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View of Isländische Naturlyrik im 19. Jahrhundert – einige Streiflichter

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Academic year: 2021

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F O L I A S C A N D I N A Y I C A V O L . 7 P O Z N A Ń 2003 I S L A N D I S C H E N A T U R L Y R I K IM 19. J A H R H U N D E R T - E I N I G E S T R E I F L I C H T E R G E R T K R E U T Z E R University ofCologne

A B S T R A C T . O n the basis of selected poems by Hjabnar Jónsson fra Bólu, B j a m i Thorarensen, Jónas Hallgrimsson, Jón Thoroddsen, Grimur Thomsen, Benedikt Gróndal, Pall Ólafsson, Steingrimur Thorsteinsson, Matthias Jochumsson, Kristjan Jónsson, f>orsteinn Erlingsson, and E i n a r Benediktsson, this essay presents a n over-view of the themes and forms of 19th-century Icelandic naturę poe-try. While characterizing each poefs uniąue perspective on naturę, it also attempts to find similarities that are shared between these Icelandic authors.

I n Island, das an auBergewohnlichen Landschafts-phanomenen wahrlich nicht arm ist, spielte die Natur i m Mittelalter auBer in funktionalen Zusammenhangen noch kaum eine RoUe. Dies gilt fur die Eddalieder, die Skaldendichtung und die Sagaliteratur i n gleichem MaBe, wo Naturerscheinungen lediglich ais Orientierungs-punkte, ais Yerkehrshindernisse, ais zur Bewirtschaftung giinstiges oder ungiinstiges Gelande, ais lebensfeindliche Gewalten, ais Wohnsitz unheimlicher Wesen und ahnliches erwahnt werden. I n keiner Saga findet sich die Beschreibung eines Yulkanausbruchs, eines Wasserfalls, eines Gletschers oder eines Nordlichts. Nur einmal scheint es i n Ansat-zen eine asthetische Betrachtung der Natur zu geben, wenn der geach-tete Gunnar von HliSarendi i n der Njals saga ausruft: „Schón ist der Hang, so schon schien er mir noch nie, gelbe Acker und gemahte Wie-sen. Ich werde nach Hause zuriickreiten und nicht fahren." Aber auch hier diirfte die Schónheit weniger i m malerischen Panorama ais i n der Befriedigung iiber eine gute Ernte liegen. Wesentłich anderte sich das Bild erst m i t dem Beginn der neueren islandischen Literatur gegen A n ­ fang des 19. Jahrhunderts. Seitdem wird i n der islandischen Dichtung

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die Natur i n einer Yielfalt von Aspekten sichtbar, wie sie grófier nicht sein konnte.

Beginnen wir, u m den Kontrast zu verdeutHchen, mit einem Dichter, der i n seiner ganzen Einstellung zu Island und seiner Natur noch Mitte des 19. Jahrhunderts vorromantisch, vielleicht sogar antiromantisch wirkt\ mit dem Nordislander Hjalmar Jónsson fra Bólu (1796-1875), meist Bólu-Hjalmar genannt. Er sieht seine Heimat - und dazu hat er von seiner Biographie her allen Grund - noch ais Land des Elends und des Hungers. Jede Asthetisienmg oder gar Idealisierung der Yerhaltnisse ist ihm fremd, und immer liegt ein Zug von Melancholie, haufig genug auch von Sarkasmus und Bitterkeit iiber seinen Werken. Dies gilt auch fur sei­ ne Naturgedichte, wie etwas das Gedicht auf einen WasserfalP:

Kveói5 h j a fossi e i n u m

I g l j u f r u m h e y r S i eg g n i S a s t r a u m , g a l i h a n n h a t t og kvaó:

T e f eg h v e r g i , tiS e r n a u m , t a k m a r k i n u a 5 .

J>annig hrópar t i l m i n ti5: T a k t u v a r a a fier,

a u g n a b l i k j e g e k k e r t bid eftir n e i n u m h e r . F l y t t u {jer, })vi f o s s a r af, flyt eg })ig og b e r ; eilifSar svo u t i h a f ort eg fleygi mer^.

(In Schluchten horte ich einen Strom brausen, er schrie laut und sprach: Ich halte nirgends an, die Zeit ist knapp bis zum Ziel. So ruft die Zeit mir zu: N i m m dich i n Acht, ich warte hier keinen AugenbUck auf jemanden. Beeile dich! denn der Wasserfall strómt abwarts, ich trage dich auf meinen Wellen fort; dann stiirze ich mich schnell ins Meer der Ewigkeit hinaus)*.

1 Z u Bólu-Hjalmars V e r h a l t n i s z u r R o m a n t i k s. Pórir Óskarsson: H j a l m a r i Bólu og rómantikin. A n d v a r i (1988), S. 113-124, u n d E y s t e i n n SigurSsson: AlJjySuskśld og romantik. A n d v a r i (1989), S. 157-165.

2 Z u den G e d i c h t e n a u f Wasserfalle vgl.: G e r t K r e u t z e r : „Sing, Dettifoss. S i n g laut ..." Wasserfalle i n der islandischen Ljrrik des 19. J a h r h u n d e r t s . I n : Annegret H e i t m a n n , K a r i n Hoff (Hrsg.): Asthetik der skandinavischen Modernę. Bernhard Glienke zum Ge-denken. F r a n k f u r t a m M a i n usw.: L a n g , 1998. S. 63-87.

3 H j a l m a r Jónsson fra Bólu: Riłsafn I. Ljódmseli. Ny utgdfa. R e y k j a v i k 1965. S. 3 8 3 f

* E i n e U b e r s e t z i m g findet sich bei: C . J . Poestion: E i s l a n d b l i i t e n . E i n S a m m e l b u c h neu-islandischer L y r i k . L e i p z i g i m d M i i n c h e n , 1904. S. 91, nachgedruckt i n : F r a n k Schroeder [Hrsg.]: Die Seele folgt dem fliehenden Tag. Romantische Lyrik aus Island. Mit einem Essay des Herausgebers. E i c h s t a t t 1998. S. 27.

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Es ist schon kennzeichnend, daB dieser Wasserfall anonym bleibt (ist der GoSafoss gemeint oder der Dettifoss?), und tatsachlich geht es hier nicht um das reale Landschaftsphanomen ais solches, sondern u m seinen Symbolgehalt. Der eilig dahinstrómende und schlieBlich i m Meer aufgehende Wasserfall ist hier nur der AnlaB fiir philosophische Ge­ danken und wird ais Sinnbild des kurzeń irdischen Lebens auf dem Weg in die Ewigkeit gedeutet. Dabei ergreift der personifizierte Strom m i t seinem memento mori selbst das Wort ais Mahner, der auf die Yergang-lichkeit hinweist. Ein ahnlicher Gedankengang findet sich bereits i n Bólu-Hjalmars fi-iihem Gedicht „Afinselissóngur" („Geburtstagslied") von ca. 1824, wo es heiBt: „^Efin lióur afram m i n / eins og vatna straumur ..."^ („Mein Leben gleitet dahin / wie ein Wasserstrom").

