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Zur Paul Celans Rezeption der Tradition des Judaismus

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Marek Ostrowski

Zur Paul Celans Rezeption der

Tradition des Judaismus

Acta Universitatis Lodziensis. Folia Germanica 2, 139-146

2000

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A C T A U N I V E R S I T A T I S L O D Z I E N S I S F O L IA G E R M A N IC A 2, 2000

M a re k Ostrowski

ZU R P A U L CELA N S R E Z E P T IO N D E R T R A D IT IO N D E S JU D A IS M U S

M it dem Problem des Jud en tu m s in der Lyrik P aul C elans beschäftigen sich viele F orscher. D ie erste um fangreiche A rb eit dazu h a t P eter M a y er in seiner D issertation Paul Celan als jüdischer D ichter v erfa ß t.1 Im siebenten K ap ital dieser D issertation beschäftigt sich M ayer m it dem Celanschen

Gespräch im Gebirg. M ayers M einung nach entw ickelt Celen hier einen

besonderen Stil der Befangenheit d urch eine E rinnerung, die aus einem persönlichen E rlebnis entstan d en ist - „jede m o m en tan e E inzeläußerung ru ft sofort die V ergangenheit h erv o r“ .2 (Dies sei d er ersten Zeile des Textes zu entnehm en - „die Sonne, u n d n ich t n u r sie, w ar untergegangen“ .3 D am it gerate dieser Stil aber in Ü bereinstim m ung zu einen allgem einjüdischen, welches sich ebenfalls als ein solches der Befangenheit kennzeichnen ließe.4

D er C elansche T ex t sei eine Im itatio n d er jüdischen S p rachgebärde und

1 P. M ay er, Paul Celan als jüdischer Dichter, H eidelberg 1969, D iss. 2 E b d ., S. 98.

3 P. C elan, Gespräch im Gebirg, d e r erste Satz des T extes lau te t wie folgt: „E in es A ben d s, die Sonne, u n d n ic h t n u r sic, w ar un terg eg an g en , d a ging, tra t au s seinem H äu sel und ging der Ju d , der Ju d u nd S ohn eines Jud en , und m it ihm ging sein N am e, d e r u naussprechliche, ging u n d k am , k a m dahergezockelt, ließ sich h ö re n , k am am Stock, k am ü b e r den Stein, hö rst du m ich, d u h ö rst m ich, ich bins, ich, ich u n d d e r, den d u h ö rst, zu h ö re n verm einst, ich und d e r an d ere, - er ging also, d as w ar zu h ö ren , ging eines A b en d s, d a einiges untergegangen w ar, ging u n term G ew ölk, ging im Sch atten , d em eigenen u n d d em frem den - d en n d e r J u d , d u w eißts, was h a t er schon, d a ß ihm a u c h eirklich g e h ö rt, das n ic h t g eb o rg t war ausgeliehen und n ich t zurückgegeben - , d a ging e r also u n d k a m , k a m d a h e r a u f der Straße, d e r schönen, d er unvergleichlichen, ging, wie Lenz, d u rch s G e b irg , er, d en m an h a tte wohnen lassen u n ten , w o er h in g eh ö rt, in d en N ied eru n g en , er, d er J u d , kam u n d k a m “ . In: ders., G esam m elte W erke in f ü n f bünden, h rsg. von B. A llem an n u n d S. R eich ert u n ter M itw irk u ng von B. B ücher, F ra n k fu rt a .M . 1983. Seitenzahl n a c h d e r S u h rk a m p T a sc h en ­ buchausgabe, Bd. 3, S. 169.

4 P. M a y er, P aul Celan..., S. 98.

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diene dem Zw eck, sich dem Verlorenen, dem Ju d en tu m zu nähern. M it dem Gespräch in Gebirg solle C elan eine In teg ratio n ins Jüdische, „eine R ückkehr aus d er E ntfrem dung“ anstreben. „W enn derjenige, d er Ju d e ist, Jüdisches im itiert, so zeigt das seine Bemühung, wieder Ju d e zu w erden“ , schreibt M a y e r.5 W enn d er „ J u d “ unterm „G ew ölk im S chatten“ geht „dem eigenen und dem frem den“ , sei es nach M ayer d er Schatten d er eigenen V ergangenheit. D ie V ergangenheit „b rich t im m er durch, wo A lltägliches u n d Selbstverstädliches berichtet w ird“ .6

