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Berlin, den H.Mai 1898.
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Der himmlischeAppell.
ZellerstrahltendieFensterdesWeißenSaales im altenSpreeschloß.
J— EinPrunkfestwurdeda obengefeiert,dasüppigeAbschiedsfest,das der höchsteVertreter derVolkheitdenvom Volkihm füreinLustrumin den ReichsrathgesandtenMännern gab.DennderenWeihezeitwar nun ab- gelauerundsie mußten,wenn siealsErkürte in dieHauptstadtzurückzu- kehrenwünschten,sicherstwiedervorBürgernundBauern bücken und laut wieder,inweithinklingendenBrusttönen, geloben,desvaterländischen WohlesWahrerund Walter zusein,selbstlos,tapferund treu,ohneeigenem Vortheil,eigenerFreude jenachzufragen.Jn jedemfünftenJahr bollziehtfich, Nachneuerem Brauch, dieseCeremonieim Lande derwahrhaftigenGermanenz undso oft siebeendetist,erschalltringsumderRuf:.DesVolkesStimme, dieuntrügliche,unbeirrbare, hat gesprochen...Sonstwaren dieEnt- weihten,derenMachtundpersönlichesAnsehenmit demMandat inZunder zekfieLwortlos indieHeimathoderinden zu beackerndenWahlkreisent- lclssenwordenundhattenda dannein paarWochenlang pathetischeReden und UneinlöslicheVersprechungenausgestreut, daßunter derLügenlastdiedicksten Balken sichbogen.Diesmal jedochsollten sie nicht ungeehrtzu den Stätten solöblichenThunsdenSchrittlenken. Manches schlimmeWortwar aus derTiefenichtnur,nein, auchvonderSpitzedesReiches herab ihnenzuge- hcischtworden: nun lud derMonarch,derihrerMehrheitdieäußersteEnt- rl·lftungnichtverhohlenundsieeinenHaufenvaterlandloserGesellengenannt
19
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274 DieZukunft.
hatte,dieScheidendenanseineGalatafelundgönnte ihnendieEhre,mit denPrinzendesköniglichenHausesund denMitgliederndesBundesrathes, mitGeneralen undAdmiralen,denin derResidenzweilenden Rittern vom SchwarzenAdlerund-sogarmit denhöchstenHofchargenschmausendund zechendaneinemTischezusitzen. NichtanAlle,nur aneineauserlesene- SchaarderleidlichKorrekten,warderRufergangen,dieVertreter dergrößten Stimmenzahl blieben,alsHäupterder desdeutschenNamens unwiirdigen Rotte,demPrunkmahl natürlichfernundauchvondenGeladenenwarnur einTheildemWunschdesallerhöchstenHerrn willig gefolgt. Fastver- schwandendieschmucklosschwarzenGewänder der entwürdeten Volks-boten in der buntenMengedergoldig strotzendenHeerführerundHofdienerund manchen schlichtenMannes Sinn wolltein derschimmerndenPrachtder überladenen Räumenicht recht heimischwerden; vielleichtgedachtendie Un- behaglichenaufdenweichenStühlenderWähler,dieihresVertrauens Träger nichtin dieHauptstadt gesandt hatten,damitsie sichdort, zierlichlächelnd undartig wedelnd,unter dashöfischeGesindemischten, vielleichtsannen sie inBeklommenheitauchderFrage nach,obein mitsounerhörterHofgunst begnadetes Parlament seinePflicht,demVolkswohlundnichtdhnastischen Wünschenzudienen, furchtlos erfüllthabenkönne. Bald aber wurden solche Bedenkenvonganz anderen Regungen übertönt;dennnun erhob sich,als einbesondersedlerWeinkredenztward,derGastgebervon seinem Sitz, dankte denGästen füreineGabe,dieihreGüteihm entgegengebrachthabe, sprachvon demGroßvater,vonVaterundMutter undfuhr alsodann fort: »IchkannIhnen auf IhreHeimreisenur deneinenWunschunddie eineBittemitgeben,auseigenerErfahrung gegründet,daß,sowie dergroße Kaiser seineStärkeundseineganzeKraft empfandaus seinem Verhält- niß, seiner Verantwortlichkeitzuseinem Gott,DesgleicheneinIederunter Ihnen,ermagsein,wer ersei, hochoderniedrig,vonwelcher Konfession auch immer, sichklarsein muß, daßbeiDem,was Ihnen bevorsteht,bei derArbeit,dieSieindiesemIahr zuthun gedenken,einIedervonIhnen seine Aufgabe so auffasse, daß,wenn erdereinstzumhimmlischenAppell berufen wird,ermitgutemGewissenvorseinenGottundseinenalten Kaisertreten kannund,wenn ergefragt wird,oberausganzemHerzenfür desReichesWohl mitgearbeitet habe,erauf seineBrust schlagenundoffen sagen darf:Ia! AusderselbenQuelle,ausdermeinHerrGroßvaterzu seinem ThunundSchaffen,meinHerrVaterzuseinemSiegenund Leiden dieKraft schöpfte,schöpfeauch ichsieundichgedenke,meinenWegweiter zu
Derhimmlische Appell· 275
wandelnund dasZiel,das ichmirgesetzthabe,weiter zuerreichen,in derU-eber- zeugung,dieichauchIhnenAllennur ansHerz legen kann,diefür uns;für einenjedenMenschen,diemaßgebendeseinmuß:EinfesteBurg istunferGott!