Eine ganz andere Sicht auf die Natur hatte sich dagegen auch i n Island schon m i t dem Beginn der Romantik eróffnet. N u r ein Jahr nach jenem denkwiirdigen Gesprach zwischen Henrich Steffens (1773-1845)

und Adam Oehlenschlager (1779-1850), bei dem 1802 der Funke der Romantik von Deutschland nach Skandinavien iibersprang, wandte sich auch der Islander B j a r n i Thorarensen (1776-1841) der neuen Rich-tung zu, m i t der er i n Kopenhagen i n Beriihrung gekommen war, und sang das Lob seiner Heimat. Begeistert schildert er die islandische Na­ tur mit ihren Bergen, Gletschern und Yulkanen und erinnert an die ruhmreiche Sagazeit. Die Hartę der Natur enthalt fiir i h n eine Auffor-derung zum Widerstand gegen moralische Yerweichlichung, ais dereń Symbol i n erster Linie Kopenhagen ais „Babylon am Oresund" einste-hen muB. I m Gedicht „Sjaland og Island" („Seeland und Island") fallt der Landervergleich sehr zu Ungunsten Danemarks aus:

Blómgan S j a l a n d s v i 9 a n v o l l Ysenni h y g g eg e k k i ,

en I s l a n d s h a u h e l g u fjoll h u l i n s i l f u r m e k k i . iJetta h e l d eg: Fróni Qóll fegurS s o m u v e i t a

s e m n e f og a u g u a auóar J)oll a n d l i t f a g u r t s k r e y t a . ^

(Seelands weites blumiges Flachland halte ich nicht fiir schóner ais Islands hohe heilige Berge, gehiillt i n eine Silberwolke. Das glaube ich: die Berge verschaffen Island eine ebensolche Schónheit, wie Nase und Augen einer Frau das schóne Antlitz schmucken.)

5 Ritsafh I . S . 33. V g l . E b e r h a r d R u m b k e : Hjalmar Jónsson i Bólu. Ein isldndischer Dichter des 19. Jahrhunderts. Diss. Gottingen 1968, S . 123f.

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Hier ist ein nationalromantischer Ton angeschlagen, der sich wie ein cantus firmus durch die islandische Lyrik der folgenden Jahrzehnte ziehen wird: Lob des Yaterlands und seiner unvergleichlichen Natur, nicht selten auch auf Kosten anderer Lander, besonders Danemarks: ,4Liei5ist oss fjalllaust frón" („Ein Land ohne Berge langweilt uns") sagt Bjarni i n „Islands minni", das Islands erste Nationalhymne wurde und dessen Anfang lautet: „Eldgamla Isafold / astkaera fósturmold" („Uraltes Eisland / heiBgeliebte Heimaterde"). Island erscheint nun ais ein Land, das in besonderer Weise die Einheit von Mensch und Natur ermoglicht, im Gegensatz zum larmenden Kopenhagen m i t seiner ungesunden Luft. Voll entwickelt begegnet uns die neue, rundum positive Sicht der islan-dischen Natur i n Bjarnis Gedicht „Island", wo es heiBt:

U n d a r l e g t s a m b l a n d a f frosti og f u n a , f j o l l u m og s l e t t u m og h r a u n u m og s j a ; f a g u r t og ógurlegt e r t u Jja b r u n a r e l d u r a 5 fótum j i i n j o k l u n u m f r a !

F j o r k e n n i ' oss e l d u r i n n , frostió oss h e r S i . . .

(„Eine wundersame Mischung aus Frost und Feuer, Bergen und Ebenen und Lavafeldern und Meer; schon und schrecklich bist du, wenn von den Gletschern herab Feuer zu deinen FiiBen strómt! - Lebenskraft lehre uns das Feuer, der Frost mache uns hart ..."V Auffallig ist hier die Asthetisierung und Funktionalisierung auch der schrecklichen Seiten der islandischen Natur, der gerade m i t ihren Widrigkeiten ein positiver EinfluB auf den Charakter der Bewohner zugeschrieben wird. Dabei kommt den Yulkanen ais zentralen Symbolen der islandischen Natur-kraft eine besondere erzieherische Wirkung zu. DaB sich die Bewohner ihrerseits dieser Natur wiirdig zu erweisen haben, wird am SchluB des Gedichtes m i t groBem Pathos hervorgeben: „En megniróu' ei born t>in fra vondu a5 vara, / og vesold meS ódyggSum Jjróast \>eim hja, / aftur i legiS Ijitt forna Jja fara / fóóurland attu - og hniga i sja." („Aber wenn du es nicht schafTst, deine Kinder vom Schlechten fernzuhalten und bei i h -nen das Elend m i t den Untugenden breit macht, dann, Yaterland! sollst du i n dein altes Bett zuriickkehren - und i m Meer versinken.") Ahnliche Gedanken finden sich auch i n einem anderen bekannten Naturgedicht Bjarnis: „Yeturinn" („Der Winter"). Hier wird der Winter ais prachtiger Reiter auf einem schneeweiBen Pferd personif\ziert, der iiberall Lebens-kraft weckt, wohin er kommt. Er herrscht iiber das ganze Erdenleben und weicht nicht vor dem Friihling zuriick, sondern tritt nur beiseite, um alles aus der Ferne zu beobachten. Dies zeigt sich daran, daB auf den hochsten Gipfeln der Schnee niemals schmilzt. Woher der Winter

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kommt, gibt es weder „vellyst" („WoUust") noch „munadur" („Luxus") -was hier natiirhch positiv gemeint ist. Damit setzt Bjarni sich von einer eher Uebhchen Romgintik ab und bekennt i n einem Brief, er habe dieses Wintergedicht geschrieben, weil er die ewigen FriihUngsgedichte leid gewesen sei. Zu dem etwas rauhen Inhalt paBt wiederum sehr gut das gravitatische Edda-VersmaB des forn5rr5islag. A u f die anfangs erwahnte Stelle i n der Njals saga spielt das Gedicht „FljótshliS" an - ein Gebiet, das seit dem Mittelalter durch Heklaausbriiche und Gletscherlaufe aus einem fruchtbaren Grasland i n eine ode Lavawiiste verwandelt wurde. Heute wiirde - so argumentiert dieses Gedicht - Gunnar von HłiSarendi sicher nicht wegen der Schónheit dieser Landschaft umkehren, u m i n dieser óden Erde sein Grab zu finden. Unausgesprochen wird an diesem Motiv wieder der Gegensatz zwischen bliihender Yorzeit und trauriger Gegenwart thematisiert.^

Wahrend Bjarni Thorarensen der Generation von Steffens und Oehlenschlager angehórt, ist Jónas Hallgrimsson (1807-1845), der zweite und wohl noch bedeutendere Yertreter der islandischen Roman­ tik, eine Generation jiinger. Auch er preist die kraftspendende islandi­ sche Natur, und sicher ist seine „Dalvisa" („Das Lied von Tale") ein wahrer Hymnus auf die islandische Landschaft, eines der schónsten is­ landischen Naturgedichte tiberhaupt. Geschrieben hat er es 1844 i n So-r0 und es beginnt so:

F i f i l b r e k k a , gróin g r u n d , grósug hlió meó b e r j a l a u t u m , flóatetur, f i f u s u n d , f i f i l b r e k k a , s m a r a g r u n d , yóur h j a eg a l l a s t u n d u n i bezt i sseld og { ) r a u t u m , f i f i l b r e k k a , gróin g r u n d , g r o s u g h l i S m e S b e r j a l a u t u m .

Wegen des schónen Rhythmus und der reichen Reime, die i n einer prosaischen Wiedergabe verloren gingen, zitiere ich hier die Uberset-zung von Poestion, auch wenn sie sich ein wenig vom Original entfernt:

B l u m e n h i i g e l , g r i i n e F l u r , H a l d e , r e i c h a n Moos u n d B e e r e n , M o o r l a n d , S t i e f k i n d der N a t u r , B l u m e n h i i g e l , K l e e b l a t t f l u r ; W e i l ' bei e u c h a m l i e b s t e n n u r , A u c h w e n n L e i d e n m i c h b e s c h w e r e n ,

8 J . C . Poestion: Islandische Dichter der Neuzeit in Charakteristiken und iibersetzten Proben ihrer Dichtung. Leipzig 1897. S. 299 [Nachdruck Schroeder, S. 73].

