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View of Średniowieczny klasycyzm XII wieku we wczesnym renesansie polskim

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R O C Z N IK I H U M A N IS T Y C Z N E T o m X X V I, z e s z y t 3 — 1978

STEFAN ZABŁOCKI

(G D A Ń S K )

MITTELLATEINISCHER KLASSIZISMUS DES 12. JAHRHUNDERTS IN DER POLNISCHEN FRÜHRENAISSANCE

Forschungen vornehm lich der englischen und französischen Mediaevi- sten haben unlängst zur Entdeckung der im 19. Jh. verkannten hum ani­ stischen Tradition des M ittelalters geführt. Das bekannte Buch von Has- kins über die Renaissance des 12. Jh .1 gab diesen Forschungen entschei­

denden Anstoss. Sechs Jah re nach dem Erscheinen des Buches von Has-

kins wurde die grundlegende U ntersuchung von Paré, B runet und Tremblay herausgegeben, in dem verschiedene hum anistische Richtungen der m ittelalterlichen Schule und Erziehung detalliert besprochen w ur­ d e n 2. Im 19. Jh. hatten J. B urckhardt und seine Schüler den Gegensatz betont zwischen, wie sie sagten, mönchischer, lebensverneinender und universaler W eltanschauung des M ittelalters und neuen, m enschenfreund­ lichen Ideen der italienischen H um anisten des 14. Jh., die das geistige Erbe antiker L iteratur auf genommen haben. Das sei aber vor allem durch die W iederentdeckung der klassischen, zuerst lateinischen, später griechi­ schen L iteratur ermöglicht worden.

Diese Tatsache dokum entierte fast vollständig der berühm te Renais­ sance-Forscher Georg Voigt, dessen H auptw erk u n te r dem vielsprechen­ den Titel Die W iederentdeckung des klassischen A ltertum s oder das erste

Jahrhundert des Humanismus Epoche machte 3. Obwohl man später dem

Gedanken Raum gab, dass man noch vordem von einer karolingischen und einer ottonisehen Renaissance der klassischen, insbesonders lateini­ schen L iteratur sprechen kann, so flam m te doch zwischen dem Ende des Ottonisehen Zeitalters in Deutschland und dem Anfang der Bewegung der italienischen Frühhum anisten nur vereinzelt der sehr persönlich ein­ gestellte Drang eines ganz neuen W eltgefühls auf, hauptsächlich u n ter Laien und vor allem in der in Nationalsprachen aufblühenden L iteratu ­

1 Ch. H a s k i n s , T he R enaissance of the T w e ljth C en tu ry, C am b rid g e 1927. 2 G. P a r é , A. B r u n e t , P. T r e m b l a y , L a R enaissance an 12<? siècle. L es

écoles e t l’en seignem ent, P a ris—-O ttaw a 1933.

3 G. V o i g t, Die W iederbelebung des classichen A lth e r tu m s oder das erste

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ren, nam entlich in der provenzalischen Dichtung und im M innesang4. Diese traditionelle Auffassung des A ntiken im M ittelalter begann u n te r der A rgum enten der vorher erw ähnten Forscher des M ittelalters zu wanken. Sowohl Haskins als auch Trem blay, P aré und Brunot haben sich auf die Schlussfolgerungen der Erforscher des M ittelalters gestützt, die auf die B edeutung der lateinischen L iteratur fü r die K ulturges­ chichte des M ittelalters hingewiesen haben. In der um fangreichen latei­ nischen D ichtung lebte näm lich antiker Gedankenreichtum , antike Spra­ che, V ersifikation und Ausdrucksweise w eiter. Und gerade die Klöster und in allgemeinen — geistliche Kreise, von den Forschern des vorigen Jah rh u n d e rts als lebensverneinend und von der antiken Tradition en t­ fe rn t abgestem pelt, erwiesen sich als B ew ahrer des antiken Erbes sowohl in der m ittellateinisch-schriftstellerischen Tätigkeit der gelehrten Dichter als auch in der Leistung der Kopisten, die fast alle geretteten H and­ schriften der römischen K lassikier abgeschrieben haben.

A usfuhriliche Forschungen haben näm lich gezeigt, dass w ir die Be­ w ahrung des klassischen römischen Schrifttum s vor allem den klöster­ lichen Scriptorien verdanken, wo die K lassiker zuerst im 8. und 9. Jh. und ern eu t im 11. und 12. Jh. abgeschrieben w urden. Der Titel der zwei gutbekannten Bände von S ab b ad in i5, der sie „Die Entdeckung lateini­ scher und griechischen H andschriften im 14. und 15. Jh .” genannt hat, ist also insofern nicht treffend, als eben die códices der lateinischen S chriftsteller von allem seit dem 11. Jh. entdeckt, von den aus dem ka­ rolingischen Z eitalter stam m enden M anuskripten abgeschrieben und sogar in der lateinischen Dichtung des M ittelalters nachgeahm t wurden. In der T at kann m an wohl n u r behaupten, dass erst die griechischen Hand­ schriften von den italienischen H um anisten wahrgenommen wurden; denn n u r die griechischen K lassiker blieben im M ittelalter ungelesen und unbekannt.