D er Ju d e wolle sich darin behaupten, daß er Ju d e sei - „Ich bins. Ic h “ und m üsse eingestehen, d aß er „d er andere“ auch sei, nicht d er Jude:

„ B e h a u p tu n g u n d d e re n W id erru f, im m er n u r R e a k tio n u n d die B em ü h u n g , diese R e a k tio n zugleich ungesch eh en zu m ach en u n d zu v e rtu sch en , um d ie B e h a u p tu n g ab zu sichern, A n p assu n g und Selb stb eh au p tu n g , U n terw erfu n g u n d A ufbegehren, B efreiung vom V e rg an g en en u n d dessen m ärty re rh afte s B ek en n tn is, solche A u sw irk u n g e n von E rlebnissen, d ie dem jü d isch en Volk in seiner G eschichte begegnelen u n d seine E ig e n art p räg te n , sind in diese Prosazeilen eingegangen und h ab en sich m it d em geistigen In h alten des Ju d e n tu m s v e rk n ü p ft” .1

D er D issertation M ayers ist zu entnehm en, d a ß ein solcher Z u sta n d einen national-religiösen H in tergrund habe. C hristus sei „L eidengestalt, nicht aber d e r E rlöser” .8 E r sei bei C elan kein M essias. Bei d er A nalyse des G edichts

M andorla zitiert M ay er K a rl K ü n stle5, der feststellt, d a ß M a n d o rla , oder

A ureole, eine elliptische, den ganzen K ö rp e r um fassende, m eist aus regen­ bogenfarbigen Linien bestehende U m rah m u n g ein A potheosierungssym bol sei, d as n u r C h ristu s gegeben w ird, w enn seine g öttliche N a tu r zum A usdruck g ebracht w erden soll, um d a n n an h an d der Celanschen Zeilen des genannten G edichts fetzustellen:

ln d e r M a n d el - was ste h t in d er M andel? D a s N ichts.

E s ste h t d as N ich ts in d er M andel. D a ste h t es und s te h t.10

„D em M essias wird abgesagt. N icht C hristus steht in der M a n d el, sondern - vom R egenbogen als dem Zeichen des B undes um geben - d as N ich ts” .11

Solch eine S tellungnahm e w äre in d er jüdischen Religion verankert. M ay er

5 E b d ., S. 99. 6 E b d ., S. 100. I E b d ., S. 101. B E b d ., S. 157.

9 K . K ü n stle , Ikonographie der christlichen Kunst /, F re ib u rg 1929, S. 28, zil. nach:

P . M a y er, P a u l Celan...

10 P. C elan, M andorla, zil. nach: P. M ay er, P aul Celan..., S. 156. II Ebd.

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fü h rt die A ussage I-lerman C ohens an: „So m uß denn d er M essias a u f ganz Israel und nicht m inder a u f alle Völker eine sym bolische Sonderaufgabe übertragen. E r kan n daher auch keine einzelne Person m eh r zu bedeuten h ab en“ .12

C elan nenne dieses V olk „d as N ichts“ . Dies wäre, nach M ayer, in einem anderen G edicht Celans Der Psalm aufzufinden, wo Israel als eine R ose bezeichnet w ird, eine „N ichts- und N iem andsrose“ . „N o ch h a t die E rlösung keine Erlösergestalt gefunden und dennoch u m rahm t das Zeichen des Bundes, der R egenbogen, die M öglichkeit d er Erlösung. Israel wird Sym bol der E rlösung als d as ewige Volk. Es ist das ewige V olk das steht u n d ste h t“ .13

Parallel zu der A blehnung von Christus tritt die Auffassung des ganzen Volkes als M essias auf. M ayer findet diesen G ru n d satz im G edicht Celans:

