• Nie Znaleziono Wyników

Die Neue Erziehung : Monatsschrift für entschiedene Schulreform und freiheitliche Schulpolitik, 1923.09 H. 9

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Share "Die Neue Erziehung : Monatsschrift für entschiedene Schulreform und freiheitliche Schulpolitik, 1923.09 H. 9"

Copied!
36
0
0

Pełen tekst

(1)

DIE HEI1E EKZIEHtlHE

S. 1AHRGAHG ✓ HEFT 9 SEPTEMBER 19Z3

K onrad liesegang :

z m

?

„Viele Wege fiihren nach Rom." — Aber Rom ist nicht das dnzige Ziel. Und zu jedem Ziel fiihren viele Wege.

Wenn es nun aber garnicht auf das Ziel ankame, — wenn unsere Wandtrung garnicht dazu da ware, um) ein Ziel zu erreichen — ?

In Wirklichkeit ist weder ein Allen gemeinsames Ziel, noch ein Allen gemeinsamer Weg Voraussetzung fur Menschlichkeit.

Das Ziel, das uns zum Wandern lockt, ist die personliche An- gejlegenheit des Einzelnen, denn es wird wie unser Wissen durch unsere persorilichen Gegebenheiten bedingt. Sie „farben" unser Tun, Sie ąualifizieren unsere Arbeit.

Der Berufszweig und der Posten, den wir in ihm einnehmen, Vie die Welt, die wir geniefien, — unsere „Farben" stellen unsere in Wahrheit umwandelbąre personliche Eigenart dar; •— ' was wir mit ihnen anfangen, wie wir den uns gemafien Weg gehen, darauf kommt es an, darin kommt die Menschlichkeit zum Ausdruck.

Was wir tun, zu welchem Zweck wir Arbeit leisten und aus 'frelchen Orunden wir Kraft schópfen, ist die eigenste Angelegenheit des Einzelnen, — die Personlichkeit kann iiberhaupt nur fruchtbar werden auf dem ihr und nun ihr gemafien Wege zu dem, ihrer Ver- anlagung und den sie umgebenden Verhaltnissen gemafien Ziele, mit der ihr gemafien geistigen und korperlichen Emahrung. — Dariiber hinaus aber hangt das Schicksal Aller, —• was aus der Gesamtheit Und damit auch aus dem Einzelnen wird, von dem „Wie" ab, da- von, w ie der Einzelne seinen Weg geht.

Jeder mufi zu seiner Hóhe undi zu seiner Tiefe kommen. Damit er aber nicht, da seine Tiefet und seine Hohe anders aussehen wie die des Nachsten, zu dessen Feind werde, dafi die Menschheit nicht in Atome oder bestenfalls in Atomgenossenschaften zerfalle, die auf ihre gegenseitige Vernichtung ausgehen — der Prozefi; ist bereits im Gange

— ist nicht nur notwendig, dafii Jeder zu seihem Wege gelangt, — sondern dafi er ihn auch g e h e n lerne.

Die Tiefe und die Hohe der Personlichkeit sind gegeben und ergeben sich, — w ie s i e a u s g e s c h ó p f t w i r d aber, in wel!- cher Weise der Mensch seine Personlichkeit auswirkt, ist davon ab- hangig, w ie e r zu i h r g e l a n g t ist. Sein selbstandiges Handeln, das Wandern auf s e i n e m Wege ist davon abhangig, auf wekhe Weise er zu seinem Wege gdangt ist. —

Damit fur Jeden auf seinem Wege eine Gangart moglich werde, die ein Zusammenwandern mit Allen auf ihren Wegen ermógliche,

— damit Kultur werde, mtissen alle auf e i n e m „ W e g e " zu ihrem Wege gefiihrt werden. — Damit sie zur Menschlichkeit gelange, mufi Jugend, dereń Wesen das weglose Treiben ist, einem Zwang

273

(2)

unterworfen werden, durch eine Schule gehen, — durch eine solche Schule aber, die ihr ermoglicht, den Kampf mit der Form auszu- tragen, statt sie der Form dienstbart zu machen; denn es kommt nicht pur darauf an, einen Wejg zu f i n d e n , sondern auch darauf, ihn g e h e n zu kónnen. Das selbstbewufite, das selbstandige Handeln gilt es! —

„Form" ist Zusammenfassung von Vergangenem. — Jugend kommt nur zur Menschlichkeit durch Uberwindung einer Form, eines in der Erziehungsform zusammengefugten Vergangenheitsbalastes. Aber davon, ob das aus dem Vergangenen errichtete Gebaude tiberwind- bar ist, oder ob die Jugend von ihm erdriickt wird oder hochstens an ihm zerschellen kann, hangt es ab, ob der Mensch zur Mensch­

lichkeit gelangt.

Davon ob die Erziehungsform von „selbstbewufiten" Menschen aus „ M e n s c h l i c h k e i t " urn der „ M e n s c h l i c h k e i t " willen ge- schaffen wird oder von „halbbewufiten" (d. h. nach zwei Seiten orientierten) Tyrannen — und mogen sie Priester heifien — aus

„U n m en s c h l i c h k e i t" um der „ O b e r m e n s c h l i c h k e i t " wil­

len, hangt es ab, ob Kultur, G e w i s s e n s herrschaft kommt, oder ob W i s s e n s herrschaft, Unkultur, (zweierlei) M a fi firn Geist und Kórper, ftir Verstand und Kraft weiter, geiibt werden und die Mensch.

heit weiter in Herrscher und Diener,; in Unternehmer und Masse teiilen, statt die Arbeiter- und Fiihrernaturen, die „Schaffenden" und die

„Helfenden" zueinanderfinden, zum Zusammenwirken kommen zu lassen

Darum brauchen wir eine Schule, die nicht fur jeden Bega- burgstyp einen besonderen Weg vorsieht ( — die Konfessionen sind auch nichts anderes ais Vertretungen bestimmter Personlichkei'ts- typen —), sondern fur alle einen gemeinsamen, auf dem jeder so la.ije kampfen kann, bis er seine. Grenze erreicht, d. h. seinen eigenen Weg gefunden hat. Denn die Personlichkeitsunterschiede sind nam- licli gar keine Artunterschiede, sondern lediglich Gradunterschiede,

— wcbe: auch die Bezeichnung Gradunterschied nichts mit einem We:turteil zu tun hat, da er lediglich den Punkt angibt, den der Einzetne zwischen den Polen der Menschheit, zwischen Korper und Geist, zwischen Kraft und Verstand oder wie wir sie sonst nennen wollen, einnimmt.

SIEGFRIED KAWERAU: Das entsehleierte Sild zu Sais

Ein alterer Archaologe, Professor Ulrich von Guttenbrunn, wird von seinem Freunde, dem Baron von Linkowsky, eingeladen, eine Zeit bei ihm, auf seinem Inselsitz im agaischen Meer zu verbringen, Nur zogernd folgt der einsame Mann der liebenswiirdigen Aufforde- rung. Doch wider Erwarten gestalten sich Empfang und Begriiflung so herzlich und zugleich so taktvoll zuriickhaltend, dafi ihm eine wohltuende Warme der Gastlichkeit das Herz bewegt. Die beiden Manner stehen hoch auf der Spitze der Insel und sehen am Hori- zont geheimnisvoll die unbestimmten Farben eines fernen Gestades.

„Am Abend", so berichtet der Baron, „scheint sie ein Wolkensaum

Siegfried Kawerau: Das entsehleierte Bild zu Sals.

274

(3)

Siegfried Kawerau: Das entschleierte Bild zu Sals.

aus Amethyst zu sein, und an triiben Tagen ist sie vollig unsicht- bar. Aber auch jetzt, wo Sie die ferne steile Kiiste ahnen, bleibt ihr das geheimnisvoll Unwirkliche, so dafi Sie glauben, sie ware nicht, und doch wissen, dafi sie ist. — Sie ist das feierlich Un- endliche, das Wunderbare, das uns hier beschieden ist, — und ich mochte nicht hiniiberfahren, urn dieses sagenhaftó Traumgebilde nicht zu zerstoren, nicht durch Erkenntnis zu vernichten". — Zwei Pflege- tochter des Barons, zwei Schwestern und Waisen, begrtifien den Archaologen; die eine, Desiderata, in der Bliite der Madchenjahre, die andere, Consuelo, zwei Jahre jiinger, noch ganz Kind. Doch mehr ais die Madchen beschaftigt ihn die geheimnisvoIle Insei, zu- mal ihm der Baron von dem „Mythos" jenes Gestades berichtet Er habe das Gestade zum ersten Małe wahrgenomrhen, 'ais ihm Gewifiheit wurde vom Tode einer fernen geliebten Erau, der Mutter jener beiden Madchen, der Witwe eines hollandischen Reeders, der stets die unerfullte Sehnsucht seines Herzens. gegolten habe. Er hatte das Gefuhl gehabt, ais sei die Insel in irgend einem magischen Zu- sammenhange mit dem Verlóschen des geliebten Lebens aufgetaucht, ais wohne nun ihre Seele druben, ais wandle ihr Schatten dort in den Hainen und Grotten. Und auch die Madchen wiifiten um jeneti Mythos und verlangten in geheimnisvollem Triebe stets nach jerrer Insel hiniiberzusegeln. Aber er konne ihnen- diesen Wunsch nicht er- fullen; das gleiche Grauen, das jene sehnsuchtig hiniiberlocke, es hindere ihn, sich selber diesen Traum zu zerstoren. — Kleine Er- lebnisse machen dem Gelehrten „Desideratas und Consuelos Insel"

lieb, kleine Erlebnisse fiiliren die Kinder in die Nahe, an das Ge­

stade seines Herzens. Ein Morgenspaziergang; ein aufregendes Su- chen nach Desiderata, die sich mi,t fremden Kindem im Wald ver- irrte; die Beglucktheit des Wiedersehens —• all das spinnt Faden der Vertrauthei,t um den wunderlichen Kreis der beiden Madchen und der beiden Greise. Jeder ist wie neu, jeder ist dem andern offen, bereit, ihn mit seinem Herzen zu empfangen. — Es ist Abend, ein franzósischer Arzt ist zu Gaste, die drei Manner sitzen in tiefern Gesprach vereint im glasernen Haustem oben auf der Felsenzijme:

„Die Erkenntnis, dafi wir von der W dt nidrts wiifiten noch mit den Sinnen wahrnahmen, was nicht Menschenangst und -sehnsucht in diese Welt hineingedichtet haben, durchdringe allmahlich das Bewufitsein der Lebenden. Die menschengeistige Struktur des Kos­

mos, seine kindliche Enge, seine dem Bilde des Menschenlebens nach- geformte Beschranktheit zerstore den Hochmut des Europaers von gestem. Machtig eile nunmehr der unvorei.ngenommene Blick des ge- wissenhafteren, reineren Mannes zu der Betrachtung des grenzenlosen, erbarmungslosen und nach menschlichem Betracht ewig sinnlosen Chaos, dessen ahnungsvo]le Erfahrung die feineren Sinne des Men- schen stiindlich machten". Solchen Gespraches Zeuge ist durch Zu- fall die am Pavillon vorubergehende fast sechzehnjahrige Desiderata.