Was aber die Nachahm ung der klassischen Beispiele im M ittelalter betrifft: besonders seit dem 12. Jh. entw ickelte sich antikisierende, vor allem epische, Dichtung, die w eitverbreitet und bekannt wurde. Sie stellt hauptsächlich U m dichtung und W eiterbildung der antiken Themen dar. Zu dem beliebtesten W erken gehörten die Alexandreis von W alter de Chätillon und De bello Troiano von Josephus Iscanus. Beide Dichter ver­ suchten nicht n u r eine der seit dem 12. Jh. gewöhnlichen Umbildungen von klassischer Prosa in Verse zu schaffen 6, sondern ein K unstw erk her­

4 Vgl. V o i g t , op. cit., Bd. 1. S. 6 ff. Diese M einung w u rd e besonders von J. B urc-k h a r d t u n d J. A. G obineau {La R enaissance, 1877) v ertre te n .

6 R. S a b b a d i n i , Le scoperte dei codici latiiii e greci ne’secoli X IV e X V , Bd. 1. F ire n ze 1905, Bd. 2, F ire n ze 1914.

8 E rin n e rn w ir u n s z. B. an die poetischen B earb eitu n g en solcher an tik en W erke w ie De n u p tiis M ercurii et Philologiae des M a rtian u s C apella oder Solinus Collectanea

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vorzubringen, das die klassischen Themen in klassisch anm utender Form darstellte. Dank den Forschungen von C hristensen wissen w ir jetzt Be­ scheid, wie rein die Prosodie von W althers klassizistischem H exam eter ist und wie oft er m it Entlehnungen aus W erken von Vergil, Lucan und Ovid sein W erk schmückte. Die klassische Vorlage der Alexandreis erkennt man übrigens schon aus den ersten Versen des Gedichts:

G esta ducis M acedum , to tu m d igesta p er orbem , q u am large d isp e rsit opes, quo m ilite P o ru m v ic erit e t D arium , quo p rin cip e G ra ec ia v ic trix risit et a P ersis re d ie re trib u ta C orinthum , M usa re fe r [...].

Das so beginnende Gedicht h ätte ruhigen Herzens ein hum anistischer Dichter schreiben können, weil auch dem D ichter des A lexandreis uneingeschränkt die antike G ötterw elt zu Gebote stand.

Die grundlegende Dissertation über die klassischen Einflüsse auf die Dichtung des W alter von Chätillon entstand erst am Anfang des 20. Jh., es folgten die anderen, doch bis jetzt fehlt eine grundlegende monogra­ phische Darstellung des zweiten bedeuntenden V ertreters des m ittelatei­ nischen Klassizismus 7. De bello Troiano des Josephus Iscanus (von Exe- ter) ist jedoch nicht w eniger als W alter von Chätillon m it der klassizi­ stischen Richtung der m ittellateinischen L iteratu r verbunden. Sich auf Anleihen aus Vergil, Ovid und Statius stützend, schrieb der V erfasser ein Gegenstück zur Ilias Latina und Vergils Aeneis, dessen sich kein latei­ nischer Dichter der frühen italienischen Renaissance zu schämen hätte. Der dem im M ittelalter beliebten Dares entnom m ene Stoff w urde von Josephus mit der glänzendsten poetischen Rhetorik dargestellt, in Gegen­ satz zu Benoit de St. Maure, der in seiner französischen Version der

Historia Troiana den lateinischen Text ohne grössere A nsprüche langatm ig

in schmucklose französische Verse umsetzte. Dagegen blieb das in epischer A usführlichkeit und Vergilischer T o n a rt8 geschriebene Epos von Josephus, als eine fast perfekte Nachahmung der klassischen Schreibweise bis zum Anfang des 16. Jh. unübertroffen. Was W under also, dass sein Gedicht im 12. und 13. Jh. eifrig gelesen w urde 9 und sich auch im Z eitalter des H um a­ nismus grösser Popularität erfreute, was drei gedruckte Editionen im 16. Jh. und eben so drei im 17. Jh. bezeugen 10.

7 H. C h r i s t e n s e n , Das A le xa n d erlie d W alters von C hätillon, H alle 1905. 8 D er A usd ru ck sta m m t von M. M anitius (G eschichte der la teinischen L itera tu r

des M ittelatters. Bd. 3, M ünchen 1931, S. 651).

9 Vgl. M a n i t i u s , op. cit., S. 652 u n d S a b b a d i n i, op. cit., Bd. 1. S. 16. L eider konnte ich n ic h t die A usgabe von L. G om pf (J. I s c a n u s , W erke u n d B riefe, L eiden 1970) k o n su ltieren , die m ir u n e rre ic h b a r blieb.

19 Ü ber die E d itionen des Josephus sc h rie b t auch P. L eyser (H istoria po eta ru m

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Die Bedeutung dieser nüttellateinischen dichterischen Werke fur die K ulturgeschite des M ittelalters w urde erst nach dem ersten Weltkrieg völlig anerkannt. Es ist schwer zu glauben, dass diese Dichtung zuerst im d ritten Band der Geschichte der m ittellateinischen Literatur von Manitius als Ganzes besprochen wurde, also 1931. Die Bedeutung des m ittelM eini- schen Klassizismus des 12. Jh. fü r die K ulturgeschichte des M ittelalters und H umanism us w urde erst im um fassenden W erk von de Ghellinck a n e rk a n n t11, dann folgten die Erforscher des italienischen Humanismus, wie Toffanin 12 und vor allem Renucci,13 der alle sogenannten m ittelalterli­ chen Humanism en besprochen hatte.