In hocsignovinces.«Beinahe ängstlich,wieeineSchülerschaarbeimGe- witter,hattendieHörerwährenddieserRede dieOhren gespitzt.SolcheWorte waren imWeißenSaaldesaltenSpreeschlossesnochnievernommen worden, auchin denTagendesgekröntenRomantikers nicht; sieklangensofremdwie dasausJahrhunderte lang währendemSchlummererweckteEchoauseiner fernen Theokratie,— einervon schwarz-weißenPfählenengbegrenzten, in der einfrommer,inmystischeJmperatorengrößeaufgereckterAlterFritz den demantenenKrückstockschwange. Mancher sah,als derRednerschwieg, Umsichundkamsichunterden jubelndenSchranzennun soseltsamvorwiedas ehklicheLutherliednebendemTrugspruchdesschlauenBolkstäuschersKonstan- tin,der inByzanzseineResidenzaufschlugund diebyzantinischeHofrangord- UUUgschuf,denChristengottals Alliirten begrüßte,dasChristenthumzur
Staatsreligionmachteundsichselbstdocherst aufdemTotenbett zurTaufebe- quemte.UndEiner,einstiller,geschmeidigerMann,dessenStimmeim Rede- hUUfeniegehörtward und deresschweigenddennochschoninjungenJahrenzu zweiOrden gebrachthatte, fchlüpfte,daersichunbeobachtetwähnte,nachder AufhebungderTafelheimlichhinaus,umin derherbenMainachtluftdasum- dUUsteteHimzukühlen.HattedieWuchtderWeihestuudesichihm lastend andieheißenSchläfen gelegt,derenPochenihmnun dieRuheraubte? Oder hatteernurzuhastigvonschwerenGewächsengekostet?...JmHimmel Warfürdieaus derZeitlichkeitgeschiedenenVolksvertreter Appell,neben demliebenGottthrontedain derGlorie der alteKaiser,denaufdieWeisung pünktlichherbeispukendenReichsbotenwurdedasHerz,wurden die Nieren geprüftundin denKastenkamJeder,derbei derRevision nichtmitgutem Gewissenbestand? Auf solcheFährlichkeitwar derAermstenichtvorbe-
reitet,davon hatteernienochgehört;erwankte,daererwog,wieleichter deePflichteinesEmpfängersderWahlweihenbishergenommen hatte.
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JmPreußenhimmeldämmerterstderTag.Kadettenmit kleinen, Vonsilbernen LitzenumsäumtenFlügelnundeinerniedlichenMedaille an gelbemBandschiebendieschwarzenundweißenWolkenauseinander, Re- kruten,denenzwischendenSchulternkaumdieerstenFederchensprossen,
streuenglitzerndenKies aufdiesauber gefegtenWegeundderPförtner, UnechtcsCivilversorgungscheinheiligengesicht,putztbrummend undgäh-
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276 DieZukunft.
nendanseinem Uniformrock— dritteGarnitur — dieKnöpfe.Vonder SeligkeitderFriedfertigenunddemGebot,demUebelnichtzuwiderstreben undkein Blutzuvergießen,isthier nichtszuspüren: WaffenundSchiffs- modelleringsum; rechtswirdexerzirt,linksnachderScheibegeschossenund auf BrustundArmenderNahendenoderschonzumDienstVersammelten kann daserfahreneAugedieFangschnüreundSchießauszeichnungenbeimfah- lenFrühscheinderSonne genauunterscheiden.Manmerkt, daßman im HimmelderallgemeinenWehrpflichtist,«woauchdieausderErde als dauernd untauglich ZurückgestelltennachallenRegelnderUnteroffizierkunstgedrillt werden.Civilisten sindnichtzusehen.Doch:dakeuchtEinerheran;eindürf- tigesMenschenkindimschwarzenFrack,dasdieFlügelmännerundFlügel- männchenderhimmlischenGardeamThorneckend undhöhnend-umringen.
