),derTraktat über dieFreiheit(59),dieBetrach- tungen überdieRepräsentativverfasfung,endlichdienachgelassenenKapitel über denSozialismus (1879). JnkeinerdieserSchriften verleugnetMill dasein Lebenlang gehegteIdealeinerorganisirtenDemokratie, aber die kri- tische StimmunggegendiereinepolitischeDemokratie kommt,unter der mächtigenEinwirkungEomtesundTocquevilles,indenerst genannten Auf- fätzenbesondersstarkzum Ausdruck. Jhre Analyse ist daheramLehrreichsten.

Der Aufsatzüber dieCivilisation betrachtet auch vorzugsweisedie Thatsachen, aufdie diefortschreitendeKultur imtechnischenSinn dieAuf- merksamkeitdenkenderGeister gerade heutemitMacht hinlenkt:denUeber- gangderMachtvon einzelnenIndividuen undkleinerenGruppen aufdie Masse;unddenUmstand, daßdieWichtigkeitderMassenbeständigwächst»

die derJndividuenbeständigabnimmt. Was sind,fragt Mill,dieUrsachen undnamentlichdieFolgen dieses Gesetzes?

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MillalsKritikerderDemokratie. 183

Der BesitzderMacht istanzweiGrundbedingungengeknüpft:das.

Eigenthumist die eine,geistigeEnergieundBildungdie andere. Bisan dieSchwellederGegenwartwaren nun Eigenthumund Einsichtineiner kleinerenZahlvonHänden konzentrirt,derMasse fehltedieFähigkeitdes Zusammenwirkens: daher ihre OhnmachtdenBesitzendenundBrvorrechteten gegenüber. HerrenundHörige,BevorrechteteundRechtlose, FreieundLeib- eigene:Das waren dieGegensatzpaare,die dasWesenderFeudalzeitkenn- zeichneten.EinMittelstand fehltezwarimbuchstäblichenSinn desWortes nicht,abererwar alsKlasse geringan Zahlund ohneEinfluß. Diese äußereFormderGesellschaftändertesichundmitihrdie innere. DieArn- derungtrat einmitdemallmählichenEntstehenderHandelundGewerbe treibenden Volksschichten, alsomitdemEmporkommenderMittelklassen;

gleichzeitigwirdaufdemLandedieLeibeigenschaftaufgehoben, Pacht-und Bauernwirthschaften nehmeneinengroßen Umfangan und schaffen auch unter denLandwirtheneinenintelligenten Mittelstand. DiemateriellenBe- dingungeneinersolchenAenderungdesBauesderGesellschaftwerdenindiesem Aufsatzvon Mill nur angedeutet;erweistabernachdrücklichdarauf hin, welcheVeränderungenin denEinrichtungen, Ansichten, Gewohnheiten,kurz dem ganzengesellschaftlichenLebendenWechseldesökonomischenSystems begleiten.Mit demMittelstand hat sich,-zunächstinmateriellerBeziehung, derArbeiterstandin denHauptkulturländerngehoben;erzieht,inFormvon immersteigendenLöhnen,einenimmer größerenTheildesProduktesderNa- tionalwirthschaftansich.UndmitdemBesitz wächstdieBildung, wächst dieFähigkeit,sichzuorganisiren.DieFolgen sindklar. DiepolitischeMacht fängtan, vonder kleinerenGruppe Bevorrechteter aufdieMassen überzu- gehen,undzwar inumso höheremMaße, je mehr siedieBedeutungdes ge- meinsamenZusammenwirkensals einesentscheidendenpolitischenMachtfaktors erfassenund Demgemäßhandelnlernen.DiesesZusammenwirkenmuß gelernt werden,essetztZuchtvoraus in denMenschenundisteinwichtigesAttributder Civilisation.Diesen »GeistderVerbindung-«unter denarbeitenden Klassen nennt dennauchMill diewichtigsteallerneuen ErscheinungendesGesell- schaftwesens.Ein ihmdienendes Mittel istdiePresse unddiedurch sie vertreteneodergeschaffeneöffentlicheoderMassen-Meinung Dieserwunder- barenSteigerungderphysischenund geistigenKraftdesVolkesgehtaber nicht entferntein Anwachsen geistiger Energieund sittlicher Tüchtigkeit Unterdenbisherigen Machtinhabern parallel.Darum istdieDemokratie eineunvermeidlicheThatsache.Dermüßte,meintMill,einarmsäligerPoli- tikerlsein,dernicht weiß, daß jede heranwachsendeMachtimStaate sich schließlichauchmitguten oderschlechtenMitteln immer denWegzurRe- gikungbahnenwird. Soübtheute, nochbevordieVerfassungeines Landes