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B l u m e n h i i g e l , g r i i n e F l u r ,

H a l d e , r e i c h a n Moos u n d B e e r e n ! ^

Geht es i n dieser ersten Strophe um die bliihenden Hangę (wo die Ubersetzung von Blumen spricht, ist i m Original vom Lowenzahn die Rede) und Beerenheiden, i n denen das łyrische Ich sich i n guten und schlechten Zeiten am wohlsten fiihlt, wendet sich die zweite Strophe ei­ nem Wasserfall zu, der seit alter Zeit die Schluchten bewohnt und ais guter Nachbar angesprochen wird. Es folgen Liebeserklarungen an den blauen, klaren Bach und und die himmelblauen Berge m i t den weiBen Gipfeln, u m i n der letzten Strophe dem Tal des Gliicks, der Freude der Jugend und Ruhe des Alters Sonnenschein zu wiinschen. Hier wird aus der Ferne die Heimat m i t ihren typischen Landschaftselementen in ei­ nem idyllischen Bild sehnsiichtig idealisiert. Alles erscheint vertraut, menschlich und von gegenseitigem Wohlwollen gepragt - eben roman-tisch. Diese verklarende, personifizierende Sicht der lebensspendenden islandischen Natur begegnet uns auch in dem programmatischen Ge­ dicht „island"^°, hier jedoch i n starkem Kontrast zu den politischen Zu-standen: I n der ruhmreichen Zeit der Vorvater war das Land strahlend schón, waren die Berggipfel schneeweiB, der Himmel klar und blau, das Meer leuchtend heli. Dies ist iiber die Jahrhunderte bis heute so geblie-ben. Das Land ist noch immer genau so schón, die Heide auf dem Geset-zesfelsen ist noch immer jedes Jahr blau von Beeren, aber das Allthing ist verschwunden, Snorris Thingbude ein Schafstal, der Ruhm der Vater in Yergessenheit geraten. - Diese enge Yerkniipfung romantischer Na-tursicht m i t dem Preis der ruhmreichen Yergangenheit, welcher wie­ derum i n einen heftigem Tadel der erschlafiften Gegenwart miindet, diirfte letztlich auf den EinfluB Oehlenschlagers zuriickgehen, der etwa i m Gedicht „Guldhornene"^^ bereits ganz ahnliche Tóne anschlagt. Diese nationalromantische Richtung, wie sie fiir so viele Lander damals ty-pisch war, die noch u m ihre Unabhangigkeit zu kampfen hatten, stieB bei den Islandern verstandlicherweise auf besonders groBe Resonanz. So verbindet sich auch i n Jónas Hallgrimssons „Hulduljóó" der Hymnus auf die islandische Natur m i t dem erwachten Streben nach nationaler Freiheit und Unabhangigkeit. Wie schon die zuvor genannten Werke dieses Dichters wird dabei die Landschaft stark personifiziert geschil-dert, ais lebendiges Gegeniiber des Menschen, aber auch beseelt von mythischen Wesen. Die „Hulda-Lieder" haben Leben und Person des bei einem Bootsungluck i m BreiSCord ums Leben gekommenen Eggert

9 Poestion 1897, S . 353.

10 E i s l a n d b l i i t e n , S. 35-37 [Nachdruck Schroeder, S. 38-40].

11 D i e s e s Gedicht (von Schroeder, S. 101 i r r t u m l i c h ais B j a r n i s eigenes vorgestellt) hat er libersetzt.

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Ólafsson (1726-1768) zum Thema. A m Anfang wird geschildert, wie der tote Eggert ais Symbol des islandischen Selbstandigkeitskampfes und Zukunftglaubens salzverkrustet aus dem Meer steigt und i n der mythi­ schen Hulda einer Personifizierung der islandischen Natur und ihrer Seele begegnet. I n der Folgę fiihrt Jónas i n von romantischer Mystik kaum verhiillter tagespolitischer Zielsetzung eine innige, von unter-schwelliger Erotik gekennzeichnete Yerbindung von islandischer Natur und Freiheitsstreben vor, dem durch die iibernatiirlichen Reprasentan-ten eine entsprechend hohe Legitimation zugesprochen wird. Erwahnt sei hier auch das Gedicht „FjalliS SkjaldbreiSur" („Der Berg Skjald-breióur"), der einen Ritt auf diesen Aachen Schildvulkan beschreibt, den Jónas die schónste aller Hóhen nennt. Dabei fiihren ihn die Gedanken zuriick i n die Zeit des schrecklichen Ausbruchs, die m i t der friedlichen Gegenwart kontrastiert: jetzt dient der gezahmte Yulkan ais herrliche, von Gott und dem Feuer geschaffene Burg zum Schutz des Allthings.^^ M i t ahnlicher Tendenz wie i m erwahnten Gedicht „FljótshlfS" von Bjar­ ni Thorarensen wird das bekannte Motiv aus der Njals saga i n Jónas Hallgrimssons „Gunnars hólmi" („Gunnars Insel") behandelt, hier frei-lich ausfiihrfrei-licher und explizierter.i3

Jón Thoroddsen (1818-1868) ist weniger fiir seine L3rrik ais dafiir bekannt, dal3 er m i t „Piltur und stulka" (1850, dt. „Jiingling und Mad-chen", 1883) den ersten islandischen Roman schrieb. Dennoch ist seine L3Tik keineswegs unbedeutend, und einige seiner bekanntesten Gedich­ te hat er auch i n den genannten Roman eingefiigt, darunter der Preis seiner Heimatinsel m i t dem schlichten Titel „Island", dessen erste Stro­ phe lautet: Ó, fógur e r v o r fósturjórS u m friSa s u m a r d a g a , er l a u f i n grsenu l i t k a boro og l e i k u r hjorS i h a g a , e n d a l u r lyftir b l a r r i b r i i n mót b l i S u m sólar loga og g l i t r a r flotur, glóir t u n og g y l l i r s u n n a v o g a .

("O, schón ist unsere Heimaterde an schónen Sommertagen, wenn die griinen Blatter die Aste farben und die Herdę auf der Weide spielt, aber das Tal hebt die blaue Augenbraue den milden Flammen der Sen­ ne entgegen und die Ebene funkelt, die Wiese gliiht und die Sonne ver-goldet die Buchten.")

12 E i s l a n d b l u t e n , S . 38-40 [Nachdruck Schroeder, S . 44-47]. 13 Eislandbliiten, S . 41-44 [Nachdruck Schroeder, S. 69-72].

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Reine Romantik ist auch das FruhUngsgedicht „Vorvisa 1854" („FriihUngslied 1854"): V o r i 9 e r komió, og g r u n d i r n a r gróa, g i l i n og l a e k i r n i r f o s s a a f briin; g y n g u r i r u n n i , og s e n n k e m u r lóa, s v a n u r a t j a r n i r og Jjrostur i t u n ; n u t e k u r h y r n a u m hólma og s k e r , h r e i S r a s i g b l i k i n n og « 5 u r i n n fer; h a e S i m a r b r o s a og h l i S a r n a r d a l a , hóar t)ar s m a l i og r e k u r i ból; lómbin s e r u n a u m blómgaóa b a l a , b o r n i n s e r l e i k a a5 s k e l j u m a hól.i''

(,J)er Friihling ist gekommen, und die Fluren spriefien, die Schluch­ ten und Bache bilden Wasserfalle von den Bergkanten herab, es singt in den Strauchern, und bald kommt der Regenpfeifer, der Schwan auf die Seen und die Drossel auf die Wiesen; nun beginnt es sich aufzuklaren u m Inseln und Scharen, der Erpel nistet und die Eiderente zieht; die Hohen lacheln und die Hangę der Taler, dort ruft der Hirte und treibt das Vieh zum Hof; die Lammer tummełn sich auf den blumigen Hohen, die Kinder spielen m i t Muscheln auf einem Hiigel.")

