BfflUOIEKA INSmultf p s p iio w g s a .I ,
Sonderabdruck aus Petermanns Geographischen Mitteilungen 1936, Heft 3
Przyrodniczych
VI,.iii
1803019288
t
71
DAS GELDKAPITAL ALS GEGENSTAND WIRTSCHAFTSGEOGRAPHISCHER FORSCHUNG
Von Dozent Dr. YIKTOR ORMICKI, Krakau
1. D ie W irtschaftsgeographie erforscht zweierlei Kom - plexe von Erscheinungen: geographische und wirtechaft- liche, und sie trachtet die zwischen den beiden beste- henden Zusammenhang-e zu erganzen. D ie geographischen W issensehaf ten lehren, daB di© geographischen Erschei
nungen — sow ohl die naturwissenschaftlichein w ie die anthropogeographischen — auf keinem F a li fur sich allein betrachtet werden konnen. Ebenso be handel 11 die Ókono- m isten d ie wirtschaftlichen Erscheinungen. E ine spezielle Aufgiabe der W irtschaftsgeographie lieg t darin, zu unter- siuchen, ob zwischen den beidein K ategorien vom Erschei
nungen — dereń einer T eil sich nach unabamderlichen Natur - gesetzen emtwickelt, wahrend ein amderer T eil der Ausc[ruck der weitgehenden organisatorischen. T atigk eit des M enschen ist — ein e G esetzm aBigkeit allgemedmerer N atur zurn A us- druck kommt, und, wenn ja, wo, wann, uind warum A b- weichungen davon zu beobachten sind.
2. N ach R a t z e l s ,,A nthropogeographie“ muB die W irt
schaftsgeographie m it zw ei Faktoren rech nen : m it dem Men- schen und m it der Erde. Dadurch steht dieselbe scheinbar im Gegensatz zu der W irtsehaftslehre, welcher es unmog- lich erscheint, wirtschaftliohe R esuliate zu erzielen ohne die Zuisammenarbeit von Boden, A rbeit und K apitał. Es ist voll- standig gleieh gu ltig, ob es sich um Sach- oder G eldkapital, um W erkzeuge oder K enntnisse handelt, da der wirtschaft- liche Grundsatz sagt, daB „kein Gut ohne H ilfe eines anderen, schon yorher bestandenen Gutee geschaffen werden kann“ [5, S. 138] 1j. D ie Tatsache allein , daB die W irt
schaftsgeographie den Menschen in einen Brennpunkt ihrer Interessen stellt, w eist darauf hin, daB die erwahnte an- gebliche A bw eiehung nur dem Schein naoh hesteht; den,n sie bew eist klar und deutlich, daB sie m it diesen Faktoren rechnet, welche die W irtsehaftslehre in den Begriiffen A r
beit und K apitał zusammenfaBt und dereń Verk6rperung und Quelle in der W irtschaftsgeographie der Menech ist. E in klassisehes B eisp iel is t d ie von E. F r i e d r i c h [4, S. 77]
durchgefukrte system atische E inteilun g der Wiirtschaft in Stufen, welche au f der K lassifikation der zum W irteehafis- betriebe notwendigen W erkzeuge und K enntnisse fufit. Diese sind nun nichts anderes ais friihere Giiter, welche ihre A n- passung h ei der E rzeugung neuer Giiter finden. D aher d ie einfache Folgerung: Friedri-chs System atik der W irtschaft berucksichtigt d ie R olle des K apitałę in der Wirfcschafts- tatigkeit des M enschen2).
*) Siehe Schrifttum am SchluB dieses Aufsatzes.
2) Die mehr oder weniger auf geographischer Grundlage be- ruhende Untersuchung des Kapitale bat b-ereits solche Dimen- sionen angenommen, daB ihre Grenzen die kiihnsten Erwartun- gen iibertreffen. Daher ist es wohl angebracht, auf die Kartę der Volksersparnisse E. k o m e r s [17], weitars auf die von W ą s o w i c z [23], welche die Lasten der Eigenregierung ver- zeichnet, auf offizielle Yeriiffentlichungen des polnischen Finanz-
3. Nichtsdasto weniger bildet die Frage^ der Beriicksiehti- g-ung oder N ichtberiioksiehtigung des Geldkapitals in den geographiisch-wirtsebnftliclien Untersiuchungen seit langerer Z eit den G egenstand lebliafter D iskussion. Es steht dies im Zuisammenhang m it den in der W irtschaftsgeographie herrschenden Unklarheitem in hezug auf den Gegenstand und den B ereich der Eorschungen. SchlieBlioli bloibt: es ein©
offene Frage, oh d ie W irtschaftsgeographie allein nur die rein naturw issenschaftliche B edingtheit der w iitschaftlichen Erscheinungen zu umfassen liabe, oder ob sie ihron Bereich auch auf die sekundare B edingtheit ausdehnen koninę.
