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Jesu Christi Proexistenz und Christsein heute

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Academic year: 2021

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Alfons Nossol

Jesu Christi Proexistenz und

Christsein heute

Collectanea Theologica 49/Fasciculus specialis, 5-12

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C o lle c ta n e a T h eo lo g ica 49 (1979) fasc. sp ecialis

A LFO NS N OSSOL, B ischof v on O pole

JESU CHRISTI PROEXISTENZ UND CHRISTSEIN HEUTE

Früher w urde in der system atischen Theologie viel von der Prä­ existenz des G ottessohnes geredet, heute aber scheint vorw iegend seine Pro-Existenz zu interessieren. M an sollte sich jedoch die Sache nicht voreilig zu leicht machen, indem man gew illt w äre, vom tra ­ ditionellen und progressiven christologischen Reden zu handeln. Es lässt sich näm lich klar erw eisen, dass die aktuelle K ategorie der Proexistenz gar nicht ohne die traditionelle K ategorie der Präexi­ stenz auskomm en kann. Uns soll es aber nicht um rein theoretische Differenzierungen, bzw. A nalysen dieser A rt gehen, w eil es beim echten christlichen G lauben überhaupt nicht darauf ankommt. Selbst­ verständlich hat unser Glaube auch stets etw as mit W ahrheit zu tun. Das Spezifische der christlichen W ahrheit besteht jedoch in ihrem Tun. Jed e andere A rt von W ahrheit kann als pure Theorie vorge­ bracht w erden und sich auch als solche behaupten. Sie braucht je ­ denfalls in ihrer Struktur keinen Drang zum H andeln zu bergen, dem sie auch zw angsläufig nachzugehen hätte. Insofern darf man auf dieser Ebene ungeniert das Problem von „O rthodoxie" und „Or- thopraxis" stellen und system atisch erörtern, w obei gerade heute die „Praxis" vor der „Theorie" deutlich hervorgehoben wird. Diese T atsache sollte uns jedoch keinesw egs irreführen, das Problem des V erhältnisses von G lauben und H andeln im Sinne einer Theorie- -Praxis-Relation zu verstehen, w eil man es sodann unerlaubt aus seinem biblisch-christlichen K ontext herausreisst1. W ir m üssen es stark betonen, dass im W esen der christlichen W ahrheit schon im­ plizit der Im perativ zu ihrer V erw irklichung gegenw ärtig ist. Sie kann nur in der D ynamik des Tuns bestehen, und zwar des Tuns in Liebe. Ja, w enn christliche W ahrheit existent sein und bestehen will, muss sie in Liebe getan w erden. G erade dies sollten w ir in vollem Ernst bedenken, w enn w ir verbindlich vom w ahren Christ­ sein reden w ollen. W as heu te aber nottut, ist das C hristsein konkret als P r o e x i s t e n z , dem V orbilde Jesu Christi selbst, nachzu­ vollziehen, um auf dieser Basis in unserer diesseitig verw irrten W elt einen, vielleicht unm odernen aber höchst erforderlichen, schöpfe­ rischen A ufbruch und A usw eg n a c h o b e n zu weisen, w eil er

1 V gl. G. S c h n e i d e r , C h ris tu sb e k e n n tn is u n d c h ristlic h e s H a n d eln , in:-

D ie K irch e des A n fa n g s. F e sts c h rift fü r H e in z S c h ü rm a n n zu m 65. G eburtstag.

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dem C hristentum ureigen ist. W ir gedenken hier somit zuvor auf­ zuzeigen, w ie die Person Jesu C hristi als das Kriterium des christ­ lichen H andelns zu gelten hat, w obei der proexistente Christus selbst als neues Lebensmodell und der Vollzug seiner Nachfolge in der K ategorie der Proexistenz um schrieben wird.