Renucci versuchte, den direkten Einfluss des m ittelalterlichen oder — besser gesagt — m ittellateinischen Klassizismus des 12. Jhs., dessen Exi­ stenz jetzt ausser Zweifel steht, auf die Entstehung der italienischen Re­ naissance im 14. Jh. geltend zu machen. Sein Buch löste heftige Diskussion aus, einige K ritiken und Rezensenten haben dem Verfasser Vereinfachung und Ü bertreibung vorgeworfen, so z. B., dass er die Eingenständigkeit der italienischen Philosophie im Z eitalter der Renaissance verkannt habe. Eben ihre Selbstständigkeit und O riginalität betonte einige Jahren später der berühm te Renaissance-Forscher P. O. K risteller 14. Vor allem aber habe Renucci die Bedeutung der späteren Scholastik unterschätzt, die zwischen dem A ufblühen des m ittellateinischen Klassizismus des 12 Jhs. und dem Anfängen der italienischen Renaissance im 14 Jh. liegt und sich an den berühm ten U niversitäten im Nordeuropa eingewurzelt hatte.

Der V orwurf scheint treffend zu sein, denn er versuchte ungeachtet der Tatsache, dass inm itten der beiden Klassizismen die Entwicklung der Spätscholastik, das A ufblühen der spekulativen Logik und die Entstehung der spätm ittelalteriichen mystischen Richtung in der Dichtung (ebenfalls in der lateinischen Dichtung der Epoche) stattfand, eine direkte Verbin­ dung zwischen beiden Epochen zu finden. Man darf nicht vergessen, dass trotz der Verwandschaft beider Perioden der K ulturgenschichte die Epo­ che der G leichgültigkeit gegenüber dem klassischen Erbe dazwischen liegt. Die M ehrzahl der im 12. Jh. abgeschriebenen und korrigierten klassisch- -römischen H andschriften gerieten w iederum in Vergessenheit, so dass die italienischen H um anisten sich diese H andschriften auf neu angeeignet ha­ ben müssen.

W ir können also den m ittelalterlichen Klassizismus im Frankreich des 12. Jhs. als eine wichtige, doch zeitlich begrenzte Erscheinung betrachten, deren Einflüsse auf das K ulturerbe der nächsten Epochen zwar bemer­

11 J. de G h e l l i n c k , L ’Essor de la littéra tu re latine au X I I e siècle, Bd. 2, P a ris —B ru x elles 1946.

12 G. T o f f a n i n , Storia d ell’U m anesim o, B ologna 19524, Bd. 1-3.

13 P. R e n u c c i , L ’A v e n tu r e de l’H u m a n ism e européen au M oyen Age, P aris 1950.

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kensw ert und wichtig sind, doch nicht entscheidend. W ir verkennen nicht, wie schon oben erw ähnt w urde, dass die klassizistische Richtung des M ittellateins zwar einige Werke, die als fast perfekte N achahm ung der italienischen frühhum anistischen Dichtung gelten könnten, hervorbrachte, doch es frehlte den Klassizisten des 12. Jhs. jene atem beraubende Bewun­ derung der antiken K ultur, die so charakterisch fu r die Schöpfer der ita­ lienischen Renaissance des 14. Jhs. war. Die Nachahm ung der klassischen Dichtung w urde grandsätzlich auf zwei im M ittelalter besonders beliebte antike Themen eingeschränkt: auf die Geschichte A lexanders des Grossen und auf die Historia Troiana, sagenhafte Stoffe antiker H erkunft, die von der m ittelalterlichen Dichtern meistens ganz verschiedenartig gestaltet wurde. Doch w eder altrömische Tugenden, wie in P etrark as epischer Dichtung (Africa) noch platonische oder, besser gesagt, neuplatonische Weisheit wie in Ficinos Werken, bildeten die Lebensw irklichkeit der mittellateinischen Klassizisten. Zw ar haben sie die klassischen Formen bejaht, doch die antike, profane Lebensordnung w ar ihnen frem d, ihre Welt war noch nicht, wie die W elt der italienischen H um anisten, m it an­ tikem Mass gemessen. Von den klassizistischen D ichter des 12 Jhs. w urde die Entdeckung der Antike nicht als Suche nach der neuen Lebensordnung betrachtet, sondern eher vor allem als die Frage nach der G estalt der poetischen Werke, nach deren auf antike M uster gestützter Sprache und nach antikem Grundstoff. Deshalb ist es besser, vom m illellateinischer Klassizismus zu sprechen, als ihn als eine A rt von Reneissance zu b etra­ chten.

Denn der m ittellateinische Klassizismus w ar kein Humanism us pro­ prio verbo. Man soll sich also vor Ü bertreibung hüten: sicherlich hat der m ittelalterliche Klassizismus eine W irkung auf die italienische Renaissan­ ce ausgeübt, doch sie w ar begrenzt, jedenfalls was den w estlichen K u ltu r­ kreis b e triff t1S. Im Osten Europas w ar es allerdings ein bisschen anders,

und diesem Problem wollen w ir jetzt unsere A ufm erksam keit widmen. Um die Frage nach den Anfägen des polonischen m ittellateinischen Klassizismus und ihren Beziehungen zum Hum anism us italienischer P rä ­ gung zu beantworten, müssen w ir vor allem die richtige Zeitfolge des mittellateinischen Humanismus in Polen bestimmen und den richtigen Zeitabschnitt, in dem dieser H umanism us bem erkbar ist, feststellen. Da sich die Forschungen über den m ittellateinischen Klassizismus in W este­ uropa1 überhaupt erst von kurzer Zeit entwickelten, ist es kein W under, dass auch das Probelm des polnischen m ittellateinischen Klassizismus noch auf eine ausführliche Behandlung w artet.