In der polniachen geographischen Literatur liaben sich W . F o l [14, S. 156] und W. O r m i c k i [11, S. 40] m it der Erage des K apitals im Rahmen der W irtschaftsgeographie befaBt. Beide Autonen sprachen sich fur d ie Beriicksieh- tigu n g des G eldkapitals h ei den wiTtschaftsgeographdschen Eorschungen aus. E in entschiedener Gegner der A us- dehnung des wirtschaftsgeographischen Bereiches auf das G eldkapital ist H. W a g n e r [21, III, S. 893], und einen ahnlichen Standpunkt nalim K. H a s s e r t [1] ein, indem er die M oglichkeit geographischer E orsdiung von Geld, K api
tał, Bank- und Borsenwesen ausschlieBt. H. H a s s i n g e r 3), welcher noch im Jah re 1919 ein A nhanger der Berticksich- tigumg der ausschlieBlich naturliohen B edingtheit der g eo graphischen Erscheinungen war- [6], erklarte sich zehn Jahre spater ftir den direkt entgegengesetzten Standpunkt [7].
H . S p e t h m a n n [20] und P. H. S c h m i d t [19], ubrigens ahnlich w ie H . M o r t e n s e n [9], erklarten sich auedriick- łich ftir die Berticksichtigung des K apitals in der W irt
schaftsgeographie. A uffallend ist die Tatsache, dafl das Pro- ministeriums [13], auf die iiberaus interessante Arbeit F. Ił a - s i ń s k i s [16] und auf die, mir in der Handschrift samt Kartę der Spareinlagen Polens bekannte Abhandlung von Z. K l i s z e w s k i [8] hinzuweisen. — In der deutschen Literatur mache ich auf drei der neuesten Arbeiten aufmerksam, und zwar E. F o r i a n [2]: Ober die Ergiebigkeit des Bodens, W. F r a n k e [3]: Ober die Bedeutung der einzelnen Industriezweige und dereń Verteilung, sowie W e r n e r [24]: Ober die vergleichende Behandlung des Einkommens in den einzelnen Gebieten des Deutschen Beiches.
Das gemeinsame Merkmal dieeei- Arbeiten — mit Ausnahme der von R o m e r , K l i s z e w s k i und F r a n k e — ist die Schluflfolgerung auf Grund der Rentabilitat des Kapitals. Alle Autoren untersuchen demnach sekundare Erscheinungen des Kapitals. R o m e r und K l i s z e w s k i untersuchen direkt die Kapitalisierung. — Eine Ausnahmetstelkmg dagegen zeigt die Arbeit F r a n k es . Sie stiitzt sich yollstandig auf die Aus- niitzung der in Deutschland durchgefuhrten Einheitsbewertung des unbeweglichen Inyentars. Mittels rechnun^maBiger und kartographischer Interpretation der Schatzungswerte zielit der Autor SchluBfolgerungen auf die Verteilung der einzelnen In
dustriezweige und die wirtschaftliche Bedeutung der einzelnen Bezirke.
3) Zitiert nach P. H. S c h m i d t [19, S. 165].
72 V. Onnicki: Das Geldkapitai ais Gegenstand wirtschaftsgeographischer Forschung bleni des K apitals sieli sogleieh ais eolch.es des G eldkapitals
darstellt.
4. D as W esen des Probleins ist denniach ganz klar; es handelt sich darum, oh das Geldkapitai Gegenstand der wirtscliaftsgeographischen Untersuchungen sein kann. D ie Antwort auf diese Frage ve;rlangt die yorhergohende Fest- stellung: a) ob das K apitał ein landschaftsbildender Faktor ist, b) ob es fiir geograpbische Untersuohungsinethoden zu- gan glieh ist, e) ob seine Dynam ik den geographisehen Ge- setzen unterliegt.