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184 DieZukunft.

demBuchstaben nach geändertist,dieMasse doch schon thatsächlichdie po- litischeHerrschaftinihm, inFormderöffentlichenMeinung.

Vondersozialen Gefahr,die mitderdemokratischenGestaltungder europäischenGesellschaft verknüpftist, sprichtMill an dieserStelle nur

vorübergehend,abergenau indemSinne seinerdemgleichenGegenstande gewidmetenSonderschriften;ergelangtzuderFolgerung, die Massen durch ErziehungundBildung fähigzumachen,dieHerrschaftzu üben.Besonders eingehend besprichtderPhilosophdieschädlichenFolgen,diejede Herrschaft desDemos fürdieAusbildungdesindividuellen Charakters hat. Mit demFortschrittderCivilisationwirdderMenschinseinen dringendstenund nächstenInteressenimmermehrvon denallgemeinenEinrichtungenderGe- sellschaftund indemselbenGrad immer wenigervonseinen eigenenBe- mühungenabhängig. SicherheitderPerson, SchutzderFamilieunddes Besitzes verbürgtheuteder Staat, dieeingetreteneMilde derSitten macht diefrüher nothwendigeWachsamkeit überflüssig;esbleiben nur nochdie Eitelkeit,dieRuhmsucht,dasStreben nach persönlicherAnerkennung,vor AllemaberdasVerlangen nach ReichthumalsHauptquellen fürdieAn- spannungderindividuellen Energie. Heuteüben derRichter,derSoldat, derWundarzt,derMetzger,derNachrichter getrennt Funktionenaus, die früher meisteineinzelner Menfch selbst verrichten mußte··Wir sind zwar beidiesemGangderCivilisationliebenswürdigerundmenschlichergeworden;

dievereinigte HerrschaftderMasse,der öffentlichenMeinungundderge- schäftlichenKonkurrenz hatdasLaster vielfachsehr wirksamenEinschränkungen unterworfen,viele abergläubigcVorstellungen sind gewichen, Bildungund Gesittung stnd allgemeinergeworden,aber wirhabenanHeroismus eingebüßt.

Schlaffheit, Muthlosigkeit,VerweichlichungsindZeichenderZeit, sind Eigen- schaften geradeder raffinirlestenKultur, die,um einmodernes Wortzu gebrauchen,unter demZeichendesFeminismus steht.Das hängteben damit zusammen, daßdasIndividuumsichin derMengeverliert. Umdie Aufmerksamkeitauf sichzu lenken,mußman dieallerschrillstenTöne anzu- schlagenwissen; sonst gehtdieeinzelneStimme imallgemeinenverworrenen Getöseverloren. DerErfolg hängt nicht mehrvonDem ab,wasman ist, sondernvon Dem,was man zu seinscheint. Marktschreierei,Charlatanerie reißenein;dieöffentlicheMeinungverliertdieeinfachsten Unterscheidung- zeichendesVerdienstesaus demAuge. Diese steigendeBedeutunglosigkeit desJndividuums gegenüberderMasseverdirbtschließlichdie Quelle,woraus dieVervollkommnungderöffentlichenMeinung selbst entspringen soll: sie verdirbtdie,öffentlicheUnterweisung;dieLiteratur hat jaunterderallge- meinenKrankheit mehr gelittenalsirgendeineArtderProduktion. Nicht wer am Weisesten, sondern,wer amHäufigstenspricht, hatdasOhrdes

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