Celan gibt [...] w iederum m it d er G e stalt C h risü in d er M a n d o rla ein Bild d er E rlösung, u m d a s N o c h -n ic h t d e r E rlösung d arzuslellen. D ie E rlö su n g w ird d a m it in d e r Ew igkeit ihres K o m m en s verstan d en u n d d as ewige Volk ist ihre G ew äh r. A ls ,N ic h ts' ste h t es in d e r M an d o rla , als dieses N ichts ist es ab er ewiger H inw eis a u f d ie E rlö su n g , a u f die G e stalt, die in d er A u reo le als E rlö ser erscheinen w ird. D a s E rlö sungsbild des M essias üb ern im m t d a s Volk insgesam t u n d es verw eist a u f die Ew igkeit seines K o m m en s.14 M it d er V orstellung des „ewigen V olkes“ , das eine M essias- A ufgabe den ändern V ölkern gegenüber zu erfüllen habe, geht jüdische A uffassung d er Sprache einher. Isreal habe seine Sprache verloren, diese sei zu r heiligen Sprache gew orden. So steht Israel n ich t n u r im V erlust d er Sprache, sondern in einem allgem einen V erlust - , jen seits des G egensatzes“ , d e r „die eigentliche bewegende K ra ft im Leben der Völker bildet, des G egensatzes von E igenart und W eltgeschichte, H eim at und G lauben, E rd e u n d H im m el“ (M ayer zitiert F ra n z Rosenzweigs Stern der Erlösung.)15 Israel spreche, zitiert M ayer weiter den Rosenzweig, „überall die Sprache seiner äußeren Schicksale“ . W ährend also jedes andere Volk

... m it d er ih m eigenen Sprache eins ist u n d ihm d ie S prache im M u n d e v e rd o rrt, w enn es a u fh ö rt V olk zu sein, w ächst das jü d isch e V olk m it den Sprach en , die es sp ric h t nie m eh r g an z zusam m en; selbst w o es die S prache des G astv o lk s sp rich t, v e rrä t sein eigener W o rtsc h atz od er m in d estens eine eigene W o rtstellu n g , eigenes G efühl fü r S p rach sch ö n u n d -häßlich, d a ß d ie S prache n ich t die eigene ist.16

Diese Feststellung Rosenzweigs h a t eine antizionistische K onsequenz - Israel könne nu r im Exil bestehen, könne nur im Exil zeitlos sein. Die wirklich eigene 12 H . C oh en , Religion der Vernunft aus den Quellen des Jedentum s, A ufl. 2, F ra n k fu rt a.M. 1929, zil. n ach: P. M ay er, P a u l Celan...

13 Ebd.

14 E bd., S. 157 (M ayer)

15 F . R osenzw eig, S tern der Erlösung, F ra n k fu rt a.M . 1921, S. 413. 10 E bd., zit. n ach: P. M ay er, P a u l Celan..., S. 379.

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Sprache sei „heilige“ Sprache geworden und die „H eiligkeit d er eigenen S prache w irkt ähnlich wie die Heiligkeit des eigenen Landes: sie lenkt das L etzte des G efühls ab aus dem Alltag; sie hindert es ü b erh au p t eben d urch jene E inzäunung des letztens höchsten Lebens, des G ebets, in einen heiligen Sprachbezirk, jem als ganz frei und unbefangen zu leben“ (Rosenzw eig).17

D ie Sprache als W ahrnehm ung und E rfah ru n g d er W irklichkeit sei nicht die ureigene Sprache der Juden. Ihre Sprache sei diejenige, die „die W elt d e r Beziehung stiftet“ .18 Allseitige und Allzeitige Beziehung des Ichs sei jüdische A ufgabe, sie allein schaffe dem Ich W irklichkeit.15 D as Ich verw ir­ kliche sich in der „B eziehung“ und n ich t in der E rfahrung. N ach dem Ichsagen entscheide sich „w ohin der M ensch gehört und w ohin seine F a h rt geht. D as W o rt ,Ichs‘, ist das w ahre ,Schibboleth‘ der M enschheit“ .20 Dies sei der G ru n d satz des Chassidism us, in dem Individualität und G em einschaft aufeinander und beides a u f die „L ehre“ bezogen sind. „E b en so “ , schreibt M ayer,