5. Schon W . P o 1 hat im Jahre 1866 auf die Bedeutung des K apitals ais landschaftlichen Faktor aufmerksam ge- m acht4).
H. H a s s i n g e r eracbtet ais wesentliolie Bedingung fiir das Verstandnis der Entstehung des Landschaftsbildes und fiir dessen Entwicklungsgrad die genaue K enntnis der Vea'- teilung des aktiven K apitals [7, S. 64], H. M o r t e n s e n ist von der entscheidenden landschaftliehen Bedeutuing nicht nur des K apitals ais soM ien, sondern sogar seiner Teuerung bzw. B illigk eit so tief iiberzeugt, daB er eine Klassifikat.ions- m oglichkeit der K ulturlandschaft auf Grund des herrschen- den ZinsfuBes in Betracbt zieht [9, S. 382 f.]. In edner interessanten Abhandlung betont E. P a r a v i c i n i [12, S. 16]
ebenfalls entsehieden die Rolle, welche das K apitał ais lan d schaftsbildender Faktor spielt. P. H. S c h m i d t scbildert m it ungewohnliohem R ealism us den Gegensatz zwischen dein von der Natur yernachlassigten, jedoch dureb jahrelange A r- beit des K apitals umgestalteten Landscliaften der Ostsohweiz uind den von Natur aus reich bedachten, aber wirtschaftlich infolge von K apitalm angel nicht entwickelten Landsohaften von Siidamerika [19, S. 165]. A m deutliehsten auBerte sich H. S p e t h m a n n iiber die landschaftsbildende R olle des Kapitals; er lxa.lt das K apitał fiir einen w ichtigen F ak tor, welcher imstande ist, das A n tlitz der Erde yon Grund aus umzugestalten [20, S. 77 u. 81], A hnlich wie H. M o r t e n s e n legt auch er Gewieht auf die Bedeutung der Menge der aktiyen K apitalien, wobei er yorsicbtig, aber deutlioh die Konjunktur fiir die Anderung des Landscbaftsbildes vcr- antwoirtlLch macht. S t. N i e m c ó w n a [10, S. 313] stellt bei der Bespreohung der didaktisehen M óglichkeiten der schul- maBigen Behandlung der Geographie des Mensehen direkt zwei F ragen : a) Ob und welche K apitalien bestehen, dank dereń siob das gegebene M ilieu entw iekeln kann? b) In wessen Handen liegt das ve;rfiigbare K apitał? D ie A utorin auBetrt sich zwar nicht iiber die form elle B ehandlung des K apitals in der Geographie, sie weiist jedoch auf die W ege
4) „Die Kapitalien, welche die englisehen Lords im Welt- handel umsetzten, wurden von ihnen zuriickgezogen und . . . im Grundbesitz, lebendem Inventar, Gebauden und Getreictespei- chern angelegt : . . . mit einer Energie und Ausdauer, die jeder politisch tatigen Aristokratie eigen sind, . . . erhoben sie Eng- land zur Bliite des Ackerbaues, Fruehtwechsetlwirtsehaft ein- fiihrend" [14, S. 156],
„Die Ókonomisten behaupten, . . . daB MitteldeutschLand immer noch zu wenig Ackerbaugebiet enthalt, daB es kein ent- sprechendes Betriebskapital bat und daB zu wenig Arbeits- krafte im Verhaltnis zur Flachę und Beyblkerung yorhanden sind“ [14, S. 158],
liin, w elche zur Erorteruug des Problems im geographischen Sehuhmteirricht fiihren.
E s unteirliegt daher keinem Zw eifel, dafi das Kapitał, im stande ist, die Erdoberflachę zu yerandern. D as AusmaB der Veranderung łiangt von der Menge des aktiyein K apitals sow ohl im positiyen wie im negatiyen Sinne ab.
A is geographiseher Faktor driickt das K apitał seinen un- auslosehbaren Stempel der Landschaft und ihrer Beyolke- rung auf. E s bildet eigene, stets seinem unbezwingbaren EinfluB unbedingt unterworfene M ilieus.
N ich t jede A ktion des K apitals driickt sich gleiołi scharf im Landschaftshilde aus, d e s s e n D y n a m i k e i n e F u n k - t i o n d e s C h a r a k t e r s d e r a k t i y e n K a p i t a l i e n i s t .