16 Das g eh t eindeutig aus d er F olg eru n g en des au sgezeichneten B andes E n tre ­

tiens sur le R enaissance du 12e siècle (P aris 1968) h erv o r, wo v ersc h ied e n e V o rlesu n ­

gen un d D iskussionen ü b e r den P rä re n a is sa n c e des 12. Jh s. v e re in ig t w u rd e n . Vgl. auch as Buch von Ch. Brook, T h e T w e lfth C e n tu ry R enaissance (L ondon 1969).

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Der französische Klassizismus des 12. Jhs. fand fast gleichzeiting einen W iderhall in Polen im W erke eines der grössten polnischen Geschichts­ schreiber, näm lich in der am Anfang des 13.Jhs.geschriebenen Chronica

Poloniae des Vincentius Kadłubek. Dank den Forschungen von Plezia und

K ürbis 16 sind w ir jetzt imstande, sein W erk als ein Beispiel des m ittelal­ terlichen Klassizismus zu betrachten. Die Chronica Poloniae ist zum gros- sen Teil in Dialogform verfasst, die absichtlich an Ciceros W erke erinnern sollte, und schon die ersten W orte des Werkes erinnern an diesen Schrift­ steller („Fuit, fuit quondam in hac república v irtu s”). Ih rer Form und Sprache nach erhebt die Chronik von Vincentius offen den Anspruch auf literarische Geltung, genau wie die prosaischen Schriften des wenig jün­ geren Johannes von Salisbury, des bekannten Humanisten, oder, wie wir hier konsequent sagen wollen, Klassizisten der Epoche, in dessen Werk sich der Ciceronianismus des französischen Klassizismus sehr deutlich a u s d rü c k t17. Dass der einflussreichste Ciceronianer der mittellateinischen L iteratu r und bekannte Bischof von C hartres auch eine direkte Wirkung auf Vincentius ausüben konnte, bezeugt nicht nur die Belesenheit des pol­ nischen Schriftstellers, sehr der das angelsächsischen G elehrten ähnlich,18 sondern auch die Ü bereinstimmung gewisser Stellen in der Chronik von K adłubek m it Zitaten aus der antiken L iteratur im Polycraticus des Johan­ nes von Salisbury 19.

Doch im 13. Jh. blieb Vincentius als V ertreter der klassizistischer Ri­ chtung des polnischen M ittelalters allein und unverstanden. Die Zeitge­ nossen verkannten die Bedeutung seines W erkes für die Entwicklung der neuen literarischen Richtung. Ihre Stellungnahm e verstehen w ir heute wohl richtig: die Einführung des französischen Klassizismus des 12. Jhs. war dam als noch verfrüht. D afür w ar die literarische K ultur des geteilten, in­ nerlich zerstrittenen Landes nicht reif. Gerade damals sank die klassisch gebildete G elehrsam keit erheblich als Folge der Vernichtungskriege mit den T ataren und der daraus resultieranden Zerstörung des Landes.

Es ist also leicht zu verstehen, dass das im gelehrt-schwülstigen Stil geschriebenes W erk von Vincentius erst im 15. Jh. bekannt, kom m entiert

16 Vgl. M. P l e z i a , K ro n ika K a d tu b ka na tle X I I w. „Z nak” 14 (1962), 978 ff. u nd B. K ü r b i s , M o ty w y m a kro b ia ń skie w K ronice m istrza W incentego a szkoia

w C hartres, „S tu d ia Ż ródłoznaw cze” 17 (1972), 67 ff.

17 Vgl. g rü n d lic h e D isse rtatio n von B. M unk-O lsen, L ’hum a n ism e de Jean de

S a lisb u ry, u n C iceronien en 12e siècle, E ntretiens [...] S. 53 ff.

18 V inzentius stü tzt sich n ic h t n u r au f Cicero. E r k e n n t Iu stin u s, Seneca, Boetius, S allu stiu s, M acrobius, von a n tik e n D ichter ersc h ein e n bei ihm die Z itate un d Re­ m iniszenzen aus V ergilius, O vidius, H o ratiu s (n atü ralich vor allem die E pistel fanden bei ihm ein en A nklang), L u can u s, Ju v e n a lis u n d P ersiu s, S tatiu s u n d C laudianus — um n u r w ich tig sten zu nen n en . Es sind alles die beliebtesten A u toren des französi­ schen K lassizism us des 12. Jhs.

19 D a ra u f h a t H. Z eissberg (V in ze n tiu s K a d łu b ek , B ischof von K ra ka u u n d seine

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und verstanden wurde. Von 32 H andschriften der Chronik w urden 30 Handschriften im 15. Jh. geschrieben, w ährend n u r die zwei ältester aus dem 14. Jh. stammen. Hoch geschätzt, anerkannt und als P flichtlektüre an der K rakauer Akademie gelesen u nd in terp retiert w urde er also erst in der Zeit der ersten K ontakte der polnischen G elehrten m it dem italie­ nischen Humanismus.