I. Jesus Christus als Kriterium christlichen Handelns

1. Der definitive und unüberholbare ,,Ort G ottes" für uns Christen ist und bleibt für immer Jesus Christus. Er ist auch in einem, die M itte unseres G laubens und H andelns. W enn somit christliche Ethik ganz allgem ein system atisch und m ethodisch das H andeln des Chri­ sten im G laubenslicht zu reflektieren und zu bestimmen hat, muss sie unm ittelbar auf Gott in Jesus Christus bezogen sein. Der leben­ dige G ott als solcher — verhüllt, offenbart sich eben vollkommen erst in Christus. Das C hristusereignis ist die Epiphanie Gottes; w er den Sohn sieht, sieht den V ater (Jo 14,9). Es gibt von daher keinen anderen Gott als den, der sich in Jesus m anifestiert hat: Das Gesicht, das er in ihm gezeigt hat, ist w irklich das w ahre und einzige „Ge­ sicht G ottes" für uns M enschen. Im Licht des N euen Testam ents ist also zu sagen: „Jesus von N azareth ist der O rt der G otteserfah­ rung, durch ihn lernen w ir Gott kennen, er ercheint im G lauben als .Erweis der G ottheit G ottes', er ist der Exeget G ottes"2. K eine christ­ lich-theologische Disziplin kann daher von der „christologischen K onkretisierung G ottes"3 A bstand nehem en. Ihr hat ohne Zweifel auch d ie theologische Ethik Rechnung zu tragen, und zwar vor allem dann, w enn sie bem üht ist, ihr eigentliches Proprium aufzu­ zeigen.

2. Soweit es hier um das K riterium des Christlichen, das u n ter­ scheidend C hristliche geht, ist daher kaum genügend beachtet w or­ den —■ um mit Hans K ü n g zu reden. Es ist näm lich kein abstraktes Etwas, auch nicht eine Idee oder irgendein Prinzip, bzw. ein Ge- dänkensystem , sondern die konkrete lebendige Person Jesu Christi ist einfach das M assgebende. Jesu s Christus als konkrete geschicht­ liche Person besitzt näm lich eine A nschaulichkeit, V ernehm barkeit und Realisierbarkeit, die einer ew igen Idee, einem abstrakten Prin­ zip, einer allgem einen Norm, einem gedanklichen System abgehen. Er kann auch für M enschen von heute ein in vielen W eisen zu rea­ lisierendes Grundm odell einer Lebensschau und Lebenspraxis d ar­

2 R. P e s c h , Z u r E x e g e se G o tte s d u rc h J e s u s v o n N a za re th , in: J e su s —

O rt der E rfahrung G o ttes, F re ib u rg 1976, 140,- v g l. W . K e r n , D ie M itte d es c h risto lo g is c h e n G la u b en s, S tim m en d e r Z e i t 102 (1977) 105— 118.

8 A. N о s s о 1, A n d e r s g la u b en , a b er an k e in e n a n d eren ! E rw ä g u n g en zur

c h risto lo g is c h e n K o n k re tisie ru n g G o tte s in: D ie E in h eit der K irche. F estgabe P eter M e in h o ld zu m 70. G e b u rtsta g (H rsg. v o n L. H e i n e ) , W ie s b a d e n 1977,

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stellen. Er ist in Person im Positiven w ie im N egativen die Einladung

(Du darfst), d er A ppell (Du sollst!), die H erausforderung (Du kannst)

— für den Einzelnen w ie für die G esellschaft4. M ag m an auch sonst zu К ü n g s ethischen A usführungen in Christ sein kritische Stel­ lung beziehen, was er jedoch im Zusam m enhang mit der knappen Umschreibung des K riterium s christlicher Ethik über d ie Relation: Jesus und C hristsein sagt, „gehört zweifellos zum Besten und Schön­ sten innerhalb des gesam ten A bschnittes über die ,Praxis'. Über­ zeugend w ird sichtbar, dass nicht ein abstraktes Prinzip, nicht eine blosse Idee, sondern die konkrete, lebendige V orbildgestalt des H errn A nfang und Ende christlicher Sittlichkeit ausm acht''5.

3. G erade deshalb darf „Christus als k o n k rete Norm" christlicher Sittlichkeit, als das endgültige K riterium christlichen H andelns be­ zeichnet werden, w eil er in Person die lebendige, m assgebende V er­ körperung seiner Sache ist. Dabeit geht es um die V erkörperung einer gänzlich neuen Lebenseinstellung und eines neuen Lebenssti­ les. Hier reichen blosse Entscheidungen, Aktionen, M otivationen und Dispositionen nicht m ehr aus, w eil es sich einfach um eine völlig neue G rundeinstellung und G rundorientierung des M enschen handelt. K onkret zielt näm lich die ganze christliche Botschaft auf ein von G rund aus verändertes Bewusstsein, eine neue existentielle G rundhaltung, eine andere W ertskala und ein radikales Umdenken und Um kehren des ganzen M enschen hin. Kurzum: es geht eben um einen neuen w ay of life, w obei eine historische G estalt zwei­ fellos ganz anders zu überzeugen vermag, als ein theoretisches Prin­ zip6. Sie kann diesen neuen W eg einfach vorgelebt haben und gerade so als konkretes Lebensm odell für alle anderen gelten. A bschliessend darf hier m it H. U. v o n B a l t h a s a r festgestellt w erden: „C hrist­ liche Ethik muss von Jesu s Christus aus entw orfen werden, da die­ ser als der Sohn des V aters den ganzen W illen G ottes (alles Ge- sollte) in der W elt erfüllt hat, und das ,für u n s’, dam it w ir aus ihm, der erfüllten konkreten Norm alles sittlichen H andelns, die F reiheit gewinnen, Gottes W illen zu erfüllen und unserer Bestimmung als freie Kinder des V aters zu leb en ”7.