6. Uber den Charakter des K apitals entscheidet die A r t s e i n e s A n k l a i u m e r n s im Terrain, weiter seine w i r t - s c h a f t l i c h e B e s t i m m u n g und seine H e r k u n f t s - q u e 11 e bzw. sein Besitzer.
7. Zwischen der A rt des Anklam m erns des K apitals im Terrain und seiner wirtschaftlichen Bestimm ung laBt sich ein ganz enger Zusaanmenhang heobachtem. Vom o k o n o - m i s c h e n Standpunkte aus kann sich das K apitał in der A grar-, industriell-m ontanistischen Erzeugung, im W aren- austausch und im Verkehrswesen hetatigen; vom g e o g r a p h i s c h e n Standpunkte hingegen besteht die M oglichkeit des p u n k t a r t i g e n H ineinw achsens in die Erde oder einer l i n e a r e n A usdehnung oder en dlich eine Verbinduing' m it der Oberflache. Jed en falls laBt sich der W irkungskreis des K apitals stets lokalisieren. G leichzeitig kann man yersuchen, die I n t e n s i t a t seine® Auftrete-ns, sei es im Verhaltnis zur Oberflache, sei es in dem zur Beyolkerungszahl [7], fest- zustellen. E in sehr intereesantes Problem ware die Bestim m ung der inyestierten K apitalien im VeThaltnis zum ge- schatzten Naturalreichtum. E,s ist das ein Schritt vorwarts in detr rcgional-geiographischen Untersuclnmg, bis zu wel- chem Grade bereits die Sattigung m it K apitalien erfolgte.
D ie behaupteten Tatsachen erfordern eine Erkłarung uber die Unterschiede in der V e r t e i l u n g ' und i n der I n t e n - s i t a t des Kapitals.
8. Vor dem B eginn einer D iskussion iiber die Faktoren, welche die geograpbische V erteilung des K apitals beeinflus- sen und die In tensitat seiner A ktion bedingen, sei daran er- innert, daB das Grundmotiy der A rbeit des Kajńtale die Ge- w innsucht ist. Der G ewinn kann auf wirtschaftlichem oder
— wenn es sich um den Staat handelt — auf politischem G ebiete errutngen w erden6). E s handelt sich also darum, auf welchem G ebiete, ob auf wirtschaftlichem oder politischem , der G ewinn gesucht und erwartet wird. D a das Priyat- kapital sich gew olm lieh nicht ohne weitgehenden Schutz der R egieru ng [20, S. 80] engagiert, so folgt daraus, daB in jeder A ktion des K apitals politische A nklange zu finden sind, um so mehr, ais die politische R olle des Kapitals heute nicht anzuzweifeln ist. D ie T atigk eit des K apitals hn Rah-
5) Das ist so zu verstehen, dafi sich die infolge des beta- tigten Kapitals erwarteten politischen Konseąuenzen weit- reichender und wichtiger erweisen konnen ais die Erzielung sofortiger wirtscliaftlicher Erfolge. Eventuelle materielle Ver- luste mlisseii sich jedoch politisch auszahlen.
V. Ormicki: Das Geldkapital aJs Gegenstand wirtschaftsgeographischer Forschung 73
men der einzelnen Staaten bzw. Gesellsehaften umterlnegt m ehr oder weniger einer einheitliebem Leitung, wodurch die Erforschumg der geographisehen B edingtheit der K apitals- tatigkeit wesentlicli erleichteirt ist.
Das K apitał k alkuliert obne Riicksicht darauf, ob der er- wartete Gewinn auf w irtsehaftlichem oder politischem Ge- biete erzielt wird. E in Unternehm en, das im gegebenen Mo
ment keine befriedigenden w irtschaftlichen Erfolge ver- spriclit, kom m t nicht zuistande, wenn die A usw irkung nur auf wirtsehaftlichem Gebiete gedacht war. E ine ganz andere W endung nim m t die A ngelegenheit jedoch, wenn die H an- delskalkuiation auf politischem H intergrunde fuflt. W enn politische Momente im Spiel sind, so kommen die rein wirt- schaftliehen Rucksichten erst in zweiter L in ie 6).
