ARCHIEF
LABORATORIUM VOOR
SCHEEPSCONSTRUCTIES
TECHNISCHE HOGESCHOOL
- DELFT
RAPPORT Nr.
BETREFFENDE:
DIE MATERIALPRUFUNG IM SCHIFFBAU. von
Ir. J.J.W. Nibberin,.
DIE MATERIALPRÜFUNG IM SCHIFFBAU
VON
IR, JOJ.W, NIBBERING
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Beitrag in ?tNaterialpriifung und Versuchswesen in der Schweiz und im Ausland".
-2-Die Materialprifung im Schiffbau.
\Ion Ir. J.J.W. Nibbering.
Wollte man eine Geschichte der Plateriaipriifung im Schiffbau
schreiben, so musste sie zum grssten Teil der Entwicklung
der letzten zwei Jahrzehnte gelten. Vor dieser Periode gab es
in Zusammenhang mit dem Stahlbau von Schiffen keine besonderen
Probleme und die Aufgaben des Holzbaues wurden zumeist
hand-werklich gelst. Diese Tatsachen werden vielleicht am besten
bezeugt durch die Einfachheit der Abnahmebedingungen, die von
den Klassifikationsgesellschaften an die Stahlqualitt
ge-stellt wurden. Es sollten Siemens-Martin-Sthle verwendet
wer-den, deren Eigenschaften allein durch Zug- oder Biegeversuche
iiberpriift werden sollten.
Die umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen, die
seit-dem im Hinblick auf den Schiffbaustahl durchgefiihrt worden
sind, waren eine Folge der auffälligen Steigerung in der
An-zahl von Briichen bei Schiffen. Weil es sich dabei um die
val-hg geschweissten Schiffe handelte, wurde im Anfang die Schuld
an diesen Vorkommnissen vor allem der Schweissung zugeschrieben.
Bald zeigte sich aber auch die wichtige Rolle der konstruktiven
Gestaltung und der Stahlqualitt.
Zum guten Verstindnis des Einflusses der Schweissung auf die
Bruchgefahr muss man sich daran erinnern, dass in genieteten
Schiffen al1flhige Briiche fast immer am Rande der Platte, in
der sie entstehen, enden. Eine genietete Konstruktion ist also
verhltnisrnssig sicher hinsichtlich dem Ausweiten eines
An-risses. Durch kleinere Verschiebunc;en zwischen genieteten
Tei-len werden ausserdem scharfe Spannungsspitzen verhiitet, womit
sich auch die Gefahr der Entstehung von Anrissen vermindert.
Abgesehen von diesen beiden, rein konstruktiven Faktoren sind
mit dem Schweissen hingegen noch prozesseigene schidliche
Ein-fltisse verbunden, die in einer geniete ten Konstruktion nicht
oder nur in erheblich geringerem Masse auftreten.
Die wichtigsten dieser Einfliisse riihren von, der Erwrmung des
Materials in der Nhe der Schweissstellen, von inneren
Span-nungen und von der Mikro-Rissbildung des Schweiss- und Grund-materials her. Sie begünstigen alle die Entstehung von Anrissen, aber kaum die Weiterungen.
Die durch schweisseigene Faktoren bedingte Sprdbruchgefahr kann man naturgemäss bekmpfen, indem man die Schweissung verbessert. Hierbei bieten sich Mglichkeiten, die sowohl der Schweissnaht als auch dem Grundmaterial zugute kommen, wie zum Beispiel die
Vor- und Nachwrrnung, sowie die Gliihbehandlung. Ein anderer Weg
liegt in der Qualittsverbesserung des Grundmterials. In die-sem Zusammenhang muss erwihnt werden, dass man während längerer Zeit tatsächlich die Sprdbruchanfiilligkeit des Grundmaterials zu verbessern gesucht hat, ohne genügend darauf zu achten, ob das Material auch an geschweissten Stellen verbessert ist. Immer noch wird ungenügend anerkannt, dass diese Bedingung sehr
wich-tig ist, obwohl sie von verschiedenen wissenschaftlichen
For-schern eindeutig nachgewiesen worden ist. Eine wichtige Konse-quenz ist, dass für die Beurteilung der Entstehung von Sprdbrii-ehen geschweisste Prüfkrper unerlsslich sind.
Es ist denn immer noch etwas anderes, ob man diesen Mitteln 100%ig sprdbruchsichere Schiffbauten erzielen kann. Völlig si-cher würde nämlich bedeuten, dass auch ein Schiff, das schlecht konstruiert und geschweisst worden ist, niemals einen spröden Durchbruch erleiden kann. Wollte man dies erreichen, so ware man
gentigt, Priifkrper zu verwenden, deren Schweissung ebenfalls schlecht ist. Diese Bedingung ist aber schon psychologisch kaum
zu akzeptieren.
Es Ist dahér leicht verstndlich, dass in dieser Lage manche Schiffsreeder und -Ingenieure von vornherein bevorzugen, Schiffs-baustihl zu verwenden, bei denen sich etwaige Anrisse nicht zu
einem sprden Durchbruch entwickeln kannen. Das ist freilich ei-ne verhltnismssig schwere Anforderung, wo sie auf schlecht ge-schweisste und schlecht konstruierte Schiffe abgestimmt ist. Mit diesen Anforderungen sind aber noch nicht alle
Schwierigkei-ten überwunden, denn ea besteht kein einfaches Prüfverfahren, mit dem die sogenannte Rissfortaetzungs-tîbergangstemperatur eines Materials bestimmt werden kann. Es gibt wohl einige Verfahren, die mehr oder weniger zuverlässig sind, wie etwa der Rlssausbrei-tungsversuch nach Robertson. Es sind aber leider alles sehr
wickelte Verfahren, so dass sie nie allgemein anwendbar sein
werden.