Von da an begann sich die W irkung seines W erkes auf die S itten des Landadels zu zeigen. Diese gerade entstehende soziale G ruppe w urde von der klassischen Richtung seines Denkens zutiefst beeindruckt. Verschiede­ ne amtliche Tätigkeits-und Aufgabenbereiche der m ittelalterlichen Behör­ den Polens w aren in der Chronik des Vincentius m ittels der altröm ischen Terminologie ziemlich ungenau und eher w illkürlich beschrieben, da aber Vincentius die Quelle vieler nachfolgender Chronisten geworden ist und auf die gesamte K ulturentw icklung Polens im 15. Jh. grossen Einfluss gewonnen hat, können w ir ihn als V ater der fü r die altpolnische K ultur typischen Identifikation des Staates m it der altröm ischen Republiki, mit deren Bräuchen und Institutionen betrachten. D urch ihn w urde die Rena­ issance italienischer Prägung um so leichter als etwas Eigenes und Heimi­ sches angenommen, da man sich schon vorher angewöhnt hatte, diese falsche und ahistorische Identifikation als durch gelehrtes Wissen des Chronisten beglaubigt zu betrachten.

Das Geschichtswerk, das so lange eine so allgemeine V erbreitung und Benutzung erfuhr, übte also dank seiner rhetorischen, vom m ittellateini­ schen Klassizismus geprägten Form einen bestim m enden Einfluss auf die gesamte K ulturentw icklung des gerade entstehenden Landadels aus und ermöglichte die rasche Aneignung des italienischen Hum anism us des 15. Jhs. in dem noch sehr von den m ittelalterlichen K u ltu r geprägten Land. Dieser Einfluss und die hohe Achtung, die alle fü r V incentius’ Chronik hegten, offenbart sich auch in W erk von Johannes von Dąbrówka, des im 15. Jh. lebenden Kom m entators des Vincentius, der bei seinen L ehrvorträ- gen die Chronik nicht von der historischen, sondern von der scholastischen Seite behandelte, sowie in der B earbeitung der Chronik, die als Bearbei­

tung des Mierzwa bezeichnet eine V ereiniacnung der mit grösser K unst geschriebenen Chronik ist, deswegen aber sich später ziemlich grösser Po­ pularität erfreute, denn die Feinheiten der gelehrten Sprache des Vincen­ tius schienen den in klassischer Erudition nicht gerade versierten adeli­ gen Lesern nicht besonders verständlich zu sein.

Erst jetzt, nachdem w ir die Bedeutung des W erkes den grössten Ver­ treters des polnischen m ittellateinischen Klassizismus fü r die Entwicklung der lateinischen klassizistischen Richtung des polnischen Adels im 15. Jh. betont haben, können w ir das H auptproblem des frühen polnischen H um a­ nismus im 15. Jh. in Angriff nehmen. Die rasch auf steigende junge und immer m ehr einflussreiche Gesellschaftsgruppe interessierte sich fü r die Literatur und K ultur des zeitgenössischen italienischen Humanismus, al­

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lerdings nicht ohne eine gewisse Zurückhaltung. Die Stereotypen der klassischen L iteratu r entsprachen zwar den kulturellen Bedürfnissen des Landadels, der sich zur antiken Tradition und grossen Würde des römi­ schen hum anistischen Erbes hingezogen fühlte. W ir dürfen jedoch nicht vergessen, dass im italienischen Humanismus der Epoche das antike Hei­ dentum sich m arkant, um nicht zu sagen dem onstrativ ausgeprägt hat. Was im Italien des 15. Jhs. besonders reizvoll und anziehend erschien, w ar in Polen eher unzulässig. Das erst vor kurzem vereinigte polnisch-lita­ uische Königreich und die herrschende litauische Dynastie der Jagiellonen w urde ständig von den V ertretern der ums Überleben kämpfenden K reuz­ ritte r des H eidentum s und der Häresie beschuldigt. Die einflussreichen Geistlichen u n te r der Führung von K ardinal Oleśnicki w arten eben den aus L itauen stam enden Königen die verborgene Neigung zum H eidentum vor, wie aus den in der M itte des Jah rh u n d erts entstandenen Annalen von Dlugossius hervorgeht.

Das verbreitete Interesse und die rege Anteilnahm e fü r den antikisie­ renden italienischen H umanism us drückte sich u n te r diesen Umständen eher zurückhaltend aus in der Beliebtheit, deren sich das W erk von Vineen- tius bei Lesern und K om m entatoren erfreute, und in der quasi hum anisti­ schen Richtung der eben erw ähnten Annalen von Dlugossius. In der Dich­ tung, besonders in der profanen nichtreligiösen Poesie ist diese Erschei­ nung noch deutlicher zu sehen. Zw ar schreibt man nicht sogleich nach der A rt der italienischen H umanisten, doch die Beteiligung an den neuen Ideen drückt sich vorerst der A ufnahm e der klassischen Themen aus.

Interessant ist nun, dass diese Dichtung deutlich an die klassizistische Richtung des französischen Klassizismus des 12. Jhs. und an die für ihn charakteristischen Motive anschliesst. W ir meinen hier vor allem jenen antiken Stoff, der in der polnischlateinischen Dichtung der ersten Hälfte des 15. Jhs. in ziemlich seltsam er Bearbeitung erschien in Epitaphium

Zavissi Nigri des bekannten Dichters Adam Porcarius (Adam Swinka de

Zielona).