Ob so oder so, der Expaneion des K apitals mufi die E nt- scheidung vorausgehen: 1. in bezug auf das G e b i e t , auf welches es gericlitet ist, 2. in bezug auf die M e n g e , in weleher es gesehickt w ird (Hohe der Inyestierung), und 3.
in bezug auf die w i r t s c h a f t l i c h e B e s t i m i n u n g . Die getroffene E ntscheidung zu nur einer dieser Eragem beeinfluBt in bohem Mafie die beiden amderen.
9. Die T atigkeit des K apitals is t durch versehiedene Fak- toren bedingt, dereń Bedeutung oft grofien Sehwankungen unterliegt. Die Lokalisierung des K apitals entscbeiden naturwissensichaftliche, okonomische, antbropo- und demo- graphisehe sowie geodkonomische und geopolitisehe Be
dingungen.
Das K apitał kniipft bei seiner B etatignng im m er an das schon bestehend© geographische M ilieu an und mufi dern- nach m it dessen V orbedingungen recbnen. Die grundsatz- lichen Verłialtnisse bildet die Landschaft — d. i. ein Gebiet m it geringeren oder grofieren H ilfsm itteln — , indem sie gewisse, genau umschriebene W irtsehaftsm bglichkeiten er- offnet, dank der in ih r schlum m ernden potentiellen Energie.
Es ist klar, daB ein von der B ew irtsehaftung unberuhrbares oder ein riickstandiges G ebiet eine andere Anziehuingskraft ausiibt ais eine entwi-ckelte K ulturlandscbaft. K urz und bun- dig, die Landschaft bezeiehnet vor allem in tlbereinstinim ung m it dem jeweiligen Stand der W issenschaft die w irtschaf t- licben M oglichkeiten; und diese entscbeiden iiber dem C ha
rak ter des zu inv0stierenden K apitals. Das zweite Elem ent des Milieus, der Menach, hat geringere Bedeutung. Das eir- klart sich aus der Moglichkeit der Zuziehuiig von A rbeits- kraften. Anderersieits jedoch k an n die Riicksicht auf den UbarfluB von A rbeitskraften oft das K apitał anziehen. Im allgemeinen aber bilden die Bevolkerungsverhaltnisse zusam-
6) Von politischen Momenten kann die Rede sein, wenn der Staat A mit Hilfe einer koordinierten Kapitalstatigkeit — z. B.
Beherrschung eines wichtigen Zweiges des Wirtschaftslebens — dahin zielt, die politische Vorherrschaft des Staates B zu unter- graben in dem Sinne, daB die Drohung eines finanziellen Druckes dem eigenen politischen Auftreten einen Ruckhalt sichert.
Anderseits konnen die wirtschaftlichen Beweggrunde gleich- falls politisch bedingt sein. Die Ausdehnung des Kapitals kann das Bestreben des Staates nach wirtschaftlicher Selbstversor- gung auisdrucken oder ebensogut eine Erscheinumg des wirt
schaftlichen lmperialismus sein [1],
men m it dem K ulturniveau und dem Stande der techniscben W issenschaften einen wichtigen Faktor. Die Bevolkerungs- dichte und der L ebensstandard sind besonders mafigebemd ftir das H andels- und Kommunikatiomskapitał.
D as gemeinsame M erkmal der genannten Faktorem ist ih r einfacher Charakter. E in F ak to r ist entweder yorhandem oder er ist es nicht. E r w irkt oder er w irkt nicht. A nders dagegen ist die T atigkeit der iibrigen Eaktoren. Die Ab- hangigkeit der V erteilung des K apitals ist zwar nicht anzu- zweifeln, ist aber viel schwerer zu erforschen infolge dea kom plizierten C harakters der Faktoren. W ahrend z. B. in der physischen Geograpliie die geographische Lage einen dauernden W ert yorstellt, ist in der W irtscłiaftsgeographde nichts m ehr veramderlich ais die Beuirteilung des W ertes der geographisehen Lage. Die Teuerung oder Billigkeit des investierten K apitals sin d ein geniigeeder G rund fur die E nt- wicklung groBer Verschiehungen des K apitals. E ndlieh sind es geopolitisehe Momente, dank denen die A ktion des K apitals m ehr oder weniger begehrenswert erseheint und sich einer istarkeren oder schwncheren U nterstutzung er- freuen kann.
