A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S
F O L IA G E R M A N IC A 1, 1997
W łodzim ierz W iśniewski
U N E IG E N T L IC H E E R K E N N T N IS IM WERK H E R M A N N B R O C H S
„ D esh alb m uß eine h ö h e re K u ltu r dem M en sch en ein D o p p elg eh irn , gleichsam zwei H im k a ra m e rn geben, einm al um W issenschaft, so d an n um N ich t-W issen sch aft zu em p fin d en ...“
N ietzsche, M enschliches, A llzum enschliches
W ir hab en es in d er schöngeistigen L itera tu r m it zwei G ru n d te n d en ze n zu tu n , die eine d rä n g t a u f E indeutigkeit, B eharrung, O rd n u n g , W ied erh o l-b arkeit, die andere ül-bersteigt die F orm el d er E rfa h ru n g und es ist äu ß e rst schw ierig ihre A ttrib u te in Begriffen einer theoretischen In fo rm a tio n u n te r-scheidbar zu m achen. Eine verstärk te E ntw icklung d e r zw eiten T endenz b eo b ach ten wir in d er epochalen V orgängen d er deutschen F rü h ro m a n tik . N eben der F rü h ro m a n tik beeinflußt N ietsche m it seiner S ubjekt und S prach- kritik die literarische M oderne. Die Eigenschaften dieser T endenz entspringen aus der U ngenügsam keit der aufklärerischen V ernunft und ihrer V orstellungen vom „vernünftigen“ Subjekt, die die zw eckgebundene und id en titätszen trierte V ernunft schöpferisch zu übersteigen sucht.
B roch lebt in der Z eit einer ab strak ten , einer rad ik al w issenschaftlichen K osm ogonie, in d er es keinen P latz m eh r gibt fü r die glaubensbedingte und nicht nachprüfbare Plausibilitätsschranke. Seine frühe intellektuelle Entw icklung fiel vorw iegend a u f die Z eit des logischen Positivism us d er W iener Schule. Seine H inw endung zu r L itera tu r ist zum großem Teil a u f seine frühen E n ttäu sch u n g en m it jen er em pirischen R ich tu n g d er P hilosophie zu rü ck -zuführen. D e r logische Positivism us, auch als N eupositivism us bezeichnet, billigte n u r solche A ussagen, die eine rein logisch b egründete o d er die
em pirische Beweiskraft besaßen1. Solche E inschränkung schloß von vornherein die Z ulassung der F rag e n aus, die der ju n g e B roch fü r unentbehrlich in d e r p ro p o rtio n ellen E n tw ick lu n g d e r K u ltu r und G esellschaft hielt. F ü r B roch verliert d ad u rch d as D enken seinen H a u p ta n sp o rn - seinen m etaphysischen H intergrund. Broch bestreitet nicht die N ützlichkeit aller logischen und exakten F a k to re n , er erk lärt sie aber als nicht ausreichend und besteht d arau f, d aß eine m ethodologische C h ara k te risieru n g des E r-kenntnisprozesses in den W issenschaften durch die H erau sarb eitu n g seiner „irreduziblen R este“ 2 kom plem entiert w erden m uß. Seine „U n g ed u ld der E rk e n n tn is“ 3 trieb ihn dazu, d aß er tro tz seiner Liebe zur W issenschaft sich auch der L itera tu r verschrieb und Schriftsteller w urde. B roch sucht die „h a rd w äre“ der N aturw issenschaften, die „soft w äre“ der P hilosophie und Psychologie, sowie die „transcen d en tal w äre“ d er m ystisch-m у tischen D im ension im literarischen W erk zu einer K o m p lem en taritä t und T o ta litä t zu brin g en . Sein G e sa m tw erk lebt aus d er D ialek tik dieser Bereiche. D as Z eitproblem , m it dem sich B roch sein Leben lang k o n fro n tiert sah, b eherrscht seine D ich tu n g und seine theoretischen S chriften. Es ist d as P roblem des Z erfalls d er W erte, das Problem des A bsolutheitsverlustes, d as P roblem des R elativism us.
