• Nie Znaleziono Wyników

Russische Staatseinnahmen.

Neben der hohen politischen und strategischen Bedeu­

tung ist der Verlust Polens für Rußland auch in fiskalischer Hinsicht eine Einbuße, die den russischen Finanzen aus der Eroberung Polens durch die verbündeten Truppen erwächst.

„Bei dem bekannten Schlendrian, schreibt die „Vossische Zei­

tung“ , der charakteristisch ist fü r die russische Verwaltung, reicht die vorliegende Statistik über die Einnahmen, die Ruß­

land aus Polen bezog, nur bis zum Jahre 1911. Die Ziffern für 1911 weisen einen sehr namhaften Überschuß auf. Und da sich die Einnahmen in den letzten Jahren fortgesetzt in stei­

gender Richtung bewegten, so scheint die Annahme berechtigt, daß die Ziffern von 1911 sich in den letzten Jahren noch wesentlich erhöht haben. Betrugen die Einkünfte Rußlands aus Polen im Jahre 1905 122 450 000 Rubel, so stiegen sie in 1907 auf 167 180 000 Rubel, um vier Jahre später auf 228 360 000 Rubel zu wachsen. Und da diesen Einnahmen an Ausgaben nur 124 500 000 Rubel gegenüberstanden, so ergab sich fü r 1911 ein Überschuß von rund 104 000 000 Rubel, der sich in den darauf folgenden zwei Friedensjahren noch beträchtlich ge­

steigert haben dürfte. Wenn man die Roheinnahmen für 1913 m it etwa 260 Millionen Rubel veranschlagt — eine Schätzung, m it der man der W irklichkeit sehr nahe kommen dürfte — , w ird man den Reinüberschuß m it rund 125 Millionen Rubel in Rechnung stellen dürfen.

6*

84

Die Einnahmen, die der russische Staat aus Polen bezog, lassen sich in fünf Gruppen teilen: direkte Steuern; indirekte Steuern; Stempelsteuer; Post, Telegraphie und Branntwein­

monopol sowie die Einnahmen aus staatlichen Betrieben. Was zunächst die direkten Steuern anbetrifft, so ist hierzu in erster Reihe die Grundsteuer zu rechnen, die ihrerseits wieder in drei Untergruppen zerfällt: die eigentliche Grundsteuer, die Zu­

schlagsteuer hierzu und die Schornsteinsteuer. Der Berech­

nung der Grundsteuer wurde ein höchst kompliziertes Schema zugrunde gelegt. Die Güte des Bodens und seine Ertragfähig­

keit bildeten den Maßstab für die Einteilung Polens in fünf Kreise und in nicht weniger als 84 Bezirke, fü r deren Be­

steuerung das Gesetz 84 verschiedene Tarife vorsah. Die Zu­

schlagsteuer zur Grundsteuer betrug 60 Proz. der letzteren.

Die Schornsteinsteuer wurde je nach der Größe des Hauses erhoben. -— Neben der Grundsteuer ist unter den direkten Ab­

gaben auch die städtische Wohnungssteuer zu nennen, zu deren Zahlung jeder verpflichtet ist, ob er im eigenen Hause oder zur Miete wohnt. Die Städte, in denen diese Steuer zur Er­

hebung gelangt, zerfallen in fünf Gruppen, für deren ziemlich willkürliche Einteilung ihre Einwohnerzahl, ihre kommerzielle Bedeutung usw. maßgebend sind bzw. sein sollen. Bis zu einem gewissen Mietsbetrage, der im Durchschnitt der Städte 1500 Rubel betragen mag, ist diese Steuer progressiv. Über diesen Durchschnittssatz hinaus nimmt die Steuer prozen­

tualiter ab. Kleine Mieten, deren Mindestsatz in den verschie­

denen Städten zwischen 60 und 300 Rubel schwankt, sind von dieser Steuer befreit. Zu den direkten Abgaben gehören ferner die Industriesteuer sowie die Rentensteuer. Der ersteren unter­

liegen Handelsgesellschaften aller Art, einschließlich der Trans­

port- und Versicherungsunternehmungen, ferner industrielle Ge­

sellschaften jeder Gattung sowie alle diejenigen physischen Per­

sonen, die im Handel und der Industrie beruflich tätig sind.