4 H. K ü n g , E x istie rt G ott? A n tw o r t au 1 die G o ttesira g e der N e u z e it, M ün­ c h e n 1978·, 755; v gl. d e r s., C hrist sein, M ü n ch en 1974, 531— 544; d e r s.,

20 T h e se n zu m C h ristsein , M ü n ch en 1975, 54—59.

5 W ie d ies B. S t o e c k l e tu t: V o m E th o s zu r E th ik, in: D isk u s sio n über

H ans K ü n g s „C hrist se in ", M ainz 1976, 133— 143 (Zit. S. 134).

6 H. K ü n g , C hrist sein , 536: E x istie rt G ott?, 756 /.

7 H. U. v o n B a l t h a s a r , N e u n S ä tze zu r c h ristlic h e n E th ik , in: J. R a t ­

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II. Der proexistente Christus als neues Lebensmodell

1. Aus der Tatsache, dass das Proprium genuin-christlichen H an­ delns allein christologisch zu bestimmen sei, ist eine besondere Be­ deutung der C hristologie für die theologische Ethik zu folgern. Man darf in der Tat auch auf diesem G ebiet vom „Prim at der Christologie" reden. „Die ganze übrige Theologie führt zum christologischen Pro­ blem, und um gekehrt kommt man zur ganzen übrigen Theologie, w enn m an von der C hristologie au sgeht"8. Dies mag wohl zutreffen, w as jedoch ist zu tun, w enn w ir es gerade heute mit einer schw el­ lenden „Krise der Christologie" zu tu n haben? W elche von den v ie­ len aktuellen christologischen Richtungen käm e sodann bei der näheren U m schreibung und K onkretisierung Jesu Christi als des m assgebenden Lebensm odells unseres alltäglichen Christseins in Frage? Jedenfalls m üsste sie dem w ohlberechtigten A nsatz einer C hristologie „von u n ten ” und „von oben"zugleich gerecht werden, und um eine integrale Fassung des C hristusereignisses bem üht sein. M it einem alternativ gesehenen rein vertikalen, bzw. horizontalen Lösungsversuch w äre uns dabei keinesw egs geholfen9. W enn auch Jesu s kein M odell ist, das sich einfach kopieren Hesse, so muss er einerseits als d er C hristus in der Fülle seines integralen Geheim­ nisses ernst genommen w erden, und andrerseits — als solcher auch beim zeitgenössischen M enschen ankommen, d.h. in seiner histo­ rischen Lebensw eise heute modo humano konkret nachzuahm en sein. G erade in diesem Sinn h at ja C hristsein stets „etw as mit Jesu s Chri­ stus zu tu n "10.

2. Sehr angem essen, überzeugend und zukunftsw eisend w irkt in diesem Fall Heinz S c h ü r m a n n s Konzeption vom proexistenten C hristus11. Sie geht von der Feststellung aus, dass für uns M enschen auch jed e Epoche, jede W eltstunde eine theologische E rkenntnis­ quelle ist. Sie ist ein „locus theologicus" für die Erkenntnis Jesu Christi, w eil keine Zeit je „den unergründlichen Reichtum Christi" (Eph 3, 8) auszuschöpfen verm ochte. Das II. V atikanische Konzil h at uns übrigens aufgewiesen, verantw ortlicher auf die „Zeichen der Zeit" zu achten (Gaudium et spes 40, 44, 62; Priesterausbildung 16;

V o m Dienst und Leben der Priester 19). Von der W eltstunde her

k ann es also jew eils eine vertiefte C hristuserkenntnis geben — in

8 P. S c h o o n e n b e r g , Das th e o lo g is c h e Z en tra lp ro b lem : d ie C h risto lo g ie, in: D ie A n tw o r t der T h e o lo g e n , D ü sseld o rf 1968, 50.