ln seinen w erttheoretischen U ntersuchungen hat Broch den geschichtlichen P rozeß zum A b stra k te n hin gezeigt. D ie zu n eh m en d e R atio n a lisie ru n g b rach te den schließlichen R ückzug der R eligion (in jedem konventionellen Sinne) als einer w eitverbreiteten, legitim en W eltanschauung, wobei ih r P latz in w achsendem M aße von hypothetisch-deduktiven Schließen, em pirisch-analytischen F orschen eingenom m en w urde. D er S chritt zu dieser a b stra k te n K osm ogonie beginnt bereits im späten M ittelaltcr m it einer E ntw icklung, die zunächst in der R efo rm atio n ihren sichtbaren A usdruck findet. D as h o h e M itte la ltc r geh ö rte n och zu den Z eiten k u ltu reller E inheit. D ie U n e n d lich k e it h a tte hier keinen a b stra k te n u n d efin ie rb are n C h a ra k te r, so n d ern besaß einen absoluten P lausibilitätspunkt. D e r G o tt, d er zw ar auch die Eigenschaften des U nendlichen hatte, war aber vorstellbar in definierbaren Sym bolen. B roch geht es in erster Linie um die E inheit dieses Z eitalters, er verdeutlicht die Z en trerth eit d er hierarchisch gegliederten m ittelalterlichen O rd n u n g um den höchsten W ert. M it d er W endung vom P latonism us zum P ositivism us setzt das ein, was B roch den „Z erfall d er W erte“ n en n t. Die A uflö su n g der im M ittelalter funktionierenden W ertehierarchie des M y th o s
1 Vgl. M . D iersch: E m piriokritizism us und Im presionism us. Über Beziehungen zw ischen
Philosophie, Ä sth e tik und L iteratur um 1900 in Wien. B erlin 1971, S. 174Г.
2 B roch w ird zitiert n a ch d e r K o m m entierten W erkausgabe. H g. v. P. M . L ützeier. F ra n k fu rt/M . 1974ÍT. (K W , erste Z iffer = B andzahl, zw eite Ziffer = Seitenzahl). Hier:
Philosophische Schriften 1. K ritik, K W 10/1, 131.
bringt m it sich die E n tsteh u n g einer breiten Skala von S ta n d p u n k ten und eine Vielzahl von Lebensbereichen und Ideologien, die beziehunglos n eb en -ein an d e r stehen o der sich in der gegenseitigen R iv alität befinden. Die m ögliche E inheit von T ranszendenz und Im m anenz geht entgültig verloren. D er A nspruch des P latonism us für das U n endlich-U nsagbare in F o rm von Sym bolen w urde aufgehoben und m an h a t sich u n m ittelb ar dem O bjekt und d er T a t zugew andt4. „ D a s W o rt bekam eine an d e re B edeutung: die S prache G o ttes (die die Sprache d er Scholastik w ar) sollte um gestaltet w erden zur Sprache d er D inge (a u f die der neue Blick gerichtet w a r)“ 3. Indem „in den Epochen der H o ch an tik e und des H o c h m ittelalters“ die „ U n itä t von L ogos und G e ist“ herrschte, wird von B roch die G egenw art als eine Z eit diagnostizert, in d er die „ E n tth ro n u n g des L ogos wie des G eistes“ zustande k o m m t6. D ie U rsache dieser verhängnisvollen E ntw icklung lag in dem V erlust des religiösen M itte lp u n k te s und des einheitlichen W ertsystem s7, ln d er G egenw art gibt es keine hochentw ickelte religiöse B ew ußtseinsstruktur, denn die höchste S tru k tu r ist rational-szientifisch. D as, was B roch in seinem Z eitalter an streb te und was er im M itte la lte r als gegeben sah, w ar die H ierarchie von W erten, in d er sich die niedrigeren aus den höheren ergaben. D e r vom Protestantism us ausgelöste Individualism us erlangte in d er R o m an tik die größte A utonom ie. In der G egenw art jed o ch ist ein völliger W ertzerfall eingetreten. D ie V orführung des M odells aus d er V ergangenheit diente B roch zum besserem V erständnis der G egenw art. In B rochs S chriften existiert ab e r keinen W unsch, eine verloren g eg an g en e T o ta litä t neu zu etablieren, sein Blick richtet sich vielm ehr a u f den P ro- blem zusam m enhang einer neuen W erto rd n u n g , die keinerlei O ffen b aru n g voraussetzt. E r ist sich dessen bew ußt, d aß die geistige E rn e u eru n g nicht m eh r im Bcrcich d er T heologie o der sogar d er P hilosophie verlaufen k an n . E r spricht von ra tio n a le r E rk en n tn is und ü b erratio n aler E rfa h ru n g , von radikalem Positivism us und M ystik oder M y th o s8.
