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ARCH1TEKT.LEO NACHTLICHT-BERLIN ANRICHTE IM FRQHSTÜCKS-Z1MMER

ich möchte sie dir in Parade aufzählen, tausend kleine Dinge vor deinen inneren A ugen vorbeidefilieren lassen, aber ich fü rchte, daß du mir müde wirst. Du w irst mir vielleicht lächelnd sagen, daß ich mich sinnlos und leiden­

schaftlich um Kleinigkeiten erhitze, der Begriff Nippsache sei nun einmal zu sehr in V erru f, vergangene Jahrzehnte hätten sich in dieser Beziehung Dinge g eleistet, für die W o rte wie K itsch , Unkultur, U ngeschm ack, Mißbrauch des Allerhäßlichsten zur Bezeichnung nicht ausreichten.

Ich werde dich fragen, ob dich der tagtägliche Mißbrauch des W o rtes G o tt durch andere M enschen jem als in deiner R eligiosität gestört h at, oder vielleicht sogar befestigt, bestärkt. Du w irst mir sagen, Nippsachen seien A lte

-T an ten -A tm o sp h äre, P ietät sei durchaus v eraltet, ich finge an, mit dem H irn meines G roßvaters zu denken, es sei kläglich, von Erinnerungen zu leben. Ich w erde dir entgegnen, daß ich alte Tanten immer entzückend fände, daß ich P ietät durchaus für eineTugend halte, daß man mit dem Hirn seines G roßvaters folgerichtiger denken kann als mit dem seines ungeborenen Enkels, daß es uns kläglich is t: v o n , nicht aber m i t seinen Erinnerungen zu leben.

Nun w irst du als kluger Mann nicht versäum en, mir Übertreibungen aufs lebhafteste auszumalen und mir eine vollgepfropfte V itrin e oder ein Zim m er schildern, in dem man vor lauter Nippes kaum P latz hat, ein Buch abzulegen, nachdem man sich zunächst über das abstaubende Zim m er­

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ARCHITEKT LEO NACHTLICHT KAMIN IM FRÜHSTÜCKS-ZIMMER.

mädchen geärgert hat. Ich werde entgegnen, daß ich es besser finde, O pfer einer Sam m elw ut, als Sklave von P raktischkeits - Prinzipien zu sein, od er: zuviel sei doch immer annehmlicher als zu wenig oder gar nichts . . Nun führst du dein letztes A rgum ent auf, die große Kanone:

die »Z eit«. Ich lasse mirs ruhig gefallen, daß du mit großen Kanonen auf Nippsachen schießest, und bleibe ruhig, fest und unbeirrt. D ie Z e it, sagst du, drängt zu neuen Inhalten, sie hat den Zug ins G roße, sie will streng und entschieden ins Sach lich e, S ch lich te, Schm ucklose, ihren glühenden Eiferern gelten D inge, die nur nutzlos­

schön sind, für Plem per und Plunder. Ich entgegne, daß alle Z eiten bisher zu neuen Inhalten drängend, von den

Ind em , Ä gyptern und A zteken an, zu diesem Z iele die Nippsachen nicht verkannt haben, alsdann, daß der Zug ins G roße immer und überall beim Kleinen angefangen hat, daß nur Z eiten und M enschen schlicht sein sollten, die es auch wirklich sind, daß Dinge, die nur nutzlos-schön sind, deshalb doch zweckvoll-schön sein könnten, solches sei wichtiger, denn wir lebten wohl eher um Sinn und Z w eck als um Nutz und Gew inn. D a schw eigst du und lächelst und läßest mir höflich rech t...

L ieber G astgeber, du bist W eltm ann, du hast dir den alten W ahlspruch der A benceragen zu eigen gemacht, der lau tet: »A lles ist w enig«, — und ich bin Künstler, ich sa g e : » J e d D i n g i s t v i e l « . . . h a n s s c h i e b e l h u t h . 1922. 1Y. i.

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT LEO NACHTLICHT-WILMERSDORF BLICK INS SCHLAFZIMMER IM HAUSE DR. S.

VOM K U L T U R E L L E N F OR T S C H R I T T

A

uf dem alten Doria-Palazzo von Genua wurde schon

„ vor Jahrhunderten die stolze Inschrift bew undert:

»Pour gratia de Dios & del Re/En estas casas noa cosa presta« (D urch G ottes und des Königs G nade ist nichts Entlehntes in diesem H ause) . . W ie herrlich wäre es, wenn es eine günstige Fügung gestatten w ollte, einen gleichen Spruch als M otto über dem modernen heimischen Kunstgew erbe anzubringen, — daß nichts Z eit- und Land­

fremdes mehr die m odem ennationalenTriebe überwuchere!

E s sei zwar ohne w eiteres zugegeben, daß es in ästhe­

tischen Fragen niemals einen solchen »kategorischen Im­

perativ« geben kann wie in der E thik. A b e r gerade des­

halb, weil es hier ein starres »du sollst« und »du darfst nicht«, — das das G ebo t oder V erb o t mit entsprechen­

den Strafm andaten begleiten könnte, — n i c h t gibt, er­

w ächst für die kulturell Höherstehenden die edle m o r a ­ l i s c h e V e r p f l i c h t u n g , nicht m it verschränkten A rm en teilnahmslos zuzusehen, wie das Unkraut des Unge­

schm acks, das sich ohne unser Zutun in entsetzlicher Fruchtbarkeit vermehrt, alle schönen Keim e erdrückt, ihnen P latz, L uft und L icht raubt. L eben ist K am pf; auch auf ästhetischem G eb iete müssen wir kämpfen; schon der bloße Stillstand bedeutet den beginnenden V erfall der Kultur.

*

W o bliebe denn der » F o r t s c h r i t t « ,—w ennm annuran die schlichtesten A rbeiten aus altenTagen anknüpfen woll­

te, nicht vielmehr das Bestreben hätte, das heutige Durch­

schnitts-Niveau ü b e r das früherer Epochen zu erheben?

Ebenso unrecht wie jen e, die die M a te r ia l- F r a g e n als gar nicht künstlerisch aus der Diskussion entfernt sehen wollen und nur von oben herab behandeln, haben auch die anderen, für die das K unstgew erbe bei den M aterial­

fragen nicht nur anfängt, sondern fast auch schon aufhört.

A u ch das herrlichste M aterial darf uns nicht so w eit b e ­ stechen und blenden, daß w ir vielleicht garnicht merken, daß andere, höhere ästhetische V orzüge vielleicht —

gar-1NNEN-DEKORATION

LEO NACHTLICHT. HAUS DR. S. RUHEBETT IM SCHLAFZIMMER

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