DerNeulingwirdnachfeinenPers onalverhältnissengefragtundvonschallen-, demGelächtererschreckt,daerstolzalsseinenBeruf angiebt:Mitglieddes Reichstages. Solche Würden,meint knurrendeinFeldwebel, seienhieroben nicht anerkannt, schonweilman vomallgemeinen,gleichen,direktenundge- heimenWahlrechtimhimmlischaristokratischenStändestaat nichts wissen wolle ; aber der Mannsollenurhercinkommen,denncrsei nachderVorschrift jazumAppellgerufenundwerdeMonturundGepäckvorzuzeigenundüberseine irdischenLeistungenunddiemehroderminderschwereBelastung seinesGe- wissensAuskunftzugebenhaben.»Flink, flink,Maikäfer,fliege!Hier sindwir nocheinBischenplötzlicherals untenbeiEuch!« NeuesGelächter·Schon«ord- netsichAllesinReiheundGlied, zweihoheStühleausröthlichfunkelndemGold werdengeradein die Mitte desExerzirplatzesgestellt...undnun nahenzwei Greise,derEineimweißen,unkriegerischenGewande unddochmitdemGebie- terblickauchim KreisderKriegerEhrfurchterzwingend,mitlangüberdieBrust wallendemBart,derAndere, Schmächtigere,im grauenMilitärmantel,den HelmaufdemHaupt,mithellem,mildemBlickunddenBartcoteletten derer- stenwilhelminischenZeit.KeineSuite;nureineinzigerAdjutant,umdessen FlügeleinedünnesilberneSchärpegeschlungenist.DergrößereGreis setzt sich;derkleinereschreitetdieFrontder zumAppellBefohlenenab.
VordemauffälligenMenschenkindimFrackbleibterzuerst stehen-
»Was warstDu denn daunten, meinSohn?«
»MitglieddesReichstages.«Die Antwort klingt nochimmerstolz- KichemimGlied. Ein ernsterBlick: Alles istmeinschenstilli
,,...desReichstages. TagtderjetztimFrack?«
»Wirwaren beiMajestäteingeladen.AbschiedsdinermitDankrede.«
DerhimmlischeAppell. 277
»Ah,neue Mode. Früher gabespersönlichenVerkehr dieserArt mitderVolksvertretung nicht. WarSachedesKanzlers War auch Wohlbess—,na...UndDank? Dankdochim Namen der Verbündeten
Regirungen,desReiches,dochnichtetwapersönlichenDank? Undwofür?«
»Ja.. wirhabenebensehrvielgeleistet.«
»Schön.Aberwas?«
»Erstens habenwirdasGeld fürein demzweiten Kaiserin der HauptstadtzuerrichtendesDenkmal bewilligt.«
»Wem?«
»Dein Monarchen.«
»Nein:derNation;umPrivatwünschedesHerrschershabt Ihr Euchgar nichtzukümmern,ihnenkeinenGroschenzuopfern.«
»Er selbst hatuns abergesagt,wirhättenihm durch unsereGabe dieErfüllungderSohnespflicht wesentlich erleichtert.«
»Hm...weiter.«
»Wir habendasLandvonderdreijährigenDienstzeitbefreitund...«
»Unddamitin derWurzeldasWerkzerstört,demich Jahre lang meineRuhegeopfert habeundgernmeine Kronegeopferthätte.Und P«
»Wir habendieaufdenlandwirthschaftlichenProdukten lastenden ZölleherabgesetztundTarifverträge abgeschlossen,dieunserer Industrie stetigenAbsatzsichernunddemarmen Manne dasBrot verbilligen.«
»DasLied kenneich. Inmeiner Sprachelautetesso:Ihr habt demwichtigstenaller realeWerthe schaffendenStände,demStand,aufden UnseraltesPreußennun einmal angewiesen ist,wenn essichnicht selbst aufgeben will,dieschonfrüher nicht allzuweiteLebensmöglichkeitverengt Undfür mehralseinJahrzehntEurer wirthschaftlichenSelbständigkeit entsagt,ohnedenVerdienstderAermsten dadurch auchnur um einen Dreier zumehren.Habt Ihr nochweitereAnsprücheauf ähnlichenRuhm?«
»Ja,...dieFlottenverstärkunghabenwirzuerstzwarabgelehnt, aberschließlichdochmitgroßerMehrheit angenommen.«
»Weshalbdiese Wandlung? HatsichdieLageverändert?«
»Nein.Aberman drängteund batuns sound unterderHands«...«
»Sowird Das jetzt gemacht?..Undweiter?«
»AuchdasGeldfürdieNiederlassunginChinawurdebewilligt.«
· »WaswolltIhrdenninChina?Wennich recht unterrichtet bin,
IstdieSituationderDeutscheninEuropa doch wohl nicht so, daßesfür sieemPfehlenswerthwäre,imfernsten OstenAbenteuer zusuchen. Unser