9 V g l. A . N о s s о 1, Ein ö k u m e n isc h e r V e rsu c h zu r Ü b erw in d u n g der

a k tu e lle n K rise k a th o lis c h e r C h risto lo g ie, T rie r e r T h e o lo g isc h e Z e itsc h rift 85

(1976) 282— 296.

10 G. B e r g m a n n , G ru n d fra g en d e s L ebens, N e u n h a u s e n -S tu ttg a rt 1974, 63. 11 H. S c h ü г m a n n , D er p r o e x is te n te C h ristu s — d ie M itte d e s G laubens

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jeder Epoche anders und neuartig. A bgesehen von der Pluriform ität des biblischen Jesusbildes darf somit rückblickend vom lehrenden Christus (Christos didaskalos) der ersten Jah rh u n d erte die Rede sein, später, in der ausgehenden A ntike, vom A llherrscher (Panto­

krator), sodann —■ vom Im perator der rom anischen Kirchen, dem Schmerzensmann — in der Zeit, da in Europa die Pest umgeht und die Kreuzzüge scheitern, und w ährend der Reformation — vom Ge­ kreuzigten. Ein neues Christusbild entsteht noch in der Zeit der Herz- -Jesu-Frömmigkeit, bis dann die „bilderlose Zeit" anbricht, die nur noch in T h o r w a l d e n s Klassizismus, in G ärtnerrom antik, N azarenerkunst, bestenfalls in der Beuroner Kunst und Christ-Kö­ nigsfröm m igkeit gew isse C hristusbilder produzierte. Aus diesen Bil­ dern ist jedenfalls zu ersehen, w ie Theologen, und vor allem Beter, die — aus der N ot je ihrer Zeit — zu Jesu s Christus rufen als dem rettenden H eilbringer, jew eils für diese ihre Zeit. Die „Zeitgemässig- keit" und „N otw endigkeit" spielen dabei eine gew ichtige Rolle.

A ktuell w äre w ieder besonders das evolutive Christusbild her­ vorzuheben, sowie das Modell des proexistenten Christus. Gerade dem letzgenannten kommt grosse Bedeutung zu. In der N ot der allge­ m einen Bedrohtheit, die fast bis zur totalen Selbstvernichtung der M enschen hinreicht, hält näm lich der M ensch A ufschau zu dem, der allein eine selbstlose Pro-Existenz gelebt hat: Jesu s Christus, der Sohn Gottes. C hristologie ist hier völlig integral im U ransatz als Soteriologie verstanden. Gefragt ist vordergründig nicht nach dem „W esen" Christi, sondern nach seiner Existenz, die aber dann als Pro-Existenz sein „W esen” ist. Diese Pro-Existenz w ill doppelt verstanden w erden: „Jesus w ar der M ensch für die anderen" weil und indem er auf den „ganz A nderen” hinlebte und aus ihm lebte.

Jesus h at sich —■ gemäss den Evangelien — für die Arm en und Sünder bis in den Tod hinein engagiert. Als Christus traditus hat er sich im Pro-vobis selbst transzendiert und aufgegeben. Ein derartiges w irklich selbstloses Transzendieren auf den N ächsten hin ist jedoch anthropologisch nur möglich als A usw irkung und Folge eines selbst- entäussernden Transzendierens auf Gott hin. Jesus Christus lebt zunächst aus G ott und auf G ott hin. Er w ar näm lich „am Anfang" bei Gott, w eil er einfach als ewiges W ort der präexistierende Sohn Gottes ist. Als solcher ist er auch gehorsam hingebend in Gott hinein gestorben, bevor er für die M enschen gestorben ist. N ur ein von Gott aus dem M utterboden seines eigenen Selbst entw urzelter und h eraus­ gerissener M ensch kann so radikal „dahingegeben" w erden für das Heil der W elt, Im Tode Jesu steigt irgendw ie Gott selbst in die Tiefen des Todes, w eil nur dann Jesu Kreuzestod als „Tod des To­ des" überhaupt zu bergeifen ist. Als H eilsgeschehen ist der Tod Jesu letztlich nur als intertrinitarisches G eschehen verstehbar, als sich selbst entäussernde Liebe des V aters zum Sohn und des Sohnes zum Vater.

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Die „G ezw eitheit" von Jesu Christi radikaler Proexistenz kommt schon äusserlich zum Ausdruck, indem w ir Jesus „zerspannt — in der H orizontalen und V ertikalen des Kreuzes — zwischen Gott und M ensch" integral zu begreifen haben12. Mit anderen W orten: das Geheimnis dieser heilbringenden horizontalen Proexistenz ist von der M acht der vertikalen Inexistenz getragen. Nämlich, so absolut selbstlos, frei von sich selber und total für die A nderen dazusein, könnte ein M ensch niem als eigenmächtig; dazu ist die Kraft aus dem Sein in Gott erforderlich.