Zu dieser Industriesteuer w ird eine Zusatzsteuer erhoben, der, je nachdem die Zensiten zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichtet sind (Aktiengesellschaften) oder nicht, verschie­

dene Berechnungen zugrunde gelegt werden. Was die Ren­

tensteuer anbelangt, so w ird sie in Höhe von 5 Proz. erhoben:

1. auf die Erträgnisse der vom Staate, den Kommunen und von Banken ausgegebenen Wertpapiere, mit Aus­

nahme derjenigen Werte, deren Steuerfreiheit vom russi­

schen Staate gewährleistet wurde;

2. auf Bareinlagen bei staatlichen und privaten Banken, mit Ausnahme der Sparkassen.

Zu den indirekten Steuern gehört in erster Reihe die Ein­

nahme aus dem Branntweinmonopol, wie Akzise, Konzessions­

steuer usw., ferner die Besteuerung des Tabaks, die Steuer auf Zigarettenpapier, die Zuckersteuer, die Petroleumsteuer, die Zündholzsteuer sowie die Eingangszölle auf vom Auslande ein­

geführte Waren. Die österreichische Zeitschrift „Polen“ gibt die dem russischen Staate aus dieser Steuergruppe erwachsenen Einnahmen fü r das Jahr 1911 auf rund 113 Millionen Rubel an, wovon etwa 89 Millionen Rubel auf die Zölle entfallen. —- Die Stempelsteuer, die fü r das genannte Jahr rund 18 Millionen erbracht hat, wird, je nach dem Falle, einfach bzw. propor- tionell erhoben. Die proportioneile Stempelsteuer kommt in der Wechsel- und Aktensteuer zur Anwendung. — Aus Post, Telegraphie und Branntweinmonopol in Polen bezog der russische Fiskus im Jahre 1911 55 635 000 Rubel, davon allein 46 362 000 Rubel aus dem Branntweinmonopol. Zu den Ein­

nahmen aus staatlichen Betrieben gehören die Erträgnisse der Eisenbahnen, der Forstverwaltungen, der Staatsbank usw.

Die Einnahmen, die Rußland aus Polen bezog, waren dem­

nach sehr bedeutend. A uf den Kopf der Bevölkerung berechnet, betrugen sie im Jahre 1911 nicht weniger als 18,32 Rubel, während diese Ziffer sich im Durchschnitt für ganz Rußland auf 13,25 Rubel ermäßigt. M it Polen verliert der russische Staat eine der reichsten Provinzen und der russische Fiskus eines seiner einträglichsten Steuerobjekte.“

Die deutsche Verwaltung.

Die deutsche Reichsregierung hat sofort gemäß ihrer völkerrechtlichen Verpflichtungen die Verwaltung der besetz­

ten feindlichen Gebiete übernommen. Sie hat zunächst überall unmittelbar hinter der Truppenfront bei den Etappen W irt­

schaftsausschüsse eingerichtet, die den Militärbehörden mit Rat

86

und Tat an die Hand gehen, die vorhandenen Vorräte auf- nahmen, die Ernte bargen, die Feldbestellung bewirkten und feindliches Eigentum nach Möglichkeit vor Zerstörung iund Verfall bewahren. Die Verwaltung des besetzten polnischen Gebietes ist zwischen Deutschland und Österreich-Ungarn ge­

teilt. Die Verwüstungen des Ostens durch den Krieg, vor allem durch die ungeheuerliche Zerstörungswut der Russen, sind außerordentlich groß. Es wurden zwei der reichsten und größ­

ten Gouvernements, Lublin und Petrikau, vollkommen ver­

wüstet. Weiter litten die Gouvernements Kielce, Radom, Kalisch, Plock, Suwalki und teilweise auch die Gouvernements W ar­

schau und Lomscha. Überall fand der Durchzug der Truppen zwei-, in vielen Gegenden dreimal, ja noch öfter statt. Die Kriegsereignisse haben in Polen über 200 Städte und Städtchen sowie ungefähr 9000 Dörfer betroffen, und der Materialschaden beziffert sich auf etwa drei Milliarden Franken. Etwa 5000 Dörfer wurden vollkommen vernichtet, ebenso die vielen Fabriken und Gutshöfe. Über 1000 Kirchen liegen in Trüm ­ mern, und weitere 1000 erlitten schwere Beschädigungen. Alle Getreide- und Lebensmittelvorräte sind größtenteils vernichtet.