278 DieZukunft.
ernstestesStreben ging stets dahin,dieFläche nichtzuverbreitern, auf der eineReibung mitRußland möglichwerdenkönnte. UndIhr legt Macht, AnsehenundGeldinAsien fest,woIhrEuchentweder mit denRussen brouilliren oderzuwillenlosen VasallendesZarenreicheswerdenmüßt, das überkurzoderlangdahintenmitEnglandum dieWeltherrschaft zukämpfenhabenwird. ...HastDu vielleichtnochandere Thatendes mit demallerhöchstenDankheimgeschicktenReichstageszu melden ?«
»DemFürstenBismarckwollten wirnichtzumGeburtstag gratuliren,’
abernichtetwa,weileruns,sondern,weilerdenMonarchengekränkthatte.«
»So..Na,meinSohn:wenn EuerganzerReichstag,Mannfür Mann,umdieDynastieundauchum denjetzigenTrägerderKronesichnur einTausendsteldesVerdiensteserworben hätte,dassieunderdemalten Bismarck zu dankenhaben,dannkönntetIhrHerren wirklich stolz sein.
Demalso habt Ihr nicht gratulirt?... Und Duträgstja sogarOrden?«
»Einen habe ich fürmeineAbstimmungüber dieMilitärvorlage.«
»Dasür giebtesheutzutageOrden? Sonderbar ... Nun, ich habe vonEurenThaten einstweilengenuggehört.AllesUebrigewird Dirrecht- zeitig aufdemDienstwegeeröffnetwerden«
...Um denFrackträgerhatte sicheineViertelstunde spätereineGruppe gebildet.DerDienstanzugwar mitderKasernenkleidungvertauscht,die Stimmung heiterundihr erstes Opfer natürlichderverschüchterieVolks- vertreter mit demerloschenenMandat und demerstaunt schweifendenAuge.
FörmlichSpießruthenmußteerdurchdieReihenderFrager laufen.End- lich,alserschonRuhezufinden hoffte,kamnocheinkleiner, ruppiger Engel im geflickten,fleckigenHemd, pflanztesichvorihn hin, legtedie magerenAe—rm- chenverschränktandenRücken,unter diezerzaustenFlügel,undfragtemit frechglotzenderMiene:»Hathhrdenarmen LeutenauchBrotverschafft?«
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Aus denFensterndesWeißenSaales im altenSpreeschloßstrahlte schonlangekeinLichtscheinmehr. Im Osten grautederTagundausderfahlen Dämmerung,dieStraßenundPlätzefärbte,tratinleuchtender Weißenur dasDenkmaldesaltenKaisers hervor.DerverschlafeneGenius sah aufdie Rathhausuhr,umzuerkennen,oberseinenDienstwiederantreten müsse,die Victorien klettertenaufdieglatten Kugelnunddie Löwenschütteltengähnend dieMähnen. AufdenSteinstufen aber,woderFriedeeben denSchlafaus denAugen rieb, krocheinfröstelndesMenschenkindaufallen Vieren um- herundsuchteangstvolldenOrden,derwährenddeskatzenjämmerlichen SchlummersdemKnopflochdeszerknittertenFrackes entglittenwar.
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NietzschesNachlaß. 279
NietzschesNachlaß.