N ach dem V erlust übergreifender S innm uster im Z eitalter d er „ tra n sz e n -d en taler O b -dachlosigkeit“ richtet sich seine „U ng e-d u l-d -d er E rk e n n itn is“ dem M edium d er K u n st und insbesondere d er L ite ra tu r zu. B roch ist bestrebt, die A lternative zwischen R eligion und R elativism us (den er m it dem logischen Positivism us gleichsetzt) a u f dem G ebiet d er literarischen D ich tu n g zu finden. In d er L itera tu r eröffnete sich fü r ihn eine neue M öglichkeit, in d er alle W issensgebiete berechtigt w ären, und in d e r ferner andere, nicht em pirische M eth o d en der E rk en n tn is zugelassen sind. D ie
4 Vgl. Die Schlafw andler, K W 1, 535. 3 K W 10/1, 197.
6 K W 9/2, 189. 7 Vgl. K W 9/2, 222.
L ite ra tu r b etrau te er m it d er M ission einer E rk en n tn is, die weit ü b er die P hilosophie und W issenschaft hinausgeht, sic „Findet - wie B roch bem erkt in d er K osm ogonie und d er cinheitstiftenden Syntax des D ichtcrischcn zw ar keine reale, wohl aber eine sym bolhafte E rfü llu n g “ ’ . Die K u n st und L ite ra tu r bekom m en hier einen neuen W ert. Sic stehen nicht m eh r im D ien ste des G la u b e n s o d e r des in d er S u b sta n z religiös v ersta n d en en Lebens. Ihre sym bolisch-funktionelle R olle scheint einer allgem einen A n t-hropologie zu dienen, die in ihrer G eltung nicht von historischen Bedingungen a b h ä n g ig ist und n ich t zum L eitfaden von Ideologien b e n u tz t w erden könnte. In diesem K onzept der L iteratu r schreibt Broch besondere B edeutung dem Bereich der Sym bole zu. Im „H o fm a n n sth a ls“ -Essay sieht er die „ w a h re W irk lich k e it“ des M enschen in d er W elt d er Sym bole: „W ir w andeln zw ischen Sym bolkulissen, und a u f d a ß wir sie erk en n en kön n en , m üssen wir sic in stets neuen abbilden, niem als zu den letzten g elangend“ 10.
D a s Sym bol - so schreibt H roch in d e r M assenw ahntheorie - h a t eine m erk w ü rd ig e M ittelstellung zwischen k o n k reter S ichtbarkeit und ab strak ter U n sichtbarkcit, zwischen Irdischkeit und U nirdischkeit, d a cs m it irid isch -sich tb ar-fü h lb ar k o n k reten M itteln (S prache, B ildhaftigkeit usw.) erzeugt wird und trotzdem sich m it dem Sym bolisierten (dem B enannten, dem Abgebildeten) in k ein er W eise ,d e c k f, so n d e rn so b lo ß ,m ein t“, sow ohl d as B cw ältigungs wie d a s E rk e n -ntn issy stem .meinend* und in sich zum .A usdruck* b rin g en d ".