Es w ar näm lich das Thema des troianischen Krieges, von den lateini­ schen D ichtern des 12. Jhs. gern verw endet, um z. B. den schon zitierten Josephus von E xeter oder den ein Jah rh u n d ert später schreibenden Albert von Stade zu erw ähnen, der ein Epos in Distichen über den Trojanischen Krieg verfasste, wobei er als Quelle vorwiegend denselben Dares benutzte. Das W erk w urde zw ar in elegischen Distichen verfasst, doch zahlreiche epische Episoden w urden nach dem M uster der Ilias Latina dargestellt, die im M ittelalter, wie bekannt, sehr eifrig gelesen w urde und als homerisches, jedenfalls griechisches, W erk galt. Übrigens w ar Albertus, dem Geschmack der Epoche entsprechend, w irklich belesen: er im itierte die Gedichte von Vergil, Ovid, Statius, Claudianus, Avianus und Maximianus, um n u r die w ichtigsten zu nennen.

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schaftlich gebildet und dichterisch begabt, um eine selbständige D arstel­ lung des antiken Stoffes zu wagen. Im m erhin versuchte er, das um fangrei­ che Epitaph (72 Verse) auf den Tod des im Krieg gegen die Türken gefal­ lenen R itters Zavissius N ig e r20 m it klassischer Erudition zu schmücken, sich vor allem auf die bekannte Ilias Latina stützend. Das Gedicht von Silius Italicus w urde von dem D ichter bew usst als Vorlage benutzt: Chri­ sten w erden als Griechen, Zavissius Niger als Troianischer Held, Türken dagegen als Teucri dargestellt und beschrieben. Als z. B. der König Sigi- smundus zuerst zu den W affen greifen lässt, sagt der Dichter: „arm a p arari iubet in Teucros” (V. 3). Als er später den Rückzug an tritt, weil die Chri­ sten von den angreifenden Türken bedroht w erden, beschreibt der D ichter die Flucht so, dass der König „tandem Frigiis viribus fugatus et arm is” sich m it seinen Soldaten an des andere U fer der Donau zurückricht.

Zavissius, den vorgehenden Türken überlassen, benim m t sich wie ein w ahrer Held: er käm pft wie „Thetidis saevissma proles” um die Mahom- m etaner niederzuwerfen, „in caedem Frigiae”. D er D ichter v erstärk t seinen gelehrten Vergleich, als ob das Gleichnis mit Achilles, durch gelehrte Pe­ riphrase ausgedrückt, noch nicht genügte: er fügt noch einen zusätzlichen, ebenso starken Vergleich an. Der R itter greift näm lich die Türken so wie A jax an: „item adest nostris vel hostis viribus A ijax” (V. 34). Die A usdruckskraft der Vergleiche w ird dadurch verstärkt, dass sie als rhetorische Klage den besiegten Türken in den Mund gelegt werden: „Teucer ait [...] etc. etc” .

Die Gefechte w erden m it Hilfe von aus der Ilias Latina abgeschriebe­ nen Versen geschildert genau wie die troianische Kämpfe, die im Troilus des Albertus von Stade auch m ittels der Ilias Latina dargestellt w urden. Porcarius versucht die Kämpfe zwischen Christen und Türken m it dem Gefecht zwischen Griechen und Troianern bewusst zu identifizieren. Durch die Verwendung Vergilianischer R edensarten und des Vergilianischen P a­ thos, — denn die Ilias Latina stützt sich, wie bekannt, fast aushnahmsweise auf Vergilianische A usdrücke-will Porcarius ein Bild der heroischen K äm ­ pfe zwischen Christen und Heiden erhaben und rührend darstellen. Wenn also z. B. in der Ilias Latina der K am pfplatz m it folgenden W orten be­ schrieben wird:

b ellum ingens o ritu r m u ltu m q u e u tru m q u e cruoris fu n d itu r e t totis ste rn u n tu r co rp o ra cam pis.

(II. L at. 355 ff.)

— so wird diese Beschreibung fast w örtlich nachgeahm t, leider auch, in­ folge unzureichender K enntnisse der antiken M etrik ziemlich m angelhaft, was die Prosodie betrifft:

“ Ich stütze m ich auf d er A usgabe von C hr. W eyssenhoff, (E p ita p h iu m Z a vissii

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p u lv e re s in su rg u n t, so n a t m u g itib u s ae th e r. q u a m b ellu m ingens o ritu r q u a n tu m q u e cru o ris p ro flu it, cum totis s te rn u n tu r corp o ra cam pis.

Diese die Elision meidenden Verse sind schliesslich auch nicht nach den am M uster der Klassischen Prosodie geübten italienischen Humanisten des 15. Jhs. geschaffen, doch es lässt sich nicht leugnen, dass sie an Klassiker erinnern sollen und zw ar erinnern sie nicht an die römischen Klassiker, sondern eher an m ittellateinische K lassiker de 12. Jhs., die der Ilias Latina und Homerischen Them en die grösste Achtung entgegengebracht haben.