Eine ebenso positive und heitere Sicht der Natur wie das Friih-lingsgedicht gibt auch - und dies ist bei Herbstgedichten ja nicht so selbstverstandlich - das Gedicht „Haustvisur" („Herbststrophen"), das mit der Schilderung des Yerfalls beginnt:

Nii f e l l u r l a u f , e n fblvast engi og fałda h n i i k a r h v i t u m s n j a , og k o l d u h r i m i klaeSist v e n g i , og k v e i n a v i n d i s k a k i n s t r a . S u m a r brott a flótta fer

-rós 1 d o l u m , blóm a bólum

b l e i k t i l h v i l d a r h a l l a s e r .

(„Nun fallt das Laub, die Wiese wird gelb, und die Gipfel bedecken sich m i t weifiem Schnee, das Land kleidet sich m i t kaltem Reif, und die windgeschiittelten Halme wimmern. Der Sommer begibt sich auf die Flucht - die Rosen i n den Talern, die Blumen auf den Hiigeln neigen sich bleich zur Ruhe.")

Nach weiteren Schilderungen der herbstlichen Yeranderungen wird der Leser gemahnt, diese nicht zu betrauern („Ei tjair svanasdngin grata / ne sofnuS blómin undir snja" - „Es niitzt nichts, den

Schwanen-w Jón Thoroddsen: Ljó5 og s ó g ^ . Steingrimtu- G . Porsteinsson gaf iit. R e y k j a v l k 1950. S. 9f.

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gesang zu beweinen und die eingeschlafenen Blumen unter dem Schnee"), denn keine Zeit sei ohne Entziicken, vielmehr berge der dunkle, wettergrimmige Winter manches Herrliche i n seinem SchoB, so sieht auf dem kalten Eis i m Silberglanz schone kleine („fagrar kóldu sjast a svelli / i silfurgliti rósir sma").

Von G r i m u r Thomsen (1820-1896), einem sprachgewandten und yielseitig gebildeten Diplomaten (u.a. i n Frankfurt am Main) ist zumin-dest ein Gedicht noch heute i n aller Munde, die dreistrophige Balladę „A Sprengisandi" {„Auf dem Sprengisandur") - wohl heute das bekann-teste islandische „Yolkslied", dessen Anfang lautet:

R i 9 u m , r i S u m og r e k u m yfir s a n d i n n , r e n n u r sól a b a k v i 6 A r n a r f e l l , h e r a r e i k i er m a r g u r óhreinn a n d i n n , lir J)vi ferr a8 s k y g g j a a jókulsvell, dróttinn leiSi d r o s u l i n n m i n n , d r j u g u r v e r d u r s i S a s t i a f a n g i n n . "

(„Wir reiten, w i r reiten und hetzen iiber den Sand, die Sonne ver-sinkt hinter dem Arnarfell, hier treibt sich so mancher unreine Geist herum, Schatten legen sich iiber das Gletschereis, der Herr leite mein RoB, die letzte Wegstrecke zieht sich lang hin.")^^ Hier wird ein Ritt durch die Lavawiiste i m Inneren Islands geschildert, durch eine lebens­ feindliche Landschaft, die unheimlich wirkt und dem Menschen Angst einflofit. Bose Geister, blutriinstige Fiichse und die gefahrliche Elben-kónigin werden ais Bedrohung empfunden, zumal sich die Dunkelheit bereits herabsenkt. Hier wird eine ahnliche Stimmung erzeugt wie i n Goethes Balladę vom „Erlkónig" oder i m ,JCnaben i m Moor" der Droste zu Hiilshoff: die Natur, abseits der gewohnten Umgebung, ist unver-traut und schaurig. Der Mensch ist hier nur Eindringling, der den feindlichen Machten schutzlos ausgeliefert ware, wenn er nicht, wie hier, Zuflucht zu einem Gebet nehmen konnte. Ziige der Schauerroman-tik enthalt schon das friihe Gedicht „Ólund" („Schwermut"), das eine Nahe zur Byronschen Todessehnsucht aufweist und einen ganz neuen Ton i n die islandische Romantik einfiihrt (der iibrigens nicht nur bei Jónas Hallgrimsson auf heftige Ablehnung stieB). Es beginnt m i t den Versen:

H a u m h e l z t u n d o l d u m hafs a botni kóldum, v i i eg l i i i n n leggja b e i n , a h a l u h v i l a s t {langi 16 a.a.O. S. lOf.

16 E i n e von R e i m u n d R h y t h m u s h e r weniger gegliickte U b e r s e t z u n g W a l t e r v o n Knebels bei Schroeder, S. 55.

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1 hór5um s j a v a r g a n g i , u n d i r hofbi u n n a r s t e i n .

(„Am liebsten w i l l ich meine miiden Knochen unter hohen Wellen auf den kalten Meeresboden betten, auf glitschigem Tang liegen i n schwerem Seegang, unter dem Kopf ein Meeresstein.")

I n diesem Gedicht wird der todlichen, unheimlichen Seite der Natur nichts von ihrem Schrecken genommen, es schwelgt geradezu in schau-rigen Bildern, dennoch hat das lyrische Ich einer einer A r t Trotzhaltung („Auch wenn niemand iiber meinen Tod weint, weder ein Mann noch ei­ ne Frau") sich gerade hier eine A r t Heimat gesucht. Yergleichbar mor-bide Gedankengange finden w i r auch beim Schweden Stagnelius, wo sie einen durchaus biographischen Hintergrund haben. Bei Grimur Thom­ sen waren sie wohl eher eine Attittide, auch wenn er vom Charakter her ais Einzelganger geschildert wird.

Benedikt G r o n d a l (1826-1907) sucht wie andere romantische Dichter seine Inspiration i n der Natur, die er in asthetisierter und idealisierter Form schildert. I n ihr sucht und findet er das Urspriingli-che, Reine, Yollkommene und Góttliche. Geradezu enthusiastisch preist er immer wieder seine Heimatinsel. Nicht weniger ais fiinf Gedichte ha­ ben „Island" ais Titel, weitere acht heifien „Minni Islands" („Trink-spruch auf Island"). I m einem der „Island"-Gedichte (ca. 1872)^'^ wird in einer langen Kette von rhetorischen Fragen die islandische Landschaft gepriesen, zu der es auf Erden nichts Yergleichbares gebe: „Wo bieten die Wolken einen himmelschóneren Anblick? / Ist die Klarheit des Himmels woanders gróBer ais i n Island? / Und wo erzahlen die Wogen besser davon, / was sich i n der Welt zutrug und nicht vergessen werden soli? / Wo rauschen die Wasserfalle schónere Lieder? / Und wo flackern die Nordlichter hellere Glut, /...?/ Wo ist das Gras schóner auf griinen-dem Feld?" Auch zum heiBen Dampf des Geysirs gibt es nichts Yer­ gleichbares, und auch wenn viele elend und verzweifelt sind und Ame-rika m i t seinen Reichtiimern lockt - wer will sich das Herz heraus-schneiden, das tausend Jahre schlug? „Solange der Wasserfall weiB ist und die Berge blau, / solange die Hauben auf den Gletschern strahlend glanzen, / solange Sommer und Winter durch die Wolken gleiten: / bist du, Schneejungfrau {- Island), gleich schón i n unseren Herzen."

Hier haben w i r fast alle Yersatzstiicke der» islandischen Idealland-schaft versammelt, die i n wechselnder Kombination immer wieder ver-wendet werden. I n einem „island"-Gedicht von 1874 wird die Funktio­ nalisierung der Landschaft ais Element der Kontinuitat, ais

Yerbin-" B e n e d i k t Gróndal ( S v e i n b j a m a r s o n ) : Riłsafn. Fyrsta bindi. Reykjavik 1948.