ÆlsFriedrich NietzscheimJahre1888 erkrankte,waren seine Werkenur einemengenKreisevertraut. Man darfesGeorgBrandes niever- gessen,daß ohne seineVorlesungen, durchdie dasganzejungeSkandinavien revolutionirtwurde,undnochmehr ohneden inderDeutschen Rundschau veröffentlichtenAufsatz— man kannihn,miteinigenkleinenVerbesserungen, indem geistvollenSammelbande »Menschen-und Werke« nachlesen—- NietzscheauchinDeutschland sicherlichspäterundweniger tief eingedrungen wäre. Jetzt bestehteinestarkeNeigung,dienordischeJnvasionvomAnfang derneunziger JahreinlächerlicherParvenuvergeßlichkeitalsNebensachehin- zUstellen.Das Wenigeaber,wasin unsererjungenLiteratur überhaupt VDUWerth ist,verdanktsein Daseinjener Jnvasion,derenkühlerundluft- reinigenderHauchnur leiderallzu früh durch jenen Klein-Leute-Symbolis- mus ersticktwurde,dessen widerlichesParfum, halb Ylang Ylang,halbnew mown hay, unsereganzeKunstschlechtriechenläßt. DasBekanntwerden NietzschesauchinweiterenKreisenalsdenender Leute, diedurchZufallmit feiner Personseine Werke zumTheilkennengelernt hatten, scheintmirdie bedeutendsteFolge jener skandinavischenJnvasionzusein.DieWirkungen diesesBekanntwerdensabzumessen,ist heuteund indennächstenfünfzig,viel- leichthundert Jahren unmöglichWirkönnennur erkennen,daßausunserem geistigenLeben, soweitesüberhauptinBetrachtkommt,Nietzschenicht mehr gutweggedachtwerdenkann. So tief haterseine Furchengezogen,dergute
PflügerNoch sehenwirerstfeinegrüneSpitzenaus schwererScholle streben,aberderhoheSommertagwirdkommen,an dem wir die Ernte VTEIEVunruhigenundharmvollen Jahreunter Festesgesängenhereinbringen PollenDannwirdauchvon demgutenPflüger gesungenwerden,dessen starkeHand so tiefdieFurchenderneuen Kulturgezogen-
EingünstigerStern hatdemWerkeNietzsches geleuchtet,seit dem Tage-Undemererschöpftzusammenbrach ZuderZeit,dadiejüngere
SfYkiftstellergruppeseinenNamen undseineSchlagwörter,lobend oderschmähend, nnßverstand,schriebHerr PeterGast seine ausgezeichnetsachlichenundgeist- ÄollenEinleitungenzudenneuen AuflagendesZarathustra,des Mensch-
bchekbAllzumenschlichenundderUnzeitgemäßenBetrachtungen.Als dann spater durcheininteressant geschriebenesundmitgroßemAufwand modernster
DecadencepsychologieEr laSzienkiewiczgeschicktarrangirtes Bucheine inihren
280 DieZukunft·
Grundzügenverfehlte Interpretationvon NietzschesWesen, seinenWand- lungenundseinemSystem vorbildlichzu werden drohte,wurde dieser Ge- fahrvondenmit demNachlaßdesPhilosophenbetrauten Persönlichkeiten aufdiesachgemäßesteWeise begegnet durch Veröffentlichungseiner nachge- lafsenenWerkeund derwichtigstenDokumente aus- seinemLeben. Seine vonFrauFörster:NietzscheverfaßteBiographie,über diean dieserStelle schonzweimal berichtet wurde,’1«)hateineFüllederinzwischenüppigge- wuchertenLegendenau-sgejätet.DerelfteundzwölfteBand desNachlasfes übertreffeninBezug aufdieBewältigungdergrößtentechnischenSchwierig- keitennochdiebeidenvorhererschienenenBände. DieArt,wie,um nur eineinzigesBeispielzunennen, die«FüllederVorarbeiten undBrouillons speziellzu dennicht mehr ausgeführtenTheilendesZarathustra gesichtet,ge- ordnetundverbunden sind, ist hoher Bewunderung werth.