... k a n n einzelnes im m er wieder im R ah m en d e r L eh re verstand en w erden, erschließt sich u m g ek eh rt d ie Lehre wieder aus dem E inzelnen. Alles g e rä t zum G leichnis, zur Parabel u n d d a m it wird subjektives objektiv und die L eh re e rfä h rt ebenso ih re subjektive B estätigung. B eziehung ist einer d er estscheidenden Begriffe; w o a b er die B eziehung to tal w ird, k a n n das eine m it dem and eren ausgelauscht w erden, wobei d a s au sg etauschte im m er n u r um so intensiver a u f d a s jew eils an d ere hinw eist. D ie Bilder w erden u m k eh rb ar, o hne d o ch im G eringsten d e r W illkür zu unterliegen.21

D as Eigene des jüdischen Volkes k an n zur ewigen W ahrheit bew ahrt, also objektiviert w erden, d urch eine religiöse K ategorie der O ffenbarung. Sie schlüge „jene Brücke von Subjektivsten zum O bjektivsten“ (Rosenzw eig).22

D ie Ü b ertrag u n g dieses Theologem s a u f d as Jud en tu m und d am it die Ü bergabe d er Objektivität, die dann Celan im jüdischen Volk fände (M ayer)23, wäre dan k der A uffassung der O ffenbarung als einer allgemeinen Grundansicht m öglich, die „in aller Philosophie, ja in aller geistig-sittlichen K u ltu r die V oraussetzung eines Ewigen erfordert gegenüber d er V ergänglichkeit aller irdischen Einrichtungen und aller m enschlichen V orstellungen“ .24 Cohen schreibt weiter: „D ieses Ewige als die G rundlage d er V ernunft fü r allen In h a lt der V ernunft, nennt der Ju d e O ffenbarung“ .25 D as jüdische Volk

11 E b d .

1B M . B uber, Ich und Du, S. 122, zdt. nach: P. M ayer, P aul Celan..., S. 105. W E bd.

20 E bd.

21 P. M ay er, P aul Celan..., S. 119. 22 F. R osenzw eig, S tern..., S. 135. 23 P. M a y er, P aul Celan..., S. 80.

24 H . C oh en , Religion..., S. 96, zit. nach: P. M ay er, P aul Celan... 25 E b d ., S. 97.

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kann zum „ewigen Volk w erden, weil es seine, ewige Z u k u n ft der E rlösung - einer religiösen K ategorie - zu verdanken h a t“ .26

Im allgem einen läß t sich feststellen, d aß M ayer aus dem Schaffen Paul Celans die n atio n al - religiösen In h alte des jüdischen herausliest und dem D ichter eine In ten tio n zuschreibt d urch das N ationale und Religiöse die O bjektivität, wie auch Tiefe u n d Breite des lyrischen G estus erreicht zu haben. Celan kehre also nach M ayer zum N atio n alen (Jüdischen) zurück und erreiche a u f diesem Wege in seinem Schaffen eine höhere E ntw ick­ lungsstufe, er suche nach dem W ege von Einzelnen ins Allgem eine — von Individuum zur Gem einde eine Sinnim m anenz in d er größten A llgem einheit - dem N ationalen. D er D ichter stünde m itten in der T rad itio n des Jüdischen und von d a aus u nternim m t er eine P robe d er größtm öglichen Ind iv id u a­ lisierung. E r liebt, wie es im Gespräch im Gebirg steht das „H eru n terb ren n e n der K erze“ , nicht die K erze selbst. In dem H eru n terb ren n en d er K erze findet C elan wohl eine Allegorie für den L ebensvorgang als E xistanz des Ichs. D er prozessuelle C harakter des H erunterbrennens schafft die M öglichkeit der Begegnung von Subiekten, die im Zeitlichen des H eru n terb ren n en s möglich ist. In d er bildhaften D arstellung der M eridianlinie ist eine deutliche A llegorie für den dichterischen W eg Celans enthalten, als das Suchen eines G renzbereichs, der G renzlinie der Begegnung. D as Jüdische bildet ab er den unersetzbaren H intergrund fü r ein solches D enken. Besonders soll dabei die Rolle des polnischen u n d u krainischen C hassidism us des 18. u n d 19. Ja h rh u n d erts beto n t w erden, d er wie es G ersholm Scholem b em erk t27, auch in R um änien einen festen F u ß gefaßt hat. Diese neue Bewegung ist das letzte Stadium d er jüdischen M ystik und w urde k u rz v or d er M itte des 18. Ja h rh u n d erts von dem berühm ten Heiligen und M ystiker Israel Baal-schem (gest. 1760) dem „M eister des heiligen N am ens“ ins Leben gerufen. D er russisch-polnische Chassidism us ist eine noch heute lebendige E rscheinung, die in den Schriften Sim on D ubnow s. M a rtin B ubers, S.A. H orodezkys, Jakob M inkins und zahlreicher anderer A u to re n28 ausführlich analysiert wurde. Sie ist als wirkende M a ch t für „ungezählte T ausende des jüdischen Volkes nicht hinw egzudenken“ . Schriften des Chassidim enthielten „m ehr an originellen G edanken als die Schriften ihrer rationalistischen G egner, der M askilim“ .29 D ie wiedergeborene hebräische K u ltu r „ h a tte aus dem E rbe des C hassidism us reiche A nregungen em pfangen“ , so weiter Scholem.30