F ü r B roch verbindet sich m it der Sym bolschafl'ung ein A k t d er W elt- bew ältigung. Im Sym bolbereich wird die „S p an n u n g von k o n k re te r und a b stra k te r W elt“ 12 überw unden. Die Sym bole sind weder physisch, noch reflektieren sie n u r das Physische, sondern stellen eine höhere R ealität dar. Sym bolisches D enken ist eine beträchtliche T ranszendenz d er G renzen und S tru k tu ren des k o n k reten o p eratio n alen D enkens. „ A u f dieser A m bivalenz, dieser B eheim atung in zwei W elten, beruht die U nfaßlichkeit, U naussprech- lich k eit und U n b egreiflichkeit des S ym bols“ 13. B roch p ra k tiz ie rt einen weiten Sym bolbegriff, er ord n et die W elt der Sym bole in eine A rt H ierarchie, die d u rc h den M echanism us d er Setzung d er Setzung, d as Sym bol des Sym bols, die „ Ite ra tio n des ,W issens um das Wissen* “ , als „ Ite ra tio n des .Sym bols d er Symbolisierungen* “ zustan d e k o m m t14. D ie h ö h eren Sym bole entstehen a u f dem W ege über die niedrigeren. D urch diese hierarchische E ntw icklung wird die ursprüngliche Id e n titä t m it einer niederen S tru k tu r von Sym bolen verloren, um zu höheren zu gelangen. D ie S ym bolrealität
’ K W 9/2, 116.
10 Schriften zu r L itera tu r 1. K ritik, K W 9/1, 287. 11 M assenw ahntheorie, K W 12, 223.
12 E. Frenzel: S to ff-, M o tiv- und Sym bolforschung. S tu ttg a rt 1978, S. 36. lJ E b d .
„w ird nochm als sym bolisiert“ 15. A us Sym bolen, die aus identifizierbaren k o n k re te n E rfah ru n g ssitu atio n en stam m en, kön n en translogische Sym bole entstehen, die die ursprünglichen Z usam m enhänge transzendieren und sich a u f sie nicht reduzieren lassen. W ie E rnestine Schlant ausführlich dargelegt h a t, verlangt B roch, d a ß die herrschenden gesellschaftlichen S ym bole und M odelle e rk an n t werden müssen. D ie nächste Stufe in d er E rkcnntnishicrarhie ist die N eusym bolisicrung d er Symbole.
A u f d as K u n stw erk angew endet, hieße d as also, d a ß die W elt d u rc h T o ta litä ts - und S im u ltan eitätsstreb en nich t n u r sym bolisch e rfa ß t und b ew ältigt w ü rd e, so n d e rn d a ß dieser sym bolische B ew ältigungsprozeß selbst no ch einm al sym bolisch zum A u sd ru ck g eb rac h t und in die S p h äre d er E rk en n tn is geh o b en w erden m uß'*.
Die historisch k o n kretisierten S ym bolausform ungen sind zu einer quasi zeitlos-systematischen Ebene erhoben. A us diesem G runde bleibt der N aturalis-m u s iaturalis-m aturalis-m er „syaturalis-m bol erster Stufe nieaturalis-m als Syaturalis-mbol des Syaturalis-m bols“ 17. Dieseaturalis-m progressiven S ym bolisicrungsprozeß steh t d e r regressive entgegen. D ie sogenannten rückgew andten Sym bole sind a u f die R evalorisation d e r alten F o rm en gerichtet, sie w erden unzeitgem äß und geraten in einen „ E r s ta r-ru n g sp ro z eß “ zu r „ K o n v e n tio n “ 18. In dieser kurzen U n tersu ch u n g gilt unser A ugenm erk den progressiven Sym bolen, die bis in „die kosm ische U n e n d -lichkeit“ 1' reichen. D ank diesem Symbolisicrungsprozeß kan n eine K osm ogonie entstehen, in der d er Positivism us und Idealism us, wie L ogos und M y th o s d u rc h V erw andschaftsgrade m itein an d er verbunden sind20. Sow ohl M y th o s und M ystik als auch M etaphysik und B ildung sind fü r B roch Begriffe, die a u f eine hierarchische T o ta litä t zielen. Sie stellen d er zunehm enden W ert- zersplittcrung und d er w achsenden V erselbständigung d er einzelnen Lebens- gebictc die U nerläßlichkeit einer neuen E inheit gegenüber. D ie F a k te n des Positivism us, die D aten d er einzelnen Lebengebietc scheinen n u r d a n n einen Sinn zu ergeben, w enn m a n einen gem einsam en u n d tran sz e n d e n ta le n U rg ru n d an n im m t, d er diesen D aten zugrunde liegt. E rst d a n n fallen alle Tatsachen in ein sinnvolles M uster, o rdnen sich a u f ein höheres Ziel hin. D ieser tran szen d en tale U rg ru n d scheint Broch m it dem zeit- und raum losen U rgrund des Seins identisch zu sein. B roch geht es um das, was er als „A u fg ab e des geistig schaffenden M enschen“ definiert hat: näm lich um das
K W 9/1, 211. Vgl. R . B rin k m an n : Z u Brochs S ym bolbegriff. In: P. M . L ützeier, M . K essler (H g.): Brochs theoretisches W erk. F ra n k fu rt/M . 1988, S. 35-48, hier S. 40.