Eine M illion Pferde und zwei Millionen Stück Vieh wurden teils beschlagnahmt, teils gingen sie infolge Futtermangels zu­

grunde. Infolge der Kriegsereignisse ist die landwirtschaftliche Erzeugung, die sonst jährlich 2x/ 2 Milliarden betrug, auf Jahre hinaus gehemmt. Sieben Millionen Menschen der dortigen polnischen Bevölkerung sind infolge dieser Kriegsereignisse der größten N ot ausgesetzt. Auch die Gesamterzeugung der Fabriken, die einen Jahreswert von zwei Milliarden Franken umfaßt, hat große Einbuße erlitten, und über 400 000 Arbeiter sind beschäftigungslos. Auch in Polen ist die erste Aufgabe der deutschen Verwaltung die Ernährung der Bevölkerung in einer vollständig niedergebrochenen Wirtschaft. Eine siebenmal so große Landfläche wie Belgien ist in Polen vom Krieg voll­

ständig verwüstet. Im deutschen Besatzungsgebiet herrscht jetzt die Markwährung, an die man anfängt, sich zu gewöhnen, und Wechselgeschäfte dürfen nur noch von regelrechten Banken gemacht werden. Eine Hauptaufgabe w ird sein, Ordnung in die Feldbestellung zu bringen, die Straßen herzustellen, die Ge­

sundheitsverhältnisse zu bessern. Auch in Polen hat man die Getreidevorräte, wie in Deutschland, gestreckt, denn die russi­

schen Truppen haben nicht nur da, wo sie während des Krieges lagerten, Verschwendung m it gedroschenem und nicht ge­

droschenem Getreide getrieben, in vielen Gegenden vernichte­

ten sie tatsächlich alles, was ihnen in die Hände fiel. Überein­

stimmende Verordnungen der deutschen und österreichischen Militärbehörden regeln die Zusammensetzung des Mehles in etwa der gleichen Weise wie bei uns, so daß überall, wo deutsche und österreichische Verwaltung eingeführt wurde, alles mögliche für die Ernährung der Zivilbevölkerung ge­

schehen ist.

* * *

Zum Stadtpräsidenten von Warschau ist, wie berichtet, Fürst Zdzisław Lubomirski ernannt worden. Das schon vor der Einnahme der Stadt bestandene Bürgerkomitee wurde vom deut­

schen Kommando bestätigt und erweitert. Das Komitee leitet selbständig den gesamten Verwaltungsdienst sowie das ganze Gerichtswesen; die deutsche Verwaltung beschränkt sich auf die Oberaufsicht. Dem Komitee gehören ausschließlich pol­

nische Bürger an, darunter auch zwei nationalpolnisch ge­

sinnte Juden, das Mitglied der ersten Duma Advokat Konic und der Großkaufmann Bergson. An der Spitze der gesamten Verwaltung steht ein Ausschuß, der aus einem Vorsitzenden und fü n f von den Mitgliedern des Bürgerkomitees frei gewählten Mitgliedern besteht. Wenige Tage nach der Besitzergreifung der Stadt durch die Deutschen haben auch die von den Russen geschlossenen Gerichtsbehörden ihre Tätigkeit wieder aufge­

nommen. Eine ausgedehnte und weitverzweigte Schul- und Unterrichtsverwaltung w ird ebenfalls in den nächsten Tagen ihre Tätigkeit wieder aufnehmen. Bei allen Behörden ist die polnische Sprache als Amtssprache eingeführt. Die Oberauf­

sicht über die gesamte Verwaltung fü h rt der Stadtkommandant, dem als Zivilvertreter das Mitglied des preußischen Herren­

hauses Graf Hutten-Czapski zur Seite steht.

* * *

Eine der wichtigsten Verordnungen, die Generalfeldmar­

88

schall von Hindenburg für Polen erließ, war die S t ä d t e ­ o r d n u n g .

Die deutsche Okkupation fand Westpolen ohne eine w irk­

same gesetzliche Form kommunaler Selbstverwaltung. Selbst das bescheidenste Maß an Freiheit, das die russische Regie­

rung in den Zentralprovinzen Stadt und Land durch die russische Städteordnung und die Semstwoorganisation gewährt hatte, fehlte im Weichselgebiet. Eine Kreisverfassung gab es überhaupt nicht, und die Städte befanden sich etwa in dem verfassungsrechtlichen Zustand, der in Frankreich und Preußen zur Zeit des ancien régime vor mehr als 100 Jahren rechtens war. Die Folgen dieser Fesselung der Kräfte der Selbstverwaltung zeigten sich in dem gänzlichen Darniederliegen aller der Ver­

waltungszweige, die im modernen Staate vorzugsweise der kom­

munalen Initiative überlassen, sind : der Schaffung moderner städtischer Gemeinwesen und Ausbau des Verkehrsnetzes auf dem platten Lande.