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Islandische Naturlyrik... 15

dung zwischen ruhmvoller Yergangenheit und Gegenwart besonders deuthch:

Fógur e r t u , fósturmold, fraeg a a s k u t i S u m , jju e r t e n n vor f o r n a fold, fagurgrsen i hlióum; fossin k v e d u r e n n j ) a 65 u n d i r h a m r a b u n g u ,

Jsar s e m h a t t u m fólk og fljód fornu s k a l d i n s u n g u .

(„Schon bist du, Yatererde, / beriihmt i n Jugendzeiten, du bist noch immer unser altes Land, hellgriin an den Hangen; der Wasserfall singt noch immer sein Lied unter dem Felsengewolbe, wo die alten Skalden laut von Yolk und Land sangen")i^.

I m besonderen Sinne wird hier das ewige Rauschen der Wasserfalle ais symbolischer Yerweis auf die ungebrochene literarische Tradition herangezogen. Natiirłich finden sich i n der Zeit der Romantik auch i n anderen Landern immer wieder Riickgriffe auf das Mittelalter, seine Stoffe, Formen und Traditionen, wohl nirgends aber so gehauft und stilpragend wie in Island. Die Helden der Yorzeit sind standig prasent, Themen aus Saga und Edda werden aufgegriffen, in der poetischen Wortwahl bedient sich bei den skaldischen Yorgangern, und kein L y r i -ker des 19. Jahrhunderts ware auf die Idee gekommen, auf den Stab-reim zu verzichten. Oft genug werden eddische YersmaBe iibernommen, was immer den Effekt eines besonderen Pathos hervorruft. Diese Be-harren auf der Kontinuitat, dieser bewuBte und betonte Riickgriff auf das Mittelalter hat natiirłich einen aktuellen politischen Hintergrund. I m Mittelalter war Island mit allem gesegnet, was es nun entbehren muB: nationale Unabhangigkeit, Wohlstand und Ruhm. Aber die Land­ schaft ist bei allen Wechselfallen der Geschichte dieselbe geblieben, und ihre typischen Elemente konnen so ais hoffnungsYoUe und mahnende Chiffren, ais Briicken zwischen der heldenhaften Yorzeit und einer er-traumten und erstrebten Zukunft dienen. Hierauf immer wieder hinzu-weisen hat sich die nationalromantische Dichtung i n Island zu einer i h ­ rer vornehmsten Aufgaben gemacht, und Benedikt Grondal bildet hier durchaus keine Ausnahme.

Gegeniiber dem doch haufig recht schweren und pathetischen Stil Gróndals, besonders i n seinen Gedichten zu offiziellen Anlassen, sind die Yerse des Bauern P a l l Ólafsson (1827-1905), des „Ovids der Ostfjorde", wie man ihn nannte, meist einfach, leicht und elegant und stehen der Umgangssprache nahe. Ais Beispiel mdchte ich den Anfang

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seines Gedichts „Sumarkve5ja" zitieren, das in seiner vertonten Form noch heute zu den Liebhngshedern der Islander gehórt:

Ó b l e s s u S v e r t u , sumar-sól, e r s v e i p a r g u l l i d a l og hól og g y l l i r fjóllin h i m i n - h a og h e i 8 a r v o t n i n b l a ! N u f o s s a r , laekar, u n n i r , a r s j e r u n a v i 5 J)itt g y l l t a h a r ; n i i f e l l u r h e i t u r h a d d u r J)inn u m h v i t a jókulkinn.

(„O gesegnest seist du, Sommersonne, die Tal und Hiigel mit Gold umhiillt und die himmelhohen Berge vergoldest und die blauen Hoch-heide-Seen! N u n erfreuen sich Wasserfalle, Bache, Wogen, Fliisse an deinem goldenen Haar, nun fallt dein heilies Haar iiber die weiBe Glet-scherwange.")

Ahnlich h5annisch ist der Preis ist Ostfjorde-Landschaft i n folgen­ den Yersen, obwohl Pall Ólafsson damals schon langst bitterarm in Nes i m LoSmundarĘord lebte:

Ó, \)ib d a l i r , ó, t)u sser,

ó, Jjió fbgru s t r e n d u r !

A l i t f i n s t m e r m i , byggó og baer, b r e i S a u t v i n a h e n d u r !

(„O, ihr Taler, o, du Meer, o, ihr schonen Strande. Alles scheint mir nun, Dorf und Hof, Freundeshande auszubreiten!")

Viele der lyrischen Werke Pall Ólafssons schildern die islandische Natur m i t Humor und Ironie, wobei z.B. i n Litli fossinn eine heiter-erotische Komponentę m i t hineinkommt. So spiegelt sich i n den Gedich­ ten Pall Ólafssons, den man auch m i t dem schwedischen Rokokodichter Carl Michael Bellman verglichen hat, ein ganz anderes Lebensgefiihl, ais wir es etwa bei dem vom Leben enttauschten Hjalmar Jónsson beobach-tet haben.

Steingrimur Thorsteinsson (1831-1913) studierte i n Kopenhagen und blieb insgesamt 20 Jahre i n Danemark, bis er 1872 nach Island zu-riickkehrte, wo er ca. 40 Jahre ais Lehrer und Rektor am G5rmnasium in Reykjavik wirkte. Island verdankt i h m eine groBe Zahl von Gedichten, darunter viele, die das Lob der islandischen Natur singen und ganz vom Geist der Nationalromantik gepragt sind. Wie viele andere Islander hat auch er einen Wasserfall besungen. Der Titel „Fossinn minn" („Mein Wasserfall") deutet schon an, daB das IjTische Ich i n einer besonderen personlichen Beziehung zu dieser Naturerscheinung steht. Der Wasser­ fall ist ein enger Freund, den man immer wieder aufsucht und dem man seine geheimsten Traume anvertraut. Er steht ais starkes S3rmbol fiir

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Islandische Naturlyrili. 17

Freiheit, Dichtung und Frieden. Bei i h m kann der Mensch zu sich selbst finden. Einige ausgewahlte Yerse mógen dies belegen:

J e g k e m t i l ^in, m i n n foss i fjarSar k l e t t u m ,

Aó finna J)ig u m miója s u m a r t i S ,

J e g h e i l s a \>^r, u r h o p t u m l e y s t u r Jjettum,

S e m h e l d u m e r v i 5 skólabekk u m h r i S ; H j a tjer er n a t t u r u n n a r fró og f r i S u r , J e g fleygi m e r i t o n a h j a Jjer n i S u r . i ^

(„Ich komme zu dir, mein Wasserfall i n den Fjordklippen, u m dich mitten in der Sommerzeit aufzusuchen, ich griifie dich, aus engen Fes-seln gelost, die mich eine Weile an der Schulbank festhielten; bei dir ist Linderung und Frieden, ich werfe mich neben dir nieder und gebe mich deiner Musik hin.")

Die Fesseln der Schulbank diirften auf einen Schiileraufstand (be­ kannt unter dem Namen „pereat") gegen den Rektor Sveinbjorn Egils-son anspielen, an dem Steingrimur 1850 ais einer der Anfiihrer beteiligt war. Er verlor durch die Sache ein ganzes Schuljahr.

K n s v o l u n {)rengir m e r t i l h j a r t a n s h e i t a , K n n h r y n j a n d i m e r fasrir d a g g a r b a d ; M b r a t t a r graenur b i i i n n e r t a9 s k r e y t a , og bezt graer a l t , s e m naest {jer t e y g i s t aó, &vi u 9 a r e y k u r sifelt a łiaó s i t r a r

O g s i l f u r h n o p p u m s t r a og m o s a g l i t r a r .

("Deine Kuhlung dringt mir zum heiBen Herzen, dein FlieBen bringt mir ein Bad von Tau; du hast die steilen Griinflachen geschmiickt, und bestens wachst alles, was sich i n deiner Nahe ausbreitet, denn der Dunst des Spriihnebels sickert standig darauf nieder und von Silber-knópfen glitzert Halm und Moos.")