Und unbarmherzig zerreifit der fromm gewebte Schleier kindlicher Religion, in den die Zeichen des antikischen Mythos vom fernen Gestade verwoben sind, jenes Gestades, an dem die Triimmer des Tempels der Persephone schimmern.

275

(4)

Siegfried Kawerau: Das entschleierte Bild zu SaTs.

Desiderata sucht in ihrer Not den Gelehrten. Und der Greiis beugt sich zum Kinde und sucht den ungewollt und jah getanen Schaden auszugleichen, ohne doch zuriickzunehmen; sucht die Scharfe zu mildern und sucht schliefilich planvoll aufzubauen, da es zu spat ist, das Al te zu retten. „Und, ais er sah, wie schnell sie dies alles begriff und wie leicht der Gott aus der Wirklichkeit in die Traum- welt verwiesen wurde, begann er ihr mit behutsamer Bemuhung das grófiere, bis dahin verhangte Antlitz der Wirklichkeit zu zeigen. Eine gedankenvolle Nacht hatte ilnn das Ja, das Bestandige, Greifbare, Erhebende seiner eigenen Ansicht zum erstenmal gezeitigt, und die- ses Positive, dieses Tróstende, den Ersatz fur den gro 15en Verlust wiinschte er ihr einem bewuBten Piane nach zu bescheren. Schnell wollte er die grauenvolle Ode jener geistigen Yerzweiflung mit ihr durcheilen, in der kein Mafi, kein Begriff, kein Wort rnehr an der Wirklichkeit haftet und MaB, Begriff und Wort ais unzureichende Werkzeuge verworfen werden. Schnell hinter sich lassen wollte er diesen Eisbereich des Ubergangs, der mannlichem Gemiite schon furchtbar, dem kindlichen leicht zerstorend und verhangnisvoll sein konnte. Deshalb bildete er das Grauen: bald um in Bewunderung, die iiirem edlen Herzen so nahe lag, und efhob den Schrecken und die unendliche Angst zu einer neuen, nicht m-ehr entwiirdigenden Demut."

' Vergeblich all diese Beruhigungsworte des Greises. Zwar bei Tage gewinnen die tapferen und hellen Gedanken die Oberhand, alles scheint ihr ratselhaft und voller Wunder, und doch wieder alles wie schleierlos und unverbunden; aber sie freut sich einer neuen, natiirlichen, selbstverstandlichen und werktatigen Menschenliebe. Doch nun kommt die Nacht. Und nun wird das Grausen ubermachtig, und es treibt sie vom Lager und1 aus dem Gemach und durch den nacht- lichen Park und zu der H5he, mit dem Ausblick nach dem Gestade., Aber die Insel ist verschwunden, wie v-erschluckt vom erbarmungs- losen, lichtlosen Nachtfirmament. Ist die Insel ein Traurn ? ein Trug?

Sind Persephoneia und die Mutter Wahngestalten und Spuk oder mit dem Abglanz irgendeiner Wirklichkeit verbunden?

Frierend schleicht sie zuriick. Da springt ihr ein Fuchs iiber den Weg. Der eiskalte Schreck greift ihr ans Herz. Sie bricht ohn- machtig zusammen.

Desideratas Krankheit ist langwierig und schwer. Innuer wieder scheint das Dunkel ihrer Herr zu werden, mahlich kampfen Jugend und Lebenswillen sich voran. Aber imrner deutlicher wird, dafi aller.

Lebenswille mit dem Wunsche verkniipft ist: hiniiberfahren! Die Insel! Das Gestade! Der Baron und: der Gelehrte haben sich aus- gesprochen, der Baron hat in tiefem Vertrauen alles in die Hande des alten Mannes gelegt, der so tiief in dieses Kilndes Seelenschicksal griff, ohne es gewollt zu haben. Und so fiigt man sich der zehrenden Sehnsucht Desideratas und riistet das Baot zur Segelfahrt der ge- nesenden, aber bis ins Mark vor Sehnsucht gliihenden Desiderata zusammen mit dem Gejehrten. Nicht der Baron, nicht die Schwester diirfen mitkommen. Und so geschieht die Fahrt zum Gestade Per- sephoneias. Eine Genesende fahrt hinaus, eine Sterbende kehrt heim.

An dem Ungewissen zerbricht sie. 5 Desiderata ist tot. , Consuelo

276

i

(5)

tróstet den Greis, der auf einer Bank im Park vom SchJummer iiber- mannt wird, sie schmiegt sich an seine Seite, Jehnt den Kopf an seine Schulter, und der Schlaf deckt Greis und Kind in e i n e r Umarmung.

Ais der Gelehrte sich vom Baron verabschiedet, gibt der Baron ihm Jeise diesen Trost mit: „Wir wissen nicht, ob sie ein Opfer war der neuen Wahrheit oder des alten Irrtums. Aber wir wissen dies eine, daB die Wahrheit mehr; ist ais das l.eben!" —

P a u i A l t e n b e r g hat uns d:'iese Novelle geschenkt, er nennt sie „ Da s G e s t a d e " (Chronosveriag 1923, Ludwigsburg und Frankfurt a. M.). Es kann nicht unsere Aufgabe sein, der d. i cht e- r i s c h e n Ge wal t dieser Kindertragodie gerecht zu werden, und mit Absicht haben wir jeden Versuch unterlassen, die visiomar zwingende Gestaltung jener grauenvollen Nacht auch nur andeutungsweise wieder- zugeben. Das sei jedes durstenden Menschen eigene Angelegenheit, diesen Trank rein und unmitteibar aufzunehmen; rot gltiht der Wein dieses Lebens in Worten wie Kristallschalen goethischen Schliffs.

Was uns an dieser Stelle zwingt, von jenem schmalen Band- ehen zu sprechen, das ist die umfassende Bedeutung jener Tragódie, zu> der wohl ein Einzelerlebnis in der Erfahrung eines Erziehers AniaB gegeben haben mag. Aber ganz allgemein liegt hier die T r a g ó d i e d e r h e u t i g e n J u g e n d vor, der die Welt ent- schleiert wird; die ohne es zu wollen, stehen bleiben mufi und horchen, wovon die Alten sprechen; der plótzlich der fromm ge- .webte Religonsschleier mit antikischen Emblemen zerreifit; die auf der Fahrt nach dem Gestade umkehren muB und an der U;nge- wifiheit zu Grunde geht. Eine ganz; ungeheure Spannung ist zwischen den Alten und der Jugend. Altenberg hat den hóchsten, den reinsten Fali gesetzt: Das Weltverstandnis, wie es in den besten und edelsten Fierzen linserer Zeit bliiht — und auf der anderen Seite die kindlich antbropomorphe Gottesvorstellung, wie sie in Schule und Haus ge- pflegt wird. Doch man denke auch an weniger sinnvolle, aber desto haufigere Spannung: die Alten erzahlen der Jugend von den Idealen:

Vaterland, Fieldensinn, Gottesfurcht — und wenn die Jugend die Alten zufallig belauscht, wo sie unter sich zu sein glauben, da heiBt es statt Vaterland Steuerhinterziehung, heimlicher Gewinn; statt Hel- densinn — die Juden sind an altem schuld, aus diesen Papieren mufi ich morgen „aussteigen", in jene mufi ich „einsteigen", hoffent- lich geht der Marksturz weiter; statt Gottesfurcht — hier gibts die feinsten Likóre und dort die rassigsten Weiber. Das sind dann die

„Ideale" der Alten, der Eltern und Lehrer — — und die Jugend?

Das Grauen vor diesem Chaos mufi1 sie vernichten.

Doch das Leid, was unsere Besten trifft, das ist nicht durch die Schmutzgesinnung jener heroisch maskierten Schieber bedingt, sondern durch die Unwahrhaftigkeit zwischen Leben und Worten, in der die Generation der Alten so heiinisch geworden ist, dafi sie sie gamicht mehr spiirt. Der patriotisch geschminkte Gauner, er ist doch in einem Sinne echt und ganz, durch und durch ein Lump; da ist der Instinkt der Jugend nicht iange zu verwirren. Aber die Eltern und Lehrer, die in derselben Herzenswohnung so verschiedene

Siegfried Kawcrau: Das entschlcierte Bild zu Sais.

277

(6)

Siegfried Kawerau: Das entschleierte Bild zu Sals.