Die Bedeutung der zuletzt genannten Eaktoren berulrt darauf, daB man m it ih re r H ilfe sowohl den O r t d e r I n - y e s t i e r u n g ais auch die H o h e d e s K a p i t a l s bestim- men kann. A uf diese Weise liefert also dite Analyse des geographisehen Milieus Krdterien zur Eassrmg des im Ab- sclrnitt 8 erw ahnten Beschlusses. Gewisse Zweifel mag die B ehauptung erwecken, daB die Hohe des K apitals geogra- phiseh bedingt ist. Jedoch ist das so zu verstehen, daB der Komplex der durch das M ilieu gegebenen Bedingungen die G rundlage zur Festsetzung d er k l e i n s t e n Einlage (In- vestition) bildet. Ist die Investierung groBer ais das er- rechnete Minimum, so kommt noełr der Expansionszweck des K apitals in B etraclit — was man in das Problem der In dividuałitat des Unternehaners eiinbeziehen kann. Sein W ille entscheidet endgiiltig, ob die A ktion eingeleitet wird oder nicht — jedoch auch er kann nichts Dauerndes gegen die N atu r unternehm en. Andererseits kann sich z. B. die A nlage einer neuen K om m unikationslinie, welclie die his- herige Bew;ertu n g der geographisehen Lage unterbimdet, star- ker erweisen ais der W ille des U ntem ehm ers.
10. A ber die T atigkeit des K apitals ist n ich t nuir durch a u f i e r e Eaktoren bedingt. Eine enorm grofie Bolle spielen i n n e r e Bedingungen. W enn wir bei! der oben behaupbeten E inteilung des K apitals in bezug auf die wirtschaftliche Bestimmung bleiben, so ist m it Leiichtigkeit zu beobachten, daB sich aus dem W esen der wirtschaftlichen Handlungen w^eitgehende Untersehiede in der A rt und in den Eigein- schaften der K apitalien ergeben. Das A g r a r k a p i t a l wńrkt produktiv a u f g r o f i e n G e h i e t e n — Absatz aber sracht es punkt- oder flachenmaBig. Das I n d u s t r i e - k a p i t a ł arbeitet um gekehrt: es produziert punktweise und setzt flachenmaBig ab. Das H andelskapital is t an Wege ge- bunden, an K reuzungspunkte, an die H andelsm arkte und an die grofien physiographisehen Adern. Das Industriekapital weicht von den W egen ab, um Schatze und M ineralreich- tiimer zu suchen [10]. W enn sich alle K apitalien nach Mog-
74 V. Ormicki: Das Geldkapital ais Gegenstand wirtschaftsgeographischer Forschung lichkeit an die W ege haiten, so fluohtet das Kommuni-
kationskapital in w eglose Gebiete. A u f diese A rt sind m it dem W esen der wirtschaftliichen Handlungen gew isse geo- graphische E igenschaften yerbunden. Daraus erklart sich, dafi die K apitalien es vermeiden, sich in ihnen fremden W irtschaftsgehieten zu engagieren.
D as K apitał paBt sich groBen physiographischen Gegen- satzen an, welche Gebiete von UberfluB oder M angel er- zeugen und welche in bezug auf die H andelsverłialtnisse den Gebieten von Erzeugung und Verbrauch entsprechen. D ie in dieser R ichtung durchgefuhrten Forschungen beweisen das unzw eifelhaft [11, S. 40 f f .]. Im Zusam menhang damit sind aueh die Formen des A uftretens der K apitalien in bei- den Fallen verschieden, sow ohl m it Rtieksicht auf den H an del, a is auch aus geographischen Griinden.
D ie Tatigkeit des K apitals nimmt dort andere Formen an und wirkt sich in verschiedenen R ichtungen aus, wo das K apitał fehlt, ebenso wie sie ein anderes A usseben erha.lt, sei es in kapitalsreichen, sei es in langst bewirtschafteten G e
bieten. E s handelt sich hier nicht um Teuerung oder B il- ligkeit des Kapitals, sondern um die gew ahlte A rbeitsrich- tung und die landschaftlichen Folgen.
In zahlreichen Fallen sieh t sich das K apitał gezwungen, seine H erkunft geheim zu halten, da dieselbe seime A b- sichten verrat. E s ist besser, ein fremdes Ausisehen anzu- nelunen. D ie rascbe D esavouierung soleher F alle ist oft eine Frage der E rhaltung der wirtsichaftlichen und politischen Vorherrschaft. E s ist dabei auch nicht gleich giiltig, daB man unter dem geographisich-wirtschaftłichen und politisoh-geo- graphisichen G esichtew inkel die D u r c h d r i n g u n g s w e g e kennen lernt, welche das K apitał einschlagt, die P u n k t e , wo es sich festsetzt, und die W i r t s o h a f t s z w e i g e , welche es zu umfassen sucht.