Das bem erkt man deutlich, w enn man Porcarius’Gedicht m it den epi­ schen Episoden des Troilus von A lbertus Stadensis vergleicht. Zavissius tobt wie Achill vor Zorn und greift die Gegner mitleidlos an: „clipeo hasta- que ferox sic fu rit in hostes Innum eros casis spatarum p ertu lit ictus” (V. 37), und erin nert dam it an seine direkten M uster, also an den Achill der Ilias Latina und den Achill, der im Gedicht des A lbertus von Stade käm pft. Da lesen w ir im Troilus, was die stilistiche Ausdrucksweise betrifft, sehr ähnliche Beschreibungen der heroischen Taten des Achilles, wie z. B.: „vir ru it et celeri veniens pede saevus Achilles Surgere conantis dissuit ense caput” (IV 337 f.). Die Ä hnlichkeit der beiden poetischen D arstellungen besteht darin, dass alle zwei desselben M uster imitieren, ohne Zweifel die Ilias Latina.

Das Pseudo-hom erische Gedicht w urde von A lbertus bewusst nachge­ ahm t, so dass m anchm al seine epische Beschreibung der heroischen Taten centonähnliche P arallelität m it der Ilias Latina aufweist, was bereits M erzdorf bem erkt hatte. Auch unser Dichter d. h. Porcarius benutzte das berühm te Poiema als sein Vorbild. Besonders deutlich ist das in der Mitte des Gedichts zu sehen, wo der polnische D ichter eine A rt von Spragis setzte, die den Leser an seine klassizistische und homerische (im m ittella- tenischen Sinne des Ausdrucks) Richtung besonders aufm erksam machen sollte: es ist der bekannte u nd vielberühm te Anfang der Ilias, hier n atü r­ lich in der lateinischen Ü bersetzung des Dichters der Ilias Latina:

H eu tuos ex san g u es in h u m a tis ossibus artu s cru d e lib u s fe ris ro stris v o lc ru m q u e tra h e n d is fa tu m tr is te d ed it [...].

(V. 42 ff.)

Diese klassischen Verse aus der Ilias Latina, die den Anfang des Gedi­ chts schmücken, w urden von Porcarius ebenso ungezwungen b earb eitet21 wie die oben angeführte Stelle: an statt „illorum ” (also statt einem

Spon-21 In Ilia s L a tin a lesen w ir n äm lic h folgende V erse: „[...] a tq u e anim as fo rte s h ero u m tra d id it Orco la tra n tu m q u e d ed it ro stris v o lu c ru m q u e trah e n d o s illo ru m exsangues in h u m a tis ossibus a r tu s ”.

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1. R e fe ra t w p ro w a d za jąc y w ygłasza prof. J. Ijse w ijn

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lan o w ich (M ilano), prof. S. Z abłocki (Gdańsk), prof. J. S ta rn a w sk i (Łódź), ks. prof. G. M a rc’h a d o u r (Angers), doc. J L ew an d o w sk i (Poznań)

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M IT T E L L A T E IN IS C H E R K L A S S IZ I S M U S IN D E R P O L N IS C H E N F R Ü H R E N A IS S A N C E 1 7

däus) schrieb Porcarius die W orte „heu tuos”, die hier also n u r als D aktylus zu lesen sind. Der D ichter missachtete bew usst die richtige und ihm sicherlich bekannte Prosodie des W ortes „tuos”.

Die klassizistische Richtung, die sich in der fü r das M ittelatter ty p i­ schen Form ausdrückt, ist also fü r das Gedicht bezeichnend und lässt es als eine in Form und Inhalt zum Klassizismus des 12. Jhs. gehörendes charakterisieren. Besonders typisch fü r m ittelalterliche und m ittellateini­ sche Schreibweise ist der schon erw ähnte centonähnliche Aufbau der V er­ se. Sowohl die klassizistische Richtung des 12. Jhs. als auch die italienische Renaissance des 14. Jhs. stützten sich auf die klassischen A utoritäten, die als Norm des Denkens und besonders des Schreibens gelten sollten. Doch ein humanistischer G elehrter italienischer Prägung im itiert einen röm i­ schen Klassiker selbständig, w ährend seine Kolegen, die im 12. Jh. ihre Werke nach klassischen M ustern ausgerichtet hatten, meistens — von w e­ nigen Ausnahmen abgesehen — d ie klassischen Sätze abzüschreiben v er­ suchten, jedenfalls wollten sie es ihnen möglichst wenig verändern, weil es ihnen meistens an E rfahrung und Erudition mangelte, um ganz und gar korrekt, aber doch selbständig, in makellosem Vergilianischen oder Cicero- nianischen Stil zu schreiben.

In der m ittellateinischen Dichtung tritt also dieselbe Erscheinung h er­ vor wie in der Prosa. Wenn w ir das W erk von Johannes de Ludzisko lesen, stellen wir fest, dass der grösste R edner und bekannte erste polnische Ci- ceronianer des 15. Jhs., häufig auch als erster H um anist italienischer P rä ­ gung Polens angesehen22 eher an die französischen V erehrer des grossen Arpinaten erinnert, weil er, besonders in seinen P rachtreden, viele Sätze und Redewendungen ganz einfach von Cicero abgeschrieben hat, dem obenerwähnten Chronisten Vincentius aus dem 13. Jh. ähnlich. Das W erk des Johannes de Ludzisko steht also in der M itte zwischen einerseits dem mittellateinischen Klassizismus und dessen laudatio eloquentiae et scien- tiae oratoriae, uns von Schriften des Johannes von Salisbury gut bekannt, und andererseits den Ciceronianisten der italienischen Renaissance, die gerade damals in der römischen K urie w irkten.