Zimmer haben, die triiben die Gefiihlssicherheit unserer Jugend. Da ist hier das „gute Zimmer" und da hangt das Bild von Wilhelm II und von Hindenburg und dazu ein frommer Spruch „Die Liebe horet nimmer auf", und alles ist so sauber und so nett, und dann ist das kleine muffige, schlecht geliiftete Schlafzimmer, und in den Betten rekeln sich trage versteckte Ltiste, Begierden, suBliche Traume wie fette Ringeinattern. IJnd in der Kuchę steht der Miilleimer, in dem der Abfall von vielen Tagen stinkt, und die Messer liegen Schwarz und klebrig herum, und in den Topfen ist der Rand vom vor-vor- gestrigen Essen, und die ubergekochte Suppe- ist auf dem Gaskocher eingebrannt. Das vertragt sich in den Herzen der Alten ungestórt miteinander, und unsere Jugend wird von dem Geist dieser inneren Unredlichkeit vergiftet. Sie redet sich es vor, sie k o n n t e in je- dem Augenblick, wenn sie wollte, piinktlich und sauber sein — aber n o c h sei es nicht notig, noch folgę man besser den seelischen Stimmungen, noch blicke man lieber ein wenig spóttisch auf solche biirgerliche Tugenden — und so sind die Herzenswohnungen der Jugend in a l l e n Zimmern ein wenig verstaubt, ein wenig mit Spinn- gewebe vfrziert; gewifi, es gibt keine' „guten Stuben" mehr bei d er.

Jugend, es gibt keine geilig sauren Schlafstuben — aber es gibt iiberall eine Unredlichkeit gegen die Dinge, einen kleinen Selbstbe- trug, eine launenhaft zwischen Verhatschelung und Mifihandlung des Korpers schwankende Unsicherheit, ein Liebkosen mit Gefiihlchen und Stimmungen, ein Fiittern der kleinen liebeni Eitelkeit — und so wird die F a h i g k e i t z u m _tr a g i s c h en E r l e b e n v e r d o r b e n . Und das' ist das schlimmste Schicksal unserer Jugend.

Wohl allen denen, denen das entschleierte. Leben die zarten Sinne zertrat; selig alle die, die im Ringen mit den neuen ungeahnten Ge- walten unterlagen — sie starben einent echten Tod. Nicht eure Schuld ist es, dafl ihr so unvorbereitet den ewigen Machten uberliefert wurdet; Schule und Haus Iegten Lasten auf euch, statt euch stark zu machen; sie krummten eure Riicken, statt sie stolz zu straffen.

Aber ihr kampftet einen ehrlichen, einen guten Kampf. Das Zer- brechen im tragischen Erleben ist heiliges Schicksal, furchtbar ist es, eir.sam dem entschleierten Bild der Wahrheit gegenuberzustehen.

„Was mich nicht umbringt, macht michi starker", spricht der Tapfere mit Nietzsche! Eieber in Wahrhaftigkeit irren, ais in Unredlichkeit richtig handeln. Lieber ehrlich verbluten ais sich mit einer Liige ver- binden. Aber wehe denen, die vor dem entschleierten Bilde sich selbst mit ihren Gefiihlchen umschleierten, urn nicht deutlich sehen zu miissen, die ihre kostlichsten Gedanken sich in der „Aussprache"

zerredeten, die die Sprache der Dinge und der Leiber nicht ver- stehen wollten und sich lieber mit Worten narkotisierten. — Das entschleierte Bild steht heute — gegen den Willen der Alten — nackt und wahrhaftig vor der Jugend. Und so entscheide dich, Jugend!

Jugend Europas: Dir stehen die Wege, offen!

Werde reif im Erkennen und reifer im Handeln.

Schicksalszwinger werden nur die so sich' wandeln Und an dir hanget der MenSchheit erblafites Hoffen!

• Lafi von verdorbenem Traum und verdammernder Tugend.

278

J

(7)

Schiittere Greise lallen vor dumpfendem Qualm!

Hoherer Fluch geziemt dir! und kiihnerer Psalm.

Rotte vom Geist! Europas entfesselte Jugend!

Langst der Osten erdróhnt in roter Erregung!

Geist ist entflammt! Und Menschheit brach dammernd herauf!

Auf Genossen! Zum Kampf! in diet grofie Bewegung!

Schmettert Welten in Schutt — und der Mensch steht auf!

(Eduard Hesse). *)

Walter Schonbrunn: Mannhaftigkeit oder Heldenphrase?

W ALTER SCHONBRUNN: Mannhaftigkeit oder Hslden^irase?

Der Kampf urn den Geist unaerer Jugend drangt sich in gewis- sem Sinne in dem Kampf urn das kiinftige Geschichtslehrbuch der hoheren Schule zusammen. Darum heifit es immer wieder auf diese Frage zuriickkommen, immer laufer der Óffentlichkeit ins Gewissen zu reden, ja zu schreien, damit wir wenigstens unsere Pflicht getan haben. Da hat Kawerau schon maj in der Juni-Nummer der „Neuen Erziehung" iiber das kurzlich erschienene „Geschichtslehrbuch fiir die deutsche Jugend" von Kumsteller gesprochen. Es lohnt sich, iiber das Buch noch einmal zu reden. Schon deshaib, weil. es ge- geniiber den bisherigen Schmokern unzweifelhaft einen Fortschritt dar- stellt. Vielleicht auch in der Methode, wo es doch von ganz ahnlichen Tendenzen getragen wird, wie wir sie oft in der Neuen Erziehung gelesen haben, wo der historische Roman ais Grundlage modernen Geschichtsunterrichts empfohfen wurde. Kumstellers Buch klingt ja manchmal sehr romanhaft. Es erreicht, besonders in der ersten Halfte, oft eine schone Anschaulichkeit und eine erstaunliche Lebendigkeif.

Sicher bedeutet es einen Fortschritt im Inhalt, wo man sich nicht mehr bemiiht iiber ąlles Anstófiige an preuBischen Konigen einfach stillschweigend hinwegzugehen, wo sogar hin und wieder ein Wort scharfen Tadeis fallt, wenn Friedrich Wilhelm III. so gar keinen Aufschwung zu innerer und aufierer Freiheit aufbringt, oder wenn deutsche Kieinsultane ihren Untertanen den letzten Rest eigenen Man- nerstolzes heraustreten.

Aber je volksfreundlicher und, freiheitlicher sich das Buch an solchen Stellen gebardet, desto weniger freiheitlich ist es im tiefsten Innern. Der ganze Phi:lologenverein wird zwar ausrufen: Das ist das ur.politische Geschichtsbuch. Und doch gibt es einen tref grei- fenden Unterschied zwischen blofien Konzessionen an Volk und Frei­

heit, auch wenn diese, wie hier sicher, aus ehrlichem Gerechtigkeits- gefiihl heraus gemacht werden, und aufrichtiger positiver Begeiste- rung fiir das Volk, aufrichtigem Glaubeu an das Volk. Dieses Buch, das angeblich zur Liebe zu Volk und Vaterland erziehen will, erzieht ja doch blofr zur Liebe zu dem angestammten Fiirstenhaus. Es ist geboren aus einem tiefen Ungilauben an unser Volk, und das kommt daher, weil es geboren ist aus einem tiefen Unglauben an den Men-

*) Aus „Das Erwachen", Auswahl revolutionarer Dichtungen von Karl Hoppe, verlegt bei Otto Zóphel, Leipzig.

279

(8)

schen iiberhaupt und an die Menschheit. „Der Held" wird ge- feiert, aber das Heldenhafte, das tief in der Seele jedes einzelnen sclflummernd ruht, geht verloren. Heldenidole werden herausgear- beitet, damit in jede jungę Menschenseeile hineingehammert wird:

„Beuge dich, ordne dich unter, sei, iiberzeugt von deinem Unwert und dem ailler deiner Bruder." Wir aber verlangen, dafi die Geschichte auch dem jungen Menschen immerfort zuruft: D u, du selbst mulit handdln; nicht auf irgend ein Wunder gilt es zu hoffen, auch die Hoffnung auf „den" grofien Mann, der ajlles mai wieder in Ordnung bringen wird, ist ein ubier Wunderglaube, spiritischem Altweiber- trug nicht unahralich. Nur die Mitarbeit aller wird ein Volk zum Aufstieg fiihren, wird eine grofie Idee zum Siege bringen. Das zeigen die besten Zeiten der romischen und englischen Geschichte.

Das zeigt die deutsche Reformationsbewegung und die deutsche Ein- heitsbewegung im 19. Jahrhundert. Aber bei Kumsteller wird das Volk bewufit entmundigt. „Ich lasse mir von der Mehrheit im Reichstag nicht imponieren", sagt bei ihm Bismarck, „nein, meine Herren, dazu sirid sie garnicht die Manner". Der jungę soli nicht nur den Eindruck mitnehmen: Diese Voiksvertreter waren damals hochst kiimmerliche Gesellen, sondern er soli sich auch merken, solche Leute werden in aller Zukunft auch! nicht anders sein. Die altesten Schmarren werden wieder aufgewarmt, um diese Grundanschauung iiberah durchzufiihren: Auch bei Kumsteller yerlafit Hannibal un- besiegt Italien, nur weil das Volk zuhause ihn im Stich lieB, weil „die karthagischen Herren kieinliche Kramer sind", die nur an sich den- ken. Ihre gewaltigen Hilfsversuche iiber Sizilien durch Heer und Flotte mit Hannibal die Verbindung aufzunehmen, fallen ganz unter den Tisch. Und Hindenburg hat einen grofien Sieg errungen, auch wenn „er sein Ziel nicht ganz erreicht". Nur das bose deutsche Volk hat ihn im Stich gelassen, steht zwischen den Zeilen. Unkritisch werden of- fenbare Unfahigkeiten und Fehler der Heeresleitung zugedeckt, blofi damit ja nicht die Iieldenpersónlichkeit leide. Kawerau hatte das Fehlen des Hindenburgtelegrammes am entscheidenden Ende festge- nagelt. „Eine Einzelheit", werden die Herausgeber sagen. Eine ali- zutypische Einzelheit. Vielleicht wird das Telegramm gar nicht mai deswegen unerwahnt gelassen, um den armen Erzberger zum hólli- schen Damon zu stempeln, vielleicht audi nicht mai, um die deutsche Demokratie von vórnherein mit dem Odium der Feigheit oder des Verrats zu belasten, -sondern sicher vor allem, um ja nicht „unserm"

Hindenburg zu nahe zu treten. Um ja nicht die Legendenbildung zu stóren, die das allerwichtigste fur Kumsteller ist, mag auch der alte Hindenburg das deutsche Volk noch so sehr ins Ungluck hinein- geritten haben. Legendenbildung, das ist der ganze Kumsteller. Le-' gendenbildung fiir die Kleinen, wo sich Grundauffassungen fiirs Leben hineinschleichen, die dann niemals mehr restlos herauszubringen sind.