11. H ierm it wird d as P r o b l e m d e r I n t e r e s s e n - s p h a r e des Kapitale in Betracht genommen. S ie kann die ganze Erdoberflache oder einzelne R egionen betreffen und sich in bestimmten speziellen R ichtungen bewegen. A us- gesprochene Handelsinteressien hatte h is vor kurzem das eng- lische Kapitał, politisehe ve.rrat das am erikanische im Ge- b iet der Neuen W elt, ohwohl e s sich einen w irtschaftlichen A nstrich giht. E in iiberaus interessantes Problem bilden die Kom munikationsintaressen, welche im Prinzip gewohnlioh der Auftakt zu dramatischen K onflikten darstellea. Spe- zielle Interessen sin d am haufigsten durch die Uberlieferung und durch geographische Momente hedingt (z. B. Kontrolle, E inkreisung des Gegners, Abdrangen zur Monokultur, Mono- p olisierung des AuBenhandels, Beherrschung der H andels- w ege usw.).
12. D a die Tatigkeit des K apitals in internationaler Be- ziehung aus unhedingt egoistischen — wenn nicht a priori feindlichen — Beweggriinden heryorgeht, ist daher die N ationalitatenfrage bzw. die StaatsbuTgerschaft des K ap i
tals eine auflerst w ichtige Frage. Im Zusam menhang damit gew innt das Problem der V erteilung der die W anderung des K apitals beeinflussenden Brennpunkte an Bedeutung. D ie Forschung muB b ei dereń L okalisierung und K lassifikation m it Ruoksicht auf ihre Bedeutung — globular, pegional —
sow ie b ei der wirtschaftlichen Bestim m ung der exportiertein K apitalien beginnen, wohei d ie R olle der Zentren unter dem Gesichtswdnkel der speziellen Kapitalinteres-sen zu beachten ist. W eiters muB die Lage der untensuichten Zentren im V erhaltnis zum T atigkeitsgebiet beachtet werden; dazu ge- niigt eis nicht, die U ntersuchungen auf d ie zeitgeinossischeu wirtschaftlichen E rscheinungen zu beschranken, sondern im Bedarfsfalle muB man auf die G eschichte zuriickgreifen. Ein in sich abges-chlossenes, nicht minder w ichtiges Problem ist die Erlauterung der L age des Zentrums im Verhaltnis zum ProduktioniSgebiet des Kapitals.
13. D ie aus verschiedenen Z entien stroinendem K apitalien zieleń auf genau bestimmte Zwecke in abgegrenzten Gebieten hin. In m anchen F allen kommt e s zu einer Verstandigung, in manchen aber nicht.
J e nacli der M enge des ausgelegten K apitals — und in Verbindung m it dem angetroffenen W iderstand — konnen die E reignisse versehiedene R ichtungen einschlagen. Das K a
p itał kann in den Besitz des gegebenen Gebietes gelangen oder nur zur K ontrolle des einen und des anderen Wi,rt- schaftsprozesses fiib ien oder en d lich sich gezwungen sehen, m it dem Konkurrenten eine V erstandigung zu suchen, was sich nach auBen hin in einer A u fteilu n g des Tatigkeits- geh ietes in Interessenspharen kundgibt. Gebiete, au f welchen gegneriscbe K apitalien aufeinander stoBen, sin d in der Geo- p olitik ais G ebiete geopolitischer ZusammenstoBe und Spau- nungen bekannt.
14. A is Ergebnis der durchgefuhrten Erorterung wird feistgestellt, daB das G eldkapital ein landschaftsgestałtender Faktor, daB e s den geographiseben Forschungsmetlioden zu- g an glich und daB es den geographisehen Gesetzen unter- worfen ist, kurz — der G egenstand geographiach-wirtsohaft- licher Forschungen sein kann.
Schrifttum:
1. D i e t r i c h , Brano: Der wirtsehaftliche Panamerikanismus der U. S. A. (Erde u. Wirtschaft 1930, H. 3.)
2. F l o r i a n , Ernst: Ertragswertklassen auf Grand der Ein- heitsbewertung 1928 nach Kreisen. (Wirtschafts- u. Ver- kehi’S:geographischer Atlas von Schlesien, hrg. von Prof.