Scholem zitiert A chad H aam , d er um 1900 eine K ritik der „m o d e rn e n “ hebräischen L iteratu r verfaßte:

26 F . R osenzw eig, Stern..., S. 327, zil. nach: P. M ay er, P aul Celan...

27 G . Scholem , Die jüdische M y s tik in ihren Hauptström ungen, F ra n k fu rt a .M . 1967, S. 356. 28 E b d .

29 E b d . 30 E bd.

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Z u u n serer B eschäm ung m üssen wir gestehen, d a ß wir, wenn wir h eu te n o ch einen Sch atten origineller heb räisch er L ite ra tu r finden wollen, uns d er chassidischen zuw anden m üssen, die neben all ihren P h antastereien hier und d a n o ch tiefe G e d a n k e n b ring t, die d e n Stem pel jüd isch er O rig in alität a n sich trag en , weit m eh r als dies in d er A u fk läru n g s­ lite ra tu r d er F all ist.31

Im A llgem einen h ab e „ d e r polnischrussische C hassidism us ännlich wie frühere lurianische K a b a lla und der Sabbatianism us die breiten K reise erfa ß t und deren L ebensform en von seinen Ideen her bestim m t“ , schreibt w eiter Scholem.32 D er Chassidism us stelle einen Versuch d a r, „diejenigen G e h a lte d e r K a b a lla , d ie p o p u lä re r W irk u n g fäh ig sin d , leb en d ig zu erhalten, wobei d er M assianism us als eine akute M a ch t elim iniert w erden sollte“ .33 Ein Zeugnis der A b k eh r von M essianism us ist die A nsicht des R a b b i B ar von M esseritz, des Schülers des Baal-schem , der die M einung v ertrat, d aß es leichter sei und „d aru m auch eher in d er M a ch t der F rom m en, G o tt im Exil zu dienen als in P alästina“ .34 M a n fü h rte einen neuen A sp ek t d er H eilserfüllung ein: „E rlösung, m eh r noch, Seligwerdung d er individuellen Seele“ .33 Schon R abbi Ja k o b Jo sef von Polna, d er erste chassidische T heologe schrieb, so w eiter Scholem : „ D ie E rh e b u n g der F u n k en [alte lurianische L ehre - M .O .] kan n n u r zur individuellen E rlösung führen, nicht aber zur m essianischen, die n u r von G o tt allein herbeigeführt und vollbracht w erden könne und nicht d urch m enschliche A k tio n“ .36 Die C habat-C hassidism us-Schule, so weiter Scholem, betone m it ganzem N a c h ­ d ru ck die psychologische Seite der M ystik.