J e g horfi a Jiig; s e m yaettur skaer Jsu s k a r t a r V i 5 skuggabjargió, a l f a sólum n » r , og u m łDins f a n n s k n i S s f e l l i n g a r n a r b j a r t a r Slaer friSarboga l i t u m sólin skaer,

O g l3u ert s k a l d , Jsin gigja sifelt g l y m u r H j a grae&i, s e m v i 5 ĘoruborSiS y m u r .

(„Ich schaue zu dir hin; wie ein leuchtender Schutzgeist prangst du am Schattenberg, nahe den Elfensalen, und iiber die hellen Falten dei-nes Schneegewands schlagt die klare Sonne mit Farben einen Friedens-bogen, und du bist Dichter, deine Geige erklingt immer neben dem Kla-gelied, das am Strandsaum widerhallt.")

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H e r e i n v e r u n n a r a n d i n n r i k i r b l i S u r , H a n n u p p a f { j i n u m v o t n u m l y p t i r s e r , S u unaSskyró, s e m yfir s t a S n u m l i S u r , M i g a p t u r gefiS h e f i r s j a l f u m m e r ; H v a 5 b l i k n a S v a r {)u blómgar h e r i naeói, I»vi b l e s s a j e g og lofa \>\g i kvae6i.

(„Hier regiert der milde Geist der Einsamkeit, er erhebt sich aus deinen Wassern, diese wonnevolle Ruhe, die iiber dem Ort dahingleitet, die mich m i r selbst zuriickgegeben hat; was verwelkt war, laiBt du hier in Mufie erbliihen, darum segne und lobe ich dich i n diesem Gedicht.")

U m h a d a g s t u n d u m m u n j e g v i t j a O g h a l l a m e r aó Jsinum m o s a r e i t , A f ł)inni sólskins doggu d r i f i n n s i t j a O g d r e y m a J)aó, s e m e n g i n n maóur v e i t , Vió J ) a g n a r l a u s a hljóminn J)inna h r a n n a i himinrósemd fjaerri v e g u m m a n n a .

("Am Mittag werde ich dich manchmal besuchen und mich auf dein Moospolster niederlassen, von deinem Sonnenschein-Tau besprengt da-sitzen und davon traumen, was kein Mensch weifi, beim unaufhorlichen Rauschen deiner Wogen, i n himmlischer Ruhe, fern den Menschenwe-gen.")

I n diesem Gedicht ist die Natur i n vielfacher Funktion geschildert: ais Zufluchtsort, ais Ort der Sammlung, des Trostes, des Friedens, des Traumens, der dichterischen Inspiration, ais Quelle vielfacher astheti-scher Eindriicke (optiastheti-scher, akustiastheti-scher und haptiastheti-scher), und vor allem ais Ort der personlichen Freiheit von allen belastenden Zwangen.

Hier wird man davon ausgehen konnen, daB der Dichter hier auf ei-gene Erlebnisse zuriickgreift. Ahnlich verhalt es sich mit vielen anderen seiner Naturgedichte, die sehr konkrete Situationen widerspiegeln: ei­ nen Ritt durch die Lavawuste („In der Lavawiiste"20), einen Abend am Strand („Nach Sonnenuntergang"2i) oder das Erleben des Snaefells-Gletschers aus seiner engeren Heimat („Snaefellsjokuir')^^. Die Natur ais Ort der Selbstfindung, des Kraftesammelns i n der friedvollen Abge-schiedenheit ist auch Inhalt von „Skógarhvildin" („Waldesruhe"):

N i i v a k n a j e g a l h r e s s i i l m a n d i l u n d , S e m ómar a f v o r f u g l a kliói,

H e r f e k k eg aó s o f n a {jeim blióasta b l u n d Vió blaeinn, s e m {jaut u p p i viói.

20 E i s l a n d b l i i t e n , S . 145f. [Nachdruck Schroeder, S . 7 8 f ] 21 E i s l a n d b l i i t e n , S . 153f. [Nachdruck Schroeder, S . 86ff.l 22 S t e i n g r i m u r Thorsteinsson: Ljóómseh, S . 92-95.

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Islandische Naturlyrik.. 19

(„Nun erwache ich frisch und frohUch i m duftenden Hain, der vom Gezwitscher der FriihHngsvógel kUngt, hier durfte ich den sanftesten Schlaf finden beim Windhauch, der oben i n den Wipfeln rauschte")

E>ar u n d i r m e r b r e i d d i s t h i n iSgraena joró, E n y f i r guós b l a s a l u r h e i S i ,

O g hadegissólin m e r hałda n a m voró, E r hviłdi' eg u n d slcyggjandi m e i S i .

(„Dort unter mir breitete sich die tiefgriine Erde aus, aber dariiber der wolkenlose Blausaal Gottes, und die Mittagssonne hielt iiber mir Wache, wo ich unter einem schattigen Baum ruhte.")

Svo jEjaer m e r v a r h e i m u r m e d s o r g u m og s y n d , E r s v a f eg a forsaełu b e S i ,

M i g hraeddust ei fugłar n e f a g u r e y g h i n d i fiiSarins saliłeysi og głeói.

(„So fern war mir die Welt mit Sorgen und Siinden, ais ich auf dem schattigen Bett schlief, mich schreckten nicht Yogel noch ein schonaugi-ges Reh i n des Friedens Unschuld und Freude.")

U p p ! głaSur nti r i s eg a f grósugum błett O g geng meóan e n d i s t m e r d a g u r , M i n n h u g u r e r k a t u r og h j a r t a S e r łett, O g h e i m u r i n n v i 9 u r og fagur.

(„Auf! nun erhebe ich mich froh vom grasigen Fleck und gehe so­ lange mein Tag dauert, mein Sinn ist frohlich und das Herz ist leicht, und die Welt weit und schon.")

Gedichte wie dieses erinnern sehr an die deutsche Universalroman-tik mit ihrem pantheistischen Hintergrund: der Mensch w i r d i n der Na­ tur eins mit ihren Lebenskraften und findet Zugang zum Gottlichen.

Ein besonderes Kennzeichen der islandischen Natur ist ihr standi-ger Wandel: wo heute noch iippiges Grasland ist, kann sich morgen schon eine ode Lavawiiste ausbreiten. Dieser Gedanke, der uns bereits im Gedicht „FljótshliS" von Bjarni Thorarensen begegnet ist, wird auch von Steingrimur zum Thema gemacht. Das Gedicht „Hraun" beginnt so:

H e r v a r f y r r u m fagur skógur, Fjólubreldcur, smaragós hlió, V 6 t n og s v a n a s o n g u r nógur, Snjóhvit łomb u m e n g i n frió. H j a r d m e n n s i g n d i sół a f C o l l u m S o n g v a r głaSir h e y r S u s t Jja, F r i t t v a r 118 a łaekja volłum, L e k u bórnin m a e S r u m hja.^s

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(Hier war einst ein schóner Wald, eine Yeilchenbóschung, ein Sma-ragdhang, Seen und reichhch Schwanehgesang, schneeweifie Lammer auf schóner Weide. Die Hirten segnete die Sonne von den Bergen herab, damals hórte man frohe Lieder, frei waren die Menschen auf den Bach-fluren, die Kinder spielten bei ihren Miittern.")

Dieses Idyll wird i n der nachsten Strophe weiter ausgemalt, bis dann i n den letzten drei Strophen der Yulkan ausbricht und alles unter Lava und Asche begrabt.