Nach den obenstehenden Ausfiihrungen dürfte klar sein, dass die
einfache und weit herum bekannte Charpy Spitzkerprobe in gewis-sem Ausmass als Abnahmeprobe ungenügend ist. Trotzdem hat das Verfahren früher gute Dienste geleistet, nrnlich in der Zeit, als die Durchbrüche bei amerikanischen Schiffen analysiert
wur-den. Aber heute kannen eigentlich nur jene SprSdbruchproben
ge-niigen, bei denen alle Bedingungen bekannt sind und deren
Eigen-schaften vollstindig ausgewertet werden kannen.
Die meisten Klassifikationsgesellschaften schreiben heute die Charpy Spitzkerprobe nicht mehr als Abnahmeprobe vor. Solange es kein besseres Mittel gibt, bevorzugen sie, die chemische Zu-sammensetzung der Materials und das Herstellungsverfahren
vorzu-schreiben. Die vielen Gesichtspunkte, die dabei mglich sind, haben dazu geführt, dass 7 Klassifikationageselischaften gesam-haft 22 verschiedene Stahlqualitten auswh1ten.
Gliicklicherwei-se ist es neulich nach miihsamer Arbeit gelungen, dieGliicklicherwei-se Anzahl
auf fünf zu beschränken. Als Erfolg dieser Bemühungen und Unter-suchungen darf gebucht werden, dass der Schiffbaustahl in der ganzen Welt erheblich verbessert worden Ist. Dadurch ist im mo-dernen Schiffbau die Sprdbruchgefahr fast vllig verschwunden. Die Spannungen selbst werden allerdings verhltnismssig niedrig gewühlt, was leider einem unwirtschaftlichen Materialverbrauch
gleL.hkommt.Daher gehen die wissenschaftlichen Untersuchungen in verschiedenen Materialprüfungsanstalten weiter, wobei man sich
insbesondere bemüht, die Prüfung den Verhältnissen der Praxis mglichst ánzugleichen.
Es laufen zum Beispiel wichtige Versuchsreihen an grossen
ge-schweissten und gekerbten Platten in England, in Japan und in den Vereinigten Staaten. Sie gehören eigentlich noch zur
Grundlagen-forschung. Der Einfluss der konstruktiven Geta1tung auf die Festigkeit konnte noch nicht vllig gekliirt werden, dafür sollen
ganze Schiffselemente in natürlicher Grasse geprüft werden0 In den Vereinigten Staaten von Amerika hat man schon kurz nach dem
Jahre 191-f5 derartige Untersuchungen mit Lukenecken und
Verbin-dungen zwischen Lngsspanten und wasserdichten Schotten unter-nommen. Es handelte sich vor allem um statische Versuche bei
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niedriger Temperatur. Jetzt ist man zur Einsicht gelangt, dass
Schiffselemente während ihrer Lebensdauer auch dynamisch
bean-sprucht werden, dasaheisat ermüden, was ebenfalls
berlicksich.-tigt werden muss. Zwar ist Ermüdung bei Schiffen an sich nicht gefhrlich, da sich etwaige Risse nur sehr langsam ausbreiten.
Aber die Anwesenheit eines kleinen Risses in einer ermildeten
Um-gebung erhht die SprdbruchanflligkeIt.
Nach diesem allgemeinen tiherblick liber die Stahlforschung und
Materialprüfung im Schiffbau wollen wir uns zum Schluss noch der entsprechenden Ttigkeit in den Niederlanden zuwenden.
Der Schiffbautechnjschen Fakultät der Technischen Hochschule in Deift steht eine Versuchsanstalt zur Verfügung, die besonders
für die Erforschung der Festigkeit von Schiffen errichtet worden ist. Die Ausrüstung bietet ein schnes Beispiel vom
erfolgrei-chen Zusammengehen schweizerischer und holländischer Kenntnisse. Eine der grssten Priifmaschinen der Welt wurde für dieses Festig-keitsiaboratorium von der schweizerischen Firma Alfred J. Amsier & Co. und der Schiffbauabteilung in Deift entworfen. Die hydrau-lische Apparatur wurde von der Firma Amsier hergestellt, während die Stahlkonstruktion des Maschinenrahmens und der zwei Aufspann-köpfe von der "Rotterdamse Droogdok Maatschappij" ausgeführt
wurde. Jeder Aufspannkopf hat ein Gewicht von 23 Tonnen. Die maxi-male statische Zug- und Drucklast betrigt
500
Tonnen,. Es kannenSchiffselemente bis zu einer Lnge von 12,50 in und einer Breite
von 5 m geprüft werden.
Besonders wichtig Ist, dass die Maschine im wesentlichen eine
Ermtidungsanlage ist. Die Pulsierfrequenz ist niedrig und
ent-spricht ungefihr der Frequenz der Biegungsbeanspruchung des Lngs-verbandes eines fahrenden Schiffes. In dieser Maschine werden
seit einigen Jahren Ermüdungs- und Sprdbruchsversuche an Lngs-spanten-Schottverbindungen von Tankschiffen in natürlicher Grasse durchgeführt. Die Probekrper werden so lange ermüdet, bis irgend-wo ein kleiner Anriss entsteht. Darnach werden sie bei einer
Temperatur zwischen 0°C und .-+0°C statisch bis zum Spridbruch
be-lastete Parallel zu diesen Untersuchungen laufen reine Material-prüfungen in einem 100-Tonnen-Amsler-Pulsator:Probestbe werden ermüdet und nachher auf ihre Sprdbruchanfi1ligkeit untersucht.