D ie ganzen G eheim nisse der G o tth e il und ih rer u n endlichen E n th ü llu n g e n u n d V erk ­ leidungen und W elten, all d a s bek o m m t h ier g an z neue F ä rb u n g , indem es als m ysthis- che Psychologie v o rgelragen wird. In sich selbst d u rch m iß l d e r M ensch, w enn er in die T iefen seines eigenen Selbst h in ab ste ig l alle D im en sio n e n d er W elt. In sich selbst v erm ich let er alle Scheidew ände, die W elt v o n W elt u n d Stufe von Stufe tren n en . In sich selb st h e b t er d a s k reatü rlich e Sein auf, an n ih iliert as, um schließlich, ohne gleichsam au c h n u r einen S ch ritt ü b e r sich h in au s, in so genannte h ö h e re W elten g etan zu haben, zu entdecken, d a ß G o tt „alles m allem “ ist u n d „n ich ts au ß e r ihm “ . In dem er in jeder d er zahllosem Stufen d er th eosophischen W elt zugleich eiben Z u stan d en td eck te, in den die m enschliche Seele geraten k a n n , also gleichsam einen experim entell faß h a re n Z u stand, w u rd e ih m u n ter d er H an d die K a b a lla zu einem In stru m e n t p sy chologischer Vertiefung un d Selbstanalyse.37

31 A. H a a m , Techijjath ha-ruach in A l paraschath derachim, Vol. 2, S. 129, zit n ach : G. Scholem , D ie jüdische M ystik ..., S. 357.

32 E b d ., S. 361. 33 E bd. 34 E b d ., S. 362. 35 E bd. 3(5 E bd. 37 E b d ., S. 365 f.

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Zur P. Celans Rezeption der Tradition des Judaismus 145

D ie S ch riften d er großen T h eo retik er der C h a b ad -S ch u le h a b e n diese bew undernsw erte E inheit von enthusiastischer G ottesverehrung und p an- theistischer oder eher akosm itischer K o n zep tio n d er Beziehung von G o tt u n d Schöpfung einerseits und von leidenschaftlichem V ergrübeltsein in das persönlichste im M enschen, in die intim sten Regungen seines Seelenlebens andererseits festgestellt. „E tw as von dieser H altu n g lebt in d er ganzen chassidischen Bewegung, w enn die m eisten ihrer G ru p p e n nichts v o n der G o tt-T ru n k en h eit d er C habad-M ystik hab en wissen w ollen“ , schreibt Scho­ lem .3“ „S onst gilt aber von Chassidism us: w irklich w ichtig ist n u r d er Weg, die M y stik des persönlichen Lebens“ .39

Seine besondere F o rm h a t dem Chassidismus die Begründung einer religiö­ sen G em einschaft gegeben. Die M ystiker, die den m ystischen W eg in sich verw irklicht h atten , die „das G eheim nis d er w ahren „ D e b e k u th “ erfa h ren hatten, m it diesem ihren W issen, ihrer ,E th o s gew ordenen K a b a lla “ vor einfache L eute tra te n und an statt der persönlichsten aller W ege n u r fü r sich selbst zu geben, ih n allen M enschen guten W illens zu lehren u n tern ah m en“ .40

Begriffe, wie G ottesfurcht, D ienst, Liebe, G laube, D em ut, M ilde V ertrauen, ja selbst G rö ß e u n d H errschaft w urden m it ungeheuer lebendigem u n d sozial wirksam en In h a lt erfüllt. „ D er chassidische H eilige“ , schreibt Scholem ,

... v e rw a n d te all d ie S u b tilitä t des G efü h ls u n d die T iefe d e r E rk e n n tn is , d ie d e r nichtschassidische, o rth o d o x e K a b b a list fü r die E rg rü n d u n g d er th eo so p h isch en M y sterien b en ö tig te, a u f d ie E rg rü n d u n g d er ganzen Tiefe jen e r ethisch-Teügiösen Begriffe, d ie n u n m ystisch v e rk lä rt w u rd en [...]. W er den tiefsten G ra d v o n E in sam k eit erla n g t, h a t, wer w irklich im sta n d e ist, allein m it G o tt zu sein, d e r ist d a s eigentliche Z e n tru m d er G em einschaft, d er h a t den P u n k t erreicht, von dem au s alle w ah re G em ein sch aft m öglich wird. D ie C hassidim w aren unerschöpflich in geistreichen F o rm ulieru n g en dieses p a ra d o x e n V erhältnisses, F o rm u lieru n g en , d ie au s unendlich innigem G efühl geb o ren w a re n “ .41