Der Pfarrer und Nationaldichter Matthias Jochumsson (1835-1920) wurde m i t Recht ein „Dichter des Menschen" genannt. So ist auch in seinen Landschaftsgedichten das eigentliche Thema immer der Mensch. A m deutłichsten wird dies wohl i n seinem Gedicht iiber den Dettifoss von 1888: I n der Perspektive des Glaubigen werden die gewal-tigen Dimensionen zurechtgeriickt, so dafi jetzt sogar wenige Tranen ei­ nes Kindes die unendlichen Wassermassen des Dettifoss, der ais w i i -tend-weinender Troll erscheint, i n ihrer Bedeutung mehr ais

aufwie-gen.24 Auch das Gedicht „Hafisinn" („Das Meereseis"), ebenfalls 1888

entstanden, sieht die Natur aus der Perspektive des Menschen, der sich gegeniiber den iibermachtigen Naturgewalten winzig klein fiihlt, wie ein Strohhalm. Aber so schwach er auch ist, so stark ist doch Gott, an dem sich der Mensch i n seinem Glauben festhalten kann. Wie i m Mit­ telalter und i m Barock ist bei Matthias Jochumsson die Natur zeichen-haft, ein von Gott geschriebenes Buch, i n dem der Mensch zur Starkung seines Glaubens lesen kann. Das Packeis wird i n diesem Gedicht wie ein bóser Damon angesprochen, der zum Qualen der Menschen gesandt wurde:

E r t u k o m i n n , l a n d s i n s forni Ęandi? F j T s t u r v a r s t u e n n a 5 s a n d i , fyrr e n s i g l i n g , sól og b j a r g a r r a S . Silfurfloti, s e n d u r oss a 5 k v e l j a !

(„Bist du gekommen, alter Feind des Landes? Wieder warst du der erste am Strand, vor den Booten, die Sonne und den Rettungsplanen. Silberflotte, gesandt, u m uns zu ąualen!)

H v a r e r h a f i S ? H v a r er beltiS b l a a , b j a r t a , f r j a l s a , s i l f u r g l j a a ? E r t u h o r f i n , s v a s a s v a l a l i n d ? -P a e r slitiS brjóst l i r m u n n i b a r n i . Bjórn og r e f u r s n u d d a t v e i r a h j a r n i , g n a g a s o l t n i r s o m u b e i n a g r i n d .

M a t t h i a s Jochumsson: LjóSmaeli. F y r r i hluti, frumort IjóS. A m i Kristjansson s a u m litgafuna. R e y k j a v i k 1956. S . 50.

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Islandische Naturlyrik.. 21

Pa er u t i u m friS og f a g r a d a g a ,

f r a m a , da9 og v i t og hreystijirótt,

}pA e r b i i i n JjjóS og s a g a , \>a e r d a u S i , reginnótt.^^

(„Wo ist das Meer? Wo ist der blaue, helle, freie Gurtel, das Silber des Glanzes? Bist du verschwunden, lieber Kiihlungsąuell? - Jetzt ist dem Kind die Brust aus dem Mund gerissen. Bar und Fuchs schnuppern beide auf dem verharschten Schnee, nagen hungrig am selben Skelett. Jetzt ist es mit Frieden und schonen Tagen vorbei, m i t Ehre, Tat und Klugheit und Kiihnheit, jetzt ist es vorbei m i t Yolk und Geschichte, jetzt herrscht Tod, ewige Nacht.")

Die eindringliche Schilderung der schlimmen Folgen des harten Packeiswinters wird noch iiber mehrere Strophen fortgesetzt, bis am Ende eine Hoffnung aus dem Glauben vorgestellt wird:

T r i i ł)u: - u p u r djiipi d a u S a D r o t t i n s r e n n u r f a g r a h v e l .

(„Glaube du: - aus der Tiefe des Todes steigt die leuchtende Sonne des Herrn.")

Kristjan Jónsson (1842-1869), ais armer Bauernjunge i n Nord-island geboren, schildert in seinem Gedicht ,4)ettifoss" diesen Wasser­ fall mit einer solchen Fiille realistischer Details, daB eine Wiedererken-nung móglich ist. Die Anfangsstrophe lautet:

Par s e m a l d r e i a grjóti g r a u

g u l l i n mót sólu hlaeja blóm og g i n n h v i t a r o l d u r gljufrin h a u g r i m m e f l d u m n i s t a heljarklóm, k v e 5 u r }DU foss, m i n n forni v i n u r , meS fimbulrómi s i og ae.

U n d i r {jer bergiS s t e r k a s t y n u r s e m s t r a i naeturkuldablae.^^

(„Wo niemals auf granem Felsgestein goldene Blumen zur Sonne la-chen und schneeweiBe Wogen die hohen Schluchten m i t grausamen Teufelsklauen durchdringen, singst du, Wasserfall, mein uralter Freund, m i t Riesenstimme immer und ewig; unter dir stóhnt der starkę Berg wie ein Halm i m kalten Nachtwind.")

Abgesehen einmal von der vorgenommenen Personifizierung des Wasserfalls ais eines Wesens mj^hischen Alters und mythischer GroBe, ist auch hier die Naturschilderung nicht alleiniger Zweck, sondern A n ­ laB fiir Gedanken uber die islandische Geschichte und das Schicksal des

26 a.a.O. S.lSOff.

26 K r i s t j a n Jónsson: LjóSmseli. Matthias Vidar Ssemundsson sa um iltgdfuna.

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Menschen allgemein und sein eigenes i m Besonderen. AhnUch wie sei-nerzeit Jónas Hallgrimsson wiinscht er sich ein nasses Grab i m Wasser. Dieses Gedicht hat Kristjan schon friih bei seinen Landsleuten beriihmt und Fórderer auf i h n aufmerksam gemacht. Die persónliche Eingebun-denheit i n die Landschaft spricht besonders deutlich auch aus seinem bekannten Yierzeiler:

Y f i r k a l d a n eyóisand e i n n u m nótt eg s v e i m a . N u e r horfiS N o r d u r l a n d , n u a eg h v e r g i h e i m a . ^ ' '

(„tJber den óden kalten Sand streife ich allein i n der Nacht umher. N u ist das Nordland verschwunden, nun bin ich nirgendwo zu Hause.")

Das wohl bekannteste islandische Wintergedicht, gern und haufig ais Lied gesungen, verdanken wir ebenfalls Kristjan Jónsson, der schon mit 26 Jahren ais Alkoholiker starb. Es heiBt „I>orrat)r3ellinn 1866" (l>orri ist einer der Wintermonate) und beginnt so:

N u e r F r o s t a Fróni, fi-ys i s e S u m bló9; k v e 8 u r kuldaljóS K a r i i jotunmóó; y f i r laxa-lóni l i g g u r k l a k a { ) i l ; hlaer v i 8 h r i d a r b y l h a m r a g i l . 2 8

(„Jetzt ist Frost auf Island, i n den Adern gefriert das Blut; Kari i m Riesenzorn singt Kaltelieder; iiber der Lachsbucht liegt eine Eisdecke; die Felsschlucht lacht iiber den Schneesturm.")

I n der Folgę werden i n ebenso anschaulicher wie eindrucksvoller Weise die schlimmen Auswirkungen des Winters auf Seeleute und Bau­ ern geschildert, dereń Klagen gegeniiber Porri sich hóhnisch abweisend zeigt.

Auch fiir Island gilt, daB die gliihendste Heimatdichtung i n der Ferne entstand. E i n Beispiel ist P o r s t e i n n Erlingsson (1858-1914), der sich i n Kopenhagen an die lEindschaftlichen Yorziige Islands erin­ nert und diese begeistert schildert. Yor allem vermiBt er i n Danemark die Lieder der Wasserfalle und Bache:

Pa yaeri, S j a l a n d , saella h e r

s u m a r i d {aitt og blómin, ef t)u gaetir gefió m e r g a m l a fossaróminn 27 a.a.O. S . 73. 28 a.a.O. S . 121f.