Dahinter steckt immer noch die falsche Auffassung der alten SchuL geschichtsbucher, ais ob patriotisch sein hiefie: alles eigene und be- sonders die eigenen Fuhrer, in denen sich angeblich die Idee des Volkes verkorpert, vorbehaltlos zu loben. Kumsteller lese mai den Dialog von Fichte: „Der Patriotismus und sein Gegenteil" sich

Walter Schonbrunn: Mannhaftigkelt oder Heldenphrase?

280

.

(9)

durch. Die Legende vom unbesiegten Hindenburg, ist eine Geschichts- falschung.

Gcethe sagt: „Das Beste an der Geschichte isf die Begeisterung, die sie erweckt". Ja die Begeisterung wofiir denn? Doch die Begeisterung fur alles Grofie und Herrliche, was in der Men- schenbrust schlummert an Kraft und Tat. Und nicht fur Friedrich Wilhelm I. II. III. IV. oder V. (In vielen Papiergeschaften heischt sein stolzes Aufiere schon jetzt zukunftssicher kiinftige Begeisterung fur sich.) Kumsteller streicht einige dieser Nummern, aber blofi um dafiir die iibrighleibenden um so hoher ais das Ideał festzunageln’.

Gewifi, der grofie Kurfiirst ist ein Kenl von ganz ungewóhnlichen Ausmafien. Aber ihn zum „nationaien Helden" zu stempeln, ist eine Legendenbiildung. Er i s t nun einmal schuld, dafi das deutsche Vo’lk Strafiburg verloren hat. Also w;ar sein Wort: „Gedenke, dafi Du ein Deutscher bist", nur ein , Schlagwprt fur den Augenblick.

an das er sich selber durchaus nicht gebunden fiihlte. Es ist hart das festzustellen, weil alle liebgewordenen IHusionen schon sind. Aber wenn man den rucksichtslosen Egoismus a 11 e r damaligen deutschen Kleinfursten und Grofimoguls an den Pranger stellt, dann leuchtet das deutsche V o 1 k um so hoher. Denn das war national, siehe Leibnitzens Spottschrift „vom allerchristlichsten Kriegsgott", die nur eine von einer schier unubersehbaren Fiille politischer Flugschriften jener Zeit darstellt. Dann erscheint das vielgeschmahte 17. Jahr- hundert in einem ganz anderen Lichte.

Wir ibrauchen ein nationaies Geschichtsbuch1, das heifit ein Geschichtsbuch, das immer u,nd ewijg vom deut­

schen . VoHkt ausgeht. Haacke und Schneider, die bei- den Mitarbeiter Kumstellers, versuchen das oft, das kann erfreulicher Weise festgestellt werden. Aber ganz und’ gar kann ein solches Buch nur einem iiberzeugten und aufrichtigen Demokraten gelingen. Dann wird man freilich das Goethewort dahin erganzen mtissen, dafi die Geschichte auch Empórung, auch fiamrnende Entriistung auslosen mul), zumal bei unserer eigenen Geschichte. Das ganze Volk tragt heut die Schuld, die die regierenden Schichten friiherer Zeiten auf uns geladen haben: Das deutsche Volk wird nicht herabgesetzt, oder gar heutzutage geschadigt, wenn man die Siinden jener Kreise unumwunden zugibt. Das Volk in seiner breiten Mehrheit hat nie- mals die preufiische Polenpolitik gebilligt. Man< erinnere an die Sym- pathien, die die aufstandischen Polen in der ersten Halfte des 19- Jahrhunderts in Preufien selbst fanden oder an den standigen Kampf der Sozialdemokratie gegen die Ausnahmegesetze. Unser Volk hat ein so hohes Mafi von Gerechtigkeitsgefuhl und Vorurteilslosigkeit nicht blofi theoretisch, sondern auch mit der Tat an den Tag gelegt, dafi unsere wahre Geschichte auch in den Gerechtigkeitskampfen unserer Tage, auch mit der grófiten Selbstaufrichtigkeit geschrieben, ein wundervoll wirkendes Instrument sein kann. Wir brauchen nichts zu verschweigen.

Aber dann geht doch unseren Kindern alles Gefiihl fiir historische Grofie yefloren ? Ja, wir wollen eben neue Ideale bringen, neue

Walter Schónbrunn: Mannhaftigkeit oder Heldenphrase?

281

(10)

Begeisterung. Dali das móglich ist und genau so interessant zu machen ist, das zeigt doch sehn das empfehlenswerte alte Buch von Ekkardus: „Geschiehte des niederen Volkes In Deutschland". (Ver- lag von Spemann in Stuttgart.) Da wird die ungeheure Tragik der deutschen Geschichte und auch der Weltgeschichte tiberhaupt tief ins Herz der Jugcnd gepragt. Aber hat nicht ein grofier Mensch, ganz gleich, was er fur eine Einstellung zeigt, sei es Casar, sei es Napoleon, immer etwas Begeisterndes, | ist er nicht immer, auch wenn e1- bewufit nur dem kleinlichsten Egoismus nachginge, Frager, Verkorperung einer grofien Idee? Wenn wir darauf antworten sol- len, miissen wir dreierlei genau unterscheiden. Ein Einzelmensch kann erstens bewufiter Kampfer fiir eine Idee sein, das macht ihn verehrungswiirdig; er kann zweitens Verkorperung einer Idee sein, (Friedrich II. fiir die Idee des Absolutismus), das macht ihn cha- rakteristisch; und drittens kann er unbewufiter Trager einer Ent- wicklungsidee sein, (Napoleon bei der Auflósung des alten euro- paischen Staatensystems), das macht ihn aber doch nur zu „einem Teil der Kraft, die stets das Bose will und doch das Gute sehafft", Da kann er eine ungeheure Kraft darsteillen, wie Timur Lenk, wie Sulla. Auch djeser Anblick wirkt zweifelsohne belebend. Aber be- geisternd? Verehrungswurdig ? Alle gewaltigen Naturerscheinungen haben etwas Erhabenes, der Ausbruch des Vulkans ebenso wie eine Sturmflut und wie der Krieg. Aber Verehrungswiirdiges ?.

Wj.r wollen nicht zur Verehrung des Menschen erziehen, der nur an einer historisch weithin sichtbaren Stelle sitzt, sondern zu der der menschlich grofien Persónlichkeit. Wir halten uns an Jean Pauls Worte in der „Friedenspredigt", (Kauft euchi die prachtige Samm- lung: ,,Dokumente der Menschlichkeit". Erschienen im Dreilander- verlage Munchen-Wien.) dafi ein grofier Feldherr doch nicht anders in seinem Menschenwerk einzuschatzen sei, ais ein grofier Klavier- spieler. Freilich kann seine Tatigkeit nutzlicher sein. Aber auch bei einem siegreichen Feldherrn darf die blofie Tatsache seines Erfolges nicht zu Heiligenlegenden Anlafi geben, wenn sein tatsachliches Kón- nen und sein menschjicher Wert nicht volle Gewahr bieten. Es ware ein falsches Gefuhl von oberflachlicher Dankbarkeit, denn mit solcher Dankbarkeit wird die hochste Dankbarkeit, die es fiir jeden geben mufi, die fiir das Vo'lk, geschadigt und unterdriickt. Und das wahre Helden- tum des Volkes, kommt bei Kumsteller nicht zu seinem Recht. Mit den )langst ais erlogen erwiesenen, und nun wohl wieder bewufit aufgewarmten Flejldenlegenden des alten Roms, wird nicht blofi jedes pazifistische Denken im Keime unterbunden, es wird auch der Sinn fiir die wahrhaft schaffenden Krafte eines VQlkes geschwacht. Der romische Bauer gab die Grundllage fiir Roms Weltmacht, das klingt in dem Kapitel von der Romerart nur wenig durch. Romischer, demokratischer Staatsbiirgersinn, wenn auch oft gefaischt und betro- gen, ist doch (letzten Endes die Wurzel aller Grófie Roms gewesen.

Das findet in dem Kapitel „Standekampfe" einen fast karikierten Aus- druck. Kumsteller geht Ordnung und innerer Friede iiber innere Freiheit. (Siehe die Bismarckkapitd: Parteikampfe iin neuen Reich.) Aber der Mensch und auch dasi Yodk lebt nicht vom Brot allein.

Walter Schónbninn: Mannhaftigkeit oder Heldenphrase?

2 8 2

(11)

Trotz alller scheinbaren Frische ist dieses Geschichtsbuch kein zukunftsfrohes Buch. Sein Blick ist riickwarts gewandt, nicht vor- warts. Es lebt nicht vom Glauben an das deutsche Volk, jenefn Glauben, der sich allein tief begrunden kann auf den Glauben an den Menschen uberhaupt, das heifit letzten Endes an die unzerstor- bare Schópferkraft der gotterfullten Natur. Darum steht die miide Formel in den Mottoworten: „Damit" werdet ihr eure Kraft „auch"

zum besten der gesamten Menschheit einsetzen.