E. S chlant: D ie Philosophie H erm ann Brochs. B em 1971, S. 91. 17 K W 9/2, 269.
111 Philosophische S chriften 2. Theorie, K W 10/2, 240. ” K W 9/2, 136.
„Z iel d er p la to n isch en E rn e u e ru n g “ 21. D ieser Bereich tra n sz e n d e n ta le r E in h eit-in 4ler Vielheit wird von Broch in seinem „ H o fm a n n sth a l“ -E ssay beschrieben. Diese Idee gipfelt in der Position S chopenhauers aus seinem d ritte n Buch von Die W elt als Wille und Vorstellung. Es ist die indische Iden titätsfo rm el „ ta t tram asi“ 22 o der die Lehre „W elt ist G o tt und W elt ist ich“ 23, in d er S chopenhauer P latos Idee und K an ts D ing an sich m it der östlichen Philosophie verbindet. Im höchstentw ickelten Z ustand der intensiven B ew ußtheit, die in sich m ystische Q ualitäten besitzt, k an n das Individuum tiefe E rk en n tn is erleben, die sich in eine A rt Schau zu steigern scheint - num inos, inspiericrend, gelegentlich ekstatisch. Broch greift nicht n u r die pythagoreische und indische A nschauung S chopenhauers, sondern er weist in diesem Z u sam m enhang a u f den m ystischen Prozeß der Ich-E rw citerung hin. In diesem P rozeß geht „ein S tück Ich in das N o n -Ich “ ein und tran szen d iert sich selbst24. Broch hofft, d a ß im M edium von Zeichen und B ildern geistige R ealität nicht nur w ahrn eh m b ar wird, sondern sich allererst k o n stitu iert25. Die ästhetische V ollidentifikation m it dem O bjekt befähigt den K ü n stler in diesem Z ustan d „p räctab licrte H a rm o n ie“ zw ischen „Ich und W elt“ zu erfassen. F ü r Broch ist dieser Z ustan d nicht m it d er vorw is-senschaftlichen F o rm des Bewußtseins zu verwechseln, er stellt für ihn „einen integrierenden Teil des L ogos“ d ar, weil andererseits „alle unsere logischen F orm en [...] eine zweite, eine m ythische S tru k tu r h a b e n “ 26.
Z um T rä g er dieses transzendentalen Z u stan d s w urde fü r Broch d as Lyrische: „im Lyrischen ist das E rw achen d er Seele verborgen, d er m ystische W eckruf, von dem die Seele den Befehl em pfängt, die A ugen zu öffnen, um k ra ft solch eines A ugen-Blicks und in ihm den Z u sam m en h a n g des Seins zu schauen, zeitlos“ 27. Es ist dies auch der Z ustand des „G leichgew ichts“ o d er der „S im u ltan e itä t“ 28.
D ie S uche d er P h ilo so p h en h at m it jen er des L yrischen n ich t viel gem ein, den n ihr G ru n d p rin zip der völligen verbalen E n tsp rec h u n g steht im G egensatz zu dem T raszendieren d er sprachlichen Ebene. D eshalb ist „jeder w ahre K ü n stler“ , d er sein kreatives W eltbild schaffen will nach Broch zw angsläufig ein Rebell, „bereit, das geschlossene System, in d as er hincin- geboren w urde, zu zerschlagen“ 29. D er W eg zu dieser „h ö h e ren T o ta litä t“
21 K W 10/1, 57.
22 K W 10/1, 29f.; K W 9/2, 12Г. 23 K W 9/2, 13.
24 K W 9/1, 303.
25 Vgl. W . H in d erer: R eflexionen über den M yth o s, ln : P. M . L ützeier, M . K essler (H g.):
Brochs theoretisches W erk, S. 49- 68, hier S. 57.