Ins A uge fällt die, wie es Scholem bezeichnet,

G eschlossenheit d er individuellen chassidischen H eiligenfigur, d ie etw as d u rc h a u s N eues ist. D ie L e h re ist h ier ganz in P ersö n lich k eit v erw andelt, u n d w as d a d u rc h a n R a tio n a litä t v erlorenging, w u rd e a n W irk lich k eitsk raft gew onnen. D e r Z a d d ik w ird »selber1 zum T o ra . N ic h t m eh r sein W issen, so n d ern sein D asein v erleiht ihm religiösen W e rt“ .42 Mit aller D eutlichkeit unterstreicht Scholem , d aß „d er C hassidism us an das ursprüngliche G efühl im Ju d e n appelierte und es bis zu r E xtase h in au fzu t­ reiben suchte“ .43 38 E bd. 39 E bd. 40 E b d ., S. 375. 41 E b d ., S. 376. 42 E b d ., S. 377 f. 43 E b d ., S. 378.

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In Paul Celans Ansprache vor dem heräischen Schriftstellerverband findet m an ebenfalls M om ente, die a u f eine V erw andschaft m it dem C hassidism us hin weisen:

W ie n u r selten eine E m p findung, beherrscht m ich, nach allem G esehenen u n d G e h ö rte n d a s G efühl, d as R ichtige g etan zu h ab en - ich hoffe, n ich t n u r fü r m ich allein. Ich glaube einen B ergriff zu h aben von dem , w as jü d isch e E in sam k eit sein k a n n , u n d ich verstehe, in m itten von so vielem, au ch d en d a n k b a re n S tolz a u f jed es selbstgepflanzte G rü n , d as bereitsteh t, jed e n d er h ier vorb eik o m m t zu erfrischen; wie ich die F re u d e begreife üb er jedes n eu erw orbene, selbsterfüllte erfüllte W o rt, d a s herb eieilt d en ihm Z u g ew an d len zu stark en - ich begreife d a s in diesen Z eiten d er allenthalben w achsenden S elb stentfrem dung un d V erm assung. U n d ich finde hier, in dieser aü ß eren u n d inn eren L a n d sc h aft, viel von den W ahrheitszw ängen, d er Selbstevidenz und d er W eltoffenen Einm aligkeit g ro ß er Poesie.44 Celan spricht in seiner R ede von der jüdischen E inssam keit, von d er er „einen Begriff h a t“ u n d em pfindet zugleich das G efühl „das Richtige getan zu h a b e n “ , welches m it d er H offnung verbunden ist, „es nicht n u r fü r sich allein getan zu h ab en “ . Diese E instellung findet m an auch in d er Beziehung eines Z eddiks zu der G em einde w ieder, die p aradoxerw eise die tiefste E insam keit m it dem D ien st d er M itjuden verbindet. D ie „Selbsterfüllung des W o rtes“ , die Celan als dichterisches W o rt m eint, geschieht an alo g zu dem chassidischen W ege des M enschen zu G o tt - J e d e r für sich selbst“ .45

Es ist als die Suche nach der Id e n titä t im Inneren zu verstehen, welche der chassidischen Einheit m it G o tt46 in d er Persönlichkeit entspreche.

M a rek Ostrowski

O R E C E P C J r T R A D Y C JI J U D A IZ M U W D Z IE L E P A U L A C E L A N A

W arty k u le p o ru sz o n o pro blem sto su n k u znanego współczesnego p o ety , a u to r a Fugi

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żydowskiej Bukow iny. J e st to d la jego tw órczości fa k t o fu n d am en talny m zn aczeniu. Poeta p rzejm uje o d C h asydów cen traln ą kateg o rię, ja k ą je s t „ sam o tn o ść ” . W o k ó ł teg o pojęcia ro zw ija się jeg o p o ety k a.

44 P. C elan, Ansprache vor dem habräischen Schriftstellerverband, ln : d ers., Gesammelte

W erke..., Bd. 3, S. 203.

45 A. M arcu s, D er Chassidismus, Pieschen 1901, zit. nach: G . Scholem , Die jüdische

M y s tik ..., S. 381.

46 M it einem d e r G ru n d p ro b le m e d e r R eligionsgeschichte Israels - bildlosen V erehrung G o ttes - beschäftigt sich G ersh o m Scholem in seinem W erk Von der m ystischen G estalt der

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