Und letzten Endes gilt dasselbe auch1 von der Methode. Gewifi ist sie ein nicht zu unterschatzender Neuversuch, iiber die tote und Jangweilige Art friiherer Lehrbiicher. hinauszukommen. Aber oft er- innert sie doch ganz unheimlich an jene Bilderbogen zu Lehrzwecken, wo die BeJagerung einer mittelalterlichen Stadt rnit moglichst viel yerwendbaren Einzelheiten treuherzig zusammengestellt ist. Diese pa- dagogischen Errungenschaften einer vergangenen Epoche erscheinen uns jetzt kitschig. Warum? Weil trotz aller Ehrlichkeit und Bieder- keit das wahre, echte, historische Leben mit all der Macht seiner Wirklichkeit eben nicht da ist, und weil alles doch nicht auf seinen eigenen Ton gestimmt ist, sondern auf ein populares flaches Ge- ger.wartsyerstandnis. Bezeichnend ist, dafl Kitsch einer vergangenen Epoche, wie z. B. Julius Wolff, benutzt ist! Vielleicht durfte ein Buch solcher Art nur von einend geborenen Dichter geschrieben wer- den, wenn es schopferisch werden solił. Aber nein auch das nicht:

Ein solches Buch ist letzten Endes ein Widerspruch in sich: Ge- schichte ist Wirklichkeit und hat ais solche immer einen Kem von Unergriindlichkeit in sich, der keusch bewahrt werden muli. Dich- tung aber ist bloB Wirklichkeit des Dichters. Darum ist ein histo- rischer Film i m m e r eine Geschmacksverirrung, immer ein bana- les Sensationsprodukt. Darum ist ein historischer Roman nur dann ein echtes Kunstwerk, wenn der Dichter1 aus seiner Zeit herausschreibt, wie Grimmelshausen im Simplizissimus, oder wenn er wenigstens noch mit den Grundbedingungen seines Geistesi in dieser kiirzlich ver- gangenen Epoche wurzelt, wie Tolstoi in Krieg und Frieden oder Jakobsen in Frau Marie Grubbe. Also bleibt ein solches Geschichts­

buch, wenn auch noch so frisch-frohlich geschrieben, immer eine Halbheit? Kommt man niemals auf diesem Wege gewissermafien hineinlebender Geschichtsdarstellung weiter? Bleiben dann blofr noch wirkliche geschichtliche Romanę aus den verschiedenen Zeiten ais Einfuhrungsmittel? Diese in der notigen Menge durchzuarbeiten, ist aber eine technische Unmoglichkeit! Was bleibt1 uns also? Es bleibt uns nur die nackte Tatsache, es bleibt uns nur die Quelle, aus der sich jeder sein Marlein selbst zurechtdichten. soli. Alles yorausnehmen und yorausbilden beschrankt die positiye Fantasie des Schiilers, wie lllustrationen in einem Roman. Alle Legenden, auch wenn sie an- geblich subjektiv wahr sein konnen, unterbinden den inneren Reich- tum, den die Wirklichkeit an sich darbietet. Denn alle Wirklichkeit bedeutet Problem, Kampf, und ist n u n . einmal nicht auf eine ein- fache Formel zu bringen, zumal detl Untersekundaner und oft auch der Obertertianer ja auch kein Kind mehr ist. . . . .

Walter Sehonbrunn: Mannhaftigkeit oder Heldenphrase?

2 8 3

(12)

KARL SCHUBERT: Kritische Bemerkungen iiber Psychotechnik und Berufsberatung.*)

Die psychotechnische Berufsberatung geht von der Voraussetzung aus, ais gabe es eine bestimmte Anzahl festumgrenzter Berufe, und ais kamę es nur darauf an, die in jedem jungen Menschen vorhan- denen Naturgaben richtig zu erkennen, und festzustellen, zu welchem Beruf der betreffende jungę Mensch „berufen" ist. Diese Voraussetzun- gen scheinen nicht richtig zu sein, da beide, Beruf und Begabung, etwa.; durchaus Elastisches sind und in gegenseitigier Wechselwirkung einander angepafit werden konnen. Wer will sagen, welche Ent- wicklungsmoglichkeiten in einem bestimmten Berufe vorhanden sind, und ob man nicht diese Entwicklungsmoglichkeiten vollig un- terbindet, indem man bestimmte Begabungen von diesem Berufe fern halt. Es scheint auch ein ganz unmogliches Unterfangen zu sein, mit Hilfe der Psychotechnik festzustellen, welche noch unentwickelten Anlagen und Fahigkeiten in ei,nem jungen Menschen vorhanden sind. #

Wer die Aufgabe unserer Zeit darin, sieht, wieder die Verhaltnisse der Vorkriegszeit herbeizufuhren, dem mag es1 richtig und wichtig er- scheinen;, daB man auf Grund der Erfahrungen der Vorkriegszeit Berufsberatung treibt. Wer unter Beruf etwas versteht, was in einer Zeit von vorgesetzter Lange zu erlernen ist, und meint, dafi die Be- rufsausbildung mit der Erreichung der vollen tarifmaBigen Entloh- nung bezw. der Anstellung beendet ist, der wird mit der Psychotech­

nik gute Ergebnisae erzielen. Wer aber meint, dafi wir an einem kulturgeschichtlichen Wendepunkt stehen, dem mufi es aufierst be- denklich erscheinen, die Erfahrungen einer verflossenen Zeitspanne, welche einen bereits lebensschwachen Kulturabschnitt zur Aufblahung, Ubersteigerung und schliefilich zum Zusammenbruch gefuhrt hat, zur Grundlage fur die Berufsberatung zu machen, welche doch den Sinn hat, der Kulturentwicklung auf eine Reihe von Jahrzehnten Richtung zu weisen. Wer unter Beruf etwas versteht, was ein ganzes langes Menschenleben voll ausftillen soli, der wird zur Ablehnung der Psycho­

technik kommen.

Es gibt viele begeisterte Anhanger der Psychotechnik, die irgend- wie an Berufsschulen interessiert sind, sie haben glanzende Erfahrun­

gen gemacht mit den Schulern, welche ihnen die Psychotechnik aus- gelesen hat, aber Schule und Leben sind nicht dasselbe, und man darf bezweifeln, ob diese Schuler sich durchweg iin praktischen Le­

ben bewahrt werden. Auch durfte es zweifelhaft sein, ob nicht unter den von der Psy.:hotechnik ais ungeeignet Bezeichneten jungę Menschen sind, die in dem betreffenderf Beruf im praktischen Leben sich ais hóchst wertvoil rweisen wurden, etwa infolge zah-beharrlicher Ausdauer. Die Psychoiechnik kann in vielen Fallen berechtigt sein, wo es sich um dienenc e Berufe handelt: Der Damenfriseur ist das Paradepferd der Psyche techniker. Man kann einem jungen Damen­

friseur nicht zugestehen, dafi er erst 500 Damen zwickt und rauft, bevor er die nótige Gtschicklichkeit erlangt hat. Wenn in der In-

*) So kritisch bezw. blehnend wir einigen der Schubertschen Ansichten gegenuber stehen, so wichtig erscheint uns doch das Ganze. Red.

Karl Schubert: Kritische Bemerkungen iiber Psychotechnik und Berufsberatung.

284

(13)

dustrie fiir eine bestimmte YerrichtUng eine gróBere Anzahl Arbeiter gebraucht werden, so ist es vorteilhaft, aus dem grofien Heer der ungelernten Arbeiter die fiir die yorliegende Spezialarbeit geschickte- sten durch die Hilfsmittel der Psychotechnik auszulesen. In allen den Fallen, wo der Mensch nicht der Sklave seines Berufes ist, son- dern sich in seinem Beruf eine Stellung schaffen kann, die seinen Kraften und Fahigkeiten entspricht, mufi man, die Psychotechnik ab- lehnen.

Ganz besonderś gilt dies dort, wo es sich um kunstierische Be- gabungen handelt. An einigen Kunstgewerbeschulen pruft und berat man unter der Voraussetzung, daO fiir die kunstgewerblichen Berufe eine kunstierische Begabung notig ist, jungę Menschen, die von den Schulen ais vermutlich kunstlerisch begabt hingesandt werden. Man ist auch hier sehr zufrieden miit den Ergebnissen, da man sich fiir seine Schule Paradeschiiler heranzieht. Durch diese Auslese bildet man in diesen jungen Leuten ein sehr starkes Selbstbewufitsein, das haufig an GróBenwahn grenzt, heraus, sie meinen, nachdem ihnen ihre kunstierische Begabung durch eine so eingehende Untersuchung „auf wissenschaftlicher Grundlage" bestatigt ist, dafl ihnen nun nur noch' ein Samtkittel und eine Lockenmahne n-otig ist, um ais gottbegnade- ter Ktinstler Unsterbiiches zu leisten. Ahnliche Gefahren mag, wenn auch weniger krafi, die Psychotechnik noch in yielen anderen Fallen in sich tragen: Das so beliebte Wortspiel vom „Berufensein" erscheint da recht bedenklich. Es zeigt sich im praktisćhen Leben taglich, daft eine schwache Begabung, verbundcn mit Ausdauer und Gewissen- haftigkeit, sehr viel wertvoIler ist, ais' die schonste Begabung, gepaart mit Flatterhaftigkeit und, ubertriebenem SelbstbewuBtsein. Anderer- Seits kann man sich denken, daB die Psychotechnik, wenn sie auf jede beratende Tatigkeit yerzichten will, padagogisch recht wertvoll sein kann. Sie kann wescntlich zur Selbsterzichuiig und Selbstkritik bei- tragen. Es kann auBerordentlich wichtig sein, wenn ein strebender Mensch nach langeren .Zeitraumen die Móglichkeit; hat, den errungenen 1'ortschritt objektiv festzustellem

Die Aufgabe der Berufsberatung ist, die jungen Menschen in die- jenigen Berufe zu leiten, in denen sie der gesamten Wirtschaft am bes.ten niitzen. Es diirfte daruber kein Zweifel bestehen, dafi es fiir Deutschland Lebensbedingung ist, zu hóchster Qualitatsarbeit und zu denkbar hóchster Produktivitat zu kommen. Es ware also die Aufgabe der Berufsberatung, aile jungen, Krafte in die produktiven Berufe zu leiten, dem steht jedoclu die Geringschatzung jeder schópfe- rischen Arbeit entgegen. Man ist in weitesten Kreisen durchaus ein- gestellt, nur in dem Beamten einen yollwertigen Menschen zu sehen.