Der elfteBand wird durchdieVorarbeiten und Nachträgezum
»Menschlichen,Allzumenschlichen«eröffnet.EssindimAllgemeinendieselben Themen,die imzweitenunddrittenBandedurchgeführtsind,nur klingtAlles umeineNuancewärmer undpersönlicherund abund zuunterbrichtein intimstes Geständniß,seieseinesZustandesoder einerHoffnung,die Gedanken- reihe: »ZwischendreiBegabungendie mittlere Liniefinden— meinProblem.«
Noch bedeutsamer istdiefolgende Andeutung: »IchwilldenMenschendie Ruhe wiedergeben,ohne welchekeine Kultur werden undbestehenkann. Eben sodieSchlichtheit. Ruhe, EinfachheitundGröße!«Das große Frage- zeichenderletztenJahreNietzsches,derGedanke derewigen Wiederkunft, ist schonzudieser frühenZeitvorbereitet: »VonderTodesfurchtzuerlösen, istvielleichtdaseineMittel: einewigesLeben zulehren;einanderes sicheres jedenfalls:Todesverlangeneinzuflößen.«DazwischenstehenTagebuchnotizen von inniger Sachlichkeit,indenenderDichterNietzschezumWortkommt;
Mancheskönnte bei Storm oderbeiStifter stehen, sozart undlebendigsind hierdiestummenWorte: »Eswar Abend,Tannengeruch strömteheraus,
man sahhindurch aufblauesGebirge,obenschimmertederSchnee.Blauer, beruhigterHimmeldarüberaufgezogen.«Oder: »Eine ProzessionamFrohn- leichnamsfest,Kinderund alte Männer brachtenmichzum Weinen. Warum?«
»Eine alte Stadt, MondscheinaufdenGassen,eineeinsamemännlicheStimme
—Das wirkt, alsob dieVergangenheitleibhaftig erschienenseiundzuuns redenwollte-: dasHeillosedesLebens,dasZielloseallerBestrebungen, derGlanzvon Strahlen herum,das tiefeGlück inallemBegehrenund Vermissen:Das ist ihr Thema.« »JadersommerlichenNachmittagsstille,
wenn dieWanduhr vernehmlichersprichtunddiefernen Thurmglockeneinen qc)S. »Zukunft«vom28.Dezember1895und10.April189«7.
·
Nietzsches Nachraß. 281
tieferen Klang haben...« »Schläfrigundzufrieden,wiedie Sonne inden Gasseneinerkleinen Stadt am Feiertage...« »Der schöneErnst: schwarze Seide,mitrothen Fäden gleichmäßigdurchfponnen,eingedämpftesLeuchten·«
Esfolgen langeAuseinandersetzungenmitSchopenhauer, noch längere mitWagner. FürdieStellung NietzscheszubeidenMännern istesbe- deutsam,daßerimmerwieder, zu allenZeiten seinesLebens, einenDrang hat,mitihnen abzurechnen.Dabeiist vielleichteinZug hervorzuheben,der dem ganzen DenkenNietzscheseigenthümlichist;wenigegroßeMännerhaben ihre Erlebnisseso intensiv ,,erlebt«.WasNietzscheeigentlichanSchicksalen, Personen,Büchern,Kunstwerkenerlebthat,ist nicht viel;dieIntensitätaber, mitdererdieseErlebnisse verwerthete, ist außerordentlichEristunver- gleichlichinseinerLebensführungErschafft sichHorizonte,mitdenener
sichbewußtabschließt,uminStillezureifen, hierin Goetheverwandt. Man darf wohl überhauptvermuthen, daßdietiefe Sympathie für Goethe,die durchalleSchriften Nietzscheshindurchgeht,seinem Wesen, seiner Gesammt-
»naturgalt, weniger seinenWerken,— eineSchätzung,dieallerdings heutigen Begriffenschnurstrackszuwiderläuft,aberdennochrichtig ist.Jedes Werkist amEndegenausovielwerthwie der Mann, deresgemachthat.DieWerke sindzweiten Ranges; Anmerkungen sind sienur zu dem wundervoll tief- sinnigenTextdesLebens,nützlichundoft ergötzlichzulesen.Schade, daß wirsiebrauchen. NietzschedeutetdieseAnsichteinmalan, woervonLessing spricht,»dessenintellektuelleBedeutsamkeitsichhochüberjede seiner Schriften, ledenseiner dichterischenVersucheerhebt-«So istesschließlichbeijedem großen Mann. Bismarck wäregenauderSelbe, wäreerfeinLebenlang Deichhauptmanngeblieben:erwärenicht groß,wäreeresnur durch seine GründungdesReiches.Der großeMann ziehtdiegroßenEreignissean wie derMagnetdieEisensplitter;erträgt Früchte,wieeinBaum, mit
Nothwendigkeit.Das erheiterndeGezeter,obShakespeareShakespeareoder Ob BaronShakespearegewesensei, istindieserHinsichtsehrbelehrend:unser Begriffvon Shakespearewird um keinHaaranders, obwiruns sein curriculum vitae soodersodenken. KänntenwirvonHamletundLear nur dieNamen,— wäredadurch unsere KenntnißvondeminnerstenKern seinerPersönlichkeitverringert?
