EHE UND FAMILIE
IN DER FRUHLATEINISCHEN APOLOGETIK
(Minucius Fe!ix, Tertulłianus)
Die frńhchristliche lateinische Apologetik erhebt um das Jahr 200 n.Chr. ihre Stimme mit zwei sehr unterschiedlichen PersOnlich- keiten: Minucius Felix und Tertullian. In der Tat kBnnte der Gegen-
satz kaum grBBer sein: Von dem einen besitzen wir nur ein schmales BBchlein, den Dialog "Octavius" /der obendrein noch f^lschlich ais Liber Octavus des Arnobius Hberliefert worden ist/, von dem anderen dagegen eine stattliche Reihe von Schriften. Der eine ist ais Autor Traditionalist, er geht gedanklich und stilistisch wohlbekannte Wege
er will das Christentum Terteidigen und Yerbreiten mit den Argumen- ten der heidnischen Philosophenschulen. Der andere dagegen geht
durchaus eigene Wege: Ais Stilist schreibt er ein fCr seine Zeit modernes, cft nur mit Schwierigkeiten zu entschlHsselndes Latein;
ais Person geht er den Weg vom Heidentum zum Christentum und schlieB lich vom Katholizismus zum Montanismus.
Fragen wir uns, wie die Stellung dieser beiden so gegensStz-
lichen MHnner zur Frage der Ehe und Familie ist, so fRllt die Antwor ebenfallś gegensRtzlich aus Minucius Felix behandelt dieses Thema
nur punktuell. So betont er gegen die heidnischen VorwHrfe der
Blutschande unter den Christen, der Unzucht bei der Agape und der
Verehrung der Genitalian der Priester mit Nachdruck die SiUenrsin- heit seiner Glaubeasgenossen:
"Diese und Hhnliche Schamlosigkeiten dHrfen wir nicht
elnmal mit anhBren, ja es wRre schon schimpflich, sich auch nur ausfHhrlicher gegen solcha Vorwdrfe zu
Terteidigen..."i ... "Wir tragen unsere Schamhaftigkeit nicht zur Schau, sondern hagen sie im Herzen, Gerne
halten wir fest an dem Bandę einer einzigen Ehe.
Wir erkennen, um unser Geschlecht fortzupflanzen, nur
eine einzige Frau oder abei gar ksine Rein sind
i OctaTius 29,1, CSEL 2,42: "Haec et huiusmodi propudia nobis non licet nec audire, etiam pluribus turpe defendere est",
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unsere Reden, reiner noch unsere Leiber. Viele erfreuen sich der steten Jungfrdulichkeit ihres unberdhrten Kdrpers, ohne sich dessen zu rdhmen. Ja so fern liegt uns jede unreine Begierde, daB
manche sich schdmen, selbst eine ehrbare Verbindung einzugehen"^.
Mit diesen beiden Passagen ist bereits das Wesentliche auf- gefdhrt, das Minucius zum Thema von Ehe und Familie zu sagen hat. Selbst im Rahmen seiner relativ kurzeń Schrift ist das nur wenig und geht gedanklich kaum Hber allgemeine Postulate und Positionen hinaus. Ganz anders Tertullian. Sein umfangreiches 0euvre enthdlt unter den insgesamt 31 Titeln nich weniger ais 6, die direkt oder
indirekt unser Thema berdhren. Es sind dies: i/ Ad Uxorem librl II
2/ De cultu feminarum libri II 3/ De exhortatione castitatls 4/ De pudicitia
5/ De monogamia
6/ De virginibus velandis.
Zu diesen 6 Titeln mit Insgesamt BHchern trltt noch hinzu die
eingehende ErHrterung in "De oratione" 20-22 dber die Verschleierung der Frauen und Jungfrauen beim Gebet mit besonderem Bezug auf die
Aussage des HI. Paulus im 1. Korintherbrief /ii,14/.
Wir haben somit im Werke des Tertullian eine beachtliche Anzahl w
von AuBerungen zum Thema der Ehe. Sie kdnnen hier und heute, in der Kdrze der zur Verfdgung stehenden Zeit, nicht einzeln analysiert
und detailllert interpretiert werden. Vielmehr kdnnen nur die Haupt- aussagen benannt und knapp eingeordnet werden. Wir wollen hier auch
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nicht eingehen auf Tertullians Ubertritt zum Montanismus, obschon dieses Thema mit unserer Problemstellung durchaus verbunden sein kdnnte. Doch es gehdrt einem theologischen Disput zu nicht einem
philologischen Halten wir zundchst fest, daB Tertullian bereits
196/197 n.Chr* das jetzt ais 2. Buch "De cultu feminarum" gezdhlte Buch verfaBte, das in freundlich verbindlichem Tonę die Frauen an-
redet ais "Ihr Mdgde des lebendigen Gottes, ihr meine Mitdienerinnen
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und Schwestern" . Etwas spBter wurde das Thema erg^nzt durch Buch I, Auch dieses redet zundchst die "sorores dilectissimae"^ an, doch in
ganz anderem Geiste:
"Das Weib ist des Teufels THr, des gdttlichen
Gesetzes erste StBrerin ... sie hat den Tod in die Welt gebracht und sogar den Tod des Gottes- sohnes hervorgerufen"5.