In unserem Staatswesen bestehen iiberdies jetzt.die typischen Anzeichen cines bevorstehenden unvermeidlichen volligen Zusammenbruchs: Auf- blahung und Uberspańnung. Der schon iangst bankerotte Staat kann eine Uberorganisation und imtner neue Beamtenkategorien schaffen,- Zu diesen gehoren auch Berufsberater und Psychotechniker, er zahlt ja alles mit Papiergeld, das er ja in beliebiger H5he drucken kann.

Zur Produktivi.tat, kónnen wir erst kommen,' wenn der Zusammenbruch' dieser ganzen Papiergeld wirtschaft erfolgt ist; alsdann wird nur be-

Karl Schubert: Kritische Bemerkungen iiber Psychotechnik und Berufsberatung.

285

(14)

stehen konnen, wer Werte schafft. Es1 scheiht das Schicksal unserer Jugend zu sein, dafi sie durch gewaltige Erschiitterungen ihres Be- rufslebens hindurch mufi, gleichviel ob sie mit oder ohne Berufs­

beratung, mit oder ohne Psychotechnik in den Beruf hineingekom- men ist.

Man ist immer geneigt, einen Berufswechsel ais ein Ungluck an- zusehen, es kann jedoch ein recht grofies Gliick sein fiir den Betrof- fenen. Er kommt mit einem ganz anderen Gesichtsfeld in den neuen Beruf hinein und findet infolgedessen dort vielleicht ganz andere Móglichkeiten ais seine neuen Berufskollegen ohne solche Erfahrungen.

Wenn es vom Schicksal bestimmt ist,' dafi unsere Jugend, die heute in die Bank-, Beamten-, Gelehrten- und in andere nicht durchaus schópferische Berufe hineingeht, entwurzdt wird und nach man- cherlei Kampfen schliefilich in die schaffenden Berufe hineinkommen mufi, so mag hierin vielleicht eine kulturgeschichtliche Notwendigkeit liegen. In grofien Zugen kann man es vielleicht so ausdriicken: Im 18. Jahrhundert galt das Konnen, das Wissen wurde vemachlassigt;

im 19. Jahrhundert galt das Wissen, das Konnen wurde vernach- lassigt; fiir die neue Kulturepoche mufi die Synthese von Konnen und Wissen die Grundlage bilden. Diesef Synthese kann voraussicht- lich diese Jugend schaffen, indem sie, vom Wissen zum Konnen kommt-

Die wichtigste Aufgabe der Berufsberatung sieht man darin/

die Menschen vor dem tragischen Schicksal des „verfehlten Berufes"

zu bewahren. Nun kann man bemerken, dafi es eine durchaus mensch- liche Eigentumlichkeit ist, nie mit dem, was man besitzt, zufrieden zu sein, und sich stets in Sehnsucht nach dem Unerreiichbaren zu ver- zehren. Dies trifft in der uberwiegenden Mehrzahl der Falle beim ver- fehlten Beruf zu. Der Beruf ist verfehlt, weil man zu seinem Beruf keine innere Einstellung gefunden hat. Es ist ja auch so unendlich viel beąuemer, in der tragischen Rolle des Menschen mit dem ver- fehlten Beruf das Mitleid seiner Mitmenschen zu erwecken, ais in jahre-, vielleicht jahrzehntelanger harter Arbeit seine Fahigkeiten den Anforderungen des Berufs anzupassen, und sich innerhalb aller der vielen Móglichkeiten seines Berufs eine seinen Fahigkeiten entspre- chende Stellung zu schaffen. Es ist ja ganz selbstverstandlich, dafi bei der Berufswahl die Anlagen und, Begabungen mitzusprechen haben, nur werden die Eltern und Lehrer diese aus dem jahrelangen Umgang mit dem jungen Menschen sehr viel besser kennen, ais die Psycho- techniker durch eine noch so grundliche kurze Priifung feststellen kónne|n. Sie werden vor allen Dingen die - e r w o r b e n e n Fahig­

keiten von den a n g e b o r e n e n Eigenschaften unterscheiden konnen- Es erscheint ais der argste Mangel der Psychotechnik, dafi sie diesen so iiberaus wichtigen Unterschied nicht zu machen versteht. Die Berufsberatung sieht eine ihrer wichtigsten Aufgaben darin, zu ver- huten, dafi bestimmte Berufe iiberfullt werden, in anderen ein Mangel an Kraften eintritt. Auch dieses erscheint ais ein vóllig unmógliches Unterfangen. Niemand kann die Entwicklung des Wirtschaftslebens voraussehen, ganz besonders trifft dieses aui? unsere heutige, so vóllig verworrene Lagę zu. Nun ist aber noch ein Umstand zu beachten:

Es gibt Berufe, welche nur eine bestimmte Zahl von Menschen

Karl Schubert: Kritische Bemerkungen iiber Psychotechnik und Berufsberatung.

2 8 6

(15)

ernahren kónnen; aber auch diese Zahlt ist haufig bedeutenden Schwan- kungen unterworfen. Es gibt aber auch Berufe, dereń Angehórige

•sich selbst ihr Tatigkeitsfeld. schaffen konnen. Beim Handwerk ist es so: Es schafft Dinge, die nicht lebensnotwendig sind, die aber dazu beitragen, das Leben angenehm zu| gestalten. Je mehr, je tuch- tigere und je intelligentere, weiitblickendere Menschen nun im Iland- werk tatig sind, umsomehr, umso vollendetere derartige Dinge wird man schaffen; diese rufen in jedem Menschen den Wunsch, sie zu besitzen, hervor, sodaB das Handwerk sein Arbeitsfeld nahezu un- begrenzt erweitern kann. Zur Zeit herrscht bei alien Vólkern ein groBer Hunger nąch diesen Erzeugnissen des Handwerks, in keinem Lande sind die Vor'oedingungen fiir die Erzeugung dieser Dinge in gleichem Mafie gegeben, wie in Deutschland. Wenn es gelingt, alle Krafte auf die Erreichung dieses Ziels — Produktivitat und lióchste Qualitatsleistung — einzustellen, so werden uns alle Reichtiimer der Welt ais Gegenwert fiir diese so angenehmen und so begehrten Er- zeugnisse des Handwerks zuflieBen.

Also: Die Schwierigkeiten liegen nicht in der Auslese, sondem in der durch die Zeitumstande bedingten Verworrenheit des Be- fufswesens.

FRIEDRICH WESTHOFF: Warnung vor verfriihtem und falschem Schreibunterricht*)

Das bisher schulfreie frischfrohe Kind wird in die Schule zum .,Lernen" geschickt, bezw. befohlen. Es soli sich dort u. a. in die Buchstaben- und Zahlenwelt einleben. — Nach welchem Prinzip? — Die padagogische Wissenschaft antwortet: Nach dem Prinzip „Vom Leichten zum Schwierigen", das heifit also auch „Vom Einfachen zum Komplizierten". Demnach mufite, muB man, mit den einfachsten Buchstaben beginnen, und das sind die groBen Druckbuchstaben der Antiąua. Wie klar und einfaclł sind die unterschiedlichen Merk- male dieser Eckschrift ausgedriickt, wie ieicht sind sie zu erkennent Wie Wurzel, Stamm, Ast, Blatt, Bliite weifi das Kind auch schnell A, E, I, O, U auseinander zu halten. Sie sind ja,auch die urspriing- lichen Lautzeichen, aus denen die iibrigen, die es lernen soli, erst ent- standen sind.

Kann es diese alten, klaren Zeichen unterscheiden, weifi es, was sie bedeuten sollen, dann macht es fiir das Kind nicht mehr viel aus, ob man sie ihm etwas verandert vorzeigt. Die Kleinen seheit doch sogleich das Charakteristikum jedes Lautzeichens. Statt der eckigen A, E kann man ihnem dereń abgerundete Formen A, E hin- schreiben, sie wissen, dafi sie denselben Lautwert darstellen sollen;

sie sagen hochstens: Du schreibst ja das A und das E auf einmal rund. Und geht man dann dazu; iiber, etwas an den Zeichen fortzu-- lassen oder hinzuzufiigen, statt A, E, etw a^[, S zu schreiben, so sieht es ihre Urform doch noch in der Umformung wieder.

Geht man so von den urspriinglichen und einfachen Buchstaben zu

*) Vergleiche dazu Heft 11 der „Enlschifedenen Schulreform" (Oldenburg,, heipzig): O t t o K r u l k „ D i e G e i B e l d e r K i n d h e i t “ .

Friedrich Westhof: Warnung vor verfriihtem und falschem Schreibunterricht.

287

(16)

ihren verschiedensten Veranderungen iiber,. zeigt man dem Kinde, wie man durch andere Linienfiihrung, durch Fortlassen und Hin- zufiigen die Abanderungen entstehen laBt, so gibt man zugleich dem Verstande des Kindes etwas zu tun, es derikt iiber die morphologische Entstehung dieser Figuren nach. Und wir niussen gerade bei bildlichen Darstellungen- dem Kinde verstandlich zu machen wissen, was be- grifflich notwendig ist, damit es darin auf den ersten Blick die einfache Urform wiederzuerkennen versteht. Und das Kind wilii ar- beiten, .will daher auch denken und nicht alles „fertig" vorgesetzt haben, um es nur im Gedachtnis1 behalten zu sollen. Den im Winter kahl dastehenden Eichbaum erkennt es doch! auch nur dann im Laub- schmuck' wieder, wenn es ihn, schori beobachten konnie, ais er die Blatterknospen treiben liefi. Wie freut sich der Jungę, das Mad- chen, wenn sie mit Vater oder Mutter durch die StraBen gehen und dann auf Schaufenstern, Gebauden, Denkmalern die weithin in allen moglichen Farben leuchtenden groBen Buchstaben von den verschie- densten und verschrobensten Formen zeigen und dazu sagen konnen, wie sie heifien! Der Jubel iiber neue Entdeckungen auf diesem Ge- biete! Draufien hat das Kind in Dorf und Stadt seine Fibel, daraus es lernt. In der Schule und’ Daheim soli es mit dem Lesen in Biichern auf keinen Fali geplagt werden, wenn man ihm die Freude an den Buchstaben, seine Augen und vielleicht seine ganze Gesundheit nicht verderben will. In der Schule lerne es lesen und zwar nur von der

Wandtafel und nur groBe, riesige Buchstaben, damit seine Sehkraft moglichst geschont wird.