Dr. W. Geisler, Breslau 1932, Taf. 16.)
3. F r a n k e , Wilhelm: Hauptsitze und Wirtschaftskraft der Gewerbe- und Industriezweige nach der deutschen Einheits- bewertung. (Erde u. Wirtschaft 1932, S. 145—55.) 4. F r i e d r i c h , Ernst: Allgemeine und spezielle Wirtschafts-
geographie. Berlin 1926.
5. G i d e , Karol: Zasady ekonomji politycznej. Posen 1929.
6. H a s s i n g e r , Hugo: tlber einige Aufgaben geographischer Forschung und Lehre. (Kartogr. u. Scbulgeogr. Zsehr.
Wien 1919.)
7. H a s s i n g e r , Hugo: Konnen Kapitał, Volksvermogen und Volkseinkommen Gegenstande wirtschaftsgeogTaphischer Betrachtung sein? (OberAummer-Festbd., Geogr. JBer. aus Osterreich, Wien 1929, S. 58—74.)
8. K l i s z e w s k i , Zygmunt: Terytorjalne rozmieszczenie osz
czędności w Polsoe (Manuskript).
9. M o r t e n s e n . Hans: ZinsfuB und Kulturlandschaft in Bud- chile. (Geogr. Anz. 1929, H. 12, S. 381—84.)
10. N i e m c o w n a , Stan.: Dydaktyka geografji. Lemberg 1929.
V. Ormicki: Das Geldkapital ais Gegenstand wirtschaftsgeographischer Forschung 75
11. O r m i c k i , Viktor: Eksport drzewa w dorzeczu Dunajca i Popradu. Krakau 1927.
12. P a r a v i c i n i , Eug.: Die Bodennutzungssystieme der Schweiz. (Peterm. Mitt. 1928, Erg.-H. 200.)
13. Podatki Bezpośrednie w 1927.
Podatek Przemysłowy w 1927.
Statystyka akcji wymiarowej i poborowej podatków bez
pośrednich i opłat stemplowych za rok 1927. Warschau 1929, Ministerstwo Skarbu.
14. P o l , Wincenty: Dwie prelekcje o potrzebie wykładu geo- grafji handlowej. Dieła Wincentego Pola. (Pierwsze w y
danie zupełne IV, S. 137—71, Lemberg 1877.)
15. P o l l o g , H. C.: Aufgelassene Eisienbahnlinien. Ein Bei- trag zur Verkehrsstruktur der Yereinigten Staaten. (Erde u. Wirtschaft 1931, S. 110—13.)
16. B a s i ń s k i , Faustyn: Czynne i bierne okręgi finansowe w Polsce. (Kwartalnik Statystyczny IV, H. 4.)
17. B o m e r , Eugenjusz: Oszczędność ludowa, (Podziałka
1:5000000 Geograf iczno-statystyczny Atlas Polski. Lem
berg 1921, Tafel 33.)
18. R u d e n b e r g , E .: Die Wirtschaftsprovinzen Chinas.
(Zschr. f. Geopolitik 1931, H. 12.)
19. S c h m i d t , Peter Heinr.: a) Wirtschaftsforschung und Geo- graphie. Jena 1925. b) Einfuhrung in die allgemeine Geo- graphie der Wirtschaft, Jena 1932, S. 272—75.
20. S p e t h m a n n , Hans: Dynamische Landerkunde. Breslau.
21. W a g n e r , Herm.: Lehrbuch der Geographie. Hannover 1923.
22. W ą s o w i c z , Józef: Mapy obciążenia podatkowego w Polsce Czasopismo Geograficzne 1930, Bd. 304/05.
23. W ą s o w i c z , Józef: Mapy ciężarów samorządowych w Polsce Czasopismo Geograficzne 1930, Bd. 305/06.
24. W e r n e r : Einkommensvergleich deutscher Land-esteile im Jahre 1928. (Wirtschafts- u. verkehrsgeographischer Atlas von Schlesien, hrg. von Prof. Dr. W. Geisler. Breslau 1932, Tafel 16.)
25. Z i . e g l e r : Einfuhrung in die Politik. Berlin 1927.