Damit kommen w ir wieder zum gleichen R esultat wie zuvor: F ü r pol­ nische Frühhum anisten des 15. Jhs. w äre es eher unschicklich, der unbe­ grenzten Bewunderung von antiken, nicht christlichen Schriftstellern Aus­ druck zu geben. Die im m er ein bisschen m isstrauisch von d er römischen

Curia behandelten italienischen H um anisten des 15. Jhs. konnten in einem *

dem onstrativ christlichen Lande nicht völlig ohne Bedenken nachgeahm t werden. Die Anteilnahm e der Schriftsteller — die eben auch die G eistli­ chen w aren — an der neuen Richtung drückte sich eher in der N achah­ mung des m ittellateinischen Klassizismus aus, der übrigens viel

Gemeinsa-22 Vgl. die A usgabe von H. St. B o jarsk i, Johannes de L u d zisk o O rationes (W ro­ claw 1971, S. 23 ff.) wo die b etre ffen d e L ite ra tu r a n g e fü h rt w urde.

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mes m it der italienischen Renaissance hatte. Doch während in Westeuropa zwischen beiden kulturhistorischen Erscheinungen ein Zwischenraum der Gegenström ung von Mystik und Scholastik des 14. und 15. Jh. liegt, w ur­ den in Polen, wo es keinen m ittellateinischen Klassizismus verbo proprio gab, weil es im 12. Jh. an hinreichend gebildeten Gelehrten und Schrift­ stellern fehlte, die beiden geistigen Richtungen eben im 15. Jh. zu einem Ganzen verbunden, verinigt und verschmolzen zu einem zwar antikisieren­ den, aber sichtlich von Anfang an christlich geprägten Humanismus, der von der heidnischen und streng antikisierden Richtung der italienischen Hum anisten verhältm issm ässig beeinflusst blieb.

So erlangen die w ichtigsten W erke des polnischen 15. Jhs. von diesem Blickwinkel aus gesehen eine neue, fü r dessen Verständnis wichtige Be­ deutung. Das sonderbare K onglomerat aus klassizistisch — m ittellateinis­ chen und italienisch-hum anistischen Elementen im W erk der grössten pol­ nischen Schriftstellers des 15. Jhs. (und überhaupt des ganzen polnischen M ittelalters) Dlugossius scheint uns erklärbar zu sein, indem w ir begreifen, dass alle S chriftsteller gerade dieser Zeit die zwei verschiedenen Tradi­ tionen zu einer Einheit zu vereinigen versuchten. Die Forscher, die sich bis heute w undern, wie es möglich w ar zwei so differente Schreibweisen in einem Opus zu vereinigen, sollten sich daran erinnern, dass dieselbe Ers­ cheinung auch in anderen literarischen K unstw erken vorkommt, die eben­ falls aus den K reis um K ardinal Oleśnicki stam mten. Der als eine A rt von Bukolik geschriebene Dialog über den Tod von K ardinal Oleśnicki, eine ziemlich um fangreiche Idylle 375 H exameter), in der ein uns unbekannter D ichter die Tugenden seines Mäzens preisst, stellt ein weiteres Beispiel, diesmal ein poetisches W erk, dar. Das Gedicht ähnelt sowohl den m ittelal­ terlichen Bukoliken und deren V ergilianischer Tonart, als auch den früh-

hum anistiehen T raueridyllen von P etrarca und Boccaccio, die eine w eitere Entwicklung der Nachahm ung der klassischen M uster darstellen. Die Gedi­ chte sind also durch dieselbe Mischung des m ittellateinischen Klassizismus und des italienischen Humanismus gekenzeichnet, die fü r des prosaische

W erk von Dlugossius oder Johannes de Ludzicko charakteristisch war. W ir dürfen also, was die polnische m ittellateinische L iteratu r des 15. Jhs. b etrifft, w irklich von Prärenaissance oder Prähum anism us sprechen, ohne Gänsefüsschen zu benutzen, da diese Ausdrücke der kulturellen und literarischen W irklichkeit des Landes entsprechen, genauer als in Weste­ uropa. In Polen w urde näm lich der m ittellateinische Klassizismus von An­ fang an von einem H auch des italienischen Humanism us mitgeprägt, be­ hielt aber den m ittelalterlichen christlichen C harakter bei. Deswegen also w urde der polnische Hum anism us von einen Anfängen an als christlich betrachtet und der Florentinische Neopoganismus des 15. Jh. fand hier kei­ nen Anklang mehr.

Das hatte schwerwiegende Konsequenzen fü r die w eitere Entwicklung des polnischen Hum anism us im nächsten Jahrhundert: sie blieb nämlich

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dadurch von der römischen R echtgläubigkeit beeinflusst, und nicht zufällig w urde von den polnischen H um anisten des 16. Jhs. das W erk von Girolamo Vida als M uster der Nachahm ung der klassischen W erke anerkannt. Die W urzeln dieser Meinung liegen — wie w ir zu beweisen versuchten — in dem eizigartigen Wesen der polnischen Frührenaissance des 15. Jhs. Der m ittellateinische Klassizismus blieb dort lebendig bis zum Ende des 15. Jhs. und prägte noch die G estalt der folgenden Epoche der polnischen K ultur und Literatur.

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