Es ist ein Verbrechen am Kinde und damit am Volke, wenn man systematisch durch die bisherigen Lehrmethoden kurzsichtigen Behórden dieselbe kórperliche und geistige Kurzsichtigkeit weiterver' breiten hilft, wenn man den kleinen Kinderkorper in eine Schulbank zwangt und zwingt, zusammengekauert fast mit der Nase auf dem Papier mit 6, 7 und 8 Jahren miihsam Buchstaben hinzukritzeln, das Kind zu strafen, wenn es der kleinen, unbeholfenen Fland nicht so schnell gelingen will, die auBerst feiinen Winkel, Krummungen, Schlingen, Strichlein und Verschnorkelungen regelrecht hinzuzaubern- Mit der albernen Ausrede „Einmal mufi der Jungę es doch lernen1’

kann man doch einen rohen Eingriff in das kórperliche und geistige Wachstum des Kindes, eines Mitmenschen, nicht rechtfertigen. MuB denn darin, worin bisher so schwer, gesiindigt wurde, fiir alle ZeiteF weiter gesiindigt werden, weil man selbst diese Qualen der Kindhei*

iiberstanden und vergessen hat? Hat das Kind weniger Rechte auf gesundheitliche Rucksichtnahme ais ein bezahlter Biirokrat?

Mit dem Schreiben in Heften hat es noch Zeit genug. Da?

Kind kommt ubrigens von selbst darauf, zu versuchen, ein Gesicht zu malen, auch Buchstaben nachzumachen. Dazuj gebe man ihm auch in der Schule Gelegenheit, aber nur an der groflen Schultafel, auf der es aber auch ófter hinmalen darf, was es zu konnen meint, etwa ein Haus. Freiwillig oder aufgemuntert, aber nicht befohlen mag es- ein A oder E usw. versuchen. Fiir die ersten 3 Schuljahre soli e?

aber auf keinen Fali in Heften oder auf Schiefertafeln schreibeh lernen. Es muB verboten sein, weil es ein Yerbrechen an seiner Ge'

Friedrich Westhof: W arnung vor verfruhtem und falschem Schreibunterricht.

288

(17)

sundheit ist. Man erspart damit auch den Eltern die Anschaffung der teuren Hefte, Halter, Federn, Kasten, Bleistifte und — Tornister;

femer den Gemeinden viel Tlnte, die sie ja zu besseren Zwecken zu verwenden wissen.

Neben „Lesen" ist doch noeh ebenso Wichtiges in den ersten drei Schuljahren zu Jernen, namlich gutes Nachsprechen jedes einzelnen Lautes, Wortes und Satzes, Singen, Abgewohnung unpassender und dialektischer Laute und Ausdriicke, Nacherzahlen von gut vorgetra- genen kleinen Erzahlungen, Wiederholung von Erklarungen, Beschrei- bungen und Schilderungen, Zusammenzahlen und Abzahlen von Ge- genstanden, Einfiihrung in die Naturkunde, Handarbeiten aller Art, Gartenarbeit, Korperpflege, Gymnastik, vertragliches und zuvorkom- m end es Ben eh m en usw.

Erst dann, wenn das Kind zunachst die Iateinischen und dann die sog. deutschen Buchstaben sowohl der Druck- wie Handschrift gut kennt, und ein-, zwei- und mehrsilbige Worter und schlieBlich kleine Satze in lateinischer und deutscher Handschriift lesen kann, erst dann darf der eigentliche Schreibunterricht beginnen. Mit dem Griffel und der Feder wird er sich schnell vertraut machen, weil es im Werk- unterricht gelernt hat, sich bald an den Gebrauch von Werkzeug jeder Art zu gewóhnen. Dann ist die Gefahr fur die Verkummerung des Brustkorbs, des Riickgrats, der Lungen und iibrigen inneren Organe nicht mehr so grofi, weil es starker geworden ist und ihm der bisherige Unterricht eine aufrechte Korperhaltung anerzogen hat, und dann werden wir auch fast gar keine Kinder mit Brillen — diese entstellten Kindergesichter — mehr sehen.

Rundschau: Hinter den Kuliśsen der preuBischen Biirokratie.

S C 1 B L A . 1 D '

Hinter den Kulissen der preussischen Biirokratie

1. Der MiBbrauch des staatlichen Bestatigungsrechtes durch den preuBischen Kultusminister Boelitz.

Das staatliche Bestatigungsrecht war im alten Staate e i n Mi t t e l , u m p o l i t i s c h u n b e ą u e m e P e r s o n 1 i c h k e i t e n v o n b e s t i m m t e n S t e . l l e n f e r n z u h a l t e n . Schon der Verdacht einer politisch nicht ein- wandfreien Gesinnung genugte zur Versagung der Bestaiigung. Damit sich die Regierung nicht mit der Begriindung ihrer Entscheidung in der Dffcnt- lichkeit^ lacherlich maghe, gab man „aus grundsatzlicheń Erwagungen" den Grund nicht an.

Jetzt ist es natiirlich nicht móglich, eine Wahl aus politischen Grunden nicht zu bestatigen. Aber der Regierung. wird es immer eine Kleinigkeit sein, andere anzuftihren, besonders den der mangelnden Eignung. DaB auch jetzt noch die Versagung der Bestatigung wegen der politischen Stellung des Gewahlten erfolgen kann, beweist der Fali des zum Direktor der Bei?- liner Diesterweg-Realsehule gewahlten kommunistisehen Studienrats Lier. D e r M i n i s t e r B o e l i t z h a t d i e W a h l j e t z t z u m z w e i t e n M a i n i c h t b e s t a t i g t . Dieser Fali ist so charakteristisch, daB er n a c h H u n d e r t e n v o n J a h r e n i n d e r G e s c h i c h t e d e s p r e u B i s c h e n S c h u l w e - s e r . s a i s B e i s p i e l d a f i i r a n g e f u h r t z u w e r d e n v e r d i e n t , w i e d i e B e s t a t i g u n g e i n e r W a h l o h n e d e n g e r i n g s t e n G r u n d v e r s a g t w i r d .

Es ist der Fali vorgekommen, daB ein Schulrat oder Schulleiter sein giinstiges Urteil iiber einen politisch links stehenden Lehrer widerrufen hat.

289

(18)

Ob dabei bewuBt oder unbewuBt die Befiirchtung eine Rolle gespielt, man konnte bei der Behórde oder bei Personen, an dereń Urteil einem viei go, legen ist, in Verruf geraten, mag dahingestellt bleiben. L i e r s D i r e k t o , r g a b j e d e n f a l l s i i b e r i h n d a s f o l g e n d e g l a n z e n d e U r t e i l a b , das im Landtage am 23. November 1922 wórtlich verlesen worden ist.

,,Herr Dr. Lier ist in seinem Fach ein besonders Itichtiger Schulmann. Er hat es verstanden, den Unterricht in der Mathematik sowie in der Physik auf eine auch von den benachbarten Ąnstalten anerkannte Hóhe zu bringen, und $ich dadurch urn den Aufbau unserer Anstalt, die sich unter schwierigsten Verhaltnissen aus einer hóheren Knabenschule zu einer selbstandigen Realschule entwickeln mufite, ein bleibendes Verdienst erworben." „Auch auf allgemei- nem padagogischen Gebiete, namentlich in den Fragen der Schulverfassung, der Berufsberatung hat er eingehend gearbeitet und die dadurch erworbenen Kenntnisse der Anstalt nutzbar gemacht. Ich glaube, d a B h i e r n a c h H e r r Dr . L i e r d i e V o r a u s s e t z u n g e n b i e t e t , e i n e A n s t a l t e r f o l g - r e i c h z u l e i t e n ." Eben so giinstig war das Urteil s e i n e s S c h u l r a t s , eines charakterfesten Mannes, der sich durch nichts anderes leiten lieB ais durch sachliche Momente. Auch die K o l l e g e n Liers, mit denen er an der Schule langere Zeit zusammen gearbeitet hat, gaben eine gunstige Auskunft.

Der Mitglieder des Berliner Provinzialschulkollegiums schien sich wegen dieser glanzenden Urteile eine Verzweiflung bemachtigt zu haben, da nun nichts iibrig blieb, ais dem Minister die Bestatigung zu empfehlen. Doch man kam auf einen anderen Ausweg: Lier wurde auf das ProvinziaIschuL kollegium zitiert. Hier sollte er sich uber seine p o l i t i s c h e G e s i n n u n g auBern; es sollte ihm ein Revers vorgelegt werden, der 12 Punkte enthielt.

Hoffte man etwa, er wiirde sich in Widerspruch zu den Grundsat?en seiner Partei setzen und so ais charakterloser Streber bloBgestellt werden konnen oder aber politische Ansichten entwickeln, deretwegen er mit Hilfe irgend eines Gesetzes oder einer Bestimmung abgesagt werden konnte? SchlieBlich sehlug den Herren Oberschulraten doch noch das Gewissen. Man strich einen Punkt nach dem andern und lieB nur zwei iibrig. Lier muBte sich verpflichten, P a r t e i p o l i t i k n i c h t i n d i e S c h u l e z u t r a g e n . Ken- nen denn die Herren die noch immer gebrauchten Lesebiicher nicht, die we­

gen ihres monarchistischen, militaristischen Inhalts Propagandaschriften der Deutschen Volkspartei oder der Deutsch-nationalen Volkspartei zu nennen sind?