3. Aus der T otalität der gelebten Proexistenz Jesu ist somit zu ersehen, dass Gott mit Christus war, als er durch ihn die W elt mit sich versöhnte (2 Kor 5, 19). Das Bewusstsein dieses Faktors der „Christologie der Proexistenz" verschont sie vor einem m odernen flachen Jesuanism us. Auf G rund dessen, d.h. dank der ihr eigenen O rthodoxie, ist sie im stande G rundbasis für eine solide und zeitge­ nössisch überzeugende christliche O rthopraxis zu sein. Der proexi­ stente C hristus ist als neues Lebensmodell in gew isser H insicht so­ gar rein hum anistisch, „nicht religiös1' ansprechbar. Davon zeugt u.a. die Begeisterung für ihn beim heutigen kritischen M arxism us13. W eil sich dieses Modell auf die konkrete Existenz der lebendigen histo­ rischen Person Jesu C hristi stützt, also auf Jesu V erhalten, und es letzlich als P r o e x i s t e n z bestimmt, ist ihm eine ungeheuere A nschaulichkeit, V ernehm barkeit und R ealisierbarkeit zu eigen, die zur Nachfolge drängt. Jedenfalls ermöglicht es konkret eine neue G rundorientierung und Grundhaltung, und bietet zugleich einen n eu ­ en Sinnhorizont und eine n eue Zielbestimmung. Als solcher ist es für unser C hristsein in der Zeit der Sinnkrise versprechend und zukunfts­ weisend.

III. Vollzug der Nachfolge Christi in der Proexistenz

1. Jesu V erhalten w ird in der Tat in den neutestam entlichen Schriften w esentlich als dienende und sich hingebende Liebe „für uns" bestimmt, als sich „pro-existent" engagierende Liebe, die das „pro-existente" Engagem ent G ottes „für uns" in eschatologischer W eise sichtbar m acht (z. B. Röm 5, 8; 8, 31ff. und Jo 3, 16; 1 Jo 4, 9) „Die gläubige Auf- und A nnahm e dieser eschatologischen Liebe Gottes, die sich beschenken lässt, und die w eitergebende N achah­ mung derselben im Leben mit Christus und in Christus soll das sittli­

12 Ebd., 157; vgl. h ie r auch; H. S с h ü г m a n n, Jesu u reig n er Tod, F re ib u rg 1975, 121— 155.

13 V gl. b e isp ie lsw e ise : C h riste n tu m u nd M a rx ism u s (Hrsg. E. K e l l e r ) , W ie n 1966; M. M a c h o v e c , J e su s fü r A th e is te n , S tu tta g rt 1972; M. S p i e k e r ,

N e o m a r x ism u s u nd C h risten tu m . Z ur P ro b lem a tik d e s D ialogs, M ü n ch en 1974; M a r x iste n und die S ache J e su (H rsg. J. F e t s c h e r u. M. M a c h o v e c ) , M ün­

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che Leben der G läubigen grundlegend bestim m en”14. Darum gerade geht es konkret in unserem Christsein. Jesu V erhalten ist uns Bei­ spiel und M assgestalt dienender und sich hingebender Liebe. „Darin haben w ir die Liebe erkannt, dass jener sein Leben für uns dahin­ gegeben hat; so m üssen auch wir unser Leben für die Brüder hinge- ben” (1 Jo 3,16). Nachfolge C hristi als Inhalt unseres Christseins muss eben auch diese Dimension berücksichtigen. Der lebendige Christus ruft alle M enschen, vor allem jedoch uns seine „A ngehöri­ g en ”, zur persönlichen Nachfolge; jedoch nicht zur buchstäblichen N achahm ung oder gar Imitation, sondern zur N achfolge in Ent­ sprechung, K orrelation: dass ich mit auf ihn ganz und gar einlasse und nach seiner W egw eisung m einen eigenen W eg gehe. Eine grosse M öglichkeit, die von Anfang an nicht als Müssen, sondern als Dürfen, als eine unerw artete Chance und w ahres Geschenk, eine echte G nade angesehen w urde. Eine Gnade, die nichts voraussetzt als das eine, dass man sie vertrauend-glaubend ergreift und sein Leben danach einstellt: eine neue Lebens-Einstellung, d ie als Kon­ sequenz einen neuen Lebens-Stil ermöglicht und erfordert15. W enn dieser neue Lebensstil, „C hristsein” genannt, tatsächlich etw as Kon­ kretes mit Christus zu tun haben soll, sodann muss unsere Nachfolge C hristi in der christlichen Proexistenz zum Zuge kommen und ver­ w irklicht w erden. Nachfolge bedeutet hier näm lich vor allem ge­ sinnt sein w ie Jesus Christus und als solche vollzieht sie sich im Bereich des Ethischen und vird zur imitatio, zur N achahm ung. Dabei geht es keinesw egs um einen sklavischen N achvollzug äusserer Züge des Lebens Jesu, sondern um Einstimmung in seine Lebenshaltung — in Liebe und Gehorsam gegenüber dem V ater, in der radikalen Zu­ w endung zu den M itmenschen. A us der N achfolge Christi erschauen w ir somit die innere Einheit von Gottes- und M enschenliebe. Es geht hier — mit anderen W orten — einfach um die gelebte Proexistenz des Christen.