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Islandische Naturlyrik... 23

H e f S i a l l u r a u S u r t)inn e i t t h v a S s l i k t a 5 bjóóa, leti eg f y r i r laekinn m i n n l e i k h u s s o n g i n n gó9a.

(„Dann waren, Seeland, hier dein Sommer und die Blumen herrli-cher, wenn du m i r die alte Stimme des Wasserfalls geben konntest. Hat­ te dein ganzer Reichtum etwas derartiges zu bieten, gabe ich fiir meinen Bach den guten Theatergesang hin.")

Dieser Gedanke wird i m weiteren Yerlauf dieses Gedichtes m i t dem Titel „Fossanióur" („Wasserfallrauschen") iiber viele Strophen h i n vari-iert: niemand habe die unvergleichlichen Lieder der islandischen Was­ serfalle ins Danische iibersetzt.

Das Akustische spielt bei JJorsteinn auch i n anderen Gedichten eine zentrale RoUe. „Fyrsti mai" („Der erste Mai") beklagt, dafi die Drossel ihre vielen schónen Lieder nicht mehr singt, und „Sólskrikjan" („Die Schneeammer") ist eine romantisch-sehnsuchtsYolle Erinnerung an den Gesang eines kleinen Yogels. Dies ist die erste von fiinf Strophen:

S u r o d d v a r svo fógur, svo h u g l j u f og h r e i n , s e m hljómaSi t i l m i n u r l a l i t l u m r u n n i . H u n s a t ł^ar u m naetur og song par a g r e i n svo sól fógur Ijóó u m svo m a r g t , s e m eg u n n i , og kvóld eftir k v o l d hóf h u n astarljóó e i n . -Ó, ef aó J)u v i s s i r , hvaó mikió h i i n k u n n i .

(„Diese Stimme war so schón, so lieblich und rein, die aus einem winzigen Busch zu mir heriiberklang. Sie saB dort i n den Nachten und sang dort auf einem Zweig so sonnenschone Lieder von so vielem, das ich liebte, und Abend u m Abend stimmte sie ein Liebeslied an. - O, wenn du wiiBtest, wieviel sie vermochte.")

Sehnsiichtig richten sich die Gedanken von Kopenhagen aus auch nach dem islandischen Friihling: „Niemandem ist unsere Insel kalt, wenn du [der Friihling] ihre Morgen, ihre Abende, ihre hellen Nachte lacheln laBt." („Yorkvaeói", „Fruhlinglied")

E i n a r Benediktsson (1864-1940) gilt ais erster und fiihrender Neuromantiker Islands und gehórt zu den herausragenden Gestalten der neueren islandischen L5Tik. Er lebte lange i m Ausland und unter-nahm zahlreiche Reisen, die ihren Niederschlag i n impressionistisch ge-farbten Gedichten fanden. Die Liebe zu seiner islandischen Heimat wurde aber durch das Erlebnis fremder Lander und Literaturen kei­ neswegs vermindert, sondern eher gesteigert. Bereits die erste Gedicht-sammlung „Sógur og kvae5i" („Erzahlungen und Gedichte") von 1897 enthalt eine gróBere Zahl von patriotischen Gedichten, die sich fiir das Ziel einsetzen, Island wieder die RoUe unter den freien Yólkern

(20)

zuzu-weisen, welche es i m Mittelalter besessen hatte. Die meisten seiner Ge­ dichte nehmen ihren Ausgang i n einer konkreten Naturschilderung voll poetischer Kraft, dann weitet sich der Horizont, der Mensch wird einbe-zogen, Leben und Tod, die góttliche Hand hinter den Erscheinungen: all dies miindet i n ein Gefiihl der Harmonie mit der ganzen Schopfung, de­ reń geheimen Gesetzen auch der Mensch unterworfen ist. Immer wie-derkehrendes S3rmbol der Seele i n der Natur sind die elektromagneti-schen Wellen, die dem Kosmos wie dem Menelektromagneti-schen gemeinsam sind. Die mystische Aufgehobenheit des Menschen i n einer pantheistisch-beseelten Natur ist ais angestrebtes Ideał gegenwartig, i n der Natur, die i h m Spiegel der Seele ist, sucht der Dichter die Aufhebung der Ge-gensatze von Leben und Tod, Glaube, Wissenschaft und Kunst i m Bild einer allumfassenden Einheit.

Die vorangegangene Darstellung sollte einen kleinen Eindruck von den Dichtern, Themen und Formen der islandischen Naturlyrik i m 19. Jahrhundert geben. Dabei werden die Akzente recht unterschiedlich ge-setzt. Teils liegt der Schwerpunkt auf der personlichen Begenung m i t der Natur, dem Einswerden m i t ihren Kraften, teils auf der Beschrei­ bung konkreter Landschaftsphanomene (fast jeder Berg, jeder Wasser­ fall, jeder Gletscher, iibrigens auch der Geysir haben ihre eigenen Ge­ dichte bekommen), teils auch i n abstrakten, auf das Typische der islan­ dischen Landschaft i m Kontrast zu der anderer Lander abhebenden Schilderungen. Dies geschieht dann meist i m Zusammenhang mit poli­ tischen Bestrebungen nach nationaler Unabhangigkeit. Haufig werden dabei Landschaftselemente ais Zeugen fur eine bessere Yergangenheit (im ruhmreichen Mittelalter) herangezogen. Gerne werden gerade die topographischen Merkmale hervorgehoben, die anderen Landern fehlen. Dabei wird besonders gern Danemark ais Yergleich herangezogen, das eben keine hohen Berge, Gletscher, Yulkane, grofie Strome, Seen und Wasserfalle zu bieten hat. Diese differenzierenden topographischen Merkmale dienen letztlich der Selbstvergewisserung und der Betonung der Alteritat des Landes und so des Yolkes - mit dem sich daraus ablei-tenden Anspruch auf Selbstbestimmung. Hierbei ist die Entwicklung von festen Sterotj^jen bei der Beschreibung der islandischen Natur zu beob­ achten, die noch heute ihre Giiltigkeit haben, allerdings weniger in der zeitgenossischen Lyrik, die sich mit diesen Klischees eher kritisch oder ironisch auseinandersetzt (ais Beispiel nenne ich nur die NaturljTik einer Steinunn SigurSardóttir), ais vielmehr in der Werbung, i n den Reisefuh-rern und den Islandfeatures i n Funk und Fernsehen, wo es nicht ohne die Formel von Eis und Feuer abgeht, auch wenn nur die wenigsten Is-landreisenden das Eis, geschweige denn das Feuer ais bestimmendes Merkmal der islandischen Landschaft erleben diirften.

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Islandische Naturlyrik. 25

Hinsichtlich des Metrums und der Reimschemata umspannen die yorgestellten Gedichte ein ebenso weites Spektrum wie hinsichtlich i h -res Inhalts und der Tendenz. Gemeinsam ist ihnen aber eine groBe Sorgfalt in der Behandlung der Endreime, des Rhythmus und nicht zu-letzt auch der Stabreime. Die Sprache reicht von natiirlicher Schlicht-heit bis zu hochstilisierten Ausdrucksweisen m i t Archaismen, Neubil-dungen und gesuchten Formeln. Diesen hohen Stil m i t Anleihen von und Anspielungen auf skaldische und eddische Dichtung des Mittelal-ters finden sich vor allem i n nationalromantischen, sozusagen „offiziel-len" Islandgedichten. Allen Naturgedichten der besprochenen Epoche ist die groBe Liebe zur islandischen Natur gemeinsam und das Be-kenntnis, i n vielfacher Hinsicht von ihr gepragt zu sein. Und so gilt auch fur die islandische Naturdichtung das Wort Eichendorffs: „Wo ein Begeisterter steht, ist der Gipfel der Welt".

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