Aus dieser heilsgeschichtlich begrdndeten negativen Position des Weibes wird hergeleitet, daB es sich des Schmuckes enthaiten
solle. Auch auf das Buch Henoch nimmt Tertullian Bezug und vertei- digt seine Echtheit. So kann er auch die dort geschilderten, zu
den TBchtern der Mąnschen herabgestiegenen Engel anfdhren ais wei- teren Grund dafdr, daB durch den Putz der Frauen Unheil in die Welt komme, Sdnde und Tod, und daB diese darum sich von Schmuck und
Schminke fernhalten mdssen .
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Einen Schritt weiter gehen die Uberlegungen, der Tertullian in der Schrift "De vlrginibus velandis" und in den diesem Thema
gewidmeten Kapiteln der Schrift "De oratione" anstellt. Hier wird łł
argumentiert fdr das Verhdllen der Frau in der Offentlichkeit. Auch hier dominiert der Gedanke, den Tertullian schon in "De cultu
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feminaru II formuliert hat: Es k&me darauf an,
daB im KBrper der Geist seine Krone erlange, nicht daB dieser die schmachtenden Blicke und die Seufzer
junger Leute auf sich lenke"?.
Es sei jedoch nicht vergessen zu erw&nnen, daB Tertullian keinem M
UbermaB das Wort redet, daB er gegen Schmutz und Unsauberkeit spricht
3 De cultu feminaru et sorores meae".
I I 1 , 1 , CCL 1 , 3 5 2 : " A n c l l l a e d e i v i v i , c o n s e r v a e
4 De cultu feminarui I 1,1, CCL 1,343.
De cultu femlnarum I 1,2, CCL 1,343: "Tu es diaboli ianua, tu es arboris illius resignatrix, tu es divinae legis prima desertrix
propter tuu habuit".
eritu id est morte e t i a m f i l i u s d e i m o ri 5
+
6 De cultu femlnarum I 2,1, CCL 1,344.
De cultu femlnarum II 3,3, CCL 1,356-357: "ut spiritus in ea
coronetur, non ut oculos et suspiria adulescentium post se trahat" 7
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8 ebenso wie gegen allzu aufgeputztes Gehaben
Wichtiger ais diese uns im Grunde immer noch HuBerlich anmuten-den Fragen sind die Probleme, die Tertullian in anmuten-den anderen eingangs genannten Schriften aufwirft. Hier geht es urn die Einehe, prdziser: um die Yerurteilung der Viederverheiratung eines verwitweten
Ehegat-t e Im i . Buch "Ad u x o r e w drRngt er aufgrund theolcgischer Argumenta-tion, aber auch aufgrund heidnisciłer exempla seine Frau, im Falle
seines Todes grunds&tzlich keine neue Ehe einzugehen, in einem 2.
Buch fOgt er die Uberlegung hinzu, daB sie, sollte sie doch eine 2. Ehe eingehen, jedenfalls keinen Heiden ehelichen solle, sondern nur
einen Christen. Hier ist die Argumentation praktisch fundiert, sie beruht auf der Schilderung der miBlichen Situation einer Christin
im Hause eines heidnischen Gatten.
Etwas sp&ter, wohl i.J. 208/9, gibt Tertullian, nun Montanist, einem eben zum Witwer gewordenen Freunde sch&rfere Weisung:
"Eine zweite Ehe wird man nichts anderes nennen miissen ais eine Art Unzucht" . Tertullian fuhrt
zum Beweis Stellen des ni. Paulus /i Cor. 7,27 f./ ebenso an wie Worte der montanistischan Prophetin
Prisca^O.
Man sollte aus dieser Haltung keinesfalls eine Ehefeindlich-
keit Tertullians erschlieBen wollen. GewiB folgt er den paulinischen Sichten und gibt, wie ja auchMinucius Felix,der Jungfraulichkeit den hdheren Ehrenplatz. Doch ist Tertullian andererseits bereit, die
christliche Ebe in hHchsten Tdnen zu preisen, so daB man nicht zu
unrecht gesagt hat, er habe die hBchsteWertsch&tzung der christlichen Ehe in der gesamten Patristik formuliert, w e n n e r auch in der Kasuistf unvolłkommen bleibe^^. Lassen Sie mich darum diese in kurzeń Konturen konzipierten Hinweise auf Tertullians Gedanken zum Thema Ehe schlieBen
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De cultu fe ł,i nar u; II 2,5, CCL i,355.