2. M an bedenke dabei, dass das Prinzip „Für” überhaupt in die W esensstruktur des C hristlichen hineingehört. In ihm wird sogar das eigentliche G rundgesetz der christlichen Existenz ausgedrückt. Christiliche Existenz ist einfach P r o - E x i s t e n z , w eil Christsein w esentlich den Übergang vom Sein für sich selbst in das Sein fürein­ ander bedeutet. Der n eu e Lebensstil von dem oben die Rede war, verlangt also die Trennung von der Zentrierung auf das Ich und den A nschluss an die dem Ganzen zugew andte Existenz Jesu C hristi16. N achfolge C hristi setzt somit eine Durchkreuzung des

14 H. S c h ü r m a n n , Die Frage n a ch d er V e r b in d lic h k e it der n e u te s ta m e n t-

iic h e n W e r tu n g e n u n d W e is u n g e n , in: J. R a t z i n g e r, P rin zip ien ch ristlich er M oral, E in sied eln 1975, 18 f.

15 H. K ü n g , E x istie rt G ott? 755, f.; vgl. C hrist sein, 536; 20 T hesen..., 55. 14 V gl. J. R a t z i n g e r , E in fü h ru n g in das C h risten tu m , M ü n ch en 1968, 205— 207.

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eigengen Ich voraus, w eil m an nur so im stande ist dem G ekreu­ zigten zu folgen und für die anderen dazusein. Selbstverständlich kommt man dabei ohne dem begnadeten Sein in C hristus nicht aus. A nders ausgedrückt w ürde es heissen: im anthropologischen Dasein- -für-die-A nderen w ird das christologische Sein im H errn vorausge­ setzt. Dies gilt insbesondere für den Fall der geforderten radikalen Proexistenz des Christen.

3. Auf diese R adikalität kommt es gerade beim Christsein an. In der Proexistenz geht es eben einmal um die radix der neuen G rund­ haltung in engster A nlehnung an Jesu w esentlichste V erhaltens­ weise, sowie zum anderen M al um die T otalität und U niversalität dieser H altung. Jede A rt von gesellschaftlichem Leben, jedes Dasein in Gemeinschaft, muss näm lich immer vom M enschen einen gew issen Grad an Proexistenz abverlangen. Die natürlichen, ideologisch oder organisatorisch bestim m ten G renzen dieser Gemeinschaft, bringen auch stets Einschränkungen des Daseins-für-Andere mit sich, insbe­ sondere dann, w enn diese A nderen nicht form ale M itglieder der ge­ gebenen Gem einschaft sind. Das C hristsein kennt dem gegenüber keine Einschränkungen dieser. Art. Es drängt, gemäss dem In k arna­ tionsgeheim nis, zur radikalen uneingeschränkten Proexistenz für den M enschen in der W elt. Denn einjeder M ensch ist seit der M ensch­ w erdung G ottes des C hristen Schw ester oder Bruder; und die ganze M enschheit zusammen stellt die iamilia Christi dar. W ahre zw ischen­ menschliche Solidarität ist deshalb eigentlich erst m it dem gelebten C hristsein gegeben. W as heute nottut, ist eben die gew agte usprüng- liche R adikalität des Christseins, die allein im stande wäre, unsere W elt aus den A ngeln zu heben. Sie erm öglicht näm lich dem suchen­ den M enschen von heu te den einzig schöpferischen A ufbruch und Ausw eg zugleich —■ nach oben.

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