» Nietzscheserste AnhänglichkeitundspätereKriegserklärunganWagner imdrecht verschiedenbeurtheiltworden. UmsJahr90 war man nochge schwind fertig: NietzscheistvonWagner abgefallen.Damals war es,wo
PeterGast gereiztdaskühneundrichtigeWorthinschrieb:Wenn überhaupt
htermitdemwenigkorrekten Ausdruck »Abfall« operirtwerdenmuß, so ist UIchtNietzschevonWagner, sondern WagnervonNietzscheabgefallen. Durch den zweiten Band derBiographieund durchdieerstenbeidenBändedes
282 DieZukunft.
Nachlassesistvor AllemdieLegendeendgiltig zerstörtworden,daß Nietzsche inseinemErstlingswerkegewissermaßennur derHandlangereineserhabenen Wollens gewesensei.Manlerntejetztauchden,,FallWagner«besserlesen;
man sahdiezornigeLiebe, mitderdiesewuchtigenundelegantenStreiche geführtsind;man erriethdielangen, schmerzlichenErfahrungen,diedieses Werkeinessouverainen Hohnes gereift hatten. AuchderelfteBand bringt AufzeichnungenausdemJahre1878, vonderseltsamen Beredsamkeit,die Allesdurchströmt,wasNietzscheüberWagner geschriebenhat: »Alle,Jdeen«
WagnerswerdensofortzurManie, erwirddurch sie tyrannisirt·Wiesich
nur einsolcherMann sotyrannisiren lassenkann! Zum Beispieldurch seinenJudenhaß.Ermacht seine Thematawieseine,Jdeen«totdurcheine wüthendeLustanderWiederholung.DasProblemderübergroßenBreite undLänge,s— erplagtunsdurch sein Entzücken-«
»Wasaus unsererZeitdrücktWagneraus? DasNebeneinander vonHoheitund zartester Schwäche,Naturtrieb-Verwilderungund nervöser Ueberempfindlichkeit,Sucht nachEmotion ausErmüdungundszLustander Ermüdung-« »SchwärmerischemädchenhafteEmpfindungenvonsogenannter Seligkeit,Träumevon bekehrtenundgerettetenWüstlingen,Treuebiszum SprunginsWasser;undderGeliebte selberetwas Furchtbares, Unheim- liches,einMann unbekannter Unthaten,aberderUebelthäterohne Schuld, der zugleicheinverkappterGott undPrinz ist,Alles insehr reizvoller Natur —: Dassind jetztdieErholungendeseisernen Deutschlands Böse Harmonien, wüthendeRhythmenundunsäglicheschromatischesJammern,der WechselallerTonarten als Sinnbild derUnbeständigkeitallerDingeunter demMonde,— sowirddieWirklichkeitbeschrieben.«»Ich habedenMann geliebt,woerwieaufeinerJnsellebte,sichvor derWeltohne Haßver- schloß,—- soverstand iches! Wiefernistermirgeworden,so wieerjetzt, inderStrömungnationaler Gierund nationaler Gehässigkeitschwimmend, demBedürfniß dieser jetzigen,durchPolitikundGeldgierverdammten Völker nachReligion entgegenkommenmöchte! Jehmeinteehemals,erhabe nichts mitdenJetzigenzuthun,— ichwarwohlein Narr!«
Gegenüberder jetzt herrschendenmaßlosenUeberschätzungEmersons findet sicheinsehrgutes Wort überdiejedem einigermaßenempfindlichen GeschmackschwererträglicheArtdieses Schriftstellers,Gedankenzuformen:
»Durch Jean Paul ist CarlylezuGrunde gerichtetund zumschlechtesten SchriftstellerEnglands geworden:unddurch Carlylewiederhat sichEmerson, derreichsteAmerikaner,zujener geschmacklosenVerschwendungverführen lassen,welcheGedankenundBilder händevollzum Fenster hinauswirft.«
ManhatdieGeschmacklosigkeitnicht gescheut,Emersongegen den»Aphoristiker«
Nietzscheauszuspielen,Emerson,vondemjede einzelneSchrift sichinlauter