In Erkenntnis der anarchischen Zustände, denen die Städte nach der Flucht der russischen Beamten anheimfallen mußten, setzten die Befehlshaber der abziehenden russischen Truppen in vielen Städten, z. B. Lodz, Bürgerkomitees ein, die die Ver­

waltung der Städte übernahmen. In anderen Städten sind diese Komitees aus eigener Initiative der Bürgerschaft entstanden.

Diese Komitees haben zum Teil unter sehr schwierigen Ver­

hältnissen viel geleistet und gezeigt, daß in der Bürgerschaft wertvolle Selbstverwaltungskräfte liegen, die nur geweckt und organisiert zu werden brauchen. Die Schattenseiten der Ein­

richtung lagen vor allem in dem Fehlen der rechtlichen Grund­

lage und dem allmählich sich vollziehenden Ausschluß der deutschen und jüdischen Elemente, der den Komitees im Gegen­

satz zu ihren rein kommunalen Aufgaben einen politischen Charakter als Vertretung polnischer Interessen zu geben drohte.

Sobald durch die längere Dauer der Besetzung die Ver­

hältnisse etwas gefestigt waren, sah es die deutsche Verwal­

tung daher als ihre Aufgabe an, den großen und entwick­

lungsreichen städtischen Gemeinden Westpolens durch Ver­

leihung einer modernen Städteordnung die Grundlagen einer gedeihlichen Entwicklung zu geben. Dieses Ziel ist durch die

Städteordnung fü r Russisch-Polen vom 1. Juli 1915 erreicht worden.

Die Städteordnung ist der Preußischen Städteordnung des, Freiherrn vom Stein nachgebildet, die mehr als ein Jahrhundert m Preußen die feste Grundlage der großen Entwicklung der pieußischen Städte gewesen ist. Zugleich sind die leitenden Prinzipien des Miquelschen Kommunalabgaben-Gesetzes, das den pieußischen Gemeinden die notwendige Bewegungsfreiheit auf finanziellem Gebiet gegeben hat, in die Städteordnung hin­

eingearbeitet worden. Organe der Stadtkorporation sind Ma­

gistrat und Stadtverordnete, die von der Bürgerschaft zu wählen sind. Während des Kriegszustandes hat dieses Wahlrecht durch das Ernennungsrecht der Aufsichtsbehörde ersetzt werden müssen. Die Aufsichtsbehörden haben bei Ausübung ihres Er­

nennungsrechts alle Bevölkerungskiassen gleichmäßig berück­

sichtigt, die Polen als herrschenden Volksstamm nach Bevölke­

rungszahl, Besitz und Bildung herangezogen, ebenso aber auch den unterdrückten Juden, soweit sie nach ihren Fähigkeiten da­

zu imstande waren, Eingang in die Kollegien der Magistrate und Stadtverordneten gewährt. Daß auch die deutschen Elemente entsprechend ihrer wirtschaftlichen Bedeutung berücksichtigt wurden, verstand sich von selbst.

Die Städte haben Korporationsrechte — was ihnen in 1 ussischer Zeit versagt war —, können Anleihen aufnehmen und Vermögen erwerben, haben die erforderliche Finanzhoheit über ihre Bürger und auch das Recht, außer den ihnen ge­

setzlich zugewiesenen Aufgaben ihren Wirkungskreis zu erwei­

tern und besonders auch große wirtschaftliche Unternehmen in städtische Verwaltung zu nehmen, — sie sind mit den not­

wendigen Organen zur VFahrnehmung dieser Rechte ausge­

stattet, haben also alle Vorbedingungen einer wirksamen Selbst­

verwaltung. Es liegt nun in der Eland der Stadtverwaltungen, die großen Versäumnisse der russischen Zeit nachzuholen. Der wirksamen Unterstützung der deutschen Behörden können sie gewiß sein. (Siehe nächsten Abschnitt.)