De exhortatione castitatis 9,1, CCL 2,1027: "Non aliud dicendua erit jjgecundumJ matrimonium quam quasi species stupri".
De eihortatione castitatis 10,5, CCL 2,1030. Cfr W.P. Le
remarriage, trans 1. and
Saint, in: Tertullianus, Treatises on marriage and To łiis wife, An exhortation to chastity, Monogamy,
annot., Ancient Christian Writers XIII, Westminster 1951, 6.
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mit seinem Hymnus auf die Herrlichkeit einer vollkommenen christli- chen Ehe - gewiB einer der schdnsten, vielleicht sogar der schdnste Ehehymnus aus der frdhchristlichen lateinischen Literatur:
"Woher soli ich die KrAfte nehmen, um das GlHck einer Ehe zu schildern, welche vor der Kirche
eingegangen, durch die Darbringung bestdtigt, mit dem Segen besiegelt ist, welche die Engel ansagen
und der himmlische Vater genehm hdlt? Denn auch
nicht einmal auf Erden ist es recht und gesetzlich, wenn die Kinder ohne die Einwilligung der Eltern
heiraten. Welch schdnes Zweigespann sind ein Paar
GlHubige, die eine Hoffnung, ein Ziel ihrer WHnsche, einerlei Lebensweise und dieselbe Art des Dienstes
haben! Beide sind Geschwister, beide sind Mit- knechte, k e m Unterschied ist vorhanden, weder an Geist noch an Kdrper. Sie beten zu gleicher Zeit, sie werfen sich zusammen darnieder, sie
halten zu gleicher Zeit die Fasten, sie belehren, sie ermahnen, sie tragen sich gegensemig. Sie
f m d e n sich in gleicher Weise in der Kirche
Gottes, in gleicher Weise beim Tische des H e r m ein, sowie sie sich auch in BedrHngnlssen, bei Yerfclgungen und in guten Tagen in gleicher
Weise verhalten. Keins hat vor dem andern Heim- lichkeiten, keins meidet das andere, keins wird dem andern zur Last. G e m besucht man die Eran-
ken und kommt dem DCrftigen zu Hilfe. Die Almosen
werden gereicht ohne lange Qu&lerei, das Opfer gehalten ohne Erregung von Verdruss, die tNgliche Beobach-
tung der Religion ist ungehindert. Die Bekreuzung
findet nicht verstohlen statt, die BeglHckwdnschun- gen nicht mit Zittern, der Segen wird nicht bloss
in Gedanken gesprochen. Aus beider Munde ertdnen Psalmen und Hymnen, und sie f o r d e m sich gegen-
seitig zum Wettstreite heraus, wer wohl am besten dem H e r m lcbsingen kBnne. Dergleichen zu sehen
und zu hOren ist ein Gegenstand der Freude f%r Christus. Solchen sendet er seinen Frieden"12,
Bernhard Kytzler
Freie Universit&t Berlin
i2 Ad uxorem II 8,6-9, CCL 1,393-394: "Unde sufficiamus ad enar- randam felicitatem eius matrimonii quod ecclesia conciliat et confirmat oblatio et obsignat benedictio, angeli renuntiant, pater rato habet? Nam nec In torris filii sine consensu patru recte et iure nubunt. Quale lugum fidelium duorum unius
unius voti, unius disciplinae, eiusdem servltutis? Ambo ambo conservi; nulla spiritus camisve discretio. Atqui! duo in carne una. Ubi caro una, unus et spiritus. Simul
spei,
fratres, vere
crant, simul yolutantur, simul ieiunia transigunt, alterutro docentes,
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alterutro exhortantes, alterutro sustinentes. In ecclesia dei
pariter utrique, pariter in convivio dei, pariter in angustiis, in peraecutionibua, in refrigeriis. Neuter alterum celat, neuter
alterum vitat, neuter alteri gravis est. Libere a^ger visitatur indigens sustentatur. Elemosinae sine termento, sacrificia sine scrupulo, quotidiana diligentia sine impedimento; non furtiva
signatio, non trepida gratulatio, non muta benedictio. Sonant inter duos psalmi et hymni, et mutuo provocant, quis melius do mino suo cantet. Talia Chrlstus videns et audiens gaudet. His