2ft B riefe 3, K W 13/3, 44. 27 K W 9/2, 205.
2* Vgl. K W 9/2, 14, 16Г. 29 K W 9/2, 223.
in d er F o rm „einer völlig ab stra k te n T h eogonie“ fü h rt ü ber den A lterstil „in d er völligen V erschm elzung von M ythos und K u n s t“ , in d er sich die I endenz zu einem neuen offenen System b em erkbar m a c h t30. B roch sieht die A nzeichen solcher neuen K o n fo rm atio n in d er K u n st von A ischylos, Bach, M ilton, M ichelangelo, G o eth e, Beethoven, T ołstoj und in d er P h ilo so -phie von K a n t. Wie schon bei K a n t gilt Brochs A ugenm erk d e r besonderen B edeutung d er „ F o r m “ , d er A usdrucksebene, insbesondere den Z eichen und Z cichcnsystem en, die in der ungegcnständlichcn a b stra k te n F o rm au ftreten und ihre wesentliche Aussage nicht m it Bestandteilen reproduzierter em pirischer W irklichkeit zu präsentieren suchen. Es ist ein Prozeß, in dem die „R ealitäts- v o k ab c ln “ , die aus erk en n b aren L ebenssituationen stam m en, ihre G eg en -ständlichkeit verlieren und zu B estandteilen in ab stra k te n , ästhetischen und erk enntnism äßigen M odellen und Zcichcnsystem en w erden, und die einen g anz neuen u n m ittelbaren A ussagew ert bekom m en. D as bedeutet, d aß im M edium von Zeichen und Bildern sich die neue schöpferisch-geistige R ealität etabliert. In dieser H insicht sicht B roch die A ufgabe d er D ich tu n g nich t in d er V erm ittlung, sondern vor allem in d er E rw eckung und E rw irk u n g der neuen E rkenntnis. D ieser P rozeß d er R ed u k tio n und A b stra k tio n zielt a u f die phänom enologische W esenschau. Als Beispiele für dieses V erfahren der A b stra k tio n n e n n t B roch d as W erk solcher S chöpfer wie S traw inskij, Picasso, Joyce und K afk a. Sie schufen die „ a b stra k te K u n st parcxcellence“ 31.
Broch stellt vor d er K u n st und L itera tu r eine A ufgabe, die p rim är an th ro p o lo g isch und nicht ästhetisch bedingt ist. A us diesem G ru n d e lehnt er die D ich tu n g des l’a rt p o u r l’art ab, die nach einem radikalen ästhetischen Ziel trac h tct. N eben d er „völligen R a d ik a litä t d er M ittel und ih rer A b -s tra k th e it“ fo rd ert er von dem K un-stw erk -seine „rad ik ale A n n ä h re n u g an die T o d ese rk en n tn is“ 32.
D as V erhältnis von D ich tu n g und W issenschaft w ar für B roch eine offene F rage, wir beobachten bei ihm ein m erkw ürdiges Schw anken zwischen w issenschaftlicher Theorie und d er uneigcntlichen E rk enntnism öglichkeiten d er D ichtung. B roch vereinigte in sich eine Vielfalt d e r O ptionen, die er im L aufe seines Lebens fü r sich in A nspruch nahm . D ie K o m p le m e n ta ritä t w issenschaftlicher und dichterischer T ätigkeit gab er Zeit seines Lebens nicht auf. N ach dem V erlust übergreifender S innm uster b au t das m o d ern e D e n k en vorw iegend a u f d en em pirischen W a h rh eiten als d e r einzigen E rkenntnisquelle auf. D a s künstlerische H an d eln hingegen zielt a u f uneigen-tliche, sym bolisch-m ythologische oder m ystische E rk en n tn isfo rm . D ie E r-kenntnisse in diesem Bereich lassen sich ab er nicht als gültig erw eisen, wir