Ich bin nicht Kommunist, bin Sozinldemokrat, fordere dahe.r nur die Ver- gesellschaftung der Produktionsmittel, nicht aber die der Konsumtionsmittel.

DaB aber Mitglieder des Berliner ProvinzialschuIkoIlegiums gerade einen Kom- munisten verpflichten wollten, nicht Parteipolitik in die Schule zu tragen, ist mir besonders unverstandlich. Wissen denn diese „Christen" nicht, daB die Mitglieder der ersten Christengerneinde, die sich nach der AusgieBung des Heiligen Geistes in Jerusalem' bildete, alle Giiter gemeinsam hatten, daB im Urchristentum lange' Zeit der Kommunismus bestand? Das Provi‘nzialschul- kollegium verlangt von den Volksschullehrern, die Rektoren werden wollen, Zugehorigkeit zu der evangelischen oder der katholischen Kirche. Wenn je-

^ mand aber nicht. nur seine Kirchensteuern zahlt, sondern ein Stiick Christen- tum verwirklichen will, muB er sich verpflichten, nichts, davon die Schiller im Unterricht merken zu lassen.

Ferner muBte sich Lier verpflichten, sich „jeder Handlung zu enthalten, die auf eine gewaltsame Anderung der Verfassung" hinziele. Das war selbst dem Monarchisten Boelitz zu arg, und er „verurteilte" dieses Vorgehen. Denn er muBte sich sagen, daB er dann mit weit groBerem Recht allen seinen Par- teifreunden denseiben Revers zur Unterschrift vorzulegen verpflichtet sei. Man- cher Leser wird den Kopf schiitteln und meinen, das sei nur zur Zeit des Sozialistengesetzes moglicn gewesen.

Da es dem Provinzialschulkollegium auch auf Grund dieser politischen Inąuisition nicht moglich war, die Versagung der Bestatigung der Wahl Liers bei dem Minister zu beantragen, b l i e b n i c h t s a n d e r e s i i b r i g a i s d i e B e s t a t i g u n g z u e m p f e h l e n .

Man sollte. annehmen, daB nunmehr der Minister Boelitz die Bestatigung vollzog. Sie war n u r e i n e F o r m e n s a c h e , die nur ein paar Minuten erforderte. Aber er konnte sich anfangs weder hierzu noch zu der Ver-

Rundschau: Hinter den Kulissen der preuBisćhen Biirokratie.

290

(19)

sagung der Bestatigung entschlieBen. Wochenlang, monatelang schwankte er hin und her. Hofffe er etwa, es konnte irgend ein Fali eintreten, der ihm ais Vorwand fiir die Versagung der Bestatigung dienen konnte? Es trat indes kein solcher ein. Der Minister wurde daher durch eine im Landtage ge- stellte Anfrage gedrangt, sich zu entscheiden. D a entschloB er sich, d i e B e s t a t i g u n g d e r W a h l z u v e r s a g e n . O h n e A n g a b e e i n e s O r u n d e s 1 ! Dieser konnte aus grundsatzlichen Erwagungen (!!!) nicht mit- geteilt werden.

Es erfolgte nun eine g r o B e A n f r a g e i m L a n d t a g e . Dem Minister wurden die bereits erwahnten glanzenden Urteile iiber Lier und noch yer- schiedenes andere vorgehaIten. Er wurde aufgefordert, einen stichhaltigen O rund fiir die Versagiing der Bestatigung anzugeben. Was sagte er? Der Grund liege „einzig und allein in der Personlichkeit des betreffenden Herren, der bestatigt werden sollte". „ W e n n i c h a u s d e m U r t e i l d e r m i c h b e r a t e n d e n S t e l l e d i e U b e r z e u z u n g n i c h t g e w i n n e n k a n n , d a B d i e P e r s 5 n 1 i c h k e i t d e s z u m D i r e k t o r g e w a h l t e n S t u d i e n r a t s m i r d i e G e w a h r e i n e r e r s p r i e B 1 i c h e n A r b e i t a i s D i r e k t o r e i n e r A n s t a l t g i b t , d a n n m u B i c h d i e B e s t a - t i g u n g a u c h d a n n v e r s a g e n , wenn er ais Lehrer vielleicht hinrei- chend oder gut qualifiziert erscheint. Fiir mich ist das Wohl der meiner Verwaltung unterstellten Schulen das wichtigste, nicht die Beforderung eines einzelnen Mannes."

Welches ist denn die Stelle, von der Sie so beraten worden sind, Herr Minister? Das Provinzialschulkollegium kann es nicht sein, da es ja die Bestatigung der Wahl empfohlen hat. Oder soli man besonderes Gewicht darauf legen, daB Sie erklaren, Sie hatten aus dem LTrteil der Sie berateiiden Stelle nicht die Oberzeugung von einer ersprieBlichen Wirksamkeit Liers ais Direktor gewinnen kónnen, "daB Sie aber nicht erklaren, die „Stelle" hatte dasselbe Urteil und hatte Ihnen daher die Versagung der Bestatigung empfoh­

len? Sonst bei der Ablehnung eines Gewahlten berufen Sie sich auf das Urteil des Direktors. Jetzt setzen Sie sich iiber das Urteil des Direktors, der den Studienrat ein Jahrzehnt Iang taglich beobachtet hat einfach hinweg, ohne mit dem Gewahlten auch nur ein einziges Mai gesprochen zu haben?

Wenn die Personlichkeit Liefs nicht die Gewahr einer ersprieBlichen Arbeit ais Direktor einer Anstalt gibt, w a r u m t e i l e n S i e d a n n n i c h t mi t , w e l c h e E i g e n s c h a f t e r n i c h t h a t ? Wie erklaren sie den auffallen-' den Widerspruch, daB Sie in derselben Sitzung den Bericht iiber einen anderen Lehrer vorlesen, urn sich gegen den Vorwurf einer ungerechtfertigten Versagung der Bestatigung zu verteidigen, aber sich bei Lier mit jenem allgemeinen Urteil begniigen? Halten Sie denn Ihren Sprung vom Direktor einer Schule iiber den Oberschulrat, den Ministerialrat, den Ministerialdirektor und den Staats?

Sekretar hinweg zum Leiter aller preuBisehen Schulen fiir weniger gewagt ais Liers Sprung vom ausgezeichneten Lehrer zum Leiter einer einzigen Schule?

Der BezirksschulausschuB der Berliner Verwaltungsbezirke 1—6 und das Beźirksamt Wedding zogen aus dem Ergebnis dieser Verhandlungen die ein­

zig richtige Konseąuenz und w a h l t e n L i e r z u m D i r e k t o r d e r s e l b e n S c h u l e ! Boelitz hatte Gelegenheit gehabt, das Lier zugefiigte Ltnrecht wie- der gut zu machen. Denn einen Irrtum zu begehen ist noch immer nicht so schlimm ais aus falschem Selbstgefiihl ihn nicht zuzugebeti und ihn zum zweiten Mai zu begehen. Aber der Minister hat es fertig bekommen, d e r W a h l w i e d e r d i e B e s t a t i g u n g z u v e r s a g e n . Er, ais der Sohn eines evangelischen Geistlichen, ais ehemaliger evangelischer Religionslehrer ist der Ansicht, daB alle Menschen irren konnen. auch der Papst und die Kon- zilien. Will er etwa den Eindruck in der Óffentlichkeit erwecken, daB er einp Ausnahme sei und nicht irren konne?

D e r F a l i b e w e i s t w i e k e i n a n d e r e r , w i e d a s s t a a t l i c h e B e s t a t i g u n g s r e c h t m i B b r a u c h t w e r d e n k a n n . I c h b i n d a ­ h e r f u r v o l l s t a n d i g e B e s e i t i g u n g d e s s e l b e n . Wenn man zu den Gemeinden das Vertrauen hat, daB sie fiir ihre Krankenhduser die ge- eigneten Arzte und Direktoren wahlen, dann soli man zu ihnen auch das Ver- trauen haben, daB sie fiir ihre Schulen die geeigneten Lehrer und Leiter waht-

Rundschau: Hinter den Kulissen der preufiischen Biirokratie.

291

Cytaty

Powiązane dokumenty

Straße, hat Urzidil, der diesen Teil des Böhmerwaldes wegen seiner Weite besonders liebte und nicht nur viele Sommer in Glöckelberg verbracht hat, sondern sogar

Das Ziel dieses Beitrags ist es, die in der Fachliteratur gängigen Grundbe- griffe 5 wie Textsorte, Textklasse, Texttyp und Textmuster in der deutschen Forschung

2. Bewunderungswiirdig ist es ja, wie ein Institut, urspriinglich. hervorgewachsen aus einer stldtischen Einrichtung, aus der man im Konflikt, ausschied, nur durch

Unruh („Von Vaterjand und Freihei:t&#34;) warnt gerade die deutsche Jugend, die doch in erster Linie berufen ist, fiir den Sieg des Neuen1 zu kampfen, vor dem

„von dem gelobten Lande des Menschengeschlechts&#34;. Die Lehrer der deutschen Oberschule und ihre Nachahmer miissen doch nach Stoffweiterung Umschau halten, hier

ahmung oder Nachaffung alter, fur Erwachsene passender und auf diese zugeschnittener Formen (Schiilergerichte), aber immer getrieben von einer starken Kraft, die

ben eine Idee wenigstens bekommen von der historischen Entwicklung der französischen Sprache und von den ältesten literarischen Denkmälern; sie müssen ferner darauf hingewiesen

der Men ch, der von ge unden, tarken, tugends haften Aeltern erzeugt, und erzogen i ; der von Kindheit an be tän- dig in fri cher reiner tro&gt;ner Luft lebt; de Haut en und