30 K W 9/2, 224. 31 K W 9/2, 228. 32 K W 13/2, 320.
hab en hier m it keinem echtem E rk en ntniszustand zu tu n . D er Z u stan d d er lyrischer A nschauung, das W esen der transzendentalen o d er m ystischen E rk e n n tn is sind weit d av o n en tfe rn t, em pirisch v crifizierbarc V orsätze hervorzubringen. B roch u n tern im m t den V ersuch, die S inngebung einer W irklichkeit zu gestalten, deren Sinn em pirisch nicht e rfa h rb a r ist. Die gro ß e A nsprüche seiner intellektuellen S elbstidcntifikation lassen ihn selbst an den uncigentlichen E rkenntnisform en zweifeln. D a h er scheint ihm oft alles, was er aussagt, so trostreich es im übrigen auch sein m ag u n b ra u ch b ar, unsinnig zu sein. „D ie uncigcntlichcn E rkcnntnism öglichkciten d e r L ite ra tu r sah er häufig als ästhetischer Fluchtw eg a n “ 33. Brochs m erkw ürdige Un- schlüssigkcit in der F rag e d er uncigcntlichcn E rk en n tn is ergibt sich auch d arau s, d aß er in der F rag e des M ythos nicht k onsequent zw ischen seiner p rä ra tio n a le n und tran sratio n alcn F o rm zu unterscheiden w ußte.
B roch ist ein G renzgänger zwischen au seinandcrgerückten S ph ären aber auch ein V erteidiger d er Z usam m enhänge. Als forschender D ich ter und Ä sth etik er und als ästhetischer F o rsch er ist er in die P osition eines A u to rs g eraten, d e r niergendw o ganz zu H ause ist.
W łodzim ierz W iśniewski
P O Z N A N IE P O Z A E M P IR Y C Z N E W D Z IE L E H E R M A N N A H R O C H A
W czesny rozw ój in telek tu aln y B rocha p rz y p ad a n a czasy n au k o w eg o rad y k alizm u , k tó ry był k ształto w an y p rzez w iedeński pozytyw izm logiczny. Z w ro t B rocha k u literatu rze m iał swe źró d ło w ro zczaro w an iu , jak ie sp ow odow ał w nim ów kieru n ek filozofii, nie d o p u szczający , p o za em piryzm em , innych źródeł p o z n an ia. T en stan rzeczy przyczynił się d o ro z p ad u w artości i ogólnego relatyw izm u. B roch poszukuje w literaturze i sztuce uniwersalnej symbolicznej w artości, zdolnej zin teg ro w ać i n a d ać sens rozp ro szo n ej rzeczyw istości w k u ltu rz e i życiu społecznym .
W sw ych teorio p o zn aw czy ch do ciek an iach sięga d o p ó źn eg o średniow iecza, w k tó ry m n ad rzęd n ej sym bolicznej w artości p o d p o rz ąd k o w a n e były inne dziedziny życia. O k res reform acji i n astęp u jący p o nim ro z p a d w arto ści p ro w ad zi d o zastąp ien ia p lato n izm u pozytyw izm em . B roch w yrzeka się k o n serw aty zm u , szukającego ra tu n k u w rew aloryzacji d aw nych h istorycznych m odeli, p o szu k u je n a to m ias t zrębów now ej jed n o ści, w olnej od d o g m atu . S ztuce i lite ratu rze , ze w zględu n a ich sy m b oliczno-funkcjonalne właściw ości, przypisuje szczególną rolę.
A u to r arty k u łu om aw ia a n tro p o lo g iczn o -estety czn ą funkcję B rochow skiego sym bolu, k tó ry dzięki sw ym m ultyplikacyjnym w łaściw ościom (sym bolizacja sym bolu) p o tra fi d o trze ć d o m ityczno-m istycznych w ym iarów istnienia. N ośnikiem tego tran scen d en tn eg o sta n u poznaw czego je s t „liry zm ” . B roch d o strz eg a jego przejaw y w sztuce, literatu rze i filozofii. Sceptycyzm p isarza
ro d zi n a to m ia s t b ra k m ożliw ości jeg o n au k o w ej weryfikacji.
33 M . D u rz ak : ,,D er G eschichtelerzäler" H erm ann Broch. In: E. K